Archiv für den Tag: 17. September 2014

AVICENNAS LOGIK – UND DAS LEIDEN DER AKTUELLEN WELT … MACHT DAS SINN?

1. Kein Mensch auf dieser Welt lebt isoliert, losgelöst von dem täglichen Geschehen.

2. Und schaut man sich um, dann gibt es im September 2014 überall, wo man hinschaut Baustellen, Notlagen, Herausforderungen, Elend, Unglücke, Leid in einem Ausmaß, das jedes normale Begreifen und Helfen können übersteigen kann und übersteigt.

3. Angefangen bei persönlichen Befindlichkeiten der einzelnen Menschen (Gesundheit, Beziehung, Arbeitsplatz oder nicht, tägliche Fahrwege, Ernährung, Kommune, Politik, Flüchtlinge, Alte, Kinder, Demente, ….) über kommunale und regionale Besonderheiten, Absurditäten der Bundespolitik, Fragmentarische Berichterstattungen, Abbau von Qualitätsjournalismus, Großlobbyismus der EU, Krieg in Ukraine, Syrien, Israel-Palästina, Raubzüge islamistischer Gruppen in Afrika, Militarisierung der US-Polizei und Kommunen, Zerstörung von demokratischen Strukturen in westlichen Ländern durch Politik, Sicherheitssysteme, global operierende Firmen, Korruption auf allen Ebenen, organisierte Kriminalität länderübergreifend, Menschenhandel, … kann man eine Liste von Problemen aufstellen, benennen, die so umfassend, groß, schrecklich, erschreckend ist, dass der ‚Keim zu Hoffnung, Leben, Glauben, Lieben‘ auf der Stelle zu ersticken droht.

4. Für die Menschen, die direkt betroffen sind durch Mord, Tod, Krankheit, Naturkatastrophen zählt sowieso nur noch der Augenblick, der Moment, das irgendwie den Schrecken überleben. Und dann braucht es Hilfe.

5. Hilfe benötigt Menschen, die Kraft haben, Zeit, nötige Mittel, das Wissen, Ressourcen, die richtige Einstellungen, die notwendige Sprache, die Kultur zum Verstehen ….

6. Vor allem, wenn man sich fragt, warum gibt es all dieses Leid? Warum bringen Menschen einander um? Warum werden andere Menschen zu Feinden? Warum können wirtschaftliche Prozesse aus Menschen gesichtslose ‚Figuren‘ machen, die man beliebig hin- und herschieben kann? Die man anstellt und feuert nach Belieben? Warum können die Reichen immer schneller immer reicher werdne und alle anderen immer schneller immer ärmer? Warum können kleine Gruppen von Menschen das Leben anderer in einer Region, in einem Land, gewaltsam, diktatorisch regieren? Warum können Russen sich das recht nehmen, andere Nationen zu beherrschen? Warum kann eine kommunistische Partei in China alle anderen beherrschen und umliegende Nationen und Völkern bedrohen? Warum kann ein amerikanisches Sicherheits-Militär-Wirtschaftssystem den Rest des Landes beherrschen? Warum Sind so viele Regierungen korrupt, verraten ihre eigene Bevölkerung? Warum gibt es so wenig Arbeit? Warum verteufeln Menschen andere nur wegen ihres Glaubens, ihrer Herkunft, ihres Aussehens?

6b. Wie ich schon in vorausgehenden Beiträgen (zuletzt im Beitrag Wie überwinden wir Menschen das Böse geschrieben habe, kommt das Böse über uns nicht als ein Unglück von außen, sondern das Böse wohnt in uns Menschen als ein Potential vergangener Zeiten. Die erste und größte Ursache des Bösen sind wir selbst als Menschen: unsere Ängste, unser mangelndes Wissen, unsere Triebe, Bedürfnisse, Leidenschaften, unsere Gier treibt uns an, Dinge zu tun, die andere schwächen, die anderen schaden, verletzen, quälen und töten.

