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MESSEN IM ALLTAG. Feuchtigkeit in der Wohnung. Was halt so passieren kann …

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 8.April 2023 – 10.Juni 2023
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (cagent@cognitiveagent.org)

—!!! Noch nicht fertig !!!—

  1. Ergänzung 10.Juni 23: Messvergleich; Überlegungen

KONTEXT

Ein ganz normales Ereignis im Alltag hat dazu geführt, dass ich mit der Frage „Wie messe ich X“ konfrontiert wurde. Das Ereignis war ein plötzlicher Schimmelbefall an einer bestimmten Stelle der Wohnung, der sich relativ schnell mit einem größeren Wasserschaden im benachbarten Keller in einen kausalen Zusammenhang bringen lies. Unklar blieb, wie viel zusätzliche Feuchtigkeit sich überhaupt in der Wohnung gebildet hatte, da man diese Feuchtigkeit nicht so ohne weiteres mit bloßem Auge sehen kann.

Natürlich kamen offiziell zwei Experten einer Fachfirma, die die gesamte Teilwohnung untersuchten, die Rohrsysteme überprüften, und allerlei weitere Messungen vornahmen.

Unabhängig davon, was diese Experten gemessen haben, stellte sich mir die Frage, wie man die Feuchtigkeit überhaupt einigermaßen ‚messen‘ kann. Ich startete also das Alltagsprojekt ‚Messen der Feuchtigkeit in der Wohnung‘.

EINLEITUNG

Das Thema ‚Wissenschaftsphilosophie (in Deutschland oft auch ‚Wissenschaftstheorie‘ genannt) gehört ja von Anbeginn zu diesem Blog.

Ein Teilgebiet der Wissenschaftsphilosophie ist die Frage nach dem, was man unter einem ‚Messvorgang‘ zu verstehen hat.

Während die Menschen schon immer ‚irgendwie‘ gemessen haben, hat erst das Aufkommen der modernen Wissenschaftsphilosophie (seit ca. 19.Jahrhundert) dazu geführt, dass man das Messen zu formalisieren suchte, und dies nicht isoliert, sondern man sah das Messen als Teil eines modernen Konzeptes von empirisches Theorie (so ca. im Übergang vom 19. zum 20.Jahrhundert). Eine solche integrative Sicht machte das Unterfangen einer Formalisierung nicht leichter, da bis heute die Diskussion darüber, was man denn unter einer ‚empirischen Theorie‘ verstehen sollte, nicht endgültig entschieden ist.

Um mich jetzt nicht in die vielen Grundlagendiskussionen zu verstricken, die hier im Gange sind, versuche ich den Problemraum klein zu halten und betrachtet nur die wichtigsten Elemente im praktischen Prozess des Messens.

Messen als Vergleich

Der Grundgedanke des Messens war schon immer, etwas ‚Bekanntes‘ (ein ‚Referenzobjekt‘, ein ‚Standard‘, …) mit etwas ‚Unbekanntem‘ so zu ‚vergleichen‘, dass das bislang ‚Unbekannte‘ im ‚Lichte des Bekannten‘ ‚gedeutet‘ werden kann. Also ‚Dieser Sack da, wie viele kg wiegt er?‘, ‚Diese Tischkante: Wie viele m ist sie lang?‘, usw.

Mathematiker sprechen in diesem Zusammenhang dann gerne von einer ‚Abbildung‘: man ordnet die Elemente einer Menge M einer Menge N und einer Menge Z zu, also z.B. M=Objekte, deren Gewicht bestimmt werden soll, N=Die Menge mit Objekten, deren Gewicht bekannt ist, Objekt, und Z=eine Menge von rationalen Zahlen. Als Formel z.B.: MESSEN : N —–> Z x N. Die Details, wie man in der Realität solch eine Abbildung realisieren kann, werden durch einen ‚Prozess‘ bestimmt, den man beschreiben und praktisch erlernen muss. Also, wenn man formal hinschreibt MESSEN(n)=(3.5, kg), dann muss eine Person in der realen Welt wissen, wie man ein ‚zu messendes Objekt n‘ durch ein bestimmtes ‚Verfahren‘ mit einem Referenzobjekt so in Beziehung setzt, dass man einen numerischen Wert zusammen mit der jeweiligen Einheit (z.B. ‚kg‘) erhält, der sagt, wie viel mal das zu bestimmende Objekt dem Referenz-Objekt ‚entspricht‘. Dieser Messprozess sollte darüberhinaus so sein, dass jeder andere diesen Messprozess auch so anwenden könnte, dass er beim gleichen Objekt den gleichen Wert erhält.

Bekannte Verfahren zum Bestimmen eines Gewichts sind z.B. ‚Balken-Waagen‘, die dann im ‚Gleichgewicht‘ sind, wenn das Gewicht auf der zu bestimmenden Seite dem entspricht,was die Seite mit den ‚Objekten mit bekanntem Gewicht‘ entspricht, oder eine ‚Federwage‘, bei der die Ausdehnung einer Feder entsprechend dem ‚Gewicht‘ eines zu bestimmenden Objektes ‚kalibriert’/ ‚geeicht‘ wurde.

Durch das Voranschreiten von Technologie in Verbindung mit dem Fortschreiten der Naturwissenschaften haben sich mittlerweile aber sehr viele Detailkenntnisse entwickelt, sehr viele neue Materialien und technische Vorrichtungen, so dass nahezu alle wichtigen Messverfahren mittlerweile mit einer Vielzahl von technischen Prozessen vorgenommen werden, die jeweils erhebliche Sachkenntnisse voraus setzen.

Wie messen wir Feuchtigkeit?

Ein allgemeines Grundlagenwerk zum Thema ‚Materialfeuchte‘ von Klaus Kupfer und anderen [2] ist seit einiger Zeit vergriffen. Die knappen Hinweise in dem Wikipedia-Beitrag zur Materialfeuchte lassen aber schon ansatzweise erahnen, dass der Begriff vielschichtig ist und sich nicht so einfach in Messprozessen erschließt.[3]

Im Kern geht es um die Menge des in einem Feststoff enthaltenen freien Wassers.

