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ZUR ENTDECKUNG DER VERGANGENHEIT UND ZUKUNFT IN DER GEGENWART. Zwischenbemerkung

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 10.Dez. 2017
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: cagent
Email: cagent@cognitiveagent.org

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IDEE

Wenn man gedanklich in komplexen Strukturen unterwegs ist, kann es bisweilen helfen, sich zwischen drin bewusst zu machen, wo man gerade steht,
worum es eigentlich geht. Dies ist so ein Moment.

I. BILDERFLUT AUS MÖGLICHKEIT

Wir leben in einer Zeit, wo die Technik die
Möglichkeit eröffnet hat, Bilder zu erschaffen, die
mehr oder weniger alles zum Gegenstand haben, auch
Unsinniges, Idiotisches, reinste Fantasien, explizite
Lügen, Verleumdungen, … und für einen normalen homo
sapiens, der – bei intaktem Sehvermögen – primär ein
visuell orientiertes Lebewesen ist, führt diese Bilderflut
dazu, dass die wahre Realität sich immer mehr auflöst
in dieser Bildersuppe. Selbst wenn die Bilder noch als
Science Fiction, Fantasy, Crime, … gelabelt werden, im
Gehirn entsteht eine Bildersuppe, wo sich wahres Reales
mit Irrealem zu einem Gebräu mischt, das den Besitzer
dieses Gehirns in einen Dauerzustand der zunehmenden
Desorientierung versetzt. Der einzelne Bildproduzent
mag vielleicht sogar redliche Absichten haben, aber die
Masse der irrealen Bilder folgt ihren eigenen Gesetzen.
Das einzelne Gehirn verliert Orientierungsmarken.
Die Bereitschaft und Neigung von Menschen aller
Bildungsschichten selbst mit Doktortiteln (!), beliebig
wirre populistische, fundamentalistische oder esoterische
Anschauungen über die Welt als ’wahr’ zu übernehmen,
ist manifest und erschreckend. Wenn die grundlegenden
Wahrheitsfähigkeit von Menschen versagt, weil das
Gehirn über zu wenig verlässlich Ankerpunkte in der
Realität verfügt, dann ist alles möglich. Ein alter Lehrsatz
aus der Logik besagt: Aus Falschem folgt alles.

More than Noise – But What?

II. RÜCKERINNERUNG AN DIE WAHRHEIT

In einem vorausgehenden – eher grundlegenden –
Blogeintrag sind jene elementaren Grundstrukturen angesprochen worden, durch die jeder homo sapiens eine elementare Wahrheitsfähigkeit besitzt, auch in
Kommunikation und Kooperation mit anderen.
Aus diesem Text geht hervor, dass es grundsätzlich
möglich ist, dass dies aber kein Selbstgänger ist,
keinen Automatismus darstellt. Das Gelingen von
Wahrheit erfordert höchste Konzentration, erfordert
kontinuierliche Anstrengung, und vor allem auch das
Zusammenspiel vieler Faktoren. Moderne Demokratien
mit einer funktionierenden Öffentlichkeit, mit einem
ausgebauten Bildungs- und Forschungssystem kommen
diesen wissenschaftsphilosophischen Anforderungen
bislang am nächsten.

Wer die Bedeutung dieser Mechanismen zur
Voraussetzung von Wahrheit kennt und sich die
reale Welt anschaut, der kann weltweit eine
starke Rückentwicklung dieser Strukturen und
Prozesse beobachten, eine weltweite Regression
von Wahrheitsprozessen. Die Folgen sind schon jetzt
katastrophal und werden sich eher verstärken. Den Preis
werden letztlich alle zahlen. Wer glaubt, man könne sich
in einem Teilprozess isolieren, der täuscht sich.
Allerdings, im Fall der Wahrheit gelten andere Regel
als rein physikalische: Wahrheit selbst ist ein nicht-
physikalisch beschreibbares Phänomen. Es entstand
gegen alle Physik, es entstand auf eine Weise, die wir
bislang noch nicht richtig verstehen, und es macht im
Ansatz alle zu Verlierern, die sich außerhalb stellen.
Genauso irrational, wie sich weltweit eine Regression
von Wahrheit ereignen kann – und aktuell ereignet –,
genauso bizarr ist zugleich, warum so viele Mächtige
solch eine ungeheure Angst vor Wahrheit haben
(schon immer). Warum eigentlich? Warum gibt es
diesen ungeheuren Drang dazu, andere Menschen
zu kontrollieren, Ihnen Meinungen und Verhalten
vorzuschreiben, Algorithmen zu entwickeln, die die
Menschen in Richtungen leiten sollen, die schon falsch
sind, als sie ausgedacht wurden?

Solange es nur einen einzigen Menschen auf dem
Planet Erde gibt, so lange gibt es die Chance für
Wahrheit. Und so lange es die Chance für Wahrheit gibt,
muss jeder, der Wahrheit verrät, unterdrückt, verleugnet
sich als Verräter sehen, als Feind des Lebens.

More Beyond Noise – How Far away? Which kind of Distance?

III. UNIVERSUM – ERDE – LEBEN

Wenn man zu ahnen beginnt, wie kostbar Wahrheit
ist, wie schwierig sie zu gewinnen ist, und wenn man
weiß, wie viele Milliarden Jahre das Leben auf der
Erde gebraucht hat, um wahrheitsfähig zu werden, auch
noch in den späten Phase der Lebensform homo bzw.
dann des homo sapiens, dann kann man umgekehrt
zu einer geradezu andächtigen Haltung finden, wenn
man sich anschaut, was die modernen experimentellen
Wissenschaften im Laufe der letzten Jahrhundert, sogar
erst in den letzten Jahrzehnten (!!!) alles offenlegen
konnten.

Man bedenke, was wir primär wahrnehmen, das
ist Gegenwart, und die unfassbaren Blicke zurück in
die Vergangenheit der Evolution des Lebens und des
Universums (und möglicher weiterer Universen) liegen
nicht auf der Straße! Die Gegenwart ist Gegenwart und
ihr, der Gegenwart, Hinweise auf eine Zeit davor zu
entlocken, das war – und ist – eine der größten geistigen
Leistungen des homo sapiens.

Die Vergangenheit kann sich ja niemals direkt zeigen,
sondern immer nur dann, wenn eine bestimmte Zeit
mit ihren Strukturen und Prozessen Artefakte erzeugt
hat, die im Fluss der Zeit dann später als Spuren,
Hinweise, vorkommen, die ein Lebewesen dieser neuen
Gegenwart dann auch als Hinweise auf eine andere Zeit
erkennt.

So hat die Geologie irgendwann bemerkt, dass die
verschiedenen Gesteinsschichten möglicherweise
Ablagerungen aus vorausgehenden Zeiten sind.
Entsprechend haben die Biologen aus Versteinerungen
auf biologische Lebensformen schließen können,
die ’früher einmal’ gelebt hatten, heute aber nicht
mehr oder, heute auch, aber eventuell verändert. Die
Physik entdeckte, dass aufgrund der unterschiedlichen
Leuchtkraft gleicher Sternphänomene große Entfernungen im Universum anzunehmen sind, und mit der Fixierung der Geschwindigkeit des Lichts konnte
man auch auf Zeiten schließen, aus denen dieses Licht
gekommen sein muss: man war plötzlich bei vielen
Milliarden Jahren vor der Gegenwart.
Diese wenigen und vereinfachten Beispiele können
andeuten, dass und wie in der Gegenwart Zeichen einer
Vergangenheit aufleuchten können, die unsere inneren
Augen des Verstehens in die Lage versetzen, die scheinbare Absolutheit der Gegenwart zu überwinden und langsam zu begreifen, dass die Gegenwart nur
ein Moment in einer langen, sehr langen Kette von
Momenten ist, und dass es Muster zu geben scheint,
Regeln, Gesetze, Dynamiken, die man beschreiben
kann, die ansatzweise verstehbar machen, warum dies
alles heute ist, wie es ist.

Es versteht sich von selbst, dass diese unfassbaren
Erkenntnisleistungen der letzten Jahrzehnte nicht nur
möglich wurden, weil der Mensch qua Mensch über
eine grundlegende Wahrheitsfähigkeit verfügt, sondern
weil der Mensch im Laufe der letzten Jahrtausende
vielerlei Techniken, Abläufe ausgebildet hat, die ihm
bei diesen Erkenntnisprozessen unterstützen. Man
findet sie im technischen Bereich (Messgeräte, Computer,
Datenbanken, Produktionsprozesse, Materialtechniken, …..), im institutionellen Training
(langwierige Bildungsprozesse mit immer feineren
Spezialisierungen), in staatlichen Förderbereichen, aber
auch – und vielleicht vor allem! – in einer Verbesserung
der Denktechniken, und hier am wichtigsten die
Ausbildung leistungsfähiger formaler Sprachen in vielen
Bereichen, zentral die Entwicklung der modernen
Mathematik. Ohne die moderne Mathematik und formale
Logik wäre fast nichts von all dem möglich geworden,
was moderne Wissenschaft ausmacht.

Wenn man um die zentrale Rolle der modernen
Mathematik weiß und dann sieht, welche geringe Wertschätzung Mathematik sowohl im
Ausbildungssystem wie in der gesamten Kultur einer
Gesellschaft (auch in Deutschland) genießt, dann kann
man auch hier sehr wohl von einem Teilaspekt der
allgemeinen Regression von Wahrheit sprechen.(Anmerkung: Es wäre mal eine interessante empirische Untersuchung, wie viel
Prozent einer Bevölkerung überhaupt weiß, was Mathematik ist. Leider
muss man feststellen, dass das, was in den Schulen als Mathematik
verkauft wird, oft nicht viel mit Mathematik zu tun hat, sondern mit
irgendwelchen Rechenvorschriften, wie man Zeichen manipuliert, die
man Zahlen nennt. Immerhin, mehr als Nichts.)

Im Zusammenspiel von grundlegender Wahrheitsfähigkeit, eingebettet in komplexe institutionelle Lernprozesse, angereichert mit wissensdienlichen
Technologien, haben die modernen experimentellen
Wissenschaften es also geschafft, durch immer
komplexere Beschreibungen der Phänomene und ihrer
Dynamiken in Form von Modellen bzw. Theorien, den
Gang der Vergangenheit bis zum Heute ansatzweise
plausibel zu machen, sondern auf der Basis dieser
Modelle/ Theorien wurde es auch möglich, ansatzweise
wissenschaftlich begründete Vermutungen über die
Zukunft anzustellen.

In einfachen Fällen, bei wenigen beteiligten Faktoren
mit wenigen internen Freiheitsgraden und für einen
begrenzten Zeithorizont kann man solche Vermutungen ü̈ber die Zukunft (kühn auch Prognosen genannt), einigermaßen überprüfen. Je größer die Zahl der
beteiligten Faktoren, je mehr innere Freiheitsgrade, je
weitreichender der Zeitrahmen, um so schwieriger wir
solch eine Prognose. So erscheint die Berechnung des
Zeitpunktes, ab wann die Aufblähung unserer Sonne
aufgrund von Fusionsprozessen ein biologisches Leben
auf der Erde unmöglich machen wird, relativ sicher
voraussagbar, das Verhalten eines einfachen Tieres in
einer Umgebung über mehr als 24 Stunden dagegen ist
schon fast unmöglich.

Dies kann uns daran erinnern, dass wir es in der
Gegenwart mit sehr unterschiedlichen Systemen zu
tun haben. Das Universum (oder vielleicht sogar die
Universen) mag komplex sein, aber es erweist sich
bislang als grundsätzlich verstehbar, ebenfalls z.B. die
geologischen Prozesse auf unserem Heimatplaneten
Erde; das, was die Biologen Leben nennen, also
biologisches Leben, entzieht sich aber den bekannten
physikalischen Kategorien. Wir haben es hier mit
Dynamiken zu tun, die irgendwie anders sind, ohne dass
es bislang gelingt, diese spezifische Andersheit adäquat
zu erklären.

Life is Energy…

IV. KOGNITIVER BLINDER FLECK

Eine Besonderheit des Gegenstandsbereiches
biologisches Leben ist, dass diejenigen, die es
untersuchen, selbst Teil des Gegenstandes sind.
Die biologischen Forscher, die Biologen – wie überhaupt
alle Forscher dieser Welt – sind selbst ja auch Teil
des Biologischen. Als Exemplare der Lebensform
homo sapiens sind sie ganz klar einer Lebensform
zugeordnet, die ihre eigene typische Geschichte hat,
die sich als homo sapiens ca. 200.000 Jahre entwickelt
hat mit einer Inkubationszeit von ca. 100.000 Jahren, in
denen sich verschiedene ältere Menschenformen verteilt
über ganz Afrika partiell miteinander vermischt haben.
Nach neuesten Erkenntnissen hat dann jener Teil, der
dann vor ca. 60.000/ 70.000 Jahren aus Ostafrika
ausgewandert ist, einige tausend Jahre mit den damals
schon aussterbenden Neandertalern im Gebiet des
heutigen Israel friedlich zusammen gelebt, was durch
Vermischungen dann einige Prozent Neandertaler-Gene
im Genom des homo sapiens hinterließ, und zwar bei
allen Menschen auf der heutigen Welt, die gemessen
wurden.

Die Tatsache, dass die erforschenden Biologen selbst
Teil dessen sind, was sie erforschen, muss nicht per
se ein Problem sein. Es kann aber zu einem Problem
werden, wenn die Biologen Methoden zur Untersuchung
des Phänomens biologisches Leben anwenden, die
für Gegenstandsbereiche entwickelt wurden, die keine
biologischen Gegenstände sind.

In der modernen Biologie wurden bislang sehr
viele grundlegende Methoden angewendet, die
unterschiedlichste Teilbereiche zu erklären scheinen: In
Kooperation mit der Geologie konnte man verschiedenen
Phasen der Erde identifizieren, Bodenbeschaffenheiten,
Klima, Magnetfeld, und vieles mehr. In Kooperation
mit Physik, Chemie und Genetik konnten die
Feinstrukturen von Zellen erfasst werden, ihre
Dynamiken, ihre Wechselwirkungen mit den jeweiligen
Umgebungen, Vererbungsprozesse, Generierung neuer
genetischer Strukturen und vieles mehr. Der immer
komplexere Körperbau konnte von seinen physikalisch-
mechanischen wie auch chemischen Besonderheiten her
immer mehr entschlüsselt werden. Die Physiologie half,
die sich entwickelnden Nervensysteme zu analysieren,
sie in ihrer Wechselwirkung mit dem Organismus
ansatzweise zu verstehen. und vieles mehr.

Die sehr entwickelten Lebensformen, speziell dann
der homo sapiens, zeigen aber dann Dynamiken, die
sich den bisher bekannten und genutzten Methoden
entziehen. Die grundlegende Wahrheitsfähigkeit des
homo sapiens, eingebunden in grundlegende Fähigkeit
zur symbolischen Sprache, zu komplexen Kooperation,
zu komplexen Weltbildern, dies konstituiert Phänomene
einer neuen Qualität. Der biologische Gegenstand homo
sapiens ist ein Gegenstand, der sich selbst erklären
kann, und in dem Maße, wie er sich selbst erklärt,
fängt er an, sich auf eine neue, bis dahin biologisch
unbekannte Weise, zu verändern.

Traditioneller Weise gab es in den letzten
Jahrtausenden spezielle Erklärungsmodelle zum
Phänomen der Geistigkeit des homo sapiens, die
man – vereinfachend – unter dem Begriff klassisch-
philosophische Erklärung zusammen fassen kann.
Dieses Erklärungsmodell beginnt im Subjektiven und
hat immer versucht, die gesamte Wirklichkeit aus der
Perspektive des Subjektiven zu erklären.

Die Werke der großen Philosophen – beginnend
mit den Griechen – sind denkerische Großtaten,
die bis heute beeindrucken können. Sie leiden
allerdings alle an der Tatsache, dass man aus der
Perspektive des Subjektiven heraus von vornherein
auf wichtige grundlegende Erkenntnisse verzichtet
hatte (in einer Art methodischen Selbstbeschränkung,
analog der methodischen Selbstbeschränkung der
modernen experimentellen Wissenschaften). Das,
was diese subjekt-basierte und subjekt-orientierte
Philosophie im Laufe der Jahrtausende bislang erkannt
hat, wird dadurch nicht falsch, aber es leidet daran,
dass es nur einen Ausschnitt beschreibt ohne seine
Fundierungsprozesse.

Eigentlich ist das Subjektive (oder das ’Geistige’,
wie die philosophische Tradition gerne sagt) das
schwierigste Phänomen für die moderne Wissenschaft, das provozierendste, aber durch die frühzeitige Selbstbeschränkung der Biologie auf die bisherigen
Methoden und zugleich durch die Selbstbeschränkung
der klassischen Philosophie auf das Subjektive wird
das Phänomen des Lebens seiner Radikalität beraubt.
Es wird sozusagen schon in einer Vor-Verabredung der
Wissenschaften entmündigt.

In einem Folgeartikel sollte dieser blinde Fleck der
Wissenschaften in Verabredung mit der Philosophie
nochmals direkt adressiert werden, etwa: Das Subjektive
im Universum: Maximaler Störfall oder Sichtbarwerdung
von etwas radikal Neuem?

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Die Wiederentdeckung Gottes auf dem Planeten Erde für alle denkbaren Universen. Essay.Teil 1

