Archiv der Kategorie: Art (Spezies)

KLIMA-ANTHROPOZÄN-ARTENVIELFALT-ANTHROMS-Was ist mit uns?

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 9.Januar 2022, 12:00h
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@doeben-henisch.de)

VORBEMERKUNG

Dieser Text versteht sich als ein ‚Trigger‘, der auf ein Thema verweist, das von Interesse zu sein scheint, ohne dass die vielen Aspekte des Themas hier voll ausgeleuchtet werden (können).

KONTEXT

Im Jahr 2022 hat das Thema ‚Klimaänderung‘ mit den Aspekten ‚Verursachung durch den Menschen‘ und ‚Folgen für den Menschen‘ eine hohe Aufmerksamkeit. Vielfache Phänomene lassen sich als Hinweise für die Realität einer Klimaänderung interpretieren, die vom Menschen mindestens mit verursacht sein sollen [1]. Dennoch bleibt das Thema kontrovers, da es — wie bei jedem komplexen Phänomen — trotz allem offene Fragen geben kann, auch weitere Wirkfaktoren, die man berücksichtigen könnte/ sollte.

Im folgenden Text sollen diese Fragen nicht ‚geschlichtet werden. Es geht vielmehr darum, einige wichtige Aspekte zu thematisieren, die bei der Fokussierung auf den Aspekt ‚Klima‘ alleine leicht übersehen werden können bzw. tatsächlich — in der Öffentlichkeit — aus dem Blick geraten.

KLIMA IM KONTEXT

Blickt man auf die vielen Botschaften von Naturereignissen rund um den Globus mit den heftigen Auswirkungen auf Menschen in ganzen Regionen, dann erscheinen diese Phänomene als Boten eines Klimawandels bedrohlich. Und mit den Hinweisen auf den Menschen als Verursacher von z.B. Treibhausgasen und von massiven Veränderung der Erdoberfläche und der Meere gerät der Mensch selbst immer mehr in den Fokus der Betrachtung.

ANTHROPOZÄN

Seit Jahrzehnten wird diskutiert, ob der immense Einfluss des Menschen auf den Planeten Erde — mit einer deutlichen Beschleunigung seit den 1950er Jahren — mittlerweile nicht so groß ist, dass man diese aktuelle Phase mit einer neuen Erdepochenbezeichnung entsprechend kenntlich machen sollte: Anthropozän. [2],[2b], [3] Noch ist es nicht offiziell.

Erst kürzlich haben sich Forscher zu Wort gemeldet [2c], die diese Art von Benennung irreführend finden. Mit Verweis auf das große erdgeschichtliche ‚Sauerstoffereignis‘ [2a] schlagen sie vor, nicht von einer geologischen ‚Epoche‘ zu sprechen, sondern von einem globalen ‚Ereignis‘, das die Situation auf der Erde für alle Beteiligten verändert.

Die Diskussion ist kontrovers, aber aus Sicht des Autors dieser Zeilen wird die ‚Ereignissicht‘ eher der Prozesshaftigkeit gerecht, um das Wechselspiel zwischen menschlicher Population (als Teil der Biosphäre) und ‚allem anderen‘ zu beschreiben.

ARTENVIELFALT (BIODIVERSITÄT)

Im Kontext der Diskussion um die Wechselwirkung des Menschen mit ‚allem anderen‘ wird nicht nur das aktuell sehr prominente Thema der ‚Klimaänderung aufgrund der Einwirkungen des Menschen‘ diskutiert, sondern auch z.B. das Phänomen der negativen Auswirkungen des Menschen auf die vielen anderen Lebensformen: einmal ‚verdrängt‘ der Mensch viele Arten bis hin zu ihrer völligen Auslöschung; zum anderen führen die bislang erfassten Änderungen des Klimas indirekt ebenfalls zu einem massiven Artensterben.[5], [5b]

ANTHROMES (ANTHROPOGENE BIOME)

Eine Lebensform als solche kann aber nicht ‚einfach so‘ existieren; ihre Existenz verlangt immer nach einer eigenen ‚Umgebung‘, ohne die der notwendige lebenserhaltende Prozess nicht stattfinden kann. Diese Einheit von Lebensraum und spezifischer Lebensform wird allgemein ‚Biom‘ genannt. [6c]

Ein Teilaspekt der Umgebung eines Bioms ist das ‚Land‘, das eine Lebensform benötigt. Da die Lebensform des Homo sapiens mittlerweile mehr als 3/4 der verfügbaren Landflächen für sich vereinnahmt hat [6], [6a], gibt es Vorschläge, das dem Menschen zugeordnete Biom als ‚anthropogenes Biom‘ zu bezeichnen, um seine Sonderrolle zu thematisieren. Abkürzend heißt es u.a. auch ‚Anthrom‘.