Im Fall des Messens von Feuchtigkeit kann man zwei Schritte unterscheiden: (i) einen qualifizierten Hinweis zur Lokalisierung von Feuchtigkeit oder Feuchtigkeitsverteilung, und (ii) dann Verfahren, die absolute Messwerte gewinnen, indem z.B. eine Materialprobe von diesen Stellen entnommen wird. Exakte Verfahren zur Bestimmung der Feuchtigkeit anhand einer Materialprobe sind z.B. das ‚Darr-Verfahren‘ [4] und die CM-Methode (Calcium-Carbid-Verfahren) [5].

Für mein Experiment im Alltag stehen solche exakten Verfahren nicht zur Verfügung. Ich kann also nur versuchen, ob man mit einem geeigneten Messgerät wenigstens gute Hinweise für das Vorhandensein einer Feuchtigkeit erhält, also Schritt (i).

Eine verbreiteter Typ von einfachen Messgeräten zum Indizieren von Feuchtigkeit sind jene Messgeräte, die mit Hilfe von einem Kondensator [6] die ‚dielektrische Leitfähigkeit‘ eines Materials [7] ausnutzen. Ich probiere versuchsweise das BM31 der Firma Trottec aus. Dazu schreibt Trottec in der Bedienungsanleitung: „Das dielektrische Messverfahren ist eine indirekte
Messmethode, bei der über die dielektrische Veränderung des Messguts auf dessen Feuchtegehalt zurückgeschlossen wird.“([8],S.6)

Kalibrieren des Messgerätes

Ausgangspunkt für die weiteren Aktionen ist die Feststellung aus der Betriebsanleitung, dass über die ‚dielektrische Veränderung des Messguts‘ auf dessen Feuchtegehalt zurück geschlossen wird.

Es fragt sich, was wird angezeigt, wenn das Messgerät einen Wert zwischen ‚0‘ und ‚100‘ anzeigt? Es heißt dazu „Die angezeigten Messwerte sind sogenannte einheitslose
Digit-Werte zwischen 0-100. Es handelt sich nicht um Feuchteangaben in Masse-oder Volumen-%! Die Höhe des Messwertes ergibt sich aus der ermittelten dielektrischen Konstante des Messguts. Trockene Luft hat eine Konstante von 1, Wasser hat eine von 80. Je mehr
Feuchtigkeit also im Material enthalten ist, desto höher der angezeigte Messwert.“
([8],S.6)

Es macht also Sinn, das Gerät mit der Luft (=1) zu kalibrieren, und es dann auf ein Material anzuwenden, das in der Regel mit seiner dielektrischen Konstante von ‚1‘ abweicht. Dabei ist zu beachten, dass sich die dielektrische Konstante eines Materials je nach Veränderungen des Materials oder je nach ‚Umgebung des Messkopfs‘ verändern kann. Je näher z.B. eine Hand oder ein Körperteil dem Messkopf kommt, umso stärker wirkt sich der hohe Wasseranteil — und das elektrische Feld — des Körpers auf die Messung aus. Würde man den Messkopf direkt auf die Innenseite der Hand ansetzen, dann würde das Gerät ‚100‘ anzeigen!

Im Übrigen sollte man bedenken, dass eine Kalibrierung ‚im freien Feld‘ nicht vergleichbar ist mit einer Kalibrierung in einem Labor. ‚Im freien Feld‘, also im Alltag, in irgend einem Raum, hat man auf jeden Fall ein gewisses Maß an Ungenauigkeiten.

Für die Kalibrierung heißt es in der Bedienungsanleitung: „Die erste Messung nach Einschalten ist automatisch eine Messung zur Kalibrierung.

  1. Fassen Sie das Messgerät möglichst weit hinten an und
    halten Sie es in einer Hand (geriffelte Gummierung).
  2. Richten Sie das Messgerät vom Körper und jeglichen
    Gegenständen abgewandt in den freien Raum.“
    ([8],S.6)

Schon bei diesem ersten Schritt einer Messung kann es leicht Veränderungen geben. Ich habe das einfach mal durchgespielt. In der Experimentieranordnung habe ich zunächst 3 Substrate (Holzplatte, Steinplatte, Porzellanteller) einigermaßen isoliert gemessen, dann Kombinationen von diesen:

  1. HOLZPLATTE: 5 Messungen mit jeweils 5 Messwerten. Die Messungen lagen zwischen 15 und 21. Der Mittelwert war ca. 18, der Mittelwert der Abweichungen war ca. 2,4, was etwa einer Abweichungen von +/- 13% entspricht.
  2. STEINPLATTE (KACHEL): 5 Messungen mit jeweils 5 Messwerten. Die Messungen lagen zwischen 8 und 12. Der Mittelwert war ca. 10, der Mittelwert der Abweichungen war ca. 0,7, was etwa einer Abweichungen von +/- 5.8% entspricht.
  3. PORZELLANTELLER: 5 Messungen mit jeweils 5 Messwerten. Die Messungen lagen zwischen 9 und 13. Der Mittelwert war ca. 11, der Mittelwert der Abweichungen war ca. 1,2, was etwa einer Abweichungen von +/- 10,2% entspricht.
  4. STEINPLATTE (KACHEL) auf HOLZ: 5 Messungen mit jeweils 5 Messwerten. Die Messungen lagen zwischen 18 und 22. Der Mittelwert war ca. 20, der Mittelwert der Abweichungen war ca. 1,4, was etwa einer Abweichungen von +/- 7% entspricht.
  5. PORZELLANTELLER auf HOLZ: 5 Messungen mit jeweils 5 Messwerten. Die Messungen lagen zwischen 14 und 17. Der Mittelwert war ca. 15,5, der Mittelwert der Abweichungen war ca. 0,9, was etwa einer Abweichungen von +/- 5,8% entspricht.
  6. PORZELLAN auf STEINPLATTE (KACHEL) auf HOLZ: 5 Messungen mit jeweils 5 Messwerten. Die Messungen lagen zwischen 15 und 18. Der Mittelwert war ca. 16,5, der Mittelwert der Abweichungen war ca. 0,8, was etwa einer Abweichungen von +/- 4,8 % entspricht.
  7. STEINPLATTE (KACHEL) auf PORZELLANTELLER auf HOLZ: 5 Messungen mit jeweils 5 Messwerten. Die Messungen lagen zwischen 13 und 16. Der Mittelwert war ca. 14,5, der Mittelwert der Abweichungen war ca. 0,5, was etwa einer Abweichungen von +/- 3,4 % entspricht.