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Wahrheit

  1. Eine Benutzung des Wortes ‚Wahrheit‘ setzt voraus, dass es etwas gibt, was meinem eigenen Denken und Fühlen vorgelagert ist, von meinem eigenen Wollen unabhängig; egal was ich mir wünsche, vorstelle, phantasiere, denke; es ist etwas — ein X, das Andere –, das vorkommt, weil es ‚aus sich heraus‘ vorkommt.
  2. Im Alltag ist es ein Gegenstand, über den ich im Dunklen stolpere, weil ich an dieser Stelle keinen Gegenstand vermutet habe; die Sonne, die mich blendet, weil sie so tief steht; der Kaffee, den ich trinke; der Stuhl, auf dem ich sitze; mein Gegenüber, das auf mich einredet; der Regen, der mit Macht hernieder prasselt …
  3. Diese Selbstverständlichkeit kann schnell ins Wanken geraten, wenn man anfängt, darüber nachzudenken.
  4. Wir wissen, dass wir Menschen phantasieren können, träumen, wir können Halluzinationen haben, Wahnvorstellungen, … oder denken gerade nach. Diesen Beispielen ist gemeinsam, dass derjenige der phantasiert, träumt usw. ‚für sich‘, ’subjektiv‘, etwas erlebt, empfindet, denkt, was ihm in diesem Moment ‚wie wirklich‘ erscheint, obgleich andere Menschen in der Umgebung einer solchen Person zum Schluss kommen könnten, dass die aktuellen Phantasiebilder, Träume usw. nichts mit der aktuellen äußeren Situation dieser Person zu tun haben.
  5. So stellt sich die Person vor, sie sei eine Königin, obwohl sie nach offiziellen Daten nur eine Büroangestellte ist; oder jemand träumt im Schlaf, schreit, schlägt um sich, und wenn dann der Bettnachbar ihn aufweckt, berichtet der Träumer von irgendwelchen Ungeheuern, vor denen er geflohen sei. Jemand anderes hat Drogen genommen und sieht den aktuellen Raum plötzlich ganz anders, umarmt Anwesende oder beschimpft sie, obwohl es keinen äußerlich bekannten Grund dafür gibt. Andere fühlen sich verfolgt, haben panische Ängste, verstecken sich, schließen sich ein, kaufen Waffen, aber es gibt niemand, der ihnen nachstellt. Und dann der Denker: er sitzt scheinbar tatenlos auf einem Stuhl, stiert vor sich hin auf ein Spielbrett, und in seinem Kopf denkt er intensiv über verschiedene Möglichkeiten nach, welche Züge er im Spiel machen könnte, Züge, die nur in seinem Denken existieren, nicht auf dem Spielbrett.
  6. Das innere Erleben eines Menschen kann offensichtlich für den Betreffenden so ‚wirklich‘ erscheinen, wie das, was sich von der ‚Außenwelt‘ in seiner ‚Wahrnehmung‘ niederschlagen kann. Und offensichtlich gibt es hier Zustände, in denen der Betreffende in seinem Erleben nicht mehr so richtig (oder gar nicht?) entscheiden kann, ob das Erlebte nun ’nur innerlich, subjektiv‘ vorkommt, oder auch ‚zugleich äußerlich, objektiv, intersubjektiv‘, so, dass andere diese Sachverhalte von sich aus bestätigen könnten.
  7. Die Dinge werden noch schwieriger, wenn man die Sprache einbezieht.
  8. Die Sprache — gesprochen wie geschrieben (oder noch anders) — hat die Besonderheit, dass sich sprachliche Äußerungen normalerweise in kleinere Einheiten unterteilen lassen, die teilweise als diese kleineren Einheiten eine ‚Bedeutung‘ haben; im Zusammenhang der Äußerung können diese unterscheidbaren kleineren Einheiten eine ‚über die einzelne Einheit hinausgehende‘ Bedeutung besitzen. Zugleich spielt die Situation eine Rolle: die gleiche sprachliche Äußerung kann je nach der Deutung der Situation eine ganz unterschiedliche Bedeutung besitzen.
  9. Eine Äußerung wie ‚Ich bitte Dich, mir zu helfen, das Haus zu verkaufen‘, enthält kleinere Einheiten, die wir gewöhnlich ‚Worte‘ nennen. Einzelne Worte wie z.B. ‚Haus‘ haben eine Bedeutung durch Bezug auf gedachte und dann möglicherweise objektive Gegenstände mit bestimmten Eigenschaften. Andere Worte wie ‚zu‘ und ‚das‘ haben keinen direkten Gegenstandbezug. Für jemand, der die deutsche Sprache kennt, deutet sich in dieser sprachlichen Äußerung an, dass eine Person A (die mit dem ‚Ich‘) eine andere Person B (die mit dem ‚Dich‘) ‚bittet‘ bei einem Hausverkauf zu helfen. Wenn die beiden Personen A und B voneinander gesellschaftlich unabhängig sind, die Person B dem A in keiner Weise verpflichtet ist, dann ist die ausgesprochene Bitte typisch und der Ausgang offen. Wenn aber B dem A irgendwie verpflichtet ist, von A vielleicht sogar sehr direkt abhängt, dann kann diese Bitte eher als ein Befehl verstanden werden, den B dann aus gesellschaftlichen Gründen nicht wirklich ablehnen kann. Dies setzt voraus, dass man die sprachliche Äußerung als Teil eines größeren sozialen Zusammenhangs erkennt, dessen Eigenschaften die Bedeutung beeinflussen können.
  10. Es gibt aber noch weitere Unwägbarkeiten. Wenn in der Äußerung davon gesprochen wird, ‚das Haus‘ zu verkaufen, dann unterstellt A, dass B ‚weiß‘, welches Haus ‚gemeint‘ ist. Wenn die sprachliche Äußerung aber in ‚Abwesenheit des Hause‘ getätigt wird, dann existiert ‚das Haus‘ nur im ‚Wissen‘ der beiden beteiligten Personen A und B. Zumindest unterstellt A, dass B ‚weiß‘, welches Haus A ‚meint‘. Dies funktioniert, wenn es in der Vergangenheit eine Situation gab, durch die eindeutig genug ein ganz bestimmtes Haus identifiziert worden ist, also ‚das Haus‘ von dieser erinnerbaren Situation. Dies kann funktionieren. Wenn diese erinnerbare Situation aber nicht eindeutig war, wenn schon in dieser Situation zwar von ‚dem Haus‘ geredet wurde, aber schon in der damaligen Situation A an ein anderes Haus gedacht hat als B und beide diesen Unterschied nicht bemerkt haben, dann wird B möglicherweise zustimmen und für sich an ein anderes Haus H1 denken als A, der an das Haus H2 denkt. Irgendwann werden beide vielleicht merken, dass sie mit ‚das Haus‘ zwei verschiedene Objekte meinen, spätestens dann, wenn sie zu dem Haus hinfahren würden. Solange sie dies nicht tun leben Sie mit ihren privaten, subjektiven Vorstellungen von einem Hausobjekt H1 bzw. H2, benutzen die gleichen Worte, und merken nicht, dass sie beide etwas ‚Verschiedenes meinen‘.
  11. Ein Bezug zur Außenwelt unter Zuhilfenahme einer Sprache kann also unterschiedlich missverständlich sein. Die Worte können im Kopf, im ‚Innern‘, im Denken eines Sprecher-Hörers, einen Sachverhalt induzieren, hervorrufen, aktivieren, der für ‚wirklich‘ angenommen wird, obgleich sich diese Vorstellungen in den Köpfen verschiedener Sprecher-Hörer unterscheiden können, trotz gleicher Worte.
  12. Bei sogenannten ‚abstrakten Bedeutungen‘, wie sie sich bei Worten finden wie ‚Freiheit‘, ‚Demokratie‘, ‚Bewusstsein‘, ‚das Dasein‘, ‚Existenz‘, ‚Glauben‘, ‚Gott‘, ‚Paradies‘, ‚Mathematik‘ usw. kann man in der Regel nicht von vornherein von einer allen gleichermaßen bekannten ‚Bedeutung‘ ausgehen. Worte mit solchen Bedeutungen haben einen solch vielschichtigen Verwendungszusammenhang, dass man bei ihrem Gebrauch grundsätzlich vorher mit allen Beteiligten klären sollte, welche Verwendungszusammenhänge sie jeweils voraussetzen.
  13. Sprechen wir im Alltag von ‚Wahrheit‘ dann unterstellen wir einen Zusammenhang zwischen Sprecher und Umwelt derart, dass eine Aussage wie ‚Es regnet‘ sich auf einen realen, objektiven Vorgang in der Umwelt bezieht, der von anderen auch so wahrgenommen wird (oder werden kann), der jetzt stattfindet. Bei der Aussage, ‚Ich war gestern in Frankfurt‘ wird es schwieriger. Ob die Aussage als ‚wahr‘ bezeichnet wird, hängt davon ab, ob sich nachweisen lässt, dass der Sprecher einen Tag früher tatsächlich in der Stadt mit Namen Frankfurt war, und dass der Sprecher mit der Aussage ‚Ich war gestern in Frankfurt‘ diesen Sachverhalt meint. Wenn der Sprecher während der Aussage für sich gedacht hat, dass er sich nur vorgestellt hat, dass er in Frankfurt gewesen sei, dann wäre die Aussage nach üblichem Sprachverständnis ‚falsch‘, da man bei solch einer Aussage unterstellt, dass der Sprecher tatsächlich in Frankfurt war. Wenn eine Sprecherin sagen würde ‚Ich werde morgen nach Frankfurt fahren‘, dann wäre der Wahrheitsgehalt noch offen. Sie kündigt ein Ereignis an, das in der Zukunft stattfinden soll. Ob es tatsächlich stattfinden wird, muss man erst mal ’sehen‘. Es ist eher eine ‚Absichtserklärung‘, allerdings eine mit potentiellem Wahrheitsanspruch. Falls die Sprecherin während der Aussage denkt, dass Sie nicht wirklich nach Frankfurt fahren will, wäre ihr Aussage nach normalem Verständnis eine ‚Lüge‘ oder eine ‚Täuschung‘. Allerdings, wenn die Sprechsituation locker ist, man gerade ‚herum spinnt‘, man Möglichkeiten überlegt, es nicht so ganz ernst zugeht, dann wäre die Aussage eine Meinungsäußerung ohne klaren Wahrheitsstatus.
    Fassen wir zusammen: Das Reden von ‚Wahrheit‘ setzt voraus:

    1. Es gibt mindestens einen Sprecher A und mindestens einen Hörer B
    2. Beide benutzen die gleiche Sprache L in einer gemeinsam geteilten Situation S
    3. A und B können zwischen Innen (subjektiv) und Außen (objektiv) unterscheiden.
    4. Für A und B haben die hörbaren und/ oder lesbaren Ausdrücke E der Sprache L eine subjektive Bedeutung Y, die mit Sachverhalten X in der Umgebung korrespondieren können.
    5. Wenn A einen Ausdruck E mit der subjektiven Bedeutung YA(E) — aus der Sicht von A — äußert, und dieser Äußerung von E ein Sachverhalt X korrespondiert, den B auch wahrnehmen kann, so dass durch den Ausdruck E und dem Sachverhalt X bei B die subjektive Bedeutung YB(E) aktiviert wird, dann würde aus Sicht von B eine ‚wahre Aussage E‘ vorliegen, wenn der Sachverhalt X mit seiner Bedeutung YB(E) ‚korrespondiert‘.
    6. Da die subjektive Bedeutung Y eines Ausdrucks E mit einem Sachverhalt X korrespondieren soll, muss der Sachverhalt X auch als eine wahrnehmbare Größe XSprecher-Hoerer so vorliegen, dass die subjektive Bedeutung YSprecher-Hoerer sich direkt mit dem Sachverhalt vergleichen lässt. Dies bedeutet, es bedarf einer subjektiven Vergleichsoperation XSprecher-Hoerer = YSprecher-Hoerer ?. Dies bedeutet, sowohl die subjektive Bedeutung Y wie auch der wahrgenommene Sachverhalt X stellen subjektive Größen dar; sie unterscheiden sich nur durch die Art der Hervorbringung: YSprecher-Hoerer wird durch subjektive Aktivitäten generiert und XSprecher-Hoerer wird durch Sinnesorgane des Körpers über das Gehirn generiert. Die Menge der subjektiven Gegebenheiten soll hier technisch als ‚Phänomenraum (PH)‘ bezeichnet werden. Es würde dann gelten dass alle Arten von aktuell wahrgenommenen Sachverhalten X eine Teilmenge des Phänomenraums PH sind und ebenso alle aktuell generierten subjektiven Bedeutungen Y, als XNOW ⊆ PH und YNOW ⊆ PH.Ferner würde gelten YNOW ∩ XNOW = 0
    7. Dabei muss man sich klar machen, dass es zwischen der jeweiligen subjektiven Bedeutung YSprecher-Hoerer und einem sprachlichen Ausdruck E auch eine hinreichend klare und stabile Korrespondenz geben muss. Dies setzt wiederum voraus, dass der hörbare oder sichtbare sprachliche Ausdruck E eine interne Repräsentation ESprecher-Hoerer haben muss, die mit der subjektiven Bedeutungsrepräsentation YSprecher-Hoerer assoziiert ist. Dabei ist zu beachten, dass es eine sprachliche Bedeutung im engeren Sinne gibt, nur bezogen auf den Ausdruck, und eine Bedeutung im weiteren Sinne, insofern der situative Kontext C(Sprecher,Hoerer) zu berücksichtigen ist. Es muss also eine Beziehung folgender Art geben: Meaning : CSprecher-Hoerer x ESprecher-Hoerer —> YSprecher-Hoerer. Dies führt zu den Erweiterungen: CNOW ⊆ PH sowie YNOW ∩ XNOW ∩ CNOW = 0.
  14. Schon diese stark vereinfachende Rekonstruktion lässt erkennen, wie schwierig es ist, zu wirklich wahren Aussagen im Kontext einer Kommunikation zu kommen. Haben zwei Personen eine unterschiedliche Wahrnehmung, dann kann dies schon zu Missverständnissen führen. Haben Sie bei der Zuordnung zwischen wahrgenommenem Sachverhalt X und Bedeutungskonzept Y Unterschiede, funktioniert es auch nicht. Ferner muss die Situationszuordnung passen, und, am allerwichtigsten, die Zuordnung von Ausdruck und Bedeutung muss gleich sein. Alle diese Bedingungen herzustellen und zu überprüfen, erfordert viel Aufmerksamkeit und vielen guten Willen.
  15. Die vielen Kommunikationsprobleme im Alltag zeigen, dass es in der Tat schwierig ist; dazu kommen die vielfältigen systematischen Manipulationen von Sprache aus unterschiedlichsten Gründen (Lügen, Werbung, Propaganda, Indoktrination, Fälschung, Unterhaltung, Fiktion,…).

Eine  Fortsetzung findet sich HIER.

Pausenmusik 🙂

PS: Eine Ergänzung zu diesen Überlegungen könnte das Memo zur Philosophiewerkstatt vom 8.Oktober sein.

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RINGEN UM DAS BEWUSSTSEIN: VELMANS 1995 – The Relation of Consciousness to the Material World. Diskussion

Max Velmans, The Relation of Consciousness to the Material World, Journal of Consciousness Studies, Vol.2, No.3, 1995, pp.255-265

KONTEXT

  1. Diesem Blogeintrag gingen zwei Beiträge voraus, in denen jeweils die Position von Chalmers und die von Clark aus dem gleichen Band der Zeitschrift diskutiert worden sind. Chalmers hatte mit seinem Beitrag den Band eröffnet, und alle anderen nahmen in ihren Beiträgen auf den Beitrag von Chalmers Bezug.

  2. Hier ist es Velmans, der zu Chalmers Stellung bezieht.

POSITION VON VELMANS

  1. Schon vor dem Beitrag von Chalmers 1995 hatte Velmans (1991, 1993) die Position vertreten, die Chalmers als zentrale These vorträgt, auf der alles andere aufbaut: Das Phänomen des Bewusstseins ist fundamental verschieden von den Verarbeitungsprozessen, wie wir sie im Gehirn finden. (vgl. Velmans S.256) Man kann zwar partiell subjektive Erlebnisse mit beobachtbaren Prozessen im Gehirn korrelieren, aber es erscheint extrem unwahrscheinlich (‚extremely unlikely‘), dass man solche subjektiven Phänomene auf solche neuronalen Prozesse reduzieren kann. (vgl. 256)

  2. Zwar dürfte alles, was wir als real in der Welt wahrnehmen, letztlich nur eine subjektive Wahrnehmung sein (irgendwie von der realen Welt mitverursacht), aber umgekehrt folgt aus einer Nicht-Wahrnehmung nicht zwingend, dass es in der Welt nichts gibt.

  3. Nimmt man einerseits eine Nicht-Reduzierbarkeit des Phänomens des Bewusstseins auf beobachtbare neuronale Prozesse an, will aber andererseits auch nicht einen Dualismus im Sinne Descartes vertreten, bleibt u.a. die Suche nach einer Version einer Dualen-Aspekt Theorie des Bewusstseins, wie sie Chalmers in seinem Beitrag versucht hatte.

  4. Velmans verweist in diesem Kontext auf Spinoza (1732 – 177), der in der Kritik an Descartes dessen Konzept von Geist und Materie als zwei Aspekte von etwas grundlegend Anderem in der Natur vermutet haben soll. (vgl. Velmans S.256)

  5. Analog zu Chalmers folgt Velmans der Arbeitshypothese einer Dualen-Aspekt Theorie, wobei auch er – wie Chalmers – den Begriff der Information als grundlegende Eigenschaft der Natur betrachtet (Anmerkung: im Gegensatz zu Spinoza, der hier den Begriff der Substanz verwendet).

  6. In seiner weiteren Analyse nimmt Velmans an, dass subjektive Erlebnisse repräsentierender Art (‚representational‘) seien, also über etwas (‚about something‘). Daraus schließt er, dass auch die korrelierenden neuronalen Prozesse über etwas sein müssten. Ferner nimmt er an, dass diese korrelierten repräsentierenden Prozesse und Erlebnisse identische Informationen kodieren, die eben nur auf zwei verschiedene Weisen formatiert ist. (vgl. S.257)

  7. Entgegen dieser Annahme sieht Velmans verschiedene Fälle der Diskrepanz zwischen neuronalen Prozessen, die Information verarbeiten, und dem Bewusstsein.

  8. Den meisten neuronalen Prozesse im Gehirn korrelieren keine subjektiven Erlebnisse. Auch nicht im Fall des Langzeit-Gedächtnisses oder im Falle von Blind-Sicht Patienten (‚blind-sight‘). Bei letzteren verarbeitet das Gehirn visuelle Informationen, die nicht bewusst sind. Soll ein Mensch mit Blind-Sicht handeln, wird er aber dennoch ‚richtig‘ handeln, so, als ob er Bewusstsein hätte.

  9. Angesichts solcher massiven Fälle von Diskrepanzen zwischen informationsrelevanten neuronalen Prozessen und nicht aufweisbarem Bewusstsein stellt Velmans die enge Korrelation von Chalmers zwischen Bewusstsein und Aufmerksamkeit in Frage. Er befürwortet eher, die Begriffe Bewusstsein, Aufmerksamkeit und Erfahrung als gleichwertig zu betrachten und alle (nicht notwendigerweise mit Bewusstsein korrelierenden) informationsverarbeitenden Prozesse des Gehirns als davon separat zu sehen. (vgl. S.258f)

  10. Ähnlich argumentiert Velmans am Beispiel der Ergebnisgleichheit von strukturell gleichen Organisationen, wie sie Chalmers postulierte. Am Beispiel von neuronalen Implantaten stellt Velmans in Frage, ob nicht auch andere Organisationsformen gleiche Ergebnisse erzeugen könnten. (vgl. S.259f)

  11. Letztlich sind es nur spezielle Fälle von neuronalen Prozessen, die mit subjektiven Erlebnissen korrelieren.

  12. Es gäbe auch noch die theoretische Möglichkeit, dass im Prinzip alle neuronalen Prozesse mit Bewusstsein begleitet sind, dass sie aber im Normalfall nur gehemmt werden. Bewusstsein würde dann da auftreten, wo die allgemeinen informationsverarbeitenden Prozesse nicht gehemmt werden (‚released from inhibition‘). In dieser Sicht wäre das Gehirn dann wie ein Filter für Informationen.(vgl. S.261f)

  13. Betrachtet man ferner, so Velmans, wie einfach man eine Temperaturmessung mit einem Gerät messen könnte, und wie kompliziert das menschliche Nervensystem aufgebaut ist, um subjektive warm-kalt Empfindungen zu realisieren, dann spricht dies auch eher dafür, dass die Struktur von informationsverarbeitenden Prozessen nicht unbedingt etwas darüber aussagen muss, ob solche Prozesse mit Bewusstsein begleitet sind oder nicht.

  14. Diese Überlegungen führen wieder zu dem Punkt zurück, dass all das empirische Wissen über neuronale Prozesse keine Anhaltspunkte liefert, warum manche dann doch mit subjektiven Erlebnissen korrelieren. (vgl. S.262)

  15. Dass die gleichen Informationen in unterschiedlichen Formaten repräsentiert werden können, dies sehen wir mittlerweile nicht mehr als ungewöhnlich an, aber dass es überhaupt geschieht, das ist ein provozierender Sachverhalt.(vgl. S.262f)

DISKUSSION

  1. Hier einige erste Zwischenreflexionen nach der Lektüre von Chalmers, Clark und jetzt Velmans (es werden nicht alle diskussionswürdigen Punte  aufgegriffen, das wären zu viele).

  2. Sowohl Chalmers als auch Velmans sehen im Phänomen des Bewusstseins, des Bereiches der subjektiven Erlebnisse, ein Phänomen sui generis, das sich nicht auf die bekannten empirischen Beschreibungen von neuronalen Prozessen reduzieren lässt.

  3. Gegenüber von Chalmers sieht Velmans daher keine Chance, aus den Daten empirischer neuronaler Prozesse allgemeine Regeln abzuleiten, mit denen man direkt auf Ereignisse des Bewusstseins schließen könnte. Nicht einmal über die Hypothese von Chalmers, dass aus einer Strukturgleichheit von zwei Strukturen S1 und S2 etwas über die möglichen Ergebnisse von S1 und S2 gefolgert werden könne.

  4. Allerdings folgt Velmans der Dualen-Aspekt Hypothese von Chalmers, dass man den Begriff der Information als grundlegenden Begriff in der Natur einführen könne, aufgrund dessen man dann die unterschiedlichen Ausprägungen wie neuronale Prozesse und subjektive Erlebnisse als zwei unterschiedliche Zustandsformen der grundlegenden Information verstehen könne. Velmans zitiert hier auch Spinoza, der eine ähnliche Idee in seiner Auseinandersetzung mit dem Dualismus von Descartes entwickelt hatte.

  5. Dass Spinoza das gleiche Problem mit einem anderen Begriff, nämlich Substanz, für sich ‚löste‘, macht Velmans nicht hellhörig. Ist der neuere Begriff Information, so wie er von Chalmers und Velmans benutzt wird, dann so zu verstehen, dass er strukturgleich zum Begriff der Substanz bei Spinoza ist?

  6. Es fällt auf, dass Velmans in seinem Beitrag den Begriff Information nicht weiter thematisiert; er übernimmt ihn einfach in der Verwendungsweise, wie er ihn bei Chalmers vorfindet.