7. Wenn wir die Umwelt zerstören, pflanzen und Tierarten ausrotten, Menschen daran hindern, zu wissen, zu verstehen, wir andere aufstacheln zu hassen, zu töten …. dann halten wir uns selbst davon ab, anderes zu sehen, anders zu verstehen, anders zu handeln. Das Böse kann man nicht dadurch heilen, dass man auch das Böse tut, dass man es kopiert, es wiederholt, wie ein Kaninchen auf die Schlange starrt, nein, das Böse kann man nur heilen, indem irgendwo auf dieser Welt einzelne Menschen anders fühlen, anders handeln, anders glauben, anders wissen und mit dieser ihrer Andersartigkeit die Dunkelheiten dieser Welt mit dem Licht des Lebens infizieren.

8. Die Revolution findet nicht ‚oben‘ statt, nicht ‚irgendwo‘, nicht an dem ‚anderen heilen‘ Ort, nein, die Revolution findet dort statt, wo jeder einzelne gerade ist, oder sie findet nirgends statt.

9. Entweder kann jeder mehr Wahrheit erkennen, kann jeder mehr lieben, mehr hoffen, kann jeder ehrlich sein, macht jeder seinen ‚Job‘ richtig, oder es findet nicht statt.

10. Deswegen ist der ‚Alltag‘, das Medium unseres täglichen Aufstehens, Fühlens, Redens, Arbeitens, Ausruhens usw., ist dieser Alltag, der unscheinbare, der erste und wichtigste Ort, wo Leben beginnt, entsteht, sichtbar wird. Das Unrecht, das Böse, der Krieg beginnt genau dort, wo wir an unserem Alltag scheitern, oder, anders, er findet nicht statt.

11. Wenn unsere Kinder nicht das lernen können, was sie für das Leben brauchen, wenn wir nicht die Informationen und Kommunikationen haben, die uns befähigen, die Welt zu sehen, wie sie tatsächlich ist oder werden sollte; wenn die Rechtssysteme uns keinen persönlichen Raum garantieren können, in dem wir verlässlich Leben gestalten können; wenn die ‚Dinge des Lebens‘ uns fehlen oder abhanden kommen….hier fängt das Leben an.

12. Und wenn es passiert, dass Menschen z.B. mit Berufung auf die Thora oder die Bibel oder den Koran anderen Menschen das Leben als Menschen absprechen, dann hat das Leben im Ansatz verloren, da die Quelle von Wissen, Wahrheit, Liebe in den Menschen selbst zerstört ist. Wenn Im Namen der Sicherheit alle Freiheiten aufgehoben werden, dann gibt es keinen Alltag mehr, der wahres Leben zulässt; wenn im Namen von reinem Gewinn und Profit der Wert von Menschen grundsätzlich aufgehoben wird, dann ist das Leben im Ansatz ausgelöscht.

13. Aber, wo soll es herkommen das Wissen um das ‚richtige‘, um das ‚bessere‘ Leben?

14. Wenn wir in die Geschichte schauen, dann kamen all die Dinge, die unser Leben ’schön‘ und ‚besser‘ gemacht haben, von Menschen, die ihre Leben, ihre Kraft, ihre Fantasie, ihr Wissen dem Verstehen und dem Verändern von Welt gewidmet hatten. Die untersucht, geforscht, probiert, erfunden, gestaltet usw. haben, meist unter schwierigsten Bedingungen.

15. Ein Avicenna war – soweit wir heute wissen – aufgrund der Stellung seines Vaters sicher für seine Zeit sehr ‚privilegiert‘, aber er hat seine Privilegien dazu benutzt, zu lesen, zu lernen, nachzudenken, zu forschen und wurde zu einem der größten Ärzte vieler Jahrhunderte; er konnte mit dazu beitragen, dass unzählig viele Menschen aufgrund dieses erarbeiteten Wissens weniger leiden mussten, nicht zu früh sterben mussten. Und, obwohl er mit seinem medizinischen ‚Job‘ mehr als ausgefüllt war (und sich im Alltag beständig neu nach entsprechenden Förderern und Gönnern umsehen musste, um überhaupt forschen zu können), studierte er in höchster Intensität viele hundert philosophisch-theologische Texte, redete mit vielen anderen Forschern, um zu verstehen (!), was denn unser Wissen, unser Denken überhaupt ist. Woher kommt unser Wissen, wie entsteht es, wie funktioniert es, dass wir die Welt interpretieren, dass wir sie so interpretieren, dass wir Recht erlassen, andere Völker bekriegen usw.? Was ist dieses Wissen, das uns zum Bösen wie zum Guten leiten kann?

16. Er war einer der klügsten Menschen seiner Zeit, und doch wusste er nicht alles, verstand manches nicht richtig (so sieht es für uns aus auf der Basis dessen, was wir unser Wissen nennen).

17. Dennoch, zum Ringen um das richtige Wissen, zum Ringen um das richtige Fühlen, zum Ringen um den ‚richtigen Lebenswandel‘ gibt es keine Alternative. Wenn wir nicht dort, wo wir gerade sind, das Leben ‚besser‘ leben, indem wir dort, wo wir sind, das Richtige erkennen, glauben, fühlen, wollen, entscheiden, dann wird das ‚richtige‘, das ‚bessere‘ Leben einfach nicht stattfinden. Wir selbst, jeder, wir alle, wir sind das Leben, das stattfinden kann (und vermutlich auch stattfinden soll), und die Grenzen unseres Körpers, unseres Alltags sind die Grenzen des Lebens. Es kann keine Ausreden geben.

18. Natürlich sind die Rahmenbedingungen bei den Menschen verschieden, das war schon immer so; aber diese Verschiedenheit kann keine Ausrede sein, das Leben dort und so nicht zu beginnen, wie wir es können. Wir können uns austauschen, können uns helfen, aber wir leben unter Rahmenbedingungen, die z.T.real objektiv sind. Darüber zu lamentieren bringt nichts, ändert nichts. Stattdessen müssen wir das Leben, wie es ist und sein kann, befördern. Jeder hat etwas eigenes einzubringen. In der Gemeinsamkeit heben sich Unterschiede auf, werden Unterschiede zu Vielfalt, zum Reichtum, entstehen neue großartige Dinge, die vorher niemand gesehen hat.

19. Deswegen lese ich Avicennas Text, denke darüber nach, versuche ich das Bild des Wissens, das er hatte, mit den Fragmenten, die wir heute haben, zusammen zu bringen; versuche zu verstehen, was unser Wissen ist, was es zusammen hält, prägt, steuert, so dass wir damit die Welt sehen, wie wir – im Lichte unseres aktuellen Wissens – glauben, dass sie ist. Für jeden von uns – Deutsche, Europäer, Chinesen, Russen, US-Amerikaner, Brasilianer, Afrikaner … — gelten hier die gleichen Bedingungen und Gesetze. Wir alle sind zum Leben berufen. Wir alle müssen uns jeden Tag neu entscheiden, wo wir stehen, was wir wollen. Das Leben ist keinesfalls beliebig, Wahrheit gibt es wirklich. Freude ist natürlich.

20. Wenn ich keinen Krieg will, dann muss ich lernen, richtig zu leben und dies allen zu zeigen, alle teilnehmen lassen. Lesen, Nachdenken, Schreiben, Reden, Miteinander, Malen, Musik machen, …. dies alles macht Sinn, sind die Grundbausteine. Die Liebe zu leben wird nicht schlecht, weil andere diese Liebe verlernt haben oder – schlimmer – niemals Gelegenheit hatten, sie zu erleben.

21. Wenn der ‚weiße Ritter‘ USA vor lauter Angst um sich selbst alle seine demokratischen Wert ausverkauft, im Alltag zu Billigstpreisen verschleudert, dann ist dies kein Grund, dies nachzuahmen. Das Leben muss man lieben, nicht verachten. Es fängt bei jedem einzelnen an, bei Dir und bei mir. Willst du leben, dann schaffe Licht.

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