Was man unschwer erkennen kann ist, dass (i) jedes Substrat seinen eigenen ‚charakteristischen Wert‘ hat, und dass (ii) bei Kombination verschiedener Substrate diese sich in ihren Wirkungen ‚überlagern‘ und andere Wette bewirken als wenn sie isoliert gemessen würden.

Für das Messen ‚im freien Feld‘, sprich ‚in der Wohnung‘, wo sich viele Materialien überlagern können, ist die Bedeutung des ’nackten Zahlenwertes‘ auf dem Messgerät zunächst mal unklar. Einen Hinweis auf irgendeine ‚Veränderung des Feuchtigkeitswertes‘ kann man auf diese Weise nicht direkt gewinnen.

Damit ergibt sich die Frage, wie man überhaupt so messen kann, dass man brauchbare Hinweise (keine direkten absoluten Werte!) für eine mögliche Veränderung des Feuchtigkeitsgehaltes erfassen kann, die tatsächlich auf einen ungewöhnlichen Wasservorfall hindeuten könnten.

In der Tat gibt es eine mögliche Messstrategie, diese stellt aber einige Anforderungen, deren Einhaltung wichtig ist.

Jetzt wird’s ernst 🙂

Vergleich ‚Trocken‘ (Küche) zu ‚Feucht‘ (Treppe unten)

Nach den Vorüberlegungen und Kalibrierungstests jetzt eine erste Anwendung auf den Boden der kleinen Küche (angenommen als trocken) und den Boden der Wendeltreppe unten (angenommen als feucht).

Die Messwerte in der folgenden Tabelle:

Es gab eine erste Messung am 12.4.23 (schwarze Farbe) und dann nochmals eine Messung am 22.4.23. (rote Farbe). Der einzig bekannte Unterschied zwischen beiden Messungen besteht darin, dass vor JEDER Messung (mit jeweils 5 Messungen in Folge) das Gerät kalibriert worden ist.

MESSWERTE IM UNTERGESCHOSS TREPPE VORNE

Die Messwerte finden sich in der folgenden Tabelle. Die Wette aus der Messung am 12.4.23 sind in schwarzer Farbe, die vom 22.4.23 in roter Farbe. Wie im Fall der zwei Messungen in der Küche besteht der einzig bekannte Unterschied zwischen beiden Messungen darin, dass am 22.4. vor JEDER Messung (mit jeweils 5 Messungen in Folge) das Gerät kalibriert worden ist.

Wiederholung der Messungen 7 Tage später. Schriftfarbe in rot.

Man kann erkennen, dass die Extremwerte (Min, Max) nach 7 Tage geringfügig niedriger sind, ebenso die Durchschnittswerte aller Messungen. Aufgrund der allgemeinen Messungenauigkeit sollte man dies aber nicht überbewerten.

MESSWERTE IM UNTERGESCHOSS TREPPE HINTEN

Die Zahlen in den beiden Fotos repräsentieren ZEILEN (1-5) und SPALTEN (1-7) in der folgenden Tabelle.

Jeder Messpunkt repräsentiert den Mittelwert von 5 Messungen. Vergleicht man diese Messwerte des Treppenbodens unten mit den Messwerten aus der Küche, dann sind die Messwerte der Treppe vorne leicht höher als die Messwerte in der Küche, die Werte der Treppe hinten nicht.

Untersuchung der Wände

Nach der Untersuchung des Bodens, der nicht wirklich etwas Auffälliges erbracht hat — vielleicht in der Mitte des vorderen Teils ein wenig –, habe ich mir die Wände etwas genauer angeschaut, da diese teilweise extrem hohe Werte anzeigten.

Ich habe im Uhrzeigersinn 21 Messpunkte festgelegt, die — ausgenommen die kleinen Ecken (1,2, 20,21) im gleichmäßigen Abstand von 20 cm liegen. Zu jedem Messpunkt wurde dann die darüber liegende Wand von 100 – 60 cm im Abstand von 10 cm gemessen, entsprechend von 30 – 10 cm plus dem jeweiligen Bodenpunkt.

Sämtliche Messwerte finden sich hier:

Dazu gibt es eine einfache Liniengrafik, die alle Messpunkte einer bestimmten Höhe anzeigt:

MESSVERGLEICH 25./26.April 23 mit 10.Juni 23

Nachdem ein offizieller Sachverständiger Anfang Mai sich alles angeschaut hat, einen ausführlicher Bericht geschrieben und notwendige Maßnahmen beschrieben hatte, trat bei der Versicherung ein großes Schweigen ein. Dies dauert an.

Die interessante Frage als Laie war, ob die Hypothese stimmt, dass das ‚Eindringen von Wasser‘ zeitlich auf einen Schaden im Keller befristet war oder ob weiter Feuchtigkeit eindringt. Alle bisherigen Messungen (einige in den angrenzenden Räumen wurde bislang nicht hier im Blog veröffentlicht) deuteten darauf hin, dass derjenige Raumbereich, der dem unterstellten Wasser am nächsten liegt, jener Wandbereich ist, der von der Wendeltreppe aus in einem bestimmten Wandbereich aufgrund der Messwerte auffällt (Messpunkte 1 – 13).