  7. Wie ich aber in der Diskussion des Beitrags von Chalmers schon angemerkt hatte, ist die Verwendung des Begriffs Information bei Chalmers in sich unklar. Direkt bezieht er sich auf den semantikfreien Informationsbegriff von Shannon (1948), aber in der Art und Weise wie Chalmers diesen Begriff dann verwendet tut er genau das, was Shannon in seinem Text gleich zu Beginn explizit ausgeschlossen hat. Chalmers benutzt den Begriff Information im alltäglichen Sinne, nämlich mit einer semantischen Dimension, will sagen er benutzt nicht nur Signalereignisse als solche beschränkt auf ihre Auftretenswahrscheinlichkeiten, sondern er sieht Signalereignisse immer auch als Bedeutungsträger, also als Ereignisse, die mit etwas anderem korrelieren, das sowohl für den Sender wie für den Empfänger wesentlich dazu gehört. Im gesamten biologischen Bereich ist dies so. So sind z.B. die unterschiedlichen Bestandteile eines DNA-Moleküls (in seinen verschiedenen übersetzten Formen) für das Empfängermolekül, das Ribosom, nicht einfach nur irgendwelche atomaren Verbindungen, sondern diese atomaren Verbindungen sind Signalereignisse, die vom Empfänger so interpretiert werden, als ob sie noch etwas Anderes kodieren. Dieses Andere sind jene atomaren Verbindungen (Moleküle), mittels deren dann ein neues, komplexeres Molekül, ein Protein, zusammengebaut wird. Der Output des Prozesses ist etwas anderes, als der Input. Man kann diesen komplexen Prozess natürlich ausschließlich bezüglich seiner statistischen Eigenschaften beschreiben, damit würde man aber genau das, was diesen Prozess so besonders macht, das, was ihn auszeichnet, unsichtbar machen. Shannon wusste genau, was er tat, als er erklärte, dass er die Bedeutungskomponente ausließ, aber viele seiner späteren Leser haben seine Bemerkung anscheinend schlicht überlesen.

  8. Würde man den Begriff der Information streng nach Shannon verstehen, also Information_Sh, dann werden die Arbeitshypothesen von Chalmers und Velmans schlicht unsinnig. Mit reiner Statistik versteht man weder irgendeinen neuronalen Prozess noch die Dynamik subjektiver Ereignisse.

  9. Würde man den Begriff der Information im von Shannon explizit ausgeschlossenen Sinne – also Information+ – verstehen, also mit einer expliziten semantischen Dimension, dann müsste man über die Arbeitshypothesen von Chalmers und Velmans neu nachdenken. Das wäre eine in sich reizvolle Aufgabe. Bevor man dies tut, sollte man sich dann aber die Ausgangsposition nochmals vergegenwärtigen.

  10. Ausgangspunkt für Chalmers und Velmans ist deren Überzeugung, dass sich subjektive Erlebnisse nicht durch Rekurs auf empirische Beschreibungen von neuronalen Prozessen erklären lassen. Weder aus der Art der neuronalen Prozesse (Chalmers und Velmans) noch aus der Struktur neuronaler Verschaltungen (eher nur Velmans) lassen sich irgendwelche zwingenden Schlüsse auf mögliche begleitende subjektive Erlebnisse ziehen.

  11. Eine solche abgrenzende Position macht wissenschaftsphilosophisch nur Sinn, wenn man von zwei unterschiedlichen Datenbereichen (subjektive Erlebnisse D_s und neuronale Ereignisse D_nn) ausgeht, zu denen es zwei verschiedene Theorien gibt, eine Theorie der subjektiven Erlebnisse <Ts, Int_s, D_nn, D_nn> und eine Theorie der neuronalen Ereignisse <Tnn, Int_nn>. Ferner muss man annehmen, dass mindestens die Datenbereiche beider Theorien wesentlich verschieden sind, also D_s != D_nn. Letzteres ist der Fall, da nach allgemeinem Verständnis zwar alle empirischen Daten D_e, zu denen auch die neuronalen Ereignisse D_nn gehören, zwar zugleich auch subjektive Ereignisse D_s sind, da sie für den Beobachter ja primär erst einmal als seine subjektiven Wahrnehmungen auftreten, dass aber umgekehrt es für eine empirische Theorie Te nicht möglich ist, subjektive Daten D_s einzubeziehen. Mit anderen Worten, die empirischen Daten D_e bilden aus Sicht einer empirischen Theorie eine echte Teilmenge der subjektiven Daten D_s, von daher rührt die Ungleichheit in den Daten. Wichtig ist aber das Detail, dass aus Sicht einer empirischen Theorie Te zwar keine subjektiven Daten D_s verarbeitet werden können, dass umgekehrt aber eine subjektive Theorie Ts sehr wohl Zugriff auf empirische Daten hat, da empirische Daten D_e (mit den neuronalen Daten D_nn als echter Teilmenge) zugleich immer auch subjektive Daten D_s sind, also D_e c D_s. Empirische Daten D_e sind eben beides: subjektiv wie auch zugleich inter-subjektiv.

  12. Die heutigen empirischen Wissenschaften haben die empirische Welt in unterschiedliche empirische Datenbereiche aufgeteilt, deren Beziehungsverhältnisse eigentlich offiziell nicht geklärt sind. Unterschwellig wird immer angenommen, dass die Physik die umfassendste Sichtweise hat, dass also den empirischen Daten der Physik D_e_physik alle anderen empirischen Datenbereiche D_e_x umfassen, also D_e_x c D_e_physik. Ob dies so ist, ist eher offen. Astrobiologie, Evolutionsbiologie, Mikrobiologie – um nur einige Disziplinen zu nennen –, die sich u.a. mit dem Phänomen des biologischen Lebens beschäftigen, haben zahllose originäre Phänomene zu bieten, deren wissenschaftliche Beschreibung allein mit dem Inventar der bekannten Physik im Ansatz unmöglich erscheint (nach Feststellung von bekannten Physikern). Dann würde nicht gelten, dass D_e_x c D_e_physik, sondern D_e_x != D_e_physik.

  13. Doch unabhängig von den Verhältnissen zwischen den Datenbereichen der unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen gilt für das Verhältnis der empirischen Daten D_e zu den Tatsachen des Bewusstsein D_s, dass alle empirischen Daten D_e eine echte Teilmenge der subjektiven Daten D_s sind, also D_e c D_s. Vom Standpunkt eines Theorieerstellers vom Typ homo sapiens (sapiens) liegt damit eine Lösung der methodischen Probleme der empirischen Einzeldisziplinen Te_x – wenn es überhaupt eine gibt – im Bereich einer Theorie der Subjektivität Ts.

  14. Ich habe nicht den Eindruck, dass es solch eine umfassende Theorie der Subjektivität bislang gibt. Die großen philosophischen Entwürfe gehen sicher in diese Richtung. Vielleicht ist Carnaps Stufenbau der Welt (inhaltlich fast vollständig von Husserl geprägt (gegen den Mainstream der Carnap-Interpretation)) ein kleiner Ansatz zu einer modernen Theorie der Subjektivität.

  15. Also, wir haben noch keine brauchbare Theorie der Subjektivität Ts. Wenn wir sie hätten, man kann ja mal spekulieren, dann müsste man solche Fragen wie die von Chalmers, Velmans und Clark in solch einem Kontext diskutieren. Ob in solch einem Kontext ein semantischer Informationsbegriff Information+ dann nützlich wäre, müsste man ausloten. Ich vermute mal, dass man viele andere Fragen klären müsste, bevor man über die mögliche Verwendung eines Informationsbegriffs im Kontext von Subjektivität und begleitenden empirischen Prozessen nachdenken würde.

Einen Überblick über alle Blogbeiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

SEMIOTIK UND KÜNSTLICHE INTELLIGENZ. EIN VIELVERSPRECHENDES TEAM. Nachschrift eines Vortrags an der Universität Passau am 22.Okt.2015

KONTEXT

  1. Im Rahmen der interdisziplinären Ringvorlesung Grenzen (Wintersemester 2015/16) an der Universität Passau (organisiert von der Deutsche Gesellschaft für Semiotik (DGS) e.V. in Kooperation mit der Professur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Mediensemiotik (Prof. Dr. Jan-Oliver Decker und Dr. Stefan Halft) hatte ich einen Vortrag angenommen mit dem Titel Semiotik und künstliche Intelligenz. Ein vielversprechendes Team. Wie immer halte ich Vorträge immer zu Fragen, die ich bis dahin noch nicht ausgearbeitet hatte und nutze diese Herausforderung, es dann endlich mal zu tun.
  2. Die Atmosphäre beim Vortrag war sehr gut und die anschließenden Gespräche brachte viele interessanten Aspekte zutage, was wir im Rahmen der DGS noch tun sollten/ könnten, um das Thema weiter zu vertiefen.

MOTIV – WARUM DIESES THEMA

  1. Angesichts der vielfältigen Geschichte der Semiotik könnte man natürlich ganze Abende nur mit Geschichten über die Semiotik füllen. Desgleichen im Fall der künstlichen Intelligenz [KI]. Der Auslöser für das Thema war dann auch der spezielle Umstand, dass im Bereich der KI seit etwa den 80iger Jahren des 20.Jahrhunderts in einigen Forschungsprojekten das Thema Semiotik ganz neu auftaucht, und nicht als Randthema sondern verantwortlich für die zentralen Begriffe dieser Forschungen. Gemeint sind die berühmten Roboterexperimente von Luc Steels (ähnlich auch aufgegriffen von anderen, z.B. Paul Vogt) (siehe Quellen unten).
  2. Unter dem Eindruck großer Probleme in der klassischen KI, die aus einem mangelnden direkten Weltbezug resultierten (das sogenannte grounding Problem) versuchte Steels, Probleme des Zeichen- und Sprachlernens mit Hilfe von Robotern zu lösen, die mit ihren Sensoren direkten Kontakt zur empirischen Welt haben und die mit ihren Aktoren auch direkt auf die Welt zurück wirken können. Ihre internen Verarbeitungsprozesse können auf diese Weise abhängig gemacht werden (eine Form von grounding) von der realen Welt (man spricht hier auch von embodied intelligence).
  3. Obwohl Steels (wie auch Vogt) auf ungewöhnliche Weise grundlegende Begriffe der Semiotik einführen, wird dieser semiotische Ansatz aber nicht weiter reflektiert. Auch findet nicht wirklich eine Diskussion des Gesamtansatzes statt, der aus dieser Kombination von Semiotik und Robotik/ KI entsteht bzw. entstehen könnte. Dies ist schade. Der Vortrag Semiotik und künstliche Intelligenz. Ein vielversprechendes Team stellt einen Versuch dar, heraus zu arbeiten, warum die Kombination Semiotik und KI nicht nur Sinn macht, sondern eigentlich das Zeug hätte, zu einem zentralen Forschungsparadigma für die Zukunft zu werden. Tatsächlich liegt dem Emerging Mind Projekt, das hier im Blog schon öfters erwähnt wurde und am 10.November 2015 offiziell eröffnet werden wird, genau dieses Semiotik-KI-Paradigma zugrunde.

WELCHE SEMIOTIK?

  1. Wer Wörterbücher zur Semiotik aufschlägt (z.B. das von Noeth 2000), wird schnell bemerken, dass es eine große Vielfalt von Semiotikern, semiotischen Blickweisen, Methoden und Theorieansätze gibt, aber eben nicht die eine große Theorie. Dies muss nicht unbedingt negativ sein, zumal dann nicht, wenn wir ein reiches Phänomen vor uns haben, das sich eben einer einfachen Theoriebildung widersetzt. Für die Praxis allerdings, wenn man Semiotik in einer realen Theoriebildung einsetzen möchte, benötigt man verbindliche Anknüpfungspunkte, auf die man sich bezieht. Wie kann man solch eine Entscheidung motivieren?
  2. Aus der Sicht der Wissenschaftsphilosophie biete es sich an, die unterschiedlichen Zugangsweisen zur Erfahrung und und Beschreibung von Wirklichkeit als quasi Koordinatensystem zu wählen, diesem einige der bekanntesten semiotischen Ansätze zu zuordnen und dann zu schaue, welche dieser semiotischen Positionen der Aufgabenstellung am nächsten kommen. Von einer Gesamttheorie her betrachtet sind natürlich alle Ansätze wichtig. Eine Auswahl bzw. Gewichtung kann nur pragmatische Gründe haben.

ZUGÄNGE ZUR WIRKLICHKEIT

  1. Grundsätzlich gibt es aus heutiger Sicht zwei Zugangsweisen: über den intersubjektiven (empirischen) Bereich und über das subjektive Erleben.
  2. Innerhalb des empirischen Bereichs gab es lange Zeit nur den Bereich des beobachtbaren Verhaltens [SR] (in der Psychologie) ohne die inneren Zustände des Systems; seit ca. 50-60 Jahren eröffnen die Neurowissenschaften auch einen Zugriff auf die Vorgänge im Gehirn. Will man beide Datenbereiche korrelieren, dann gerät man in das Gebiet der Neuropsychologie [NNSR].
  3. Der Zugang zur Wirklichkeit über den subjektiven Bereich – innerhalb der Philosophie auch als phänomenologischer Zugang bekannt – hat den Vorteil einer Direktheit und Unmittelbarkeit und eines großen Reichtums an Phänomenen.
  4. Was den meisten Menschen nicht bewusst ist, ist die Tatsache, dass die empirischen Phänomene nicht wirklich außerhalb des Bewusstseins liegen. Die Gegenstände in der Zwischenkörperzone (der empirische Bereich) sind als Gegenstände zwar (was wir alle unterstellen) außerhalb des Bewusstseins, aber die Phänomene, die sie im Bewusstsein erzeugen, sind nicht außerhalb, sondern im Bewusstsein. Das, was die empirischen Phänomene [PH_em] von den Phänomenen, unterscheidet, die nicht empirisch [PH_nem] sind, ist die Eigenschaft, dass sie mit etwas in der Zwischenkörperwelt korrespondieren, was auch von anderen Menschen wahrgenommen werden kann. Dadurch lässt sich im Falle von empirischen Phänomenen relativ leicht Einigkeit zwischen verschiedenen Kommunikationsteilnehmern über die jeweils korrespondierenden Gegenstände/ Ereignisse erzielen.
  5. Bei nicht-empirischen Phänomenen ist unklar, ob und wie man eine Einigkeit erzielen kann, da man nicht in den Kopf der anderen Person hineinschauen kann und von daher nie genau weiß, was die andere Person meint, wenn sie etwas Bestimmtes sagt.
  6. Die Beziehung zwischen Phänomenen des Bewusstseins [PH] und Eigenschaften des Gehirns – hier global als NN abgekürzt – ist von anderer Art. Nach heutigem Wissensstand müssen wir davon ausgehen, dass alle Phänomene des Bewusstseins mit Eigenschaften des Gehirns korrelieren. Aus dieser Sicht wirkt das Bewusstsein wie eine Schnittstelle zum Gehirn. Eine Untersuchung der Beziehungen zwischen Tatsachen des Bewusstseins [PH] und Eigenschaften des Gehirns [NN] würde in eine Disziplin fallen, die es so noch nicht wirklich gibt, die Neurophänomenologie [NNPH] (analog zur Neuropsychologie).
  7. Der Stärke des Bewusstseins in Sachen Direktheit korrespondiert eine deutliche Schwäche: im Bewusstsein hat man zwar Phänomene, aber man hat keinen Zugang zu ihrer Entstehung! Wenn man ein Objekt sieht, das wie eine Flasche aussieht, und man die deutsche Sprache gelernt hat, dann wird man sich erinnern, dass es dafür das Wort Flasche gibt. Man konstatiert, dass man sich an dieses Wort in diesem Kontext erinnert, man kann aber in diesem Augenblick weder verstehen, wie es zu dieser Erinnerung kommt, noch weiß man vorher, ob man sich erinnern wird. Man könnte in einem Bild sagen: das Bewusstsein verhält sich hier wie eine Kinoleinwand, es konstatiert, wenn etwas auf der Leinwand ist, aber es weiß vorher nicht, ob etwas auf die Leinwand kommen wird, wie es kommt, und nicht was kommen wird. So gesehen umfasst das Bewusstsein nur einen verschwindend kleinen Teil dessen, was wir potentiell wissen (können).

AUSGEWÄHLTE SEMIOTIKER

  1. Nach diesem kurzen Ausflug in die Wissenschaftsphilosophie und bevor hier einzelne Semiotiker herausgegriffen werden, sei eine minimale Charakterisierung dessen gegeben, was ein Zeichen sein soll. Minimal deshalb, weil alle semiotischen Richtungen, diese minimalen Elemente, diese Grundstruktur eines Zeichens, gemeinsam haben.
  2. Diese Grundstruktur enthält drei Komponenten: (i) etwas, was als Zeichenmaterial [ZM] dienen kann, (ii) etwas, das als Nichtzeichenmaterial [NZM] fungieren kann, und (iii) etwas, das eine Beziehung/ Relation/ Abbildung Z zwischen Zeichen- und Nicht-Zeichen-Material in der Art repräsentiert, dass die Abbildung Z dem Zeichenmaterial ZM nicht-Zeichen-Material NZM zuordnet. Je nachdem, in welchen Kontext man diese Grundstruktur eines Zeichens einbettet, bekommen die einzelnen Elemente eine unterschiedliche Bedeutung.
  3. Dies soll am Beispiel von drei Semiotikern illustriert werden, die mit dem zuvor charakterisierten Zugängen zur Wirklichkeit korrespondieren: Charles William Morris (1901 – 1979), Ferdinand de Saussure (1857-1913) und Charles Santiago Sanders Peirce (1839 – 1914) .
  4. Morris, der jüngste von den Dreien, ist im Bereich eines empirischen Verhaltensansatzes zu positionieren, der dem verhaltensorientierten Ansatz der modernen empirischen Psychologie nahe kommt. In diesem verhaltensbasierten Ansatz kann man die Zeichengrundstruktur so interpretieren, dass dem Zeichenmaterial ZM etwas in der empirischen Zwischenwelt korrespondiert (z.B. ein Laut), dem Nicht-Zeichen-Material NZM etwas anderes in der empirischen Außenwelt (ein Objekt, ein Ereignis, …), und die Zeichenbeziehung Z kommt nicht in der empirischen Welt direkt vor, sondern ist im Zeichenbenutzer zu verorten. Wie diese Zeichenbeziehung Z im Benutzer tatsächlich realisiert ist, war zu seiner Zeit empirische noch nicht zugänglich und spielt für den Zeichenbegriff auch weiter keine Rolle. Auf der Basis von empirischen Verhaltensdaten kann die Psychologie beliebige Modellannahmen über die inneren Zustände des handelnden Systems machen. Sie müssen nur die Anforderung erfüllen, mit den empirischen Verhaltensdaten kompatibel zu sein. Ein halbes Jahrhundert nach Morris kann man anfangen, die psychologischen Modellannahmen über die Systemzustände mit neurowissenschaftlichen Daten abzugleichen, sozusagen in einem integrierten interdisziplinären neuropsychologischen Theorieansatz.
  5. Saussure, der zweit Jüngste von den Dreien hat als Sprachwissenschaftler mit den Sprachen primär ein empirisches Objekt, er spricht aber in seinen allgemeinen Überlegungen über das Zeichen in einer bewusstseinsorientierten Weise. Beim Zeichenmaterial ZM spricht er z.B. von einem Lautbild als einem Phänomen des Bewusstseins, entsprechend von dem Nicht-Zeichenmaterial auch von einer Vorstellung im Bewusstsein. Bezüglich der Zeichenbeziehung M stellt er fest, dass diese außerhalb des Bewusstseins liegt; sie wird vom Gehirn bereit gestellt. Aus Sicht des Bewusstseins tritt diese Beziehung nur indirekt in Erscheinung.
  6. Peirce, der älteste von den Dreien, ist noch ganz in der introspektiven, phänomenologischen Sicht verankert. Er verortet alle drei Komponenten der Zeichen-Grundstruktur im Bewusstsein. So genial und anregend seine Schriften im einzelnen sind, so führt diese Zugangsweise über das Bewusstsein zu großen Problemen in der Interpretation seiner Schriften (was sich in der großen Bandbreite der Interpretationen ausdrückt wie auch in den nicht selten geradezu widersprüchlichen Positionen).
  7. Für das weitere Vorgehen wird in diesem Vortrag der empirische Standpunkt (Verhalten + Gehirn) gewählt und dieser wird mit der Position der künstlichen Intelligenz ins Gespräch gebracht. Damit wird der direkte Zugang über das Bewusstsein nicht vollständig ausgeschlossen, sondern nur zurück gestellt. In einer vollständigen Theorie müsste man auch die nicht-empirischen Bewusstseinsdaten integrieren.