Die Grundlegung für das Konzept eines Bioms kann man bei Jakob J. von Uexküll verorten, der mit seinen Untersuchungen 1909 deutlich machte, wie spezifische eine bestimmte Lebensform auf eine bestimmte Umgebung zugeschnitten ist (wobei die jeweils anderen Lebensformen in der Umgebung jeweils auch zur Umgebung gehören). [6d], [6e]

WELT UND ‚WELTBILD‘

Im Ringen um das richtige Verständnis unserer aktuellen Situation im globalen Kontext wird deutlich, dass das Verhältnis von der ‚real existierenden Welt‘ und den verschiedenen ‚Ansichten‘ zu dieser Welt sehr vielfältig bis widersprüchlich ist. Dies ist kein Zufall. Die Art und Weise, wie wir die Welt ‚beschreiben‘ ist nicht fest vorgegeben. Jede Generation muss für sich neu klären, mit welchen Konzepten, mit welcher Sprache, mit welchen Beobachtungsmethoden will man alle jene Aspekte der realen Welt ‚gedanklich so aufbereiten‘, dass sie ‚gemeinschaftlich verstehbar‘ und ‚überprüfbar‘ werden. Im Bereich der ‚Ökologie‘, der allgemeinen Erforschung unserer Umwelt unter Berücksichtigung der Biosphäre samt den vielfältigen Prozessen, die hier involviert sind, hat sich ein Vorgehen etabliert, das als ‚theoretische Ökologie‘ [7] bezeichnet wird. Hier werden die wichtigsten Konzepte, die wichtigsten theoretischen Modelle zusammengetragen, angewendet, und überprüft. Dies fördert die begriffliche Klarheit, fördert Synergieeffekte, fördert unterschiedliche Integrationen der verschiedenen Teilaspekte.

Eine fortschreitende Theoretisierung‘ besitzt aber neue Gefahren, die darin bestehen, dass ein theoretisches Modell als solches zwar faszinieren kann, dass aber sein ‚Wirklichkeitsbezug‘ immer wieder neu, z.T. sehr aufwendig, hergestellt werden muss. Ein beeindruckendes Beispiel für Theoriebildung ist hier Stephen P.Hubbell [7a] mit seiner Theorie [7b], die aber zugleich wegen ihres Bezugs zur Realität umstritten ist. Auch Volker Mosbrugger zeigt sich in seinem Beitrag sehr ‚theoriefreudig‘, ist sich aber der Problematik der oft noch unzulänglichen Abstützung durch unvollständige Daten sehr bewusst. [5] Andere Akzente setzen Robert Ulanowicz [7c] oder Stuart Kauffman [7d].

WAS IST MIT UNS?

Mit diesem versuchten Blick auf das ‚Ganze‘ (wer den Blog ‚Philosophie Jetzt‘ kennt, der weiß, dass dies natürlich nicht wirklich das ‚Ganze‘ ist), stellt sich die einfache — und zugleich schwere — Frage, was dies dann für jeden einzelnen, für seine Region, sein Land, für den ganzen Planeten bedeutet?

Was immer als bewusstes Handeln geschehen soll, es wird nur dann als ‚gemeinsames Werk‘ gelingen, wenn alle Handelnden zu einer einigermaßen einheitlichen ‚Sicht der Dinge‘ gelangen würden, und dass diese Handelnden über ‚genügend politische Macht‘ und ‚genügend materielle Ressourcen‘ verfügen müssen, um die Einsichten auch umsetzen zu können.