Es liegt nahe, speziell die Messwerte für die Messpunkte 1 – 13 durch neue Messungen zu überprüfen. Es wurde genau so gemessen wir zuvor (siehe oben).

Die Ergebnisse sind verblüffend.

Hier zunächst die neuen Messwerte.

BODEN10 cm20 cm30 cm60 cm70 cm80 cm90 cm100 cm
MESSPUNKTE
19389726447363431
29480665244525223
34118171617182016
44019191516151514
57321211515161615
65626161527201715
76351416372544920
85946366158594821
97024182824253320
104418151620202416
114420161920212217
124020211920171915
13251514
Neue Messwerte vom 10.Juni 2023

Man sieht direkt, dass die neuen Messwerte z.T. deutlich niedriger sind als die alten Messwerte. Eine einfache Möglichkeit, diesen Unterschied zu quantifizieren, ist der, dass man von allen ‚Höhenlinien‘ den einfachen Mittelwert bildet und dann diese Mittelwerte vergleicht:

Mittelwert Spalten neu57,134,428,631,931,729,429,118,6
Differenz numerisch23,446,154,841,339,636,728,79,6
%-Anteil Unterschied Mittelwerte29,157,365,756,455,555,549,734,0
BODEN10 cm20 cm30 cm60 cm70 cm80 cm90 cm100 cm
MESSPUNKTE
1263487837776653440
2269281877776776950
335,57785927575796123
4388082847979814419
5469160917877745618
6359381778076767756
7379290787675677828
8328584828185738326
9387580907978838523
10408480928583788026
11498384836575563116
123883778262482831,519
13367775633823222222
Mittelwert Spalten alt80,580,583,473,271,266,157,828,2
Alte Messwerte und Vergleichszahlen mit neuen Messwerten

Die Mittelwerte der Spalten mit den neuen Messwerten sind zwischen 30% und 65% niedriger als die Spalten mit den alten Messwerten, im Schnitt 35%. Nach ca. 4 Wochen ist dies ein markanter Wert. Dies würde die Hypothese bestärken, dass kein neues Wasser eingedrungen ist und sich die Feuchtigkeit verringert (Es fragt sich, in welcher Form wohin? Nur über Verdunstung?).

Auffällig sind nur die Messpunkte 1-2. Diese sind mit der vermuteten Eindringstelle des Wassers eigentlich nur über den Boden verbunden. Dennoch haben diese Messwerte nicht abgenommen, haben sich eher erhöht.

—!!! Noch nicht abgeschlossen !!!—

ANMERKUNGEN

wkp := Wikipedia, de := Deutsch

[1] Siehe zu ‚Rationale Zahlen‘ wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Rationale_Zahl

[2] Klaus Kupfer: Materialfeuchtemessung – Grundlagen, Messverfahren, Applikationen, Normen. Renningen-Malmsheim:expert-Verlag, 1997, ISBN 3-8169-1359-8, (Kontakt & Studium 513)

[3] Siehe zu ‚Materialfeuchte‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Materialfeuchte

[4] Darr-Methode: http://www.enertec-bauphysik.de/index.php/de/features/labortechnik/85-leistungen/labor/130-darr

[5] CM-Methode = Calcium-Carbid-Verfahren: https://de.wikipedia.org/wiki/Calciumcarbid-Verfahren

[6] Siehe zu ‚Kapazitiver Sensor‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Kapazitiver_Sensor

[7] Sie zu ‚Permittivität‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Permittivit%C3%A4t

[8] Firma Trottec BM31 Bedienungsanleitung: https://de.trotec.com/fileadmin/downloads/Messgeraete/Feuchte/BM31/TRT-BA-BM31-TC-002-DE.pdf

Buch: Die andere Superintelligenz. Oder: schaffen wir uns selbst ab? – Kapitel 3-neu

VORBEMERKUNG: Der folgende Text ist ein Vorabdruck zu dem Buch Die andere Superintelligenz. Oder: schaffen wir uns selbst ab?, das im November 2015 erscheinen soll.

Hinter den Augen …

Das eingesperrte Gehirn

Die Antwort auf die Frage, warum Menschen so unterschiedlich wahrnehmen, warum sie dies tun und anderes lassen, liegt irgendwo da im ‚Inneren‘ des Menschen, dort, hinter seinen Augen, hinter seinem Gesicht, das mal lächelt, mal weint, mal zürnt; dort gibt es ‚geheimnisvolle Kräfte‘, die ihn, uns, Dich und mich, dazu bringen uns so zu verhalten, wie wir es erleben.

Wie die moderne Biologie uns in Gestalt der Gehirnforschung lehrt, ist es vor allem das Gehirn, in dem ca. 100 Milliarden einzelne neuronale Zellen miteinander ein Dauergespräch führen, dessen Nebenwirkungen die eine oder andere Handlung ist, die wir vornehmen.

Wenn wir uns auf die moderne Biologie einlassen, auf die Gehirnwissenschaft, erkennen wir sehr schnell, dass das Gehirn, das unser Verhalten bestimmt, selbst keinen Kontakt mit der Welt hat. Es ist im Körper eingeschlossen, quasi abgeschottet, isoliert von der Welt jenseits des Körpers.

Das Gehirn bezieht sein Wissen über die Welt jenseits der Gehirnzellen von einer Art von ‚Mittelsmännern‘, von speziellen Kontaktpersonen, von Übersetzern; dies sind unsere Sinnesorgane (Augen, Ohren, Haut, Geschmackszellen, Gleichgewichtsorgan, die bestimmte Ereignisse aus der Welt jenseits der Gehirnzellen in die ‚Sprache des Gehirns‘ übersetzen.(Anmerkung: Siehe: Sinnesorgan, Sensory Receptor, Sensory System)

Wenn wir sagen, dass wir Musik hören, wunderschöne Klänge, harmonisch oder dissonant, laut oder leise, hoch oder tief, mit unterschiedlichen Klangfarben, dann sind dies für das Gehirn ’neuronale Signale‘, elektrische Potentialänderungen, die man als ‚Signal‘ oder ‚Nicht-Signal‘ interpretieren kann, als ‚An‘ oder ‚Aus‘, oder einfach als ‚1‘ oder ‚0‘, allerdings zusätzlich eingebettet in eine ‚Zeitstruktur‘; innerhalb eines Zeitintervalls können ‚viele‘ Signale auftreten oder ‚wenige‘. Ferner gibt es eine ‚topologische‘ Struktur: das gleiche Signal kann an einem Ort im Gehirn ein ‚Klang‘ bedeuten, an einem anderen Ort eine ‚Bild‘, wieder an einem anderen Ort ein ‚Geschmack‘ oder ….