SPRACHSPIEL

  1. Ergänzend zu dem bisher Gesagten müssen jetzt noch drei weitere Begriffe eingeführt werden, um alle Zutaten für das neue Paradigma Semiotik & KI zur Verfügung zu haben. Dies sind die Begriffe Sprachspiel, Intelligenz sowie Lernen.
  2. Der Begriff Sprachspiel wird auch von Luc Steels bei seinen Roboterexperimenten benutzt. Über den Begriff des Zeichens hinaus erlaubt der Begriff des Sprachspiels den dynamischen Kontext des Zeichengebrauchs besser zu erfassen.
  3. Steels verweist als Quelle für den Begriff des Sprachspiels auf Ludwig Josef Johann Wittgenstein (1889-1951), der in seiner Frühphase zunächst die Ideen der modernen formalen Logik und Mathematik aufgriff und mit seinem tractatus logico philosophicus das Ideal einer am logischen Paradigma orientierten Sprache skizzierte. Viele Jahre später begann er neu über die normale Sprache nachzudenken und wurde sich selbst zum schärfsten Kritiker. In jahrelangen Analysen von alltäglichen Sprachsituationen entwickelte er ein facettenreiches Bild der Alltagssprache als ein Spiel, in dem Teilnehmer nach Regeln Zeichenmaterial ZM und Nicht-Zeichen-Material NZM miteinander verknüpfen. Dabei spielt die jeweilige Situation als Kontext eine Rolle. Dies bedeutet, das gleiche Zeichenmaterial kann je nach Kontext unterschiedlich wirken. Auf jeden Fall bietet das Konzept des Sprachspiels die Möglichkeit, den ansonsten statischen Zeichenbegriff in einen Prozess einzubetten.
  4. Aber auch im Fall des Sprachspielkonzepts benutzt Steels zwar den Begriff Sprachspiel, reflektiert ihn aber nicht soweit, dass daraus ein explizites übergreifendes theoretisches Paradigma sichtbar wird.
  5. Für die Vision eines neuen Forschungsparadigmas Semiotik & KI soll also in der ersten Phase die Grundstruktur des Zeichenbegriffs im Kontext der empirischen Wissenschaften mit dem Sprachspielkonzept von Wittgenstein (1953) verknüpft werden.

INTELLIGENZ

  1. Im Vorfeld eines Workshops der Intelligent Systems Division des NIST 2000 gab es eine lange Diskussion zwischen vielen Beteiligten, wie man denn die Intelligenz von Maschinen messen sollte. In meiner Wahrnehmung verhedderte sich die Diskussion darin, dass damals nach immer neuen Klassifikationen und Typologien für die Architektur der technischen Systeme gesucht wurde, anstatt das zu tun, was die Psychologie schon seit fast 100 Jahren getan hatte, nämlich auf das Verhalten und dessen Eigenschaften zu schauen. Ich habe mich in den folgenden Jahren immer wieder mit der Frage des geeigneten Standpunkts auseinandergesetzt. In einem Konferenzbeitrag von 2010 (zusammen mit anderen, insbesondere mit Louwrence Erasmus) habe ich dann dafür argumentiert, das Problem durch Übernahme des Ansatzes der Psychologie zu lösen.
  2. Die Psychologie hatte mit Binet (1905), Stern (1912 sowie Wechsler (1939) eine grundsätzliche Methode gefunden hatte, die Intelligenz, die man nicht sehen konnte, indirekt durch Rückgriff auf Eigenschaften des beobachtbaren Verhaltens zu messen (bekannt duch den Begriff des Intelligenz-Quotienten, IQ). Die Grundidee bestand darin, dass zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Kultur bestimmte Eigenschaften als charakteristisch für ein Verhalten angesehen werden, das man allgemein als intelligent bezeichnen würde. Dies impliziert zwar grundsätzlich eine gewisse Relativierung des Begriffs Intelligenz (was eine Öffnung dahingehend impliziert, dass zu anderen Zeiten unter anderen Umständen noch ganz neue Eigenschaftskomplexe bedeutsam werden können!), aber macht Intelligenz grundsätzlich katalogisierbar und damit messbar.
  3. Ein Nebeneffekt der Bezugnahme auf Verhaltenseigenschaften findet sich in der damit möglichen Nivellierung der zu messenden potentiellen Strukturen in jenen Systemen, denen wir Intelligenz zusprechen wollen. D.h. aus Sicht der Intelligenzmessung ist es egal ob das zu messende System eine Pflanze, ein Tier, ein Mensch oder eine Maschine ist. Damit wird – zumindest im Rahmen des vorausgesetzten Intelligenzbegriffs – entscheidbar, ob und in welchem Ausmaß eine Maschine möglicherweise intelligent ist.
  4. Damit eignet sich dieses Vorgehen auch, um mögliche Vergleiche zwischen menschlichem und maschinellem Verhalten in diesem Bereich zu ermöglichen. Für das Projekt des Semiotk & KI-Paradigmas ist dies sehr hilfreich.

LERNEN

  1. An dieser Stelle ist es wichtig, deutlich zu machen, dass Intelligenz nicht notwendigerweise ein Lernen impliziert und Lernen nicht notwendigerweise eine Intelligenz! Eine Maschine (z.B. ein schachspielender Computer) kann sehr viele Eigenschaften eines intelligenten Schachspielers zeigen (bis dahin, dass der Computer Großmeister oder gar Weltmeister besiegen kann), aber sie muss deswegen nicht notwendigerweise auch lernfähig sein. Dies ist möglich, wenn erfahrene Experten hinreichend viel Wissen in Form eines geeigneten Programms in den Computer eingeschrieben haben, so dass die Maschine aufgrund dieses Programms auf alle Anforderungen sehr gut reagieren kann. Von sich aus könnte der Computer dann nicht dazu lernen.
  2. Bei Tieren und Menschen (und Pflanzen?) gehen wir von einer grundlegenden Lernfähigkeit aus. Bezogen auf das beobachtbare Verhalten können wir die Fähigkeit zu Lernen dadurch charakterisieren, dass ein System bis zu einem Zeitpunkt t bei einem bestimmten Reiz s nicht mit einem Verhalten r antwortet, nach dem Zeitpunkt t aber dann plötzlich doch, und dieses neue Verhalten über längere Zeit beibehält. Zeigt ein System eine solche Verhaltensdynamik, dann darf man unterstellen, dass das System in der Lage ist, seine inneren Zustände IS auf geeignete Weise zu verändern (geschrieben: phi: I x IS —> IS x O (mit der Bedeutung I := Input (Reize, Stimulus s), O := Output (Verhaltensantworten, Reaktion r), IS := interne Zustände, phi := Name für die beobachtbare Dynamik).
  3. Verfügt ein System über solch eine grundlegende Lernfähigkeit (die eine unterschiedlich reiche Ausprägung haben kann), dann kann es sich im Prinzip alle möglichen Verhaltenseigenschaften aneignen/ erwerben/ erlernen und damit im oben beschriebenen Sinne intelligent werden. Allerdings gibt es keine Garantie, dass eine Lernfähigkeit notwendigerweise zu einer bestimmten Intelligenz führen muss. Viele Menschen, die die grundsätzliche Fähigkeit besitzen, Schachspielen oder Musizieren oder Sprachen zu lernen,  nutzen diese ihre Fähigkeiten niemals aus; sie verzichten damit auf Formen intelligenten Verhaltens, die ihnen aber grundsätzlich offen stehen.
  4. Wir fordern also, dass die Lernfähigkeit Teil des Semiotik & KI-Paradigmas sein soll.

LERNENDE MASCHINEN

  1. Während die meisten Menschen heute Computern ein gewisses intelligentes Verhalten nicht absprechen würden, sind sie sich mit der grundlegenden Lernfähigkeit unsicher. Sind Computer im echten Sinne (so wie junge Tiere oder menschliche Kinder) lernfähig?
  2. Um diese Frage grundsätzlich beantworten zu können, müsste man ein allgemeines Konzept von einem Computer haben, eines, das alle heute und in der Zukunft existierende und möglicherweise in Existenz kommende Computer in den charakteristischen Eigenschaften erschöpfend beschreibt. Dies führt zur Vor-Frage nach dem allgemeinsten Kriterium für Computer.
  3. Historisch führt die Frage eigentlich direkt zu einer Arbeit von Turing (1936/7), in der er den Unentscheidbarkeitsbeweis von Kurt Gödel (1931) mit anderen Mitteln nochmals nachvollzogen hatte. Dazu muss man wissen, dass es für einen formal-logischen Beweis wichtig ist, dass die beim Beweis zur Anwendung kommenden Mittel, vollständig transparent sein müssen, sie müssen konstruktiv sein, was bedeutet, sie müssen endlich sein oder effektiv berechenbar. Zum Ende des 19.Jh und am Anfang des 20.Jh gab es zu dieser Fragestellung eine intensive Diskussion.
  4. Turing wählte im Kontrast zu Gödel keine Elemente der Zahlentheorie für seinen Beweis, sondern nahm sich das Verhalten eines Büroangestellten zum Vorbild: jemand schreibt mit einem Stift einzelne Zeichen auf ein Blatt Papier. Diese kann man einzeln lesen oder überschreiben. Diese Vorgabe übersetze er in die Beschreibung einer möglichst einfachen Maschine, die ihm zu Ehren später Turingmaschine genannt wurde (für eine Beschreibung der Elemente einer Turingmaschine siehe HIER). Eine solche Turingmaschine lässt sich dann zu einer universellen Turingmaschine [UTM] erweitern, indem man das Programm einer anderen (sekundären) Turingmaschine auf das Band einer primären Turingmaschine schreibt. Die primäre Turingmaschine kann dann nicht nur das Programm der sekundären Maschine ausführen, sondern kann es auch beliebig abändern.
  5. In diesem Zusammenhang interessant ist, dass der intuitive Begriff der Berechenbarkeit Anfang der 30ige Jahre des 20.Jh gleich dreimal unabhängig voneinander formal präzisiert worden ist (1933 Gödel und Herbrand definierten die allgemein rekursiven Funktionen; 1936 Church den Lambda-Kalkül; 1936 Turing die a-Maschine für ‚automatische Maschine‘, später Turing-Maschine). Alle drei Formalisierungen konnten formal als äquivalent bewiesen werden. Dies führte zur sogenannten Church-Turing These, dass alles, was effektiv berechnet werden kann, mit einem dieser drei Formalismen (also auch mit der Turingmaschine) berechnet werden kann. Andererseits lässt sich diese Church-Turing These selbst nicht beweisen. Nach nunmehr fast 80 Jahren nimmt aber jeder Experte im Feld an, dass die Church-Turing These stimmt, da bis heute keine Gegenbeispiele gefunden werden konnten.
  6. Mit diesem Wissen um ein allgemeines formales Konzept von Computern kann man die Frage nach der generellen Lernfähigkeit von Computern dahingehend beantworten, dass Computer, die Turing-maschinen-kompatibel sind, ihre inneren Zustände (im Falle einer universellen Turingmaschine) beliebig abändern können und damit die Grundforderung nach Lernfähigkeit erfüllen.

LERNFÄHIGE UND INTELLIGENTE MASCHINEN?

  1. Die Preisfrage stellt sich, wie eine universelle Turingmaschine, die grundsätzlich lernfähig ist, herausfinden kann, welche der möglichen Zustände interessant genug sind, um damit zu einem intelligenten Verhalten zu kommen?
  2. Diese Frage nach der möglichen Intelligenz führt zur Frage der verfügbaren Kriterien für Intelligenz: woher soll eine lernfähige Maschine wissen, was sie lernen soll?
  3. Im Fall biologischer Systeme wissen wir mittlerweile, dass die lernfähigen Strukturen als solche dumm sind, dass aber durch die schiere Menge an Zufallsexperimenten ein Teil dieser Experimente zu Strukturen geführt hat, die bzgl. bestimmter Erfolgskriterien besser waren als andere. Durch die Fähigkeit, die jeweils erfolgreichen Strukturen in Form von Informationseinheiten zu speichern, die dann bei der nächsten Reproduktion erinnert werden konnten, konnten sich die relativen Erfolge behaupten.
  4. Turing-kompatible Computer können speichern und kodieren, sie brauchen allerdings noch Erfolgskriterien, um zu einem zielgerichtete Lernen zu kommen.

LERNENDE SEMIOTISCHE MASCHINEN

  1. Mit all diesen Zutaten kann man jetzt lernende semiotische Maschinen konstruieren, d.h. Maschinen, die in der Lage sind, den Gebrauch von Zeichen im Kontext eines Prozesses, zu erlernen. Das dazu notwendige Verhalten gilt als ein Beispiel für intelligentes Verhaltens.
  2. Es ist hier nicht der Ort, jetzt die Details solcher Sprach-Lern-Spiele auszubreiten. Es sei nur soviel gesagt, dass man – abschwächend zum Paradigma von Steels – hier voraussetzt, dass es schon mindestens eine Sprache L und einen kundigen Sprachteilnehmer gibt (der Lehrer), von dem andere Systeme (die Schüler), die diese Sprache L noch nicht kennen, die Sprache L lernen können. Diese Schüler können dann begrenzt neue Lehrer werden.
  3. Zum Erlernen (Training) einer Sprache L benötigt man einen definierten Kontext (eine Welt), in dem Lehrer und Schüler auftreten und durch Interaktionen ihr Wissen teilen.
  4. In einer Evaluationsphase (Testphase), kann dann jeweils überprüft werden, ob die Schüler etwas gelernt haben, und wieviel.
  5. Den Lernerfolge einer ganzen Serie von Lernexperimenten (ein Experiment besteht aus einem Training – Test Paar) kann man dann in Form einer Lernkurve darstellen. Diese zeigt entlang der Zeitachse, ob die Intelligenzleistung sich verändert hat, und wie.
  6. Gestaltet man die Lernwelt als eine interaktive Softwarewelt, bei der Computerprogramme genauso wie Roboter oder Menschen mitwirken können, dann kann man sowohl Menschen als Lehrer benutzen wie auch Menschen im Wettbewerb mit intelligenten Maschinen antreten lassen oder intelligente Maschinen als Lehrer oder man kann auch hybride Teams formen.
  7. Die Erfahrungen zeigen, dass die Konstruktion von intelligenten Maschinen, die menschenähnliche Verhaltensweisen lernen sollen, die konstruierenden Menschen dazu anregen, ihr eigenes Verhalten sehr gründlich zu reflektieren, nicht nur technisch, sondern sogar philosophisch.

EMERGING MIND PROJEKT

  1. Die zuvor geschilderten Überlegungen haben dazu geführt, dass ab 10.November 2015 im INM Frankfurt ein öffentliches Forschungsprojekt gestartet werden soll, das Emerging Mind Projekt heißt, und das zum Ziel hat, eine solche Umgebung für lernende semiotische Maschinen bereit zu stellen, mit der man solche semiotischen Prozesse zwischen Menschen und lernfähigen intelligenten Maschinen erforschen kann.

QUELLEN

  • Binet, A., Les idees modernes sur les enfants, 1909
  • Doeben-Henisch, G.; Bauer-Wersing, U.; Erasmus, L.; Schrader,U.; Wagner, W. [2008] Interdisciplinary Engineering of Intelligent Systems. Some Methodological Issues. Conference Proceedings of the workshop Modelling Adaptive And Cognitive Systems (ADAPCOG 2008) as part of the Joint Conferences of SBIA’2008 (the 19th Brazilian Symposium on Articial Intelligence); SBRN’2008 (the 10th Brazilian Symposium on Neural Networks); and JRI’2008 (the Intelligent Robotic Journey) at Salvador (Brazil) Oct-26 – Oct-30(PDF HIER)
  • Gödel, K. Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I, In: Monatshefte Math.Phys., vol.38(1931),pp:175-198
  • Charles W. Morris, Foundations of the Theory of Signs (1938)
  • Charles W. Morris (1946). Signs, Language and Behavior. New York: Prentice-Hall, 1946. Reprinted, New York: George Braziller, 1955. Reprinted in Charles Morris, Writings on the General Theory of Signs (The Hague: Mouton, 1971), pp. 73-397. /* Charles William Morris (1901-1979) */
  • Charles W. Morris, Signication and Signicance (1964)
  • NIST: Intelligent Systems Division: http://www.nist.gov/el/isd/
  • Winfried Noth: Handbuch der Semiotik. 2., vollständig neu bearbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2000
  • Charles Santiago Sanders Peirce (1839-1914) war ein US-amerikanischer Mathematiker, Philosoph und Logiker. Peirce gehort neben William James und John Dewey zu den maßgeblichen Denkern des Pragmatismus; außerdem gilt er als Begründer der modernen Semiotik. Zur ersten Einführung siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Charles Sanders Peirce Collected Papers of Charles Sanders Peirce. Bände I-VI hrsg. von Charles Hartshorne und Paul Weiss, 1931{1935; Bände VII-VIII hrsg. von Arthur W. Burks 1958. University Press, Harvard, Cambridge/Mass. 1931{1958
  • Writings of Charles S. Peirce. A Chronological Edition. Hrsg. vom Peirce Edition Project. Indiana University Press,Indianapolis, Bloomington 1982. (Bisher Bände 1{6 und 8, geplant 30 Bände)
  • Saussure, F. de. Grundfragen der Allgemeinen Sprachwissenschaft, 2nd ed., German translation of the original posthumously publication of the Cours de linguistic general from 1916 by H.Lommel, Berlin: Walter de Gruyter & Co., 1967
  • Saussure, F. de. Course in General Linguistics, English translation of the original posthumously publication of the Cours de linguistic general from 1916, London: Fontana, 1974
  • Saussure, F. de. Cours de linguistique general, Edition Critique Par Rudolf Engler, Tome 1,Wiesbaden: Otto Harrassowitz, 1989 /*This is the critical edition of the dierent sources around the original posthumously publication of the Cours de linguistic general from 1916. */
  • Steels, Luc (1995): A Self-Organizing Spatial Vocabulary. Articial Life, 2(3), S. 319-332
  • Steels, Luc (1997): Synthesising the origins of language and meaning using co-evolution, self-organisation and level formation. In: Hurford, J., C.Knight und M.Studdert-Kennedy (Hrsg.). Edinburgh: Edinburgh Univ. Press.

  • Steels, Luc (2001): Language Games for Autonomous Robots. IEEE Intelligent Systems, 16(5), S. 16-22. Steels, Luc (2003):

  • Evolving grounded Communication for Robots. Trends in Cognitive Science, 7(7), S. 308-312.

  • Steels, Luc (2003): Intelligence with Representation. Philosophical Transactions of the Royal Society A, 1811(361), S. 2381-2395.

  • Steels, Luc (2008): The symbol grounding problem has been solved, so what’s next?. In M. de Vega, Symbols and Embodiment: Debates on Meaning and Cognition. Oxford: Oxford University Press, S. 223-244.
  • Steels, Luc (2012): Grounding Language through Evolutionary Language Games. In: Language Grounding in Robots. Springer US, S. 1-22.

  • Steels, Luc (2015), The Talking Heads experiment: Origins of words and meanings, Series: Computational Models of Language Evolution 1. Berlin: Language Science Press.
  • Stern, W., Die psychologischen Methoden der Intelligenzprüfung und deren Anwendung an Schulkindern, Leipzig: Barth, 1912

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  • Turing, A.M. Computing machinery and intelligence. Mind, 59, 433-460. 1950

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  • Vogt, P.; Coumans, H. Investigating social interaction strategies for bootstrapping lexicon development, Journal of Articial Societies and Social Simulation 6(1), 2003

  • Wechsler, D., The Measurement of Adult Intelligence, Baltimore, 1939, (3. Auage 1944)

  • Wittgenstein, L.; Tractatus Logico-Philosophicus, 1921/1922 /* Während des Ersten Weltkriegs geschrieben, wurde das Werk 1918 vollendet. Es erschien mit Unterstützung von Bertrand Russell zunächst 1921 in Wilhelm Ostwalds Annalen der Naturphilosophie. Diese von Wittgenstein nicht gegengelesene Fassung enthielt grobe Fehler. Eine korrigierte, zweisprachige Ausgabe (deutsch/englisch) erschien 1922 bei Kegan Paul, Trench, Trubner und Co. in London und gilt als die offizielle Fassung. Die englische Übersetzung stammte von C. K. Ogden und Frank Ramsey. Siehe einführend Wikipedia-DE: https://de.wikipedia.org/wiki/Tractatus logicophilosophicus*/

  • Wittgenstein, L.; Philosophische Untersuchungen,1936-1946, publiziert 1953 /* Die Philosophischen Untersuchungen sind Ludwig Wittgensteins spätes, zweites Hauptwerk. Es übten einen außerordentlichen Einfluss auf die Philosophie der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts aus; zu erwähnen ist die Sprechakttheorie von Austin und Searle sowie der Erlanger Konstruktivismus (Paul Lorenzen, Kuno Lorenz). Das Buch richtet sich gegen das Ideal einer logik-orientierten Sprache, die neben Russell und Carnap Wittgenstein selbst in seinem ersten Hauptwerk vertreten hatte. Das Buch ist in den Jahren 1936-1946 entstanden, wurde aber erst 1953, nach dem Tod des Autors, veröffentlicht. Siehe einführend Wikipedia-DE: https://de.wikipedia.org/wiki/Philosophische Untersuchungen*/

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Buch: Die andere Superintelligenz. Oder: schaffen wir uns selbst ab? – Kapitel 4

VORBEMERKUNG: Der folgende Text ist ein Vorabdruck zu dem Buch Die andere Superintelligenz. Oder: schaffen wir uns selbst ab?, das im November 2015 erscheinen soll

Rahmenbedingungen des Wissens

Wenn wir aufwachen in unserer schönen neuen Welt, können wir nachlesen, welch Böses Menschen anderen Menschen bisher zugefügt haben. Wir können Verhalten beobachten, das solch Böses hervorbringt: konkreten Handlungen, Aktionen, Objekte und Werkzeuge, die dazu benutzt werden. Was wir nicht können, nicht so ohne weiteres, das ist, in das Innere des Menschen zu schauen, warum Menschen anderen Menschen Böses zufügen.