Entgegen dem Mainstream-Märchen, dass Künstliche Intelligenz bei genügender Versorgung mit ‚Daten‘ schon alles richten werde — die Menschen kommen in diesem Märchen praktischerweise erst gar nicht vor –, muss man festhalten, dass die Erarbeitung einer angemessenen theoretischen Sicht auf eine komplexe Realität das menschliche Erkennen an seine Grenzen führt. Dies ist kein ‚Selbstläufer‘ sondern erfordert extreme Anstrengungen. Und damit diese Bemühungen nicht nur in den Gehirnen einzelner Spezialisten stattfinden, brauchen sie eine umfassende gesellschaftliche Kommunikation auf hohem Niveau, was ohne ein entsprechend lebendiges Bildungssystem ein Wunschdenken bleibt. Die ausreichende Bereitstellung der notwendigen Ressourcen ist damit noch nicht geklärt, auch nicht die zentrale Frage der Macht. Laut dem schwedischen V-dem Institut [8] gab es weltweit 2010 noch 32 liberale Demokratien von 208 Staaten, 2020 nur noch 16! Auch wenn man über die Details dieser Klassifikationen streiten kann, der globale Trend ist eindeutig. In nicht-liberalen Demokratien, erst Recht in totalitären Regimen, können wir ständig zerstörerische Prozesse beobachten, wo sich die Bevölkerung gegen totalitäre Machthaber erheben und diese mit brutalster Gewalt zurückschlagen, d.h. ihre eigene Bevölkerung wie Kriminelle behandeln, und sie im übrigen regelrecht ausbeuten. Moderne Technologien ermöglichen totalitären Regimen — und nicht nur diesen — eine immer umfassendere Überwachung ihrer Bürger.

Diese Phänomene sind nicht neu. In den letzten Jahrtausenden gab es viele vergleichbare Phänomene. Insbesondere kann man studieren, wie die Veränderung eines gesellschaftlich geteilten Weltbildes immer viele Generationen gebraucht hat, 100 bis 200 und mehr Jahre sind normal.

Unsere Gegenwart ist hier mit Sicherheit keine Ausnahme. Seit der großen UN Konferenz zur Nachhaltigkeit 1992 sind schon 30 Jahre vergangen und die aktuelle Verfasstheit der verschiedenen Länder ist weit davon entfernt, eine wirklich gemeinsame Reaktion zu zeigen. Auch mit einem klaren Ziel vor Augen sollten wir uns darauf einstellen, dass die Klimaänderung mit all ihren verheerenden Folgen mehr oder weniger stattfinden wird.

Festzuhalten ist: Nicht das Klima ist das Problem, sondern die Art und Weise, wie die Lebensform des Homo sapiens mit der Welt, der Biosphäre und sich selbst umgeht, das ist das zentrale Problem. Wir Menschen haben mittlerweile enorme Technologien entwickelt (und es gibt natürlich noch viel mehr), aber wir selbst haben uns in entscheidenden Fähigkeiten scheinbar kaum weiter entwickelt. Obwohl das biologische Leben auf dem Planet Erde das größte Wunderwerk ist, was in dem bekannten Universum vorkommt, glauben wir naiv, primitive Maschinen (die wir selbst entwickelt haben) wären uns überlegen. Welch grandioser Irrtum.

ANMERKUNGEN

wkp := Wikipedia

[1] Climate change in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Climate_change

[1b] Regina Oehler, Petra Gehring, Volker Mosbrugger (Hrsg.), 2017, Reihe: Senckenberg-Buch 78, „Biologie und Ethik: Leben als Projekt. Ein Funkkolleg Lesebuch“, Stuttgart, E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller) und Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

[2] ‚Anthropocene‚ in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Anthropocene

[2a] Great oxidation event in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Great_Oxidation_Event

[2b] Wolfgang Haber, Martin Held, Markus Vogt (Hrsg.), 2015, „Die Welt im Anthropozän“, München, Oekom-Verlag

[2c] Bauer, Andrew M.; Edgeworth, Matthew; Edwards, Lucy E.; Ellis, Erle C.; Gibbard, Philip; Merritts, Dorothy J. (Korrespondenz 16. September 2021). „Anthropocene: event or epoch?“Nature597 (7876): 332

[3] Wolfgang Haber, Martin Held, Markus Vogt: „Das Anthropozän im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Humanität“, in [1], SS.97-105 (entnommen aus [2])

[4] Drenckhahn, D. und Hacker, J. ,(Hrsg.), 2013, “ Rolle der Wissenschaft im Globalen Wandel“, Nova Acta Leopoldina NF Bd. 118

[5] Volker Mosbrugger: „Globaler Wandel der Biodiversität“, in [1], SS. 108-117 (aus [4])

[5b] E.O.Wilson, 2016, „Die Hälfte der Erde: So retten wir die Biosphäre“ , München, Verlag C.H.Beck

[5c] E.O.Wilson, 2017, „Die Hälfte der Erde: So retten wir die Biosphäre“, in [1], SS.118-120, aus [5b]

[5d] E.O.Wilson in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/E._O._Wilson

[6] Erle C. Ellis, 2020, „Anthromes“, in: Encyclopedia of the World’s Biomes, Elevier Inc. (Autor: Department of Geography & Environmental Systems, University of Maryland, Baltimore, MD, United States)

[6a] ‚Anthromes‚ auf der Webseite von Ellis: https://anthroecology.org/anthromes

[6b] ‚Anthropogenetic Biome‚ in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Anthropogenic_biome

[6c] Biome in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Biome

[6d] Jakob Johann von Uexküll in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Johann_von_Uexk%C3%BCll

[6e] Jakob von Uexküll, 1909, Umwelt und Innenwelt der Tiere. Berlin: J. Springer. (Download: https://ia802708.us.archive.org/13/items/umweltundinnenwe00uexk/umweltundinnenwe00uexk.pdf )

[7] Theoretical ecology in wkp-edn: https://en.wikipedia.org/wiki/Theoretical_ecology

[7a] Stephen P. Hubbell in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Stephen_P._Hubbell

[7b] Unified neutral theory of biodiversity in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Unified_neutral_theory_of_biodiversity

[7c] Robert Ulanowicz in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Robert_Ulanowicz

[7d] S.A.Kauffman in wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Stuart_Kauffman (siehe eine Diskussion seines Buches „Reinventing The Sacred. A new View of Science, Reason, and Religion.“  in 7 Teilen HIER).

[8] Gerd Doeben-Henisch, 2021, “ OKSIMO PARADIGMA und DEMOKRATIE – Das V-dem Forschungsinstitut für Demokratie„, in: UNIVERSELLE PROZESSPLANUNG: https://www.oksimo.org/2021/08/28/oksimo-paradigma-und-demokratie-das-v-dem-forschungsinstitut-fuer-demokratie/

DER AUTOR

Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 15

VORGESCHICHTE

Für einen Überblick zu allen vorausgehenden Beiträgen dieser rekonstruierenden Lektüre von Avicennas Beitrag zur Logik siehe AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – BLITZÜBERSICHT.

Übersicht zum Wissen K bestehend aus Ausdrücken E, Objekten O sowie Bedeutungsbeziehungen M
Übersicht zum Wissen K bestehend aus Ausdrücken E, Objekten O sowie Bedeutungsbeziehungen M

WAHR UND FALSCHE AUSSAGEN

1. Nach dem Blogeintrag Avicenna 14b gibt es jetzt Ausdrücke A, B, …, die ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ sein können und die wir deshalb ‚Aussagen‘ (auch ‚Propositionen‘) nennen. Aussagen können mittels aussagenlogischer Operatoren wie ‚NEGATION‘, ‚UND‘, ‚IMPLIKATION‘ usw. zu komplexeren Ausdrücken so verknüpft werden, dass jederzeit ermittelt werden kann, wie der Wahrheitswert des komplexen Ausdrucks lautet, wenn die Wahrheitswerte der Teilausdrücke bekannt sind. Ob im Einzelfall eine Aussage A ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ ist, muss durch Rückgriff auf ihre Bedeutungsbeziehung M(A) geklärt werden. Bislang ist nur klar, dass die Bedeutungsbeziehung M nur allgemein eine Beziehung zu den (kognitiven) Objekten O herstellt (siehe Grafik oben).

2. Avicenna spricht aber nicht nur von Aussagen A allgemein, sondern unterscheidet die Teilausdrücke ‚Subjekt‘ S und ‚Prädikat‘ P, zusätzlich oft noch ‚Quantoren‘ Q.

FEINSTRUKTUR DER BEDEUTUNG VON AUSDRÜCKEN

3. Man kann und muss dann die Frage stellen, ob und wie sich auf der Bedeutungsseite die Unterscheidung in S und P auf der Ausdrucksseite widerspiegelt?

ECHTE UND UNECHTE OBJEKTE

4. In vorausgehenden Blogeinträgen zu Avicenna (Avicenna 4, 5, 7 und 11) wurde schon unterschieden zwischen ‚echten‘ und ‚unechten‘ Objekten. ‚Unechte Objekte‘ sind solche Wissenstatbestände, die man zwar identifizieren und unterscheiden kann, die aber immer nur im Kontext von ‚echten Objekten‘ auftreten. ‚Unechte‘ Objekte werden meistens als ‚Eigenschaften‘ bezeichnet. Beispiel: die Farbe ‚Rot‘ können wir wahrnehmen und z.B. von der Farbe ‚Blau‘ unterscheiden, die Farbe ‚Rot‘ tritt aber nie alleine auf so wie z.B. Gegenstände (Tassen, Stühle, Früchte, Blumen, …) alleine auftreten.

5. Hier wird davon ausgegangen, dass die Objekthierarchie O primär von echten Objekten gebildet wird; unechte Objekte als Eigenschaften treten nur im Kontext eines echten Objekts auf.

GATTUNG UND ART; KATEGORIEN

6. Ein Objekt kann viele Eigenschaften umfassen. Wenn es mehr als ein Objekt gibt – also O1, O2, … — die sowohl Eigenschaften Ex gemeinsam haben wie auch Eigenschaften Ey, die unterschiedlich sind, dann kann man sagen, dass alle Objekte, die die Eigenschaften Ex gemeinsam haben, eine ‚Gattung‘ (‚genus‘) bilden, und dass man anhand der ‚unterscheidenden Eigenschaften Ey‘ unterschiedliche ‚Arten‘ (’species‘) innerhalb der Gattung unterscheiden kann.

7. Gattungen, die keine Gattungen mehr ‚über sich‘ haben können, sollen hier ‚Kategorien‘ genannt werden.

ONTOLOGISCHE UND DEFINITORISCHE (ANALYTISCHE) WAHRHEIT

8. Bislang ist der Wahrheitsbegriff $latex \top, \bot$ in dieser Diskussion an der hinreichenden Ähnlichkeit eines vorgestellten/ gedachten kognitiven) Objekts $latex a \in Oa$ mit sinnlichen wahrnehmbaren Eigenschaften $latex s \subseteq Os$ festgemacht worden. Ein ‚rein gedachtes Objekt $latex a \in Oa$ ist in diesem Sinne weder ‚wahr‘ $latex \top$ noch ‚falsch‘ $latex \bot$.

9. Setzt man allerdings eine Objekthierarchie O voraus, in der man von einem beliebigen individuellem Objekt a immer sagen kann, zu welchem Objekt Y es als seiner Gattung gehört, dann kann man eine Aussagen der Art bilden ‚a ist eine Tasse‘.

10. Wenn man zuvor in einer Definition vereinbart haben sollte, dass zum Begriff der ‚Tasse‘ wesentlich die Eigenschaften Ex gehören, und das Objekt a hätte die Eigenschaften $latex Ex \cup Ey$, dann würde man sagen, dass die Aussage ‚a ist eine Tasse‘ ‚wahr‘ ist, unabhängig davon, ob es zum kognitiven Objekt a ein ’sinnliches‘ ‚Pendant‘ geben würde oder nicht. Die Aussage ‚a ist eine Tasse‘ wäre dann ‚rein definitorisch‘ (bzw. ‚rein analytisch‘) ‚wahr.

11. Im Gegensatz zu solch einer rein definitorischen (analytischen) Wahrheit eines Objekts a, die als solche nichts darüber sagt, ob es das Objekt a ‚tatsächlich‘ gibt, soll hier die ursprünglich vereinbarte ‚Wahrheit‘ durch Bezug auf eine ’sinnliche Gegebenheit‘ $latex s \subseteq Os$ ‚ontologische‘ Wahrheit genannt werden, also einer Wahrheit, die sich auf das ‚real Seiende‘ in der umgebenden Welt W bezieht.

12. [Anmerkung: Dieses – auch im Alltagsdenken – unterstellte ‚Sein‘, die unterstellte übergreifende ‚Realität‘ ist nicht nur eine ‚Extrapolation‘ aufgrund sinnlicher Gegebenheiten ‚im‘ wissenden System, sondern ist in seiner unterstellten ‚Realität‘ auch nur eine sehr spezifische Form von Realität. Wie wir heute aufgrund immer komplexerer Messprozeduren wissen, gibt es ‚Realitäten‘, die weit jenseits aller sinnlichen Qualitäten liegen. Es fällt uns nur nicht so auf, weil diese gemessenen Eigenschaften X durch allerlei Prozeduren für unsere Sinnesorgane ‚umgerechnet‘, ‚transformiert‘ werden, so dass wir etwas ‚Sehen‘ oder ‚Hören‘, obgleich das gemessene X nicht zu sehen oder zu hören ist.]

13. Solange wir uns in unseren Aussagen auf das Enthaltensein eines Objektes a in einem Gattungsobjekts X beschränken ‚a ist ein X‘ oder das Feststellen von Eigenschaften der Art ‚a hat b‘ kann man sagen, dass eine Aussagestruktur wie (S P) wie folgt interpretiert werden kann: Es gibt einen Ausdruck A=(AsAp), bei dem ein Ausdrucksteil As sich auf ein echtes Objekt M(As) = $latex a \in Oa$ bezieht und der andere Ausdrucksteil Ap bezieht sich auf die Beziehung zwischen dem Objekt a und entweder einem Gattungsobjekt X (Ap = ‚ist ein X‘) oder auf eine Eigenschaft Y (Ap = ‚hat Y‘).

14. Derjenige Ausdrucksteil As, der sich auf das echte Objekt a bezieht, ‚von dem‘ etwas ausgesagt werden soll (‚ist ein…‘, ‚hat …‘), dieser Ausdrucksteil wird als ‚Subjekt‘ S bezeichnet, und der Ausdrucksteil Ap, mittels dem etwas über das Subjekt ausgesagt wird, wird ‚Prädikat‘ P genannt.

15. Hierbei ist eine gewisse ‚Asymmetrie‘ zu beachten. Die Bedeutung vom Ausdrucksteil As – M(As) – bezieht sich auf eine ‚konkrete‘ Eigenschaftsstruktur innerhalb der Objekthierarchie. Die Bedeutung vom Ausdrucksteil Ap – M(Ap) – bezieht sich auf eine ‚Beziehung‘ / ‚Relation’/ ein ‚Verhältnis‘ [R] zwischen dem bezeichneten Bedeutungsobjekt M(As) = a und einem anderen bezeichneten Bedeutungsobjekt M(Ap), also R(M(As), M(Ap)). Die Beziehung R ist selbst kein ‚Objekt‘ so wie das Objekt a oder das implizit angenommene ‚Bezugsobjekt‘ X bzw. Y von a. Eine solche Beziehung R setzt – um prozessural ‚hantierbar‘ zu sein – eine zusätzliche ‚Objektebene‘ voraus, auf der es ein R-Objekt gibt, das die Beziehung zwischen dem a-Objekt und dem X-Y-Objekt ‚repräsentiert.

16. [Anmerkung: Bei ’neuronalen Netzen‘ wäre das R-Objekt jenes Neuron, das die Verbindung zwischen zwei anderen Neuronen ‚realisiert‘.]

17. Fassen wir zusammen: Bei einem Ausdruck A der Art A=’Hans ist ein Mensch‘ gibt es den Ausdrucksteil As=’Hans‘ und den Ausdrucksteil Ap=’ist ein Mensch‘. Die Bedeutung des Ausdrucksteils As M(As) als M(‚Hans‘) ist ein Objekt h in der unterstellten Bedeutungshierarchie O des Sprechers, das gewisse Eigenschaften E(h) besitzt. Die Bedeutung des Ausdrucksteils Ap als M(Ap) bzw. M(‚ist ein Mensch‘) ist sowohl ein Objekt M mit Eigenschaften E(M) als auch eine Beziehung R_ist zwischen dem Objekt h und dem Objekt M, also R_ist(h,M). Die Beziehung ist definitorisch/ analytisch ‚wahr‘ wenn es gilt, dass die definierenden Eigenschaften E(M) des Objekts Mensch M auch bei den Eigenschaften E(h) von Hans zu finden sind, also $latex E(M) \subset E(h)$ .

BEZIEHUNGSRAUM – TRANSZENDENTALE BEDINGUNGEN

18.

Fortsetzung folgt

QUELLEN

  • Avicenna, ‚Avicennas Treatise on Logic‘. Part One of ‚Danesh-Name Alai‘ (A Concise Philosophical Encyclopedia) and Autobiography, edited and translated by Farang Zabeeh, The Hague (Netherlands): Martinus Nijhoff, 1971. Diese Übersetzung basiert auf dem Buch ‚Treatise of Logic‘, veröffentlicht von der Gesellschaft für Nationale Monumente, Serie12, Teheran, 1952, herausgegeben von M.Moien. Diese Ausgabe wiederum geht zurück auf eine frühere Ausgabe, herausgegeben von Khurasani.
  • Digital Averroes Research Environment
  • Nicholas Rescher (1928 – ),The Development of Arabic Logic. University of Pittsburgh Press, 1964
  • Hans-Jörg Sandkühler (Hg.) unter Mitwirkung von Dagmar Borchers, Arnim Regenbogen, Volker Schürmann und Pirmin Stekeler-Weithofer, ‚Enzyklopädie Philosophie‘, 3 Bd., