Archiv für den Tag: 18. September 2015

Die Einsamkeit der Atome überwinden …

Letzter Nachtrag: 22.September 2015 (Klangexperiment)

Dies ist ein Blitzeintrag. Als ih heute morgen langsam aufdämmerte und die Gedanken durcheinanderwirbelten, schälte sich ein Punkt plötzlich heraus:

WAS IST LEBEN?

Die einschlägigen Disziplinen (Biologie, Molekularbiologie, Genetik, Astrobiologie, Physik, Chemie, …) haben dazu mittlerweile viele tausend Seiten hochwertige Aussagen veröffentlicht. Die Darstellung der Prozesse auf molekularer Ebene ist geradezu atemberaubend in Vielfalt und Detail. Doch welcher dieser Forscher hat eine ernsthafte persönlichen Stellungnahme zum ‚Leben‘ wie wir es auf dieser Erde kennengelernt haben (von dem wir ein Teil sind)?

Salopp, um es auf den Punkt zu bringen, kann man sagen, dass sich das biologische Leben dadurch auszeichnet, dass es einen Prozess darstellt, in dem kontinuierlich die ‚Einsamkeit der Atome‘ überwunden wird. Ist nach physikalischen Gesetzen vielleicht noch erklärbar, wie es zu Molekülbildungen kommt, so ist der immer weiter gehende Zug in Richtung Molekülkomplexe, dann Zellen, dann Vielzell-Systeme (der Mensch mit etwa 4 Billionen Zellen plus weiteren Billionen Mikrorganismen in Kooperation), dann Kooperation zwischen Vielzellsystemen, usw. ein Prozess, der weit über die Erklärungskraft bekannter physikalischer Gesetze hinausgeht. Manche Nobelpreisträger haben dies auch konstatiert. Im wissenschaftlichen Alltagsbetrieb ist von diesen tiefliegend Fragen und Einsichten nahezu nichts zu finden. Jeder werkelt friedlich vor sich hin, als ob seine Minidisziplin die ganze Welt erklärt. Dies tut sie nicht.

Warum tut das, was wir ‚Leben‘ nennen, dies? Wozu soll das gut sein?
Keine Konzernbilanz dieser Welt gibt darauf eine Antwort.
Kein politisches Programm irgendeiner Partei stellt sich solchen Fragen.
Keine Hochschule, Universität dieser Welt interessiert sich für solche Fragen (wehe, ein Forscher würde dies tun; er würde für unseriös erklärt).
Also treiben wir weiter dahin, getrieben und getragen von einem Prozess, den wir nicht verstehen (und irgendwie auch garnicht verstehen wollen?).

Die Apostel der Maschinen-Singularität haben irgendwie noch nicht bemerkt, dass sie selbst möglicherweise zu einer viel grundlegenderen Singularität gehören, die wiederum stattfindet im Rahmen der ersten und umfassendsten Singularität, nämlich dem BigBang, der als solcher wissenschaftlich eigentlich nicht existiert, nur seine Auswirkungen dürfen wir bestaunen.

Muss hier stoppen, da ich zur ersten Probe für das Philosophy-in-Concert Projekt muss.

Hier ein Klangexperiment zum Thema: Einsame Atome verbinden sich … (Aufgenommen am 22.Sept.2015)

Nachtrag am nächsten Morgen (aus einem Brief an einen Freund):

… Als einzelne Menschen mit unserem endlichem Körper sind wir normalerweise gefangen von dem, was uns unmittelbar passiert. Dass wir überhaupt da sind, dass wir so fantastisch leben können, wie wir es können, beschäftigt uns normalerweise kaum. Wenn das System aber ’stottert‘, wenn es ‚Fehlfunktionen‘ aufweist, wenn es uns wehtut, unsere individuellen Pläne durcheinanderwirbelt, dann schrecken wir auf, schreien auf, beschweren wir uns, klagen, lamentieren, werden aggressiv, bekommen Angst, sind traurig, nur weil etwas unfassbar Wunderbares, was wir im Normalbetrieb keines Blickes würdigen, plötzlich an seine eigenen Grenzen kommt, und über kurz oder lang in den Verfall, in den Tod übergeht, aus dem es sich zuvor befreit hatte. Wir erleben das Scheitern intensiv, aber für das zuvor stattfindende unfassbare Wunder sind wir blind. Und selbst das Scheitern ist kein wirkliches Scheitern. Individuell erleben wir zwar Scheitern, aber es gibt keine Einzelne. Jeder einzelne ist eine Gemeinschaft lebender und kommunizierender Zellen (mehr als 4 Billionen allein beim Menschen), und diese sind Teil eines umfassenden riesigen Netzwerkes von Lebensereignissen, die weiterhin da sind (noch), um das unfassbare Wunder des Lebens in einem Kosmos weiter zu tragen, der jenseits der Erde — nach bisherigem Wissen — aus einsamen Atomen besteht, die sich nicht zu etwas Größerem verbinden konnten.

Für jemanden, der gerade leidet, krank ist, dem Sterben ins Auge schaut,  erscheinen diese Worte möglicherweise sehr fremd, abstrakt, weit weg, aber die Wahrheit fragt uns nicht, ob sie stattfinden darf oder nicht. Die Wahrheit liegt uns voraus, steckt in uns, auch in den Fehlfunktionen.

Morgen,Übermorgen, in einer endlichen Zeit, wird jeder von uns von den Fehlfunktionen eingeholt werden, wird jeder von uns den Zusammenbruch des Lebens an seinem individuellen Körper erleben, der weitgehend aus Atomen besteht, die zuvor schon anderen Lebewesen gehört haben. Wir sind unentrinnbar und tief liegend eine Gemeinschaft von Lebenden, die unauflöslich unteilbar ist.

Natürlich ist dies nur ein Bruchteil des Phänomens Lebens. Der aktuelle Körper, der aktuelle Schmerz ist niemals die volle Wahrheit; wer aber die Wahrheit liebt, der ist  rettungslos ein ‚Philosoph‘ (Griechisch: ‚philosophos‘). …

Einen Überblick über alle Blogbeiträge des Autors cagent nach Titeln findet sich HIER.