Was geht in Menschen vor, wenn sie sich so verhalten? Wissen sie selbst so genau, was sie da tun, wenn sie etwas tun?

Was geht in Menschen vor, die andere Menschen foltern, um mit Gewalt heraus zu finden, was andere Menschen Denken oder Wissen (Siehe hier einen kurzen Überblick zur Folter)? Da auch Unschuldige unter Folter Handlungen gestehen können, die sie nie begangen haben, geht der Anwendung von Folter eine Vorverurteilung voraus: man ist schon überzeugt, dass man einen Täter vor sich hat. Zugleich verachtet man diesen Menschen, da man bereit ist, ihn zu zerstören, obgleich er möglicherweise unschuldig ist.

Und es gibt auch dies: Menschen helfen Menschen, Menschen ermöglichen Leben. Warum tun sie das?

Dort hinter den Augen

Die Antwort auf die Frage, warum Menschen dies und jenes tun, liegt offensichtlich im ‚Inneren‘ des Menschen. Dort, hinter seinen Augen, hinter seinem Gesicht, das mal lächelt, mal weint, mal zürnt, dort gibt es ‚geheimnisvolle Kräfte‘, die ihn, uns, Dich und mich, dazu bringen das eine zu tun, und das andere zu lassen.

Und, wie die moderne Biologie uns in Gestalt der Gehirnforschung lehrt, ist es vor allem das Gehirn, in dem ca. 100 Milliarden Gehirnzellen miteinander ein Dauergespräch führen, dessen Nebenwirkungen die eine oder andere Handlung ist, die wir vornehmen.

Wenn wir uns auf die moderne Biologie einlassen, auf die Gehirnwissenschaft, dann erkennen wir sehr schnell, dass das Gehirn, das unser Verhalten bestimmt, selbst keinen Kontakt mit der Welt hat. Es ist im Körper eingeschlossen, quasi abgeschottet, oder auch isoliert von der Welt jenseits des Körpers.

Das Gehirn bezieht sein Wissen über die Welt jenseits der Gehirnzellen quasi von ‚Mittelsmännern‘, von speziellen Kontaktpersonen, von Übersetzern; dies sind unsere Sinnesorgane (Augen, Ohren, Haut, Geschmackszellen, Gleichgewichtsorgan, …)(Anmerkung: Siehe: Sinnesorgan, Sensory receptor, Sensory system), die bestimmte Ereignisse aus der Welt jenseits der Gehirnzellen in die ‚Sprache des Gehirns‘ übersetzen.

Wenn wir sagen, dass wir Musik hören, wunderschöne Klänge, harmonisch oder dissonant, laut oder leise, hoch oder tief, mit unterschiedlichen Klangfarben, dann sind dies für das Gehirn ’neuronale Signale‘, elektrische Potentialänderungen, die man als ‚Signal‘ oder ‚Nicht-Signal‘ interpretieren kann, als ‚An‘ oder ‚Aus‘, oder einfach als ‚1‘ oder ‚0‘, allerdings zusätzlich eingebettet in eine ‚Zeitstruktur‘; innerhalb eines Zeitintervalls können ‚viele‘ Signale auftreten oder ‚wenige‘. Ferner gibt es eine ‚topologische‘ Struktur: das gleiche Signal kann an einem Ort im Gehirn ein ‚Klang‘ bedeuten, an einem anderen Ort eine ‚Bild‘, wieder an einem anderen Ort ein ‚Geschmack‘ oder ….

Was hier am Beispiel des Hörens gesagt wurde, gilt für alle anderen Sinnesorgane gleichermaßen: bestimmte physikalische Umwelteigenschaften werden von einem Sinnesorgan so weit ‚verarbeitet‘, dass am Ende immer alles in die Sprache des Gehirns, in die neuronalen ‚1en‘ und ‚0en‘ so übersetzt wird, dass diese Signale zeitlich und topologisch geordnet zwischen den 100 Milliarden Gehirnzellen hin und her wandern können, um im Gehirn Pflanzen, Tiere, Räume, Objekte und Handlungen jenseits der Gehirnzellen neuronal-binär repräsentieren zu können.

Alles, was in der Welt jenseits des Gehirns existiert (auch die anderen Körperorgane mit ihren Aktivitäten), es wird einheitlich in die neuronal-binäre Sprache des Gehirns übersetzt. Dies ist eine geniale Leistung der Natur(Anmerkung: Dass wir in unserem subjektiven Erleben keine ‚1en‘ und ‚0en‘ wahrnehmen, sondern Töne, Farben, Formen, Geschmäcker usw., das ist das andere ‚Wunder der Natur‘; siehe weiter unten.}.

Die Welt wird zerschnitten

Diese Transformation der Welt in ‚1en‘ und ‚0en‘ ist aber nicht die einzige Übersetzungsbesonderheit. Wir wissen heute, dass die Sinnesinformationen für eine kurze Zeitspanne (in der Regel deutlich weniger als eine Sekunde) nach Sinnesarten getrennt in einer Art ‚Puffer‘ zwischen gespeichert werden (Anmerkung: Siehe Sensory memory). Von dort können sie für weitere Verarbeitungen übernommen werden. Ist die eingestellte Zeitdauer(Anmerkung: Zeitfenster zwischen den aufeinanderfolgenden Zeitpunkten t1 und t2 (t1,t2)} verstrichen, wird der aktuelle Inhalt von neuen Daten überschrieben. Das voreingestellte Zeitfenster (t1,t2) definiert damit, was ‚gleichzeitig‘ ist.

Faktisch wird die sinnlich wahrnehmbare Welt damit in Zeitscheiben ‚zerlegt‘ bzw. ‚zerschnitten‘. Was immer passiert, für das Gehirn existiert die Welt jenseits seiner Neuronen nur in Form von säuberlich getrennten Zeitscheiben(Anmerkung: In Diskussionen, ob und wieweit ein Computer das menschliche Gehirn ’nachahmen‘ könnte, wird oft betont, der Computer sei ja ‚diskret‘, ‚binär‘, zerlege alles in 1en und 0en im Gegensatz zum ‚analogen‘ Gehirn. Die empirischen Fakten legen hingegen nahe, auch das Gehirn als eine ‚diskrete Maschine‘ zu betrachten.).

Unterscheiden sich die ‚Inhalte‘ von Zeitscheiben, kann dies als Hinweis auf mögliche ‚Veränderungen‘ gedeutet werden.

Beachte: jede Sinnesart hat ihre eigene Zeitscheibe, die dann vom Gehirn zu ’sinnvollen Kombinationen‘ ‚verrechnet‘ werden müssen.

Die Welt wird vereinfacht

Für die Beurteilung, wie das Gehirn die vielen unterschiedlichen Informationen so zusammenfügt, auswertet und neu formt, dass daraus ein ’sinnvolles Verhalten‘ entsteht, reicht es nicht aus, nur die Gehirnzellen selbst zu betrachten, was zum Gegenstandsbereich der Gehirnwissenschaft (Neurowissenschaft) gehört. Vielmehr muss das Wechselverhältnis von Gehirnaktivitäten und Verhaltenseigenschaften simultan betrachtet werden. Dies verlangt nach einer systematischen Kooperation von wissenschaftlicher Verhaltenswissenschaft (Psychologie) und Gehirnwissenschaft unter der Bezeichnung Neuropsychologie (Anmerkung: Siehe Neuropsychology).

Ein wichtiges theoretisches Konzept, das wir der Neuropsychologie verdanken, ist das Konzept des Gedächtnisses(Anmerkung: Memory). Mit Gedächtnis wird die generelle Fähigkeit des Gehirns umschrieben, Ereignisse zu verallgemeinern, zu speichern, zu erinnern, und miteinander zu assoziieren.

Ausgehend von den oben erwähnten zeitlich begrenzten sensorischen Speichern unterteilt man das Gedächtnis z.B. nach der Zeitdauer (kurz, mittel, unbegrenzt), in der Ereignisse im Gedächtnis verfügbar sind, und nach der Art ihrer Nutzung. Im Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis kann eine kleine Zahl von Ereignissen im begrenzten Umfang verarbeitet und mit dem Langzeitgedächtnis in begrenztem Umfang ausgetauscht werden (speichern, erinnern). Die Kapazität von sinnespezifischen Kurzzeit- und multimodalem Arbeitsgedächtnisses liegt zwischen ca. 4 (im Kurzzeitgedächtnis) bis 9 (im Arbeitsgedächtnis) Gedächtniseinheiten. Dabei ist zu beachten, dass schon im Übergang vom oben erwähnten sensorischen Speichern zum Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis eine starke Informationsreduktion stattfindet; grob von 100% auf etwa 25%.

Nicht alles, was im Kurz- und Arbeitsgedächtnis vorkommt, gelangt automatisch ins Langzeitgedächtnis. Ein wichtiger Faktor, der zum Speichern führt, ist die ‚Verweildauer‘ im Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis, und die ‚Häufigkeit‘ des Auftretens. Ob wir nach einer Speicherung etwas ‚wiederfinden‘ können, hängt ferner davon ab, wie ein Ereignis abgespeichert wurde. Je mehr ein Ereignis sich zu anderen Ereignissen in Beziehung setzen lässt, umso eher wird es erinnert. Völlig neuartige Ereignisse (z.B. die chinesischen Schriftzeichen in der Ordnung eines chinesischen Wörterbuches, wenn man Chinesisch neu lernt) können Wochen oder gar Monate dauern, bis sie so ‚verankert‘ sind, dass sie bei Bedarf ‚mühelos‘ erinnern lassen.

Ein anderer Punkt ist die Abstraktion. Wenn wir über alltägliche Situationen sprechen, dann benutzen wir beständig Allgemeinbegriffe wie ‚Tasse‘, ‚Stuhl‘, ‚Tisch‘, ‚Mensch‘ usw. um über ‚konkrete individuelle Objekte‘ zu sprechen. So nennen wir ein konkretes rotes Etwas auf dem Tisch eine Tasse, ein anderen blaues konkretes Etwas aber auch, obgleich sie Unterschiede aufweisen. Desgleichen nennen wir ein ‚vertikales durchsichtiges Etwas‘ eine Flasche, ein vertikales grünliches Etwas auch; usw.

Unser Gedächtnis besitzt die wunderbare Eigenschaft, alles, was sinnlich wahrgenommen wird, durch einen unbewussten automatischen Abstraktionsprozess in eine abstrakte Struktur, in einen Allgemeinbegriff, in eine ‚Kategorie‘ zu übersetzen. Dies ist extrem effizient. Auf diese Weise kann das Gedächtnis mit einem einzigen Konzept hunderte, tausende, ja letztlich unendlich viele konkrete Objekte klassifizieren, identifizieren und damit weiter arbeiten.

Welt im Tresor

Ohne die Inhalte unseres Gedächtnisses würden wir nur in Augenblicken existieren, ohne vorher und nachher. Alles wäre genau das, wie es gerade erscheint. Nichts hätte eine Bedeutung.

Durch die Möglichkeit des ‚Speicherns‘ von Ereignisse (auch in den abstrakten Formen von Kategorien), und des ‚Erinnerns‘ können wir ‚vergleichen‘, können somit Veränderungen feststellen, können Abfolgen und mögliche Verursachungen erfassen, Regelmäßigkeiten bis hin zu Gesetzmäßigkeiten; ferner können wir Strukturen erfassen.

Eine Besonderheit sticht aber ins Auge: nur ein winziger Teil unseres potentiellen Wissens ist ‚aktuell verfügbar/ bewusst‘; meist weniger als 9 Einheiten! Alles andere ist nicht aktuell verfügbar, ist ’nicht bewusst‘!

Man kann dies so sehen, dass die schier unendliche Menge der bisher von uns wahrgenommenen Ereignisse im Langzeitgedächtnis weggesperrt ist wie in einem großen Tresor. Und tatsächlich, wie bei einem richtigen Tresor brauchen auch wir selbst ein Codewort, um an den Inhalt zu gelangen, und nicht nur ein Codewort, nein, wir benötigen für jeden Inhalt ein eigenes Codewort. Das Codewort für das abstrakte Konzept ‚Flasche‘ ist ein konkretes ‚Flaschenereignis‘ das — hoffentlich — genügend Merkmale aufweist, die als Code für das abstrakte Konzept ‚Flasche‘ dienen können.

Wenn über solch einen auslösenden Merkmalscode ein abstraktes Konzept ‚Flasche‘ aktiviert wird, werden in der Regel aber auch alle jene Konzepte ‚aktiviert‘, die zusammen mit dem Konzept ‚Flasche‘ bislang aufgetreten sind. Wir erinnern dann nicht nur das Konzept ‚Flasche‘, sondern eben auch all diese anderen Ereignisse.

Finden wir keinen passenden Code, oder wir haben zwar einen Code, aber aus irgendwelchen Emotionen heraus haben wir Angst, uns zu erinnern, passiert nichts. Eine Erinnerung findet nicht statt; Blockade, Ladehemmung, ‚blackout‘.

Bewusstsein im Nichtbewusstsein

Im Alltag denken wir über unser Gehirn nicht so. Im Alltag haben wir subjektiv Eindrücke, Erlebnisse, Empfindungen, Gedanken, Vorstellungen, Fantasien. Wir sind ‚in‘ unserem Erleben, wir selbst ‚haben‘ diese Eindrücke. Wir empfinden alles so, als ob ‚wir‘ selbst (bei jedem einzelnen das ‚Ich‘: ‚ich habe das Erlebnis‘) diese Erlebnisse haben; es sind ‚unsere‘ Erlebnisse‘.

Die Philosophen haben diese Erlebnis- und Erkenntnisweise den Raum unseres ‚Bewusstseins‘ genannt. Sie sprechen davon, dass wir ‚Bewusstsein haben‘, dass uns die Ding ‚bewusst sind‘; sie nennen die Inhalte unseres Bewusstseins ‚Qualia‘ oder ‚Phänomene‘, und sie bezeichnen diese Erkenntnisperspektive den Standpunkt der ‚ersten Person‘ (‚first person view‘) im Vergleich zur Betrachtung von Gegenständen in der Außenwelt, die mehrere Personen gleichzeitig haben können; das nennen sie den Standpunkt der ‚dritten Person‘ (‚third person view‘)(Anmerkung: Ein Philosoph, der dies beschrieben hat, ist Thomas Nagel. Siehe zur Person: Thomas Nagel. Ein Buch von ihm, das hier einschlägig ist, ist ‚The view from nowhere‘ von 1986, New York, Oxford University Press).

Nach den heutigen Erkenntnissen der Neuropsychologie gibt es zwischen dem, was die Philosophen ‚Bewusstsein‘ nennen und dem, was die Neuropsychologen ‚Arbeitsgedächtnis‘ nennen, eine funktionale Korrespondenz. Wenn man daraus schließen kann, dass unser Bewusstsein sozusagen die erlebte ‚Innenperspektive‘ des ‚Arbeitsgedächtnisses‘ ist, dann können wir erahnen, dass das, was uns gerade ‚bewusst‘ ist, nur ein winziger Bruchteil dessen ist, was uns ’nicht bewusst‘ ist. Nicht nur ist der potentiell erinnerbare Inhalt unseres Langzeitgedächtnisses viel größer als das aktuell gewusste, auch die Milliarden von Prozessen in unserem Körper sind nicht bewusst. Ganz zu schweigen von der Welt jenseits unseres Körpers. Unser Bewusstsein gleicht damit einem winzig kleinen Lichtpunkt in einem unfassbar großen Raum von Nicht-Bewusstsein. Die Welt, in der wir bewusst leben, ist fast ein Nichts gegenüber der Welt, die jenseits unseres Bewusstseins existiert; so scheint es.

Außenwelt in der Innenwelt

Der Begriff ‚Außenwelt‘, den wir eben benutzt haben, ist trügerisch. Er gaukelt vor, als ob es da die Außenwelt als ein reales Etwas gibt, über das wir einfach so reden können neben dem Bewusstsein, in dem wir uns befinden können.

Wenn wir die Erkenntnisse der Neuropsychologie ernst nehmen, dann findet die Erkenntnis der ‚Außenwelt‘ ‚in‘ unserem Gehirn statt, von dem wir wissen, dass es ‚in‘ unserem Körper ist und direkt nichts von der Außenwelt weiß.

Für die Philosophen aller Zeiten war dies ein permanentes Problem. Wie kann ich etwas über die ‚Außenwelt‘ wissen, wenn ich mich im Alltag zunächst im Modus des Bewusstseins vorfinde?

Seit dem Erstarken des empirischen Denkens — spätestens seit der Zeit Galileis(Anmerkung: Galilei) — tut sich die Philosophie noch schwerer. Wie vereinbare ich die ‚empirische Welt‘ der experimentellen Wissenschaften mit der ’subjektiven Welt‘ der Philosophen, die auch die Welt jedes Menschen in seinem Alltag ist? Umgekehrt ist es auch ein Problem der empirischen Wissenschaften; für den ’normalen‘ empirischen Wissenschaftler ist seit dem Erstarken der empirischen Wissenschaften die Philosophie obsolet geworden, eine ’no go area‘, etwas, von dem sich der empirische Wissenschaftler fernhält. Dieser Konflikt — Philosophen kritisieren die empirischen Wissenschaften und die empirischen Wissenschaften lehnen die Philosophie ab — ist in dieser Form ein Artefakt der Neuzeit und eine Denkblokade mit verheerenden Folgen.

Die empirischen Wissenschaften gründen auf der Annahme, dass es eine Außenwelt gibt, die man untersuchen kann. Alle Aussagen über die empirische Welt müssen auf solchen Ereignissen beruhen, sich im Rahmen eines beschriebenen ‚Messvorgangs‘ reproduzieren lassen. Ein Messvorgang ist immer ein ‚Vergleich‘ zwischen einem zuvor vereinbarten ‚Standard‘ und einem ‚zu messenden Phänomen‘. Klassische Standards sind ‚das Meter‘, ‚das Kilogramm‘, ‚die Sekunde'(Anmerkung: Siehe dazu: Internationales Einheitensystem (SI)), usw. Wenn ein zu messendes Phänomen ein Objekt ist, das z.B. im Vergleich mit dem Standard ‚Meter [m]‘ die Länge 3m aufweist, und jeder, der diese Messung wiederholt, kommt zum gleichen Ergebnis, dann wäre dies eine empirische Aussage über dieses Objekt.

Die Einschränkung auf solche Phänomene, die sich mit einem empirischen Messstandard vergleichen lassen und die von allen Menschen, die einen solchen Messvorgang wiederholen, zum gleichen Messergebnis führen, ist eine frei gewählte Entscheidung, die methodisch motiviert ist. Sie stellt sicher, dass man zu einer Phänomenmenge kommt, die allen Menschen(Anmerkung: die über gleiche Fähigkeiten der Wahrnehmung und des Denkens verfügen. Blinde Menschen, taube Menschen usw. könnten hier Probleme bekommen!) in gleicher Weise zugänglich und für diese nachvollziehbar ist. Erkenntnisse, die allen Menschen in gleicher Weise zugänglich und nachprüfbar sind haben einen unbestreitbaren Vorteil. Sie können eine gemeinsame Basis in einer ansonsten komplexen verwirrenden Wirklichkeit bieten.

Die ‚Unabhängigkeit‘ dieser empirischen Messvorgänge hat im Laufe der Geschichte bei vielen den Eindruck vertieft, als ob es die ‚vermessene Welt‘ außerhalb und unabhängig von unserem Bewusstsein als eigenständiges Objekt gibt, und dass die vielen ‚rein subjektiven‘ Empfindungen, Stimmungen, Vorstellungen im Bewusstsein, die sich nicht direkt in der vermessbaren Welt finden, von geringerer Bedeutung sind, unbedeutender ’subjektiver Kram‘, der eine ‚Verunreinigung der Wissenschaft‘ darstellt.

Dies ist ein Trugschluss mit verheerenden Folgen bis in die letzten Winkel unseres Alltags hinein.

Der Trugschluss beginnt dort, wo man übersieht, dass die zu messenden Phänomene auch für den empirischen Wissenschaftler nicht ein Sonderdasein führen, sondern weiterhin nur Phänomene seines Bewusstseins sind, die ihm sein Gehirn aus der Sinneswahrnehmung ‚herausgerechnet‘ hat. Vereinfachend könne man sagen, die Menge aller Phänomene unseres Bewusstseins — nennen wir sie PH — lässt sich aufteilen in die Teilmenge jener Phänomene, auf die sich Messoperationen anwenden lassen, das sind dann die empirischen Phänomene PH_EMP, und jene Phänomene, bei denen dies nicht möglich ist; dies sind dann die nicht-empirischen Phänomene oder ‚rein subjektiven‘ Phänomene PH_NEMP. Die ‚Existenz einer Außenwelt‘ ist dann eine Arbeitshypothese, die zwar schon kleine Kindern lernen, die aber letztlich darauf basiert, dass es Phänomene im Bewusstsein gibt, die andere Eigenschaften haben als die anderen Phänomene.

In diesen Zusammenhang gehört auch das Konzept unseres ‚Körpers‘, der sich mit den empirischen Phänomenen verknüpft.

Der Andere als Reflektor des Selbst

Bislang haben wir im Bereich der Phänomene (zur Erinnerung: dies sind die Inhalte unseres Bewusstseins) unterschieden zwischen den empirischen und den nicht-empirischen Phänomenen. Bei genauerem Hinsehen kann man hier viele weitere Unterscheidungen vornehmen. Uns interessiert hier nur der Unterschied zwischen jenen empirischen Phänomenen, die zu unserem Körper gehören und jenen empirischen Phänomenen, die unserem Körper ähneln, jedoch nicht zu uns, sondern zu jemand ‚anderem‘ gehören.

Die Ähnlichkeit der Körperlichkeit des ‚anderen‘ zu unserer Körperlichkeit bietet einen Ansatzpunkt, eine ‚Vermutung‘ ausbilden zu können, dass ‚in dem Körper des anderen‘ ähnliche innere Ereignisse vorkommen, wie im eigenen Bewusstsein. Wenn wir gegen einen harten Gegenstand stoßen, dabei Schmerz empfinden und eventuell leise aufschreien, dann unterstellen wir, dass ein anderer, wenn er mit seinem Körper gegen einen Gegenstand stößt, ebenfalls Schmerz empfindet. Und so in vielen anderen Ereignissen, in denen der Körper eine Rolle spielt (Anmerkung: Wie wir mittlerweile gelernt haben, gibt es Menschen, die genetisch bedingt keine Schmerzen empfinden, oder die angeboren blind oder taub sind, oder die zu keiner Empathie fähig sind, usw.).

Generalisiert heißt dies, dass wir dazu neigen, beim Auftreten eines Anderen Körpers unser eigenes ‚Innenleben‘ in den Anderen hinein zu deuten, zu projizieren, und auf diese Weise im anderen Körper ‚mehr‘ sehen als nur einen Körper. Würden wir diese Projektionsleistung nicht erbringen, wäre ein menschliches Miteinander nicht möglich. Nur im ‚Übersteigen‘ (‚meta‘) des endlichen Körpers durch eine ‚übergreifende‘ (‚transzendierende‘) Interpretation sind wir in der Lage, den anderen Körper als eine ‚Person‘ zu begreifen, die aus Körper und Seele, aus Physis und Psyche besteht.

Eine solche Interpretation ist nicht logisch zwingend. Würden wir uns solch einer Interpretation verweigern, würden wir im Anderen nur einen leblosen Körper sehen, eine Ansammlung von unstrukturierten Zellen, und was immer der Andere tun wird, nichts von alledem könnte uns zwingen, unsere Interpretation zu verändern. Die ‚personale Wirklichkeit des Anderen‘ lebt wesentlich von unserer Unterstellung, dass er tatsächlich mehr ist als der Körper, den wir sinnlich wahrnehmen können.

Dieses Dilemma zeigt sich sehr schön in dem berühmten ‚Turing Test‘ (Anmerkung: Turingtest), den Alan Matthew Turing 1950 vorgeschlagen hatte, um zu testen, wie gut ein Computer einen Menschen imitieren kann (Anmerkung: Es war in dem Artikel: Alan Turing: Computing Machinery and Intelligence, Mind 59, Nr. 236, Oktober 1950, S. 433–460). Da man ja ‚den Geist‘ selbst nicht sehen kann, sondern nur die Auswirkungen des Geistes im Verhalten, kann man in dem Test auch nur das Verhalten eines Menschen neben einem Computer beobachten, eingeschränkt auf schriftliche Fragen und Antworten(Anmerkung: heute könnte man dies sicher ausdehnen auf gesprochene Fragen und Antworten, eventuell kombiniert mit einem Gesicht oder gar mehr}. Die vielen Versuche mit diesem Test haben deutlich gemacht — was man im Alltag auch ohne diesen Test sehen kann –, dass das beobachtbare Verhalten eines Akteurs niemals ausreicht, um logisch zwingend auf einen ‚echten Geist‘, sprich auf eine ‚echte Person‘ schließen zu können. Daraus folgt nebenbei, dass man — sollte es jemals hinreichend intelligente Maschinen geben — niemals zwingend einen Menschen, nur aufgrund seines Verhaltens, von einer intelligenten Maschine unterscheiden könnte.

Rein praktisch folgt aus alledem, dass wir im Alltag nur dann und solange als Menschen miteinander umgehen können, solange wir uns wechselseitig ‚Menschlichkeit‘ unterstellen, an den ‚Menschen‘ im anderen glauben, und mein Denken und meine Gefühle hinreichend vom Anderen ‚erwidert‘ werden. Passiert dies nicht, dann muss dies noch nicht eine völlige Katastrophe bedeuten, aber auf Dauer benötigen Menschen eine minimale Basis von Gemeinsamkeiten, auf denen sie ihr Verhalten aufbauen können.

Im positiven Fall können Unterschiede zwischen Menschen dazu führen, dass man sich wechselseitig anregt, man durch die Andersartigkeit ‚Neues‘ lernen kann, man sich weiter entwickelt. Im negativen Fall kann es zu Missverständnissen kommen, zu Verletzungen, zu Aggressionen, gar zur wechselseitigen Zerstörung. Zwingend ist keines von beidem.

Zur Fortsetzung mit Kapitel 5.

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ERKENNTNISSCHICHTEN – PHILOSOPHISCHE LEVEL. Erste Notizen

VORBEMERKUNG

Vor fast genau drei Jahren hatte ich schon einmal einen Blogeintrag geschrieben, in dem das Wort ‚Level‘ im Kontext eines Computerspiels erwähnt wurde (siehe: SCHAFFEN WIR DEN NÄCHSTEN LEVEL? Oder ÜBERWINDEN WIR DEN STATUS DER MONADEN?
). Dort jedoch wurde die Idee des Computerspiels und der Level in einem ganz anderen Zusammenhang diskutiert. Im folgenden Text geht es tatsächlich um den Versuch, konkret verschiedene Ebenen des Denkens (Level) zu unterscheiden. Als ‚Ordnungsprinzip‘ in all dem wird einmal die zeitliche Abfolge benutzt, in der diese Level auftreten können, und eine ‚implizite Architektur‘ unseres Denkens, die sich nur ‚indirekt‘ beschreiben lässt.

DER BEGRIFF ‚LEVEL‘

1. Wer heutzutage Computerspiele spielt, der kennt das: man bewegt sich immer auf einem bestimmten ‚LEVEL‘, d.h. auf einer bestimmten Spielebene. Jede Spielebene hat eigene Regeln, eine eigene spezifische Schwierigkeit. Erst wenn man genügend Aufgaben gelöst hat, wenn man hinreichend viel Punkte erworben hat, dann darf man auf den nächsten Level. Diese Idee der Spielebene, des Level, kann man auch auf den Alltag übertragen.

FUNKTIONIEREN IM ALLTAG

2. Im Alltag stehen wir in beständiger Interaktion mit unserer alltäglichen Umgebung (Level 1). Wir nehmen wahr, wir identifizieren Objekte mit Eigenschaften, Beziehungen zwischen diesen im Raum, zeitliche Abfolgen, und wir selbst verhalten uns nach bestimmten Regeln, die uns der Alltag aufdrängt oder aufgedrängt hat: wir lernen, dass Dinge fallen können; dass es Tag und Nacht gibt; dass Menschen unterschiedlich reagieren können; dass Menschen Rollen haben können, unterschiedliche Verpflichtungen; dass es Regeln gibt, Vorschriften, Gesetze, Erwartungen anderer, Gewohnheiten, Sitten, Gebräuche. Wir lernen mit der Zeit, dass Unterschiede gemacht werden bezüglich Herkunft, Sprache, wirtschaftlicher Stellung, Glaubens- oder Weltanschauungsansicht, usw.

3. Wenn alles ‚gut‘ läuft, dann FUNKTIONIEREN wir; wir tun, was erwartet wird, wir tun, was die Spielregeln sagen; wir tun, was wir gewohnt sind; wir bekommen unsere Leistungspunkte, unsere Anerkennungen …. oder auch nicht.

4. Wenn man uns fragt, wer wir sind, dann zählen wir für gewöhnlich auf, was wir so tun, welche Rollen wir spielen, welche Berufsbezeichnungen wir tragen.

DURCH NACHDENKEN ZUM PHILOSOPHIEREN

5. Sobald man nicht mehr nur FUNKTIONIERT, sondern anfängt, über sein Funktionieren NACHZUDENKEN, in dem Moment beginnt man, zu PHILOSOPHIEREN. Man beginnt dann mit einer BEWUSSTWERDUNG: man tut etwas und zugleich wird einem bewusst, DASS man es tut. Damit beginnt Level 2.

6. Beginn man mit einer solchen bewussten Wahrnehmung des DASS, des Unterscheidbaren, des sich Ereignenden, dann wird man nicht umhin kommen, zu unterscheiden zwischen jenen Phänomenen, Ereignissen, Objekten, die ‚zwischen‘ verschiedenen Menschen – also ‚intersubjektiv‘, ‚empirisch‘, ‚objektiv‘ – verfügbar sind und jenen, die ‚rein subjektive‘ Tatbestände darstellen. Über den ‚Apfel dort auf dem Tisch‘ kann man sich mit anderen verständigen, über die eigenen Zahnschmerzen, die eigenen Gefühle, die eigenen Erinnerungen usw. nicht so ohne weiteres. Jeder kann bis zu einem gewissen Grad ‚IN SEIN BEWUSSTSEINS HINEINSCHAUEN‘ – ’subjektiv‘, ‚introspektiv‘,’phänomenologisch‘– und solche Phänomene wahrnehmen, die NICHT INTERSUBJEKTIV sind, sondern REIN SUBJEKTIV. Diese OJEKTE DER INNENWELT sind für das eigene Erleben genauso real wie die Objekte der Außenwelt, aber sie sind nicht zugleich auch von anderen Menschen wahrnehmbar. Diese bewusste Unterscheidung zwischen AUSSEN und INNEN innerhalb des Level 2 soll hier als Level 3 bezeichnet werden. Die Menge der Inhalte, die innerhalb von Level 2 und 3 bewusst wahrgenommen werden, sollen hier einfach PHÄNOMENE genannt werden mit der anfangshaften Unterscheidung von intersubjektiven Phänomenen auch als EMPIRISCHE PHÄNOMENE und rein subjektive Phänomene als NICHTEMPIRISCHE PHÄNOMENE

WELT NEU ERZÄHLEN

7. Mit dem Bewusstwerden von Level 2 und Level 3 kann eine neue Form von BESCHREIBUNG beginnen, die hier LEVEL 4 heißen soll. Dieser Level 4 stellt eine Art META-LEVEL dar; man spricht auf einem Meta-Level über einen anderen Level. Dies ist vergleichbar einem Linguisten, der die Eigenschaften einer Sprache (z.B. des Deutschen) in seiner Fachsprache beschreiben muss. So könnte es sein, dass ein Satz wie ‚Das Haus hat einen Eingang‘ auf der linguistischen Metaebene eine Beschreibung bekäme wie ‚(‚Das‘: Bestimmter Artikel)(‚Haus‘: Substantiv)(‚hat‘: Verb)(‚einen‘: unbestimmter Artikel)(‚Eingang‘: Substantiv)‘; diese Beschreibung könnte viele weitere Elemente enthalten.

8. Eine Meta-Beschreibung kann innerlich weiter strukturiert sein. Auf Level 4.0 BENENNT man nur, was man im DASS unterscheiden kann: Objekte, Eigenschaften, Beziehungen. Auf Level 4.1 kann man ABFOLGEN von benannten Phänomenen identifizieren, speziell solche, die REGELHAFT erscheinen. Aus der Gesamtheit von Benennungen und Abfolgen kann man auf Level 4.2 ein MODELL konstruieren, mittels dem eine Teilmenge von Phänomenen und deren Abfolgen FUNKTIONAL ERKLÄRT werden soll. Mit einer zusätzlichen LOGIK auf Level 4.3 kann man dann mit einem Modell FOLGERUNGEN konstruieren, die wie VORHERSAGEN benutzt werden können, die sich ÜBRPRÜFEN lassen.

9. Beschränkt man sich auf dem Level 4 auf die empirischen Phänomene, dann bilden die Level 4.0 – 4.3 das, was wir die EMPIRISCHEN WISSENSCHAFTEN nennen. Man benennt = beschreibt die Dinge dann in einer eigenen Fachsprache (Chemie, Psychologie, Physik, Linguistik, …); man definiert Messverfahren, wie man Eigenschaften reproduzierbar messen kann; und man benutzt die Mathematik und die formale Logik, um Modelle (THEORIEN) zu konstruieren.

10. Beschränkt man sich auf dem Level 4 hingegen auf die nicht-empirischen Phänomene, dann bilden die Level 4.0 – 4.3 das, was wir die SUBJEKTIVE WISSENSCHAFT nennen könnten. Auch hier würde man die Dinge mit einer eigenen Fachsprache benennen = beschreiben; man definiert Verfahren, wie man möglicherweise Eigenschaften reproduzierbar erzeugen kann; und man benutzt die Mathematik und die formale Logik, um Modelle (THEORIEN) zu konstruieren. Eine Verständigung über Theorien der subjektiven Wissenschaft wären aufgrund der subjektiven Wahrnehmungsbasen ungleich schwieriger als im Falle von empirischen Theorien, aber niht völlig augeschlossen.

KREATIVITÄT

11. Hat man das ‚automatische‘ Verhalten überwunden (so wie es alle tun, so wie man es gelernt hat), und ist sich stattdessen bewusst geworden, dass man so und so handelt, und hat man angefangen das Automatische bewusst zu rekonstruieren, dann kann man jetzt auch bewusst Alternativen durch Variationen erzeugen [Anmerkung: natürlich kann man auch ohne Reflexion ’spontan‘ Dinge anders tun, als man sie vorher getan hat, aber dies ist dann ‚überwiegend zufällig‘, während ein Kreativität in einem reflektierten Kontext sowohl ‚gerichtet‘ ist aufgrund des verfügbaren Wissens, zugleich aber auch ‚zufällig‘, jedoch in einem viel größeren Umfang; nicht nur ‚punktuell‘]. Man kann jetzt sehr bewusst fragen, ‚warum‘ muss ich dies so tun? Warum will ich dies so? Was sind die Voraussetzungen? Was sind die Motive? Was sind die Ziele? Was will man erreichen? Usw.

12. Ein Ergebnis dieser Infragestellungen kann sein, dass man bestimmte Abläufe ändert, einfach, um mal heraus zu finden, was passiert, wenn man es anders macht. Häufige Fälle: jemand hat nie Gedichte geschrieben, weil niemand ihn vorher dazu angeregt hat, Gedichte zu schreiben; oder jemand hat nie Musik gemacht, weil sie sich immer eingeredet hat, sie sei unmusikalisch. Jemand hat nie vor anderen Menschen geredet, weil er immer Angst hatte, sich zu blamieren. Usw. Kurzum bei Erreichen von Level 4 beginnt man zu ahnen, dass alles anders sein könnte, als man es bislang gewohnt war und praktiziert hatte. Nennen wir diese neu gewonnene kreative Freiheit den LEVEL 5.

Fortsetzung folgt

PSYCHOLOGIE DER SUCHE – UND MANCH ANDERES. Zur Philosophiewerkstatt vom 9.Nov.2014

A) PSYCHOLOGIE DER SUCHE
B) SELBSTORGANISATION DES DENKENS
C) NEUE MUSIK
D) SUBJEKTIVE GEWISSHEIT – OBJEKTIVER RAHMEN
E) MENSCH UND COMPUTER
F) SELBSTVERNICHTUNG DES MENSCHEN?
G) PROGRAMMENTWURF FÜR So 14.Dez.2014

1. Nach dem Start der philosophieWerkstatt v2.0 am 12.Oktober (siehe einen subjektiven Bericht davon hier) hat sich die Zahl der TeilnehmerInnen mehr als verdoppelt. Dies erweiterte den Raum der Erfahrungen, die in das Gespräch eingehen können. Aber eine größere Anzahl verändert auch den Fluss eines Gespräches. Man muss lernen, wie man damit umgeht.

A) PSYCHOLOGIE DER SUCHE

2. Das Gespräch startete mit einem kurzen Bericht von der ersten Sitzung (siehe das Schaubild vom letzten Bericht). Darauf bezogen gab es unterschiedliche Rückmeldungen, die aber dieses Mal nicht alsbald zu dem ‚Gesprächsfluss‘ führte, wie er die erste Sitzung charakterisierte, sondern erweckte bei den Beteiligten den Eindruck eines auf der Stelle Tretens. Man hatte subjektiv individuell Erwartungen, aber diese fand man im aktuellen Gesprächsgeschehen nicht wieder.

Stichwortsammlung 9.Nov.2014 (rosa Ellipsen)
Stichwortsammlung 9.Nov.2014 (rosa Ellipsen)

3. In solchen Situationen einer ‚quälenden Ungewissheit‘ ist es eine häufige Versuchung, nach altbekannten Rezepten zu greifen, um ‚irgendetwas‘ zu machen, damit man überhaupt etwas macht; ‚quälende Ungewissheit‘ wird jedenfalls bei den meisten als ‚unangenehm‘ empfunden.

4. Jeder, der schon mal ein Problem in einer bestimmten Zeit lösen musste, kennt diese Situation. Man muss (oder will) eine Lösung finden, aber aktuell hat man sie noch nicht. Was tut man? Wo fängt man an? Wo sollte man suchen? Man spürt seine eigene Unzulänglichkeit. Man zweifelt an sich. Man wird unruhig? Man fragt sich, ob es die richtige Entscheidung war, sich in diese Situation zu bringen… und Ähnliches.

5. Die Gruppe hat diese Situation eines gemeinsamen Suchens ohne aktuell subjektiv befriedigende Situation sehr konstruktiv gelöst. Keiner stand auf und ging einfach weg. Jeder versucht, die Situation konstruktiv anzunehmen und doch noch eine Lösung zu finden.

6. Eine Phase von Gesprächen in kleineren Gruppen löste die Lähmung auf, führte zu lebhaften inspirierenden Gesprächen und führte dann zu einem ‚Plan‘ für das weitere Vorgehend bei der nächsten Sitzung.

B) SELBSTORGANISATION DES DENKENS

7. Die individuell-gemeinschaftliche Suche nach etwas, was in sich noch nicht so bekannt ist, wo der Weg tatsächlich ein wesentlicher Teil des Zieles ist, unterliegt gewissen Randbedingungen, die gewisse Verhaltensweisen bedingen.

8. So macht es natürlich einen Unterschied, ob man einen Abend bei ‚Punkt Null‘ beginnt, ohne Voraussetzungen in der Vergangenheit; man kann direkter zu den Punkten kommen. Da nur 1/3 der Teilnehmer vom 12.Okt.2014 auch am 9.Nov. anwesend waren, wussten 2/3 am aktuellen Abend nichts von der Vorgeschichte. Die Vermischung von letzter Sitzung und aktueller Sitzung wirkte daher weniger inspirierend sondern eher wie ein Bremsklotz. Die Gruppe erarbeitete die Hypothese, jede Sitzung mit einem bestimmten Thema anzufangen, das von einer Mehrheit als ‚gesprächswürdig‘ angesehen wird.

9. Ferner spielt natürlich die Anzahl eine Rolle. Je mehr Gesprächsteilnehmer anwesend sind, umso schwieriger wird ein Gespräch, da man auf immer mehr Erwartungshorizonte eingehen muss. Dies wird ab 4-5 Personen schon zunehmend schwer. Eine Klärung der eigenen Position zu einem Thema sollte daher einen Kommunikationsraum haben, der ‚Leichtgängig‘ ist. Die Gruppe erarbeitete daher die weitere Arbeitshypothese, zumindest zu Beginn des Treffens eine oder zwei Gesprächsphasen in kleinen Gruppen zu organisieren, die dann als Gruppe fokussiert ihre Ergebnisse allen anderen vorstellen. Anhand des Bildes, das dann aus diesen Gruppengesprächen entstehen, könnte man dann immer gemeinsame Reflexions- und Gesprächsphasen einschieben.

10. Auf diese Weise kann man überschaubare, persönliche Gesprächsprozesse erhalten, kann sich jede Gruppe dort abholen, wo sie steht, kann sich zusätzliche ein übergreifendes ‚Gedankenbild‘ entwickeln, das man im Kontext bekannter Erkenntnisse/ Modelle/ Theorien diskutiert.

C) NEUE MUSIK

11. Der Veranstalter macht unter dem Namen cagentArtist seit ca. 6 Jahren Experimente mit Klangräumen auf der Suche nach ’neuen Klängen‘. Dabei hat er vielfältige Erfahrungen gemacht beim ‚Suchen‘ nach neuen Klängen. Wie sucht man nach etwas, was man noch nicht kennt? Er hat dazu eine Methode entwickelt die das Individuum ins Zentrum stellt, die unabhängig ist von individuellen Fähigkeiten, von vieljährigen Trainingsprogrammen, unabhängig von ‚herrschendem Geschmack‘, von welchen Monopolen auch immer. Es geht um eine Begegnung mit neuen Klängen ‚für jeden‘, ‚zu jeder Zeit‘, ‚unabhängig‘ vom Monopol eines Senders, einer Redaktion, eines Sinfonieorchesters, vom Mainstream: ‚Bottom-Up‘, ‚Graswurzel‘ …. Das Bild vom großen Künstler, der eine ‚göttliche Inspiration‘ empfängt, die er ‚meisterlich‘ in eine ‚Form gießt‘, die die ‚hohe Musik‘ verkörpert, ist eine Ideologie. Sie begründet zu Unrecht eine Machtstruktur der ‚Musikwissenden hier‘ und der ‚Musikunmündigen‘ ansonsten. Dies führt zu einer Entmündigung fast aller Menschen in Sachen Musik. Oder der ‚Mainstream‘ als ‚Terror‘. Es geht um eine ‚Demokratisierung‘ des Umgangs mit Musik.

12. Es entstand im Gespräch die Idee, zu Beginn jeder Sitzung ein kurzes Musikstück aus dem Bereich der neuen Musik anzuhören und dann kurz über die ‚Emotionen‘ zu sprechen, die es auslöst, über den Weg, wie diese Klänge entstanden sind, und ob und wie man selbst einen Weg zu Klängen hätte.

D) SUBJEKTIVE GEWISSHEIT – OBJEKTIVER RAHMEN

13. In einer kurzen, aber ‚emotional wirksamen‘ Phase, gab es Dialoge zum Thema ’subjektive Gewissheit‘, z.B. dass hier ‚objektiv‘ ein Tisch sei, weil ich ihn anfassen kann, und den objektiven Erkenntnissen der modernen Physiologie und Gehirnforschung andererseits, dass das Gehirn als Zentrum vielfältiger Informationsverarbeitung im Körper, natürlich nicht den ‚Tisch als solchen‘ ‚wahrnimmt‘, sondern nur die ‚Wirkungen‘ übermittelt bekommt, die der ‚Tisch da draußen‘ auf die beteiligten Sinnesorgane auslöst. Aus den Daten der Sinnesorgane (auch der ‚inneren‘ (propriozeptiven) Sinnesorgane) konstruiert dann das Gehirn sein Bild von der ‚Welt da draußen‘.

14. Es gab bei einzelnen Schwierigkeiten, die subjektive Erkenntnis mit den Daten der modernen empirischen Wissenschaften zu verschränken. Die Schwierigkeit bestand darin, den Wahrheitsgehalt der subjektiven Erkenntisse in den objektiv-empirischen Erkenntniszusammenhang ‚einzubetten‘; die subjektive Erkenntnis wird damit nicht ‚aufgehoben‘, wohl aber ‚zusätzlich interpretiert‘.

15. Die ‚Objektivität‘ wird damit nicht vernichtet, sondern gestärkt. ‚Wahrheit‘ verschwindet nicht, sondern wird dadurch nur differenzierter. Dass es Menschen gibt, die sich ‚Philosophen‘ nennen und die aus den Erkenntnissen der modernen Wissenschaften eine allgemeine ‚Relativierung‘ ableiten, erscheint nicht zwingend, müsste aber in einem längeren differenzierten Gespräch erklärt werden.

E) MENSCH UND COMPUTER

16. Im Nachgespräch einer kleinen Gruppe wurde höchst intensiv die Frage diskutiert, ob und wieweit ein Computer einen Menschen ’nachbilden‘ oder gar ‚ersetzen‘ können. Es wurden sehr viele kluge Dinge gesagt. Die Kernfrage einer Teilnehmerin, wieweit das an die Körperlichkeit gebundene ‚Kinderkriegen‘ durch eine Frau und die damit einhergehende ‚Weiterentwicklung‘ eines Menschen/ der Menschheit durch Maschinen (Computer) ’nachgebildet‘ werden könnte, blieb trotz einiger Argumente noch etwas offen.

F) SELBSTVERNICHTUNG DES MENSCHEN?

17. Im Zusammenhang der aktuellen Diskussion um die kommende ‚Weltherrschaft der Maschinen‘ (Singularitätshypothese, Transhumanismus) kann man den Eindruck gewinnen, dass die Diskussionsteilnehmer ‚wie besoffen‘ von den Fähigkeiten der ’neuen Maschinen‘ sind, ohne sich dabei noch irgendwelche Gedanken über den Menschen zu machen. Das Wunder des Lebens auf der Erde (und damit im Universum), das sich seit ca. 4 Mrd.Jahren in extrem komplexen und erstaunlichen Prozessen abgespielt hat, wird vollständig ausgeklammert. Die vielen grundlegenden Fragen, die sich hier stellen, die alle noch nicht beantwortet sind, werden gar nicht erst diskutiert.

18. Dass die ‚alten Menschenbilder‘ der bisherigen Traditionen (insbesondere auch der großen Religionen (Hinduismus, Judentum, Buddhismus, Christentum, Islam) bei heutigem Wissensstand vielfach nicht mehr adäquat sind, ist eine Sache, aber dann den Menschen quasi einfach in der Versenkung schwinden zu lassen als sich der Herausforderung eines ’neuen Menschenbildes‘ zu stellen, ist nicht nur methodisch unsauber sondern natürlich ein direkter Angriff auf die Gesamtheit des Lebens im Universum schlechthin. Der Mensch schafft sich selbst ab; das ist mehr als Genozid (was eigentlich von der UN geächtet ist).

19. Während ‚Religion‘ eigentlich etwas Existentiell-Empirisches ist, das seine ‚Wurzeln‘ im ‚Transzendenten‘ zu ’spüren‘ meint, scheinen die ‚Institutionen‘ der Religionen eher ‚Machtgetrieben‘ zu sein, die im Konfliktfall das Existentiell-Empirische der Religion bekämpfen. Das Existentiell-Empirische wertet den einzelnen Menschen (jedes Lebewesen!?) grundlegend auf. Religiöse Erfahrung verbindet jeden potentiell mit Gott, was aber eine institutionelle Macht in Frage stellt.

20. Im Kontext der Diskussion um das ‚Neue Menschenbild‘ erscheinen die von den religiösen Institutionen ‚propagierten‘ Menschenbilder daher tendenziell ‚verzerrt‘, ‚partiell‘, ‚irreführend‘. Wenn dies zutrifft – als Autor gehe ich davon aus –, dann helfen die Menschenbilder der institutionellen Religionen uns momentan wenig in der Auseinandersetzung um das ‚Neue Menschenbild‘. Im Gegenteil, sie blockieren den Zugang zu dem ‚je größeren Bild‘ vom Menschen im Universum, vom Leben im Universum, und damit bedrohen sie die ‚Zukunft‘ des Lebens unmittelbar.

G) PROGRAMMENTWURF FÜR So 14.Dez.2014

21. Für die nächste Sitzung wurde von den Anwesenden daher folgender Programmvorschlag formuliert:
22. Eingangsbeispiel eines Experimentes zur ‚Neuen Musik‘ mit kurzem Gespräch
23. Kurze Einführung zum Thema ‚Emotionen‘
24. Erste Gesprächsrunde in kleinen Gruppen (3-4) zum Thema
25. Berichte der Gruppen und Diskussion
26. Eventuell Wiederholung Gesprächsgruppen und gemeinsame Diskussion
27. Mögliche Aufgabenstellung für nächstes Treffen
28. Offener Ausklang

Erste Vorübelegungen zur philosophieWerkstatt v2.0 am 14.12.2014 finden sich HIER.

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

INDIVIDUUM vs. SYSTEM: Wenn das Individuum tot ist wird das System sterben …

1. Die folgenden Überlegungen müsste man eigentlich mit viel Mathematik und Empirie untermauert hinschreiben. Da ich aber auf Wochen absehbar dazu nicht die Zeit haben werde, ich den Gedanken trotzdem wichtig finde, notiere ich ihn so, wie er mir jetzt in die Finger und Tasten fließt …

PARADOX MENSCH Mai 2012

2. Am 4.Mai 2012 – also vor mehr als 2 Jahren – hatte ich einen Blogeintrag geschrieben (PARADOX MENSCH), in dem ich versucht hatte, anzudeuten, wie der eine Mensch in ganz unterschiedlichen ’sozialen Rollen‘, in ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten vorkommt und dort, je nach Handlungs-, Wissens- und Werteraum ganz verschiedene Dinge tun kann. Derselbe Mensch kann hundert Tausende für sich bis zum umfallen Arbeiten lassen und selbst dabei ‚reich‘ und ‚genussvoll‘ in den Tag hinein leben oder er kann als genau dieser einzelner in einer Werkhalle stehen und für einen Hungerlohn bei miserablen Bedingungen sein Leben aufarbeiten, ohne viel darüber nachdenken zu können, wie er sein Leben ändern könnte. Der Mensch in der Werkhalle kann viel intelligenter, viel begabter sein als der, der die hundert Tausende befehligt, aber der in der Werkhalle hat keine sozialen Räume, um diese seine Begabungen ausleben zu können. Vielleicht wäre er ein mathematisches Genie, ein großer Pianist, ein begnadeter Architekt, eine wunderbare Krankenschwester, ein(e) …. wir werden es in der aktuellen Situation nicht wissen, es sei denn …

3. Was sich in dem Blogeintrag von 2012 andeutet, aber nicht explizit ausgeführt wird, das ist diese ‚doppelte Sicht‘ auf die Wirklichkeit:

INDIVIDUELL-SUBJEKTIV, SYSTEMISCH – TRANSSUBJEKTIV

4. als Individuen, als einzelne ‚erleben‘ wir die Welt aus unserer subjektiven Perspektive, mit unserem einzelnen Körper, finden uns vor in einem gesellschaftlichen Kontext, der uns als Kinder ‚empfängt‘ und der von Anfang an ‚mit uns umgeht‘. Als Kinder können wir fast nichts machen; wir sind ‚Gegenstand‘ dieser Prozesse‘, sehr oft einfach nur ‚Opfer‘; der Prozess ‚macht mit uns‘ etwas. Wie wir wissen können, gibt es hier die volle Bandbreite zwischen Hunger, Quälereien, Missbrauch, Folter, Arbeit bis hin zu friedlicher Umgebung, umsorgt werden, genügend (zu viel) zu Essen haben, spielen können, lernen können usw.

5. Wir erleben die Welt aus dieser EGO-Perspektive mit dem individuellen Körper, seinem Aussehen, seiner Motorik, seinen Eigenheiten in einer Umgebung, die ihre Spielregeln hat, unabhängig von uns. Wir gewinnen ein BILD von uns, das sich über die Umgebung formt, bildet, zu unserem Bild über uns wird, eine Rückspiegelung von uns unter den Bedingungen der Umgebung. Jemand hat die Begabung zu einem Ingenieure, wird aber immer nur belohnt und unterstützt, wenn er etwas ganz anderes macht, also wird er normalerweise nie Ingenieure werden. … Wer nur überlebt, wenn er lernt sich anzupassen oder andere mit Gewalt niederhält, permanent Angst um sich verbreitet, der wird selten zu einem ‚friedlichen‘, ‚umgänglichen‘ Gegenüber …

6. Aus Sicht ‚der Welt‘, der sozialen Struktur, der Firma, der Behörde, kurz, aus Sicht ‚des Systems‘ ist ein einzelner immer dasjenige ‚Element‘, das ‚im Sinne des Systems‘ ‚funktioniert‘! Wer Lehrer in einer Schule geworden ist, wurde dies nur, weil es das ‚System Schule‘ gibt und der einzelne bestimmte ‚Anforderung‘ ‚erfüllt‘ hat. Solange er diese Anforderungen erfüllt, kann er in dem ‚System Schule‘ das Element genannt ‚Lehrer‘ sein.

7. Das System interessiert sich nicht dafür, ob und wie das einzelne Element Lehrer auf seiner subjektiven Seite die alltäglichen Ereignisse, Erlebnisse, Anforderungen verarbeitet, verarbeiten kann; wenn das Element ‚Lehrer‘ im Sinne des Systems ‚Schwächen‘ zeigt, Anforderungen länger nicht erfüllen kann, dann muss das System dieses ’schwächelnde Element‘ ‚entfernen‘, da es ansonsten sich selbst schwächen würde. Das ‚System Schule‘ als gesellschaftliches System bezieht seine Berechtigung aus der Systemleistung. Wird diese nicht erbracht, dann gerät es – je nach Gesellschaft – unter Druck; dieser Druck wird auf jedes einzelne Element weiter gegeben.

8. Solange ein einzelnes Element die Systemanforderungen gut erfüllen kann bekommt es gute Rückmeldungen und fühlt sich ‚wohl‘. Kommt es zu Konflikten, Störungen innerhalb des Systems oder hat das individuelle Element auf seiner ’subjektiven Seite‘ Veränderungen, die es ihm schwer machen, die Systemanforderungen zu erfüllen, dann gerät es individuell unter ‚Druck‘, ‚Stress‘.

9. Kann dieser Druck auf Dauer nicht ‚gemildert‘ bzw. ganz aufgelöst werden, wird der Druck das individuelle Element (also jeden einzelnen von uns) ‚krank‘ machen, ‚arbeitsunfähig‘, ‚depressiv‘, oder was es noch an schönen Worten gibt.

MENSCHENFREUNDLICHE SYSTEME

10. In ‚menschenfreundlichen‘ Systemen gibt es Mechanismen, die einzelnen, wenn Sie in solche Stresssituationen kommen, Hilfen anbieten, wie der Druck eventuell aufgelöst werden kann, so dass das individuelle Element mit seinen Fähigkeiten, Erfahrungen und seinem Engagement mindestens erhalten bleibt. In anderen – den meisten ? — Systemen, wird ein gestresstes Element, das Ausfälle zeigt, ‚ausgesondert‘; es erfüllt nicht mehr seinen ’systemischen Zweck‘. Welche der beiden Strategien letztlich ’nachhaltiger‘ ist, mehr Qualität im System erzeugt, ist offiziell nicht entschieden.

11. In ‚menschenfreundlichen Gesellschaftssystemen‘ ist für wichtige ‚Notsituationen = Stresssituationen‘ ‚vorgesorgt‘, es gibt systemische ‚Hilfen‘, um im Falle von z.B. Arbeitslosigkeit oder Krankheit oder finanzieller Unterversorgung unterschiedlich stark unterstützt zu werden. In weniger menschenfreundlichen Systemen bekommt das einzelne Element, wenn es vom ‚System‘ ‚ausgesondert‘ wird, keinerlei Unterstützung; wer dann keinen zusätzlichen Kontext hat, fällt ins ‚gesellschaftliche Nichts‘.

12. Unabhängig von ökonomischen und gesellschaftlichen Systemen bleiben dann nur ‚individuell basierte Systeme‘ (Freundschaften, Familien, Vereine, private Vereinigungen, …), die einen ‚Puffer‘ bilden, eine ‚Lebenszone‘ für all das, was die anderen Systeme nicht bieten.

INDIVIDUELLE GRATWANDERUNG

13. Ein einzelner Mensch, der sein Leben sehr weitgehend darüber definiert, dass er ‚Systemelement‘ ist, d.h. dass er/sie als Element in einem System S bestimmte Leistungen erbringen muss, um ‚mitspielen‘ zu können, und der für dieses ‚Mitspielen‘ einen ‚vollen Einsatz‘ bringen muss, ein solcher Mensch vollzieht eine permanente ‚Gratwanderung‘.

14. Da jeder einzelne Mensch ein biologisches System ist, das einerseits fantastisch ist (im Kontext des biologischen Lebens), andererseits aber natürliche ‚Grenzwerte‘ hat, die eingehalten werden müssen, damit es auf Dauer funktionieren kann, kann ein einzelner Mensch auf Dauer als ‚Element im System‘ nicht ‚absolut‘ funktionieren; es braucht Pausen, Ruhezonen, hat auch mal ’schwächere Phasen‘, kann nicht über Jahre vollidentisch 100% liefern. Dazu kommen gelegentliche Krankheiten, Ereignisse im ‚privaten Umfeld, die für die ‚Stabilisierung‘ des einzelnen wichtig sind, die aber nicht immer mit dem ‚System‘ voll kompatibel sind. Je nach ‚Menschenunfreundlichkeit‘ des Systems lassen sich die privaten Bedürfnisse mit dem System in Einklang bringen oder aber nicht. Diese zunächst vielleicht kleinen Störungen können sich dann bei einem menschenunfreundlichem System auf Dauer zu immer größeren Störungen auswachsen bis dahin, dass das einzelne individuelle Element nicht mehr im System funktionieren kann.

15. Solange ein einzelnes Element nur seine ’subjektive Perspektive‘ anlegt und seine eigene Situation nur aus seiner individuellen Betroffenheit, seinem individuellen Stress betrachtet, kann es schnell in eine Stimmung der individuellen Ohnmacht geraten, der individuellen Kraftlosigkeit, des individuellen Versagens verknüpft mit Ängsten (eingebildeten oder real begründet), und damit mit seinen negativen Gefühlen die negative Situation weiter verstärken. Das kann dann zu einem negativen ‚Abwärtsstrudel‘ führen, gibt es nicht irgendwelche Faktoren in dem privaten Umfeld, die dieses ‚auffangen‘ können, das Ganze zum ‚Stillstand‘ bringen, ‚Besinnung‘ und ’neue Kraft‘ ermöglichen und damit die Voraussetzung für eine mögliche ‚Auflösung der Stresssituation‘ schaffen.

16. Menschen, die annähernd 100% in ihr ‚Element in einem System‘ Sein investieren und annähernd 0% in ihr privates Umfeld, sind ideale Kandidaten für den individuellen Totalcrash.

17. ‚Plazebos‘ wie Alkohol, Drogen, punktuelle Befriedigungs-Beziehungen, bezahlte Sonderevents und dergleichen sind erfahrungsgemäß keine nachhaltige Hilfe; sie verstärken eher noch die individuelle Hilflosigkeit für den Fall, dass es ernst wird mit dem Stress. Denn dann helfen alle diese Plazebos nichts mehr.

WAS WIRKLICH ZÄHLT

18. Das einzige, was wirklich zählt, das sind auf allen Ebenen solche Beziehungen zu anderen, die von ‚tatsächlichem‘ menschlichen Respekt, Anerkennung, Vertrautheit, Zuverlässigkeit, und Wertschätzung getragen sind, dann und gerade dann, wenn man phasenweise seine ‚vermeintliche Stärke‘ zu verlieren scheint. Das umfasst private Wohnbereiche zusammen mit anderen sowie ‚echte‘ Freundschaften, ‚echte‘ Beziehungen, ‚gelebte‘ Beziehungsgruppen, ‚Gefühlter Sinn‘, und dergleichen mehr.

LOGIK DES SYSTEMS

19. Die ‚Logik der Systeme‘ ist als solche ’neutral‘: sie kann menschenrelevante Aspekte entweder ausklammern oder einbeziehen. Solange es ein ‚Überangebot‘ an ‚fähigen Menschen‘ für ein System gibt, kann es vielleicht menschenrelevante Aspekte ‚ausklammern‘, solange das ‚gesellschaftliche Umfeld‘ eines Systems die ‚Störungen absorbiert‘. Wie man weiß, kann aber die ‚Qualität‘ eines Systems erheblich leiden, wenn es die ‚menschenrelevanten‘ Aspekte zu stark ausklammert; auch wird ein gesellschaftliches Umfeld – wie uns die Geschichte lehrt – auf Dauer ab einem bestimmten Ausmaß an zu absorbierenden Störungen instabil, so dass auch die für sich scheinbar funktionierenden Systeme ins Schwanken geraten. Die Stabilität eines Systems ist niemals unabhängig von seiner Umgebung. So führte historisch eine auftretende krasse Vermögens- und Arbeits-Ungleichverteilung immer wieder zu starken Turbulenzen, Revolutionen, in denen Menschen sich wehren. Denn letztlich sind alle absolut gleich, jeder hat die gleichen Rechte. Das einseitige Vorenthalten von Rechten bei den einen und die einseitige Privilegierung für wenige andere hat nahezu keine Begründung in einem persönlichen Besser sein, sondern ist fast ausschließlich systemisch-historisch bedingt. Da ‚Privilegieninhaber‘ von sich aus fast nie freiwillig auf ihre Privilegien verzichten wollen und alles tun, um diese ‚abzusichern‘, wird ein systemisches Ungleichgewicht in der Regel immer schlechter; dies ist nicht nachhaltig; letztendlich führt es zur De-Stabilisierung und damit in chaotische Zustände, in der es nicht notwendig ‚Gewinner‘ geben muss, aber auf jeden Fall viele Verlierer.

20. Ein ganz anderer Aspekt ist die globale Verarmung aller Systeme, die die individuellen Potentiale systemisch unterdrücken. Da fast jeder Mensch gut ist für etwas Besonderes, führt die ‚Einkastelung‘ der Individuen in ‚tote Elemente‘ eines Systems zwangsläufig zu einer ungeheuren Ressourcenverschwendung und Verarmung, die dem System selbst wertvollste Ressourcen entzieht. Der ‚Tod des Individuums‘ ist daher auf Dauer auch über die ‚Verarmung‘ des Systems auch ein ‚Tod des Systems‘. Jedes System, das nachhaltig die Potentiale seiner Individuen samt ihrer Privatheit besser fördert und entwickelt als ein Konkurrenzsystem, wird auf Dauer besser und stabiler sein.

Einen Überblick über alle bisherige Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

CARTESIANISCHE MEDITATIONEN III, Teil 3

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 11.Dezember 2011,
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

ÄNDERUNGEN: Letzte Änderung Mo, 13. Dez. 2011, vor 10:30h

(40) Zurück zu Husserl. Bei der phänomenologischen Analyse der allgemeinen (intentionalen) Strukturen des Erlebens bilden die sich im Denken  automatisch bildenden Einheiten (jedes einzelne cogitatum ist eine ‚Identitätssynthese‘ (vgl. CM2,S21,Z9-11) jeweils einen ‚Leitfaden für die subjektiven Mannigfaltigkeien‘. (vgl. CM2,S21,Z12f) In der entstehenden Abstraktion auf der Grundlage der phänomenologischen  ‚Typen‘ spielen diese konstituierenden Mannigfaltigkeiten dann aber keine wichtige Rolle mehr; es geht dann um die gefundenen allgemeinen Strukturen.

(41)  Nehmen wir einmal an, dass es diese allgemeine Strukturen sind, die in eine phänomenologische Theorie Th_ph eingehen würden (mir ist niemand bekannt, der bislang solch eine phänomenologische Theorie Th_ph tatsächlich ausgearbeitet hätte; Husserl selbst war weit entfernt davon).

(42) Husserl behauptet nun, dass das ‚Phänomen der Welt‘ einen eigenen Typus, bildet, nämlich den ‚wundersamen Typus universale Weltwahrnehmung‘, der uns als dieser Typus ‚bewusst‘ sei. (vgl. CM2,S21,Z18-21) Er bildet den ‚Leitfaden‘ zur Analyse der ‚Unendlichkeitsstruktur der Erfahrungsintentionalität‘ von der Welt. (vgl. CM2,S21,Z22-27) Innerhalb der phänomenologischen Analyse von der einen Welt gibt es aber viele unterscheidbare Einzelobjekte, die in diesem größeren Zusammenhang so vorkommen, dass sie aus diesem Zusammenhang ’nicht weggedacht‘ werden können. (vgl. CM2,S21,Z35f)

(43) Dass jedes erkennbare Einzelobjekt samt zugehöriger Typik und intentionaler Potentialität im Kontext der synthetischen Einheit des transzendentalen ego ohne diesen Zusammenhang nicht gedacht werden kann, ist gewissermaßen eine Tautologie, da Husserl die transzendentale Analyse genau über jenen unauflöslichen –letztlich a priori vorgegebenen– Denkzusammenhang definiert. Davon zu unterscheiden ist aber die phänomenbezogene Aussage, dass es über diese im Denken verankerte Einheit auch noch eine durch die Sachen selbst induzierte Einheit geben soll. Dass wir in allen Wahrnehmungen eine raum-zeitliche Struktur vorfinden (über die Husserl hier nicht spricht), durch die unsere unterschiedlichen Gegenstände, Objekte in einem Beziehungsgeflecht vorkommen, das wir nicht weg-denken können, ist eine Sache. Zusätzlich dazu ein ‚Superobjekt‘ Welt als vorfindliche Erkenntnis annehmen zu müssen, ist eine Feststellung, die sich –zumindest mir– nicht ohne weiteres erschließt. Diese Unsicherheit zeigt an, dass die Inhalte einer phänomenologischen Analyse, selbst dort, wo sie versucht, ‚allgemeine‘ Strukturen der vorfindlichen Gegebenheitstypen aufzugreifen, zu analysieren und zu beschreiben, nicht immer und überall diese Transparenz und Evidenz besitzt, die Husserl fordert (und bei seinen Aussagen auch unterstellt). Im Zweifelsfall würde ich dafür plädieren, solche unklaren Allgemeinheits-Feststellungen dann zurück zu stellen. Ferner zeigt diese Unsicherheit die Besonderheit einer möglichen phänomenologischen Theoriebildung: dadurch, dass es sich bei den ‚Gegenständen‘ einer phänomenologischen Analyse um Eigenschaften unseres bewussten Denkens handelt, die nicht ‚direkt‘ vorzeigbar sind, sondern nur indirekt im Rahmen einer Kommunikation ‚erschlossen‘ werden können, ist jede phänomenologische Feststellung eine kommunikationsabhängige Hypothese, die voraussetzt, dass es in jedem Kommunikationsteilnehmer prinzipiell die gleichen allgemeinen Strukturen des Denkens gibt. Die von Husserl programmatisch geforderte Letztbegründung von Philosophie wird auf diese Weise trotz ihrer subjektiven Denknotwendigkeit durch ihre Sprachabhängigkeit zu einem relativierbaren kulturellen Phänomen. Zwischenmenschlich kann Philosophie niemals absolut sein, nur individuell-subjektiv für die persönliche Orientierung.

(44) Kommen wir zurück zur formalen Seite der phänomenologischen Analyse. Generell bezieht die phänomenologische Analyse ihre Denknotwendigkeit aus der vorfindlichen Einheit des Denkens. Innerhalb dieser allgemeinen Einheit postuliert Husserl aber weitere begrenztere Einheiten,  die aus der Mannigfaltigkeit des Gegebenen als ‚Objekte‘ und zugleich als ‚Objekttypen‘ entstehen. Und er stellt explizit fest ‚Jedes Objekt bezeichnet eine Regelstruktur für die transzendentale Subjektivität‘. (vgl. CM2,S22,Z5-7) Hier stellen sich sehr viele Fragen. Einige seien genannt.

(45)  Der Ausdruck ‚Regelstruktur für die transzendentale Subjektivität‘ ist nicht ohne weiteres klar, da Husserl bislang noch nirgends erklärt hat, was eine ‚Regel‘ sein soll, er hat den Begriff ‚Struktur‘ ebenfalls nicht explizit erklärt, geschweige denn den neuen Begriff ‚Regelstruktur‘. Aus der Vielzahl möglicher Interpretationen wird hier versuchsweise angenommen, dass es Husserl darauf ankam, zu erklären, dass die durch die Objekteinheit gegebene Typik im Rahmen der transzendentalen Synthese etwas ‚Nicht-Zufälliges‘, etwas ‚Nicht-Kontingentes‘ hat. Damit wäre die Basis  für eine Grundlegung der Philosophie über die allgemeine transzendentale Einheit hinaus durch Ausdifferenzierung der allgemeinen Einheit ‚erweitert‘. Diese Annahme macht nur Sinn, wenn die auf die Objekt-Typik bezogene Einheit vom einzelnen Objekt ‚unabhängig‘ ist. Die vorausgehenden Abschnitte legen diese Interpretation nahe. Daraus folgt, dass diese Objekt-Typik durch die Art des Denkens selbst (DLOG) ‚induziert‘ wird. D.h. egal, welches einzelne Objekt durch die Mannigfaltigkeit der Wahrnehmung sich im Denken ‚zeigt‘, jede dieser objektbezogenen Typen ergibt sich aus der Art und Weise, wie das Denken Mannigfaltigkeiten ‚organisiert‘, ‚verarbeitet‘, ‚aufbereitet‘ –oder wie immer man die Leistung des Denkens bezeichnen möchte–. Mit solch einem Interpretationsansatz erscheint die Einheit der Objekte als denknotwendig, sprich von transzendentaler Natur. Es bleibt dann nur die Frage nach dem ‚Sachanteil‘ der Erkenntnis. Wenn die Mannigfaltigkeit, die letztlich die Unterscheidung zwischen Objekten möglich macht und die die Voraussetzung für sprachliche Benennungen ist, im ‚eigentlichen‘ Denken keine Rolle mehr zu spielen scheint, dann fragt man sich, was denn letztlich den ‚Inhalt‘ des denknotwendigen Denkens ausmacht?

(46) Eine weitere Interpretation könnte sein, dass diese allgemeinen Strukturen des Denkens zwar vom Denken selbst induziert sind, aber nur gelegentlich des Auftretens von Mannigfaltigkeiten ’sichtbar‘ werden. Damit hätten die Mannigfaltigkeiten zumindest eine Art ‚Triggerfunktion‘.  Dies scheint der Weise unseres Denkens zu entsprechen. Wir können über die Strukturen unseres Denkens nur anlässlich des aktiven Denkens ‚denken‘. Der ‚Inhalt‘ dieses Denkens wird aber nur in dem Masse ’nutzbar‘, als es uns gelingt, diesen Inhalt zu analysieren und zu beschreiben (als Th_ph). Das Gleiche gilt natürlich auch von den eher ‚kontingenten Inhalten‘, anlässlich deren die allgemeinen Strukturen sichtbar werden. Auch diese kann man in ihrer Eigenart analysieren und beschreiben. Die ‚Daten‘ DAT_ph einer phänomenologischen Theorie Th_ph enthalten also sowohl Beschreibungen von ‚kontingenten‘ Daten wie auch Daten über ‚allgemeine Struktureigenschaften‘ des Denkkontextes, in dem diese Daten auftraten. Diese Daten DAT_ph zu einer konsistenten phänomenologischen Theorie Th_ph auszuarbeiten stellt dann die eigentliche theoretische (und philosophische) Leistung dar.

(47) Bzgl. der Feststellung über das Super-Objekt Welt (bei Husserl ‚universale Weltwahrnehmung‘) hatte ich angemerkt, dass die Behauptung der universalen Gültigkeit dieser Erkenntnis mir nicht direkt zwingend erscheint. Husserl läßt hier aber nicht locker. Für ihn resultiert die Einheit des Phänomens ‚Natur‘ bzw. ‚Welt‘ als transzendentale Einsicht aus dem Kontext von ‚Vernunft und Unvernunft‘; letztere gehören für ihn zur ‚allgemeinsten Strukturform der transzendentalen Subjektivität überhaupt‘. (vgl. CM2,S22,Z8-17)

(48) Trotz dieser Wiederholung ist nicht erkennbar, woher Husserl die hierzu notwendigen Evidenzen rekrutiert.  Das Wort ‚überhaupt‘ im Ausdruck ‚transzendentale Subjektivität überhaupt‘  lässt zwar Emphase‘ erkennen, deutet an, dass sein Autor auf die immanenten ‚Grenzen‘ des Gemeinten zielt, doch ist die ‚transzendentale Subjektivität‘ von Husserl auf die apriorische Einheit des transzendentalen ego bezogen, die als solche ‚eine‘ ist und nicht weiter hintergehbar. In diese letzte Einheit eine noch allgemeinere Einheit mit der Formulierung ‚transzendental überhaupt‘  hinein zu projizieren, erscheint wenig überzeugend. Zumal Begriffe wie ‚Vernunft‘ und ‚Un-Vernunft‘ hochgradig unbestimmt und ‚leer‘ sind. Von etwas Unbestimmtem und Undefiniertem wie ‚Vernunft‘ zu sagen es sei die ‚allgemeinste Form‘ und zugleich die ‚Einheit überhaupt‘ überzeugt mich nicht. Es mag sein dass der Begriff ‚Vernunft‘ in anderen begrifflichen Kontexten einen fassbaren Sinn haben kann, in dem von Husserl bislang skizzierten Zusammenhang einer transzendentalen Phänomenologie sehe ich dies nicht.

(49) Husserl spricht dann über ‚Evidenz‘ im Kontext des Transzendentalen als etwas ’nicht zufällig Vorkommendes‘.(vgl. CM2,S22,Z18-21) Er benutzt dabei das Wort ’selbst‘ fast inflatorisch (analog dem Wort ‚überhaupt‘ in vorausgehenden Abschnitten), etwa nach dem Schema nicht nur ein ‚X‘, sondern das ‚X selbst‘, oder –mit Husserls Worten– ‚das cogitatum als es selbst habend‘.(vgl. CM2,S22,Z22f) Was aber macht den Unterschied aus zwischen einem ‚X‘ und dem ‚X selbst‘? Nach den bisherigen Ausführungen zur transzendentalen Phänomenologie ist sich das transzendentale ego entweder ’seiner selbst‘ nicht bewusst sondern ist  ‚bei‘ oder ‚in‘ den cogitata als den intentionalen Gegenständen des Denkens (ohne epoché) oder das transzendentale ego ist sich seiner bewusst und damit werden die cogitata eingebettet in eine intentionale Beziehung, die sich ihrer bewusst ist und die ‚in sich‘ oder ‚aus sich heraus‘ alle cogitata innerhalb der Einheit des Denkens ‚als cogitata‘ bewusst denken kann. In diesem Schema wäre eine Interpretationsmöglichkeit, den Fall ‚X‘ zu assoziieren mit dem ‚bei/ in den cogitata‘ sein ohne eingeschaltete kritische Reflexion und den Fall ‚X selbst‘ zu assoziieren mit der eingeschalteten Reflexion, in der die cogitata als Momente einer intentionalen Beziehung ‚bewusst‘ sind, darin ’sie selbst‘. Dies scheint Husserl gemeint zu haben, wenn er sagt ‚…alle Intentionalität ist… selbst ein Evidenzbewusstsein, das ist das cogitatum als es selbst habend…‘. (vgl. CM2,S22,Z21-23)

(50) Man kann natürlich fragen, ob es glücklich ist, das cogitatum, sofern es in der Reflexion als ein ‚Eingebettetes in einer größeren Einheit‘ erscheint, als ‚es selbst‘ zu bezeichnen, aber es entspricht dem Sprachgebrauch deutscher Bewusstseinsphilosophen.

(51) Schwierig wird es, wenn Husserl von dem unmittelbar im Denken Gegebenen ‚X selbst‘ auf das potentielle X rekurriert, auf das vor jeder Klarheit gegebene ‚vage, leere, unklare‘ Bewusstsein, (vgl. CM2,S22,Z25) das ‚auf dem Weg der Klärung‘ dann als Vorgestelltes, Fantasiertes, Gedachtes, Erinnertes usw. bewusst und darin wirklich, reell wird. Da man sich sofort fragt, wie etwas nicht Bewusstes Gegenstand des bewussten Denkens sein kann (nicht bewusst ist ja gerade das Gegenteil von bewusst), hakt man sich fest an der Formulierung Husserls, dass ein leeres Bewusstsein nur ‚Bewusstsein von dem und dem‘ sein kann, ’sofern es auf einen Weg der Klärung verweist‘.(vgl. CM2,S22,Z26f) Dies wirkt mindestens paradox, wenn nicht gar falsch.

(52) Wenn wir zunächst mal davon ausgehen, dass das Komplementäre zum Bewusstsein C das Nicht-Bewusstsein C‘ ist, d.h. Alle jene ‚Dinge‘ die es zwar ‚irgendwie geben mag‘, die aber eben per definitionem nicht bewusstseinsmässig zugänglich sind, dann gibt es für das Bewusstsein C keinerlei Möglichkeit auf irgendein x‘ in C‘ zu schließen. Die Formulierung von Husserl ’sofern es auf einen Weg der Klärung verweist‘ ist also bei Annahme der Definition von Bewusstsein und Nicht-Bewusstsein im vorausgehenden Sinne im Ansatz nicht möglich. Im Nichtbewusstsein C‘ gibt es kein etwas x‘ in C‘, das in irgendeiner Weise dem Bewusstsein C zugänglich ist.

(53) Will man die Aussage Husserls retten, dann könnte man ein ‚Drittes‘ postulieren, nämlich einen Zwischenbereich zwischen Bewusstsein C und Nichtbewusstsein C‘; nennen wir dieses Dritte hypothetisch ‚Un-Bewusstes‘ C*. Das Un-Bewusste wäre dann ein etwas x* in C*, dessen konkrete Ausgestaltung als solche aktuell nicht gerade bewusst ist, aber ‚irgendwie‘ gibt es ein ‚leeres, vages‘ Bewusstsein von seiner Verfügbarkeit. Ein möglicher Zusammenhang (Hypothese) zwischen einem bewussten Phänomen x in C und einem unbewussten x* in C* wäre möglicherweise, dass jedes bewusstes Phänomen x in den ‚Zustand‘ eines unbewussten x* übergehen kann und umgekehrt. Die Details dieser Übergänge von x nach X* und zurück lassen wir an dieser Stelle einmal offen. Wichtig ist nur, dass es keinerlei Übergänge von einem nicht bewussten x‘ in C‘ zu einem bewussten x in C geben kann. Möglicherweise aber von einem unbewussten x* in C* zu einem nicht bewussten x‘ in C‘. Die Formulierung von Husserl ‚Jedes vage Bewusstsein kann ich befragen, wie sein Gegenstand aussehen müsste‘, kann man als Bekräftigung der Hypothese zum Un-Bewussten C* lesen.

(54) In diesem Zusammenhang führt Husserl auch die Begriffe ‚Bestätigung‘, ‚Erfüllung‘ einerseits ein wie auch die Begriffe ‚Enttäuschung‘, ‚Aufhebung‘, ‚Negation‘ andererseits ein.(vgl. CM2,S22,Z36-38) Alle diese Begriffe setzen eine Beziehung (Relation) voraus: Ich habe ein X, das sich in einem Zustand befindet, von dem ich noch nicht sagen kann, dass er ‚bestätigt‘ oder ‚enttäuscht‘ sei oder ich habe –zeitlich danach– einen Zustand, in dem ich von X sagen kann, er sei bestätigt oder er sei enttäuscht.

(55) Man kann sich jetzt fragen, wo und wie sich dieses Schema innerhalb der transzendentalen Phänomenologie ‚interpretieren‘ lässt. Da man von den allgemeinen Strukturen annehmen muss, dass sie ’sind wie sie sind‘, kann ein Bestätigen bzw. Enttäuschen nur bei jenen Gegebenheiten (Tatsachen) des Bewusstseins auftreten, die in einer Beziehung vorkommen können, in denen sich etwas ändert. Dies sind eigentlich nur jene Objekte, die auf kontingenten Mannigfaltigkeiten beruhen, die mal so und mal so sein können. Während ‚Erinnerbares‘ (das ein Bewusstes x in C war, das zu einem unbewussten x* in C* überging und von dort wieder zu einem bewussten x in C werden kann) tendenziell eher seine Beschaffenheit ‚bewahrt‘ (obgleich wir heute wissen, dass das Erinnerte immer Verschieden ist von dem initialen Bewussten), ist es das sinnlich Wahrgenommene, das sich ‚autonom‘ ändert. Man könnte also ein erinnertes bewusstes x_mem in C mit einem sinnlich wahrgenommenen x_emp in C vergleichen. In der Tat sagt unsere Erfahrung, dass zwischen Erinnertem x_mem und sinnlich Wahrgenommenen x_emp Bestätigung oder Enttäuschung stattfinden kann (z.B. bestaetigung(x_mem, x_emp) = 1 oder  bestaetigung(x_mem, x_emp) = 0). Natürlich kann sowohl unsere ‚Fantasie‘ wie auch unser ‚rationales Denken‘ als Teile von DLOG eine Menge von bewussten x_i in C ‚verarbeiten‘ zu einem ’neuen‘ x_neu in C. Auch bzgl. eines solchen ’neuen‘ x_neu kann man einen Vergleich mit einem x_emp anstellen (oder auch einem x_mem):  bestaetigung(x_neu, x_emp) = 1 oder  bestaetigung(x_neu, x_emp) = 0.

(56) Husserl benutzt im vorausgehenden Kontext das Begriffspaar ‚anschaulich‘ und ‚unanschaulich‘.(vgl. CM2,S23,Z3f) Der systematische Bezug zur Themaik ‚Bestätigung‘ und ‚Enttäuschung‘ ist nicht ganz klar.

Zur Fortsetzung siehe CM3, Teil 4

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