Was hier am Beispiel des Hörens gesagt wurde, gilt für alle anderen Sinnesorgane gleichermaßen: bestimmte physikalische Umwelteigenschaften werden von einem Sinnesorgan so weit ‚verarbeitet‘, dass am Ende immer alles in die Sprache des Gehirns, in die neuronalen ‚1en‘ und ‚0en‘ so übersetzt wird, so dass diese Signale zeitlich und topologisch geordnet zwischen den 100 Mrd Gehirnzellen hin und her wandern können, um im Gehirn Pflanzen, Tiere, Räume, Objekte und Handlungen jenseits der Gehirnzellen neuronal-binär repräsentieren zu können.

Alles, was in der Welt jenseits des Gehirns existiert (auch die anderen Körperorgane mit ihren Aktivitäten), es wird einheitlich in die neuronal-binäre Sprache des Gehirns übersetzt. Dies ist eine geniale Leistung der Natur(Anmerkung: Dass wir in unserem subjektiven Erleben keine ‚1en‘ und ‚0en‘ wahrnehmen, sondern Töne, Farben, Formen, Geschmäcker usw., das ist das andere ‚Wunder der Natur‘.) (siehe weiter unten.).

Die Welt wird zerschnitten

Diese Transformation der Welt in ‚1en‘ und ‚0en‘ ist aber nicht die einzige Übersetzungsbesonderheit. Wir wissen heute, dass die Sinnesinformationen für eine kurze Zeitspanne (in der Regel deutlich weniger als eine Sekunde) nach Sinnesarten getrennt in einer Art ‚Puffer‘ zwischen gespeichert werden. (Anmerkung: Siehe Sensory Memory) Von dort können sie für weitere Verarbeitungen übernommen werden. Ist die eingestellte Zeitdauer verstrichen, wird der aktuelle Inhalt von neuen Daten überschrieben. Das voreingestellte Zeitfenster (t1,t2) definiert damit, was ‚gleichzeitig‘ ist.

Faktisch wird die sinnlich wahrnehmbare Welt damit in Zeitscheiben ‚zerlegt‘ bzw. ‚zerschnitten‘. Was immer passiert, für das Gehirn existiert die Welt jenseits seiner Neuronen nur in Form von säuberlich getrennten Zeitscheiben. In Diskussionen, ob und wieweit ein Computer das menschliche Gehirn ’nachahmen‘ könnte, wird oft betont, der Computer sei ja ‚diskret‘, ‚binär‘, zerlege alles in 1en und 0en im Gegensatz zum ‚analogen‘ Gehirn. Die empirischen Fakten legen hingegen nahe, auch das Gehirn als eine ‚diskrete Maschine‘ zu betrachten.

Unterscheiden sich die ‚Inhalte‘ von Zeitscheiben, kann dies als Hinweis auf mögliche ‚Veränderungen‘ gedeutet werden.

Beachte: jede Sinnesart hat ihre eigene Zeitscheibe, die dann vom Gehirn zu ’sinnvollen Kombinationen‘ ‚verrechnet‘ werden müssen.

Die Welt wird vereinfacht

Für die Beurteilung, wie das Gehirn die vielen unterschiedlichen Informationen so zusammenfügt, auswertet und neu formt, dass daraus ein ’sinnvolles Verhalten‘ entsteht, reicht es nicht aus, nur die Gehirnzellen selbst zu betrachten, was zum Gegenstandsbereich der Gehirnwissenschaft (Neurowissenschaft) gehört. Vielmehr muss das Wechselverhältnis von Gehirnaktivitäten und Verhaltenseigenschaften simultan betrachtet werden. Dies verlangt nach einer systematischen Kooperation von wissenschaftlicher Verhaltenswissenschaft (Psychologie) und Gehirnwissenschaft unter der Bezeichnung Neuropsychologie. (Anmerkung: Siehe Neuropsychology)

Ein wichtiges theoretisches Konzept, das wir der Neuropsychologie verdanken, ist das Konzept des Gedächtnisses. (Anmerkung: Memory) Mit Gedächtnis wird die generelle Fähigkeit des Gehirns umschrieben, Ereignisse zu verallgemeinern, zu speichern, zu erinnern, und miteinander zu assoziieren.

Ausgehend von den oben erwähnten zeitlich begrenzten Sinnesspeichern unterteilt man das Gedächtnis z.B. nach der Zeitdauer (kurz, mittel, unbegrenzt), in der Ereignisse im Gedächtnis verfügbar sind, und nach der Art ihrer Nutzung. Im Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis kann eine kleine Zahl von Ereignissen im begrenzten Umfang verarbeitet und mit dem Langzeitgedächtnis in begrenztem Umfang ausgetauscht werden (speichern, erinnern). Die Kapazität von sinnespezifischen Kurzzeitspeicher und multimodalem Arbeitsgedächtnis liegt zwischen ca. 4 (im Kurzzeitgedächtnis) bis 9 (im Arbeitsgedächtnis) Gedächtniseinheiten. Dabei ist zu beachten, dass schon im Übergang vom oben erwähnten Sinnesspeichern zum Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis eine starke Informationsreduktion stattfindet; grob von 100% auf etwa 25%.

Nicht alles, was im Kurz- und Arbeitsgedächtnis vorkommt, gelangt automatisch ins Langzeitgedächtnis. Ein wichtiger Faktor, der zum Speichern führt, ist die ‚Verweildauer‘ im Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis, und die ‚Häufigkeit‘ des Auftretens. Ob wir nach einer Speicherung etwas ‚wiederfinden‘ können, hängt ferner davon ab, wie ein Ereignis abgespeichert wurde. Je mehr ein Ereignis sich zu anderen Ereignissen in Beziehung setzen lässt, umso eher wird es erinnert. Völlig neuartige Ereignisse (z.B. die chinesischen Schriftzeichen in der Ordnung eines chinesischen Wörterbuches, wenn man Chinesisch neu lernt) können Wochen oder gar Monate dauern, bis sie so ‚verankert‘ sind, dass sie bei Bedarf ‚mühelos‘ erinnern lassen.

Ein anderer Punkt ist die Abstraktion. Wenn wir über alltägliche Situationen sprechen, dann benutzen wir beständig Allgemeinbegriffe wie ‚Tasse‘, ‚Stuhl‘, ‚Tisch‘, ‚Mensch‘ usw. um über ‚konkrete individuelle Objekte‘ zu sprechen. So nennen wir ein konkretes rotes Etwas auf dem Tisch eine Tasse, ein anderen blaues konkretes Etwas aber auch, obgleich sie Unterschiede aufweisen. Desgleichen nennen wir ein ‚vertikales durchsichtiges Etwas‘ eine Flasche, ein vertikales grünliches Etwas auch; usw.

Unser Gedächtnis besitzt die wunderbare Eigenschaft, alles, was sinnlich wahrgenommen wird, durch einen unbewussten automatischen Abstraktionsprozess in eine abstrakte Struktur, in einen Allgemeinbegriff, in eine ‚Kategorie‘ zu übersetzen. Dies ist extrem effizient. Auf diese Weise kann das Gedächtnis mit einem einzigen Konzept hunderte, tausende, ja letztlich unendlich viele konkrete Objekte klassifizieren, identifizieren und damit weiter arbeiten.

Welt im Tresor

Ohne die Inhalte unseres Gedächtnisses würden wir nur in Augenblicken existieren, ohne vorher und nachher. Alles wäre genau das, wie es gerade erscheint. Nichts hätte eine Bedeutung.

Durch die Möglichkeit des ‚Speicherns‘ von Ereignisse (auch in den abstrakten Formen von Kategorien), und des ‚Erinnerns‘ können wir ‚vergleichen‘, können somit Veränderungen feststellen, können Abfolgen und mögliche Verursachungen erfassen, Regelmäßigkeiten bis hin zu Gesetzmäßigkeiten; ferner können wir Strukturen erfassen.

Eine Besonderheit sticht aber ins Auge: nur ein winziger Teil unseres potentiellen Wissens ist ‚aktuell verfügbar/ bewusst‘; meist weniger als 9 Einheiten! Alles andere ist nicht aktuell verfügbar, ist ’nicht bewusst‘!

Man kann dies so sehen, dass die schier unendliche Menge der bisher von uns wahrgenommenen Ereignisse im Langzeitgedächtnis weggesperrt ist wie in einem großen Tresor. Und tatsächlich, wie bei einem richtigen Tresor brauchen auch wir selbst ein Codewort, um an den Inhalt zu gelangen, und nicht nur ein Codewort, nein, wir benötigen für jeden Inhalt ein eigenes Codewort. Das Codewort für das abstrakte Konzept ‚Flasche‘ ist ein konkretes ‚Flaschenereignis‘ das — hoffentlich — genügend Merkmale aufweist, die als Code für das abstrakte Konzept ‚Flasche‘ dienen können.

Wenn über solch einen auslösenden Merkmalscode ein abstraktes Konzept ‚Flasche‘ aktiviert wird, werden in der Regel aber auch alle jene Konzepte ‚aktiviert‘, die zusammen mit dem Konzept ‚Flasche‘ bislang aufgetreten sind. Wir erinnern dann nicht nur das Konzept ‚Flasche‘, sondern eben auch all diese anderen Ereignisse.

Finden wir keinen passenden Code, oder wir haben zwar einen Code, aber aus irgendwelchen Emotionen heraus haben wir Angst, uns zu erinnern, passiert nichts. Eine Erinnerung findet nicht statt; Blockade, Ladehemmung, ‚blackout‘.

Bewusstsein im Nichtbewusstsein

Im Alltag denken wir nicht ‚über‘ unser Gehirn nach, sondern wir benutzen es direkt. Im Alltag haben wir subjektiv Eindrücke, Erlebnisse, Empfindungen, Gedanken, Vorstellungen, Fantasien. Wir sind ‚in‘ unserem Erleben, wir selbst ‚haben‘ diese Eindrücke. Es sind ‚unsere‘ Erlebnisse‘.

Die Philosophen haben diese Erlebnis- und Erkenntnisweise den Raum unseres ‚Bewusstseins‘ genannt. Sie sprechen davon, dass wir ‚Bewusstsein haben‘, dass uns die Ding ‚bewusst sind‘; sie nennen die Inhalte unseres Bewusstseins ‚Qualia‘ oder ‚Phänomene‘, und sie bezeichnen diese Erkenntnisperspektive den Standpunkt der ‚ersten Person‘ (‚first person view‘) im Vergleich zur Betrachtung von Gegenständen in der Außenwelt, die mehrere Personen gleichzeitig haben können; das nennen sie den Standpunkt der ‚dritten Person‘ (‚third person view‘) (Anmerkung: Ein Philosoph, der dies beschrieben hat, ist Thomas Nagel. Siehe zur Person: Thomas Nagel. Ein Buch von ihm, das hir einschlägig ist: ‚The view from nowhere‘, 1986, New York, Oxford University Press).

Nach den heutigen Erkenntnissen der Neuropsychologie gibt es zwischen dem, was die Philosophen ‚Bewusstsein‘ nennen und dem, was die Neuropsychologen ‚Arbeitsgedächtnis‘ nennen, eine funktionale Korrespondenz. Wenn man daraus schließen kann, dass unser Bewusstsein sozusagen die erlebte ‚Innenperspektive‘ des ‚Arbeitsgedächtnisses‘ ist, dann können wir erahnen, dass das, was uns gerade ‚bewusst‘ ist, nur ein winziger Bruchteil dessen ist, was uns ’nicht bewusst‘ ist. Nicht nur ist der potentiell erinnerbare Inhalt unseres Langzeitgedächtnisses viel größer als das aktuell gewusste, auch die Milliarden von Prozessen in unserem Körper sind nicht bewusst. Ganz zu schweigen von der Welt jenseits unseres Körpers. Unser Bewusstsein gleicht damit einem winzig kleinen Lichtpunkt in einem unfassbar großen Raum von Nicht-Bewusstsein. Die Welt, in der wir bewusst leben, ist fast ein Nichts gegenüber der Welt, die jenseits unseres Bewusstseins existiert; so scheint es.

Außenwelt in der Innenwelt

Der Begriff ‚Außenwelt‘, den wir eben benutzt haben, ist trügerisch. Er gaukelt vor, als ob es da die Außenwelt als ein reales Etwas gibt, über das wir einfach so reden können neben dem Bewusstsein, in dem wir uns befinden können.

Wenn wir die Erkenntnisse der Neuropsychologie ernst nehmen, dann findet die Erkenntnis der ‚Außenwelt‘ ‚in‘ unserem Gehirn statt, von dem wir wissen, dass es ‚in‘ unserem Körper ist und direkt nichts von der Außenwelt weiß.

Für die Philosophen aller Zeiten war dies ein permanentes Problem. Wie kann ich etwas über die ‚Außenwelt‘ wissen, wenn ich mich im Alltag zunächst im Modus des Bewusstseins vorfinde?

Seit dem Erstarken des empirischen Denkens — spätestens seit der Zeit Galileis (Anmerkung: Galilei) — tut sich die Philosophie noch schwerer. Wie vereinbare ich die ‚empirische Welt‘ der experimentellen Wissenschaften mit der ’subjektiven Welt‘ der Philosophen, die auch die Welt jedes Menschen in seinem Alltag ist? Umgekehrt ist es auch ein Problem der empirischen Wissenschaften; für den ’normalen‘ empirischen Wissenschaftler ist seit dem Erstarken der empirischen Wissenschaften die Philosophie obsolet geworden, eine ’no go area‘, etwas, von dem sich der empirische Wissenschaftler fernhält. Dieser Konflikt — Philosophen kritisieren die empirischen Wissenschaften und die empirischen Wissenschaften lehnen die Philosophie ab — ist in dieser Form ein Artefakt der Neuzeit und eine Denkblokade mit verheerenden Folgen.

Die empirischen Wissenschaften gründen auf der Annahme, dass es eine Außenwelt gibt, die man untersuchen kann. Alle Aussagen über die empirische Welt müssen auf solchen Ereignissen beruhen, sich im Rahmen eines beschriebenen ‚Messvorgangs‘ reproduzieren lassen. Ein Messvorgang ist immer ein ‚Vergleich‘ zwischen einem zuvor vereinbarten ‚Standard‘ und einem ‚zu messenden Phänomen‘. Klassische Standards sind ‚das Meter‘, ‚das Kilogramm‘, ‚die Sekunde‘, usw. (Anmerkung: Siehe dazu: Internationales Einheitensystem) Wenn ein zu messendes Phänomen ein Objekt ist, das z.B. im Vergleich mit dem Standard ‚Meter [m]‘ die Länge 3m aufweist, und jeder, der diese Messung wiederholt, kommt zum gleichen Ergebnis, dann wäre dies eine empirische Aussage über dieses Objekt.

Die Einschränkung auf solche Phänomene, die sich mit einem empirischen Messstandard vergleichen lassen und die von allen Menschen, die einen solchen Messvorgang wiederholen, zum gleichen Messergebnis führen, ist eine frei gewählte Entscheidung, die methodisch motiviert ist. Sie stellt sicher, dass man zu einer Phänomenmenge kommt, die allen Menschen(Anmerkung: die über gleiche Fähigkeiten der Wahrnehmung und des Denkens verfügen. Blinde Menschen, taube Menschen usw. könnten hier Probleme bekommen!“> … in gleicher Weise zugänglich und für diese nachvollziehbar ist. Erkenntnisse, die allen Menschen in gleicher Weise zugänglich und nachprüfbar sind haben einen unbestreitbaren Vorteil. Sie können eine gemeinsame Basis in einer ansonsten komplexen verwirrenden Wirklichkeit bieten.

Die ‚Unabhängigkeit‘ dieser empirischen Messvorgänge hat im Laufe der Geschichte bei vielen den Eindruck vertieft, als ob es die ‚vermessene Welt‘ außerhalb und unabhängig von unserem Bewusstsein als eigenständiges Objekt gibt, und dass die vielen ‚rein subjektiven‘ Empfindungen, Stimmungen, Vorstellungen im Bewusstsein, die sich nicht direkt in der vermessbaren Welt finden, von geringerer Bedeutung sind, unbedeutender ’subjektiver Kram‘, der eine ‚Verunreinigung der Wissenschaft‘ darstellt.

Dies ist ein Trugschluss mit verheerenden Folgen bis in die letzten Winkel unseres Alltags hinein.

Der Trugschluss beginnt dort, wo man übersieht, dass die zu messenden Phänomene auch für den empirischen Wissenschaftler nicht ein Sonderdasein führen, sondern weiterhin nur Phänomene seines Bewusstseins sind, die ihm sein Gehirn aus der Sinneswahrnehmung ‚herausgerechnet‘ hat. Vereinfachend könne man sagen, die Menge aller Phänomene unseres Bewusstseins — nennen wir sie PH — lässt sich aufteilen in die Teilmenge jener Phänomene, auf die sich Messoperationen anwenden lassen, das sind dann die empirischen Phänomene PH_EMP, und jene Phänomene, bei denen dies nicht möglich ist; dies sind dann die nicht-empirischen Phänomene oder ‚rein subjektiven‘ Phänomene PH_NEMP. Die ‚Existenz einer Außenwelt‘ ist dann eine Arbeitshypothese, die zwar schon kleine Kindern lernen, die aber letztlich darauf basiert, dass es Phänomene im Bewusstsein gibt, die andere Eigenschaften haben als die anderen Phänomene.

In diesen Zusammenhang gehört auch das Konzept unseres ‚Körpers‘, der sich mit den empirischen Phänomenen verknüpft.

Der Andere als Reflektor des Selbst

Bislang haben wir im Bereich der Phänomene (zur Erinnerung: dies sind die Inhalte unseres Bewusstseins) unterschieden zwischen den empirischen und den nicht-empirischen Phänomenen. Bei genauerem Hinsehen kann man hier viele weitere Unterscheidungen vornehmen. Uns interessiert hier nur der Unterschied zwischen jenen empirischen Phänomenen, die zu unserem Körper gehören und jenen empirischen Phänomenen, die unserem Körper ähneln, jedoch nicht zu uns, sondern zu jemand ‚anderem‘ gehören.

Die Ähnlichkeit der Körperlichkeit des ‚anderen‘ zu unserer Körperlichkeit bietet einen Ansatzpunkt, eine ‚Vermutung‘ ausbilden zu können, dass ‚in dem Körper des anderen‘ ähnliche innere Ereignisse vorkommen, wie im eigenen Bewusstsein. Wenn wir gegen einen harten Gegenstand stoßen, dabei Schmerz empfinden und eventuell leise aufschreien, dann unterstellen wir, dass ein anderer, wenn er mit seinem Körper gegen einen Gegenstand stößt, ebenfalls Schmerz empfindet. Und so in vielen anderen Ereignissen, in denen der Körper eine Rolle spielt(Anmerkung: Wie wir mittlerweile gelernt haben, gibt es Menschen, die genetisch bedingt keine Schmerzen empfinden, oder die angeboren blind oder taub sind, oder die zu keiner Empathie fähig sind, usw.“> … .

Generalisiert heißt dies, dass wir dazu neigen, beim Auftreten eines Anderen Körpers unser eigenes ‚Innenleben‘ in den Anderen hinein zu deuten, zu projizieren, und auf diese Weise im anderen Körper ‚mehr‘ sehen als nur einen Körper. Würden wir diese Projektionsleistung nicht erbringen, wäre ein menschliches Miteinander nicht möglich. Nur im ‚Übersteigen‘ (‚meta‘) des endlichen Körpers durch eine ‚übergreifende‘ (‚transzendierende‘) Interpretation sind wir in der Lage, den anderen Körper als eine ‚Person‘ zu begreifen, die aus Körper und Seele, aus Physis und Psyche besteht.

Eine solche Interpretation ist nicht logisch zwingend. Würden wir solch eine Interpretation verweigern, dann würden wir im Anderen nur einen leblosen Körper sehen, eine Ansammlung von unstrukturierten Zellen. Was immer der Andere tun würde, nichts von alledem könnte uns zwingen, unsere Interpretation zu verändern. Die ‚personale Wirklichkeit des Anderen‘ lebt wesentlich von unserer Unterstellung, dass er tatsächlich mehr ist als der Körper, den wir sinnlich wahrnehmen können.

Dieses Dilemma zeigt sich sehr schön in dem berühmten ‚Turing Test'(Anmerkung: Turing-Test, den Alan Matthew Turing 1950 vorgeschlagen hatte, um zu testen, wie gut ein Computer einen Menschen imitiere kann. (Anmerkung: Es war in dem Artikel: „Alan Turing: Computing Machinery and Intelligence“, Mind 59, Nr. 236, Oktober 1950, S. 433–460) Da man ja ‚den Geist‘ selbst nicht sehen kann, sondern nur die Auswirkungen des Geistes im Verhalten, kann man in dem Test auch nur das Verhalten eines Menschen neben einem Computer beobachten, eingeschränkt auf schriftliche Fragen und Antworten. (Anmerkung: heute könnte man dies sicher ausdehnen auf gesprochene Fragen und Antworten, eventuell kombiniert mit einem Gesicht oder gar mehr“) Die vielen Versuche mit diesem Test haben deutlich gemacht — was man im Alltag auch ohne diesen Test sehen kann –, dass das beobachtbare Verhalten eines Akteurs niemals ausreicht, um logisch zwingend auf einen ‚echten Geist‘, sprich auf eine ‚echte Person‘ schließen zu können. Daraus folgt nebenbei, dass man — sollte es jemals hinreichend intelligente Maschinen geben — niemals zwingend einen Menschen, nur aufgrund seines Verhaltens, von einer intelligenten Maschine unterscheiden könnte.

Rein praktisch folgt aus alledem, dass wir im Alltag nur dann und solange als Menschen miteinander umgehen können, solange wir uns wechselseitig ‚Menschlichkeit‘ unterstellen, an den ‚Menschen‘ im anderen glauben, und mein Denken und meine Gefühle hinreichend vom Anderen ‚erwidert‘ werden. Passiert dies nicht, dann muss dies noch nicht eine völlige Katastrophe bedeuten, aber auf Dauer benötigen Menschen eine minimale Basis von Gemeinsamkeiten, auf denen sie ihr Verhalten aufbauen können.

Im positiven Fall können Unterschiede zwischen Menschen dazu führen, dass man sich wechselseitig anregt, man durch die Andersartigkeit ‚Neues‘ lernen kann, man sich weiter entwickelt. Im negativen Fall kann es zu Missverständnissen kommen, zu Verletzungen, zu Aggressionen, gar zur wechselseitigen Zerstörung. Zwingend ist keines von beidem.

Fortsetzung mit Kapitel 4 (neu).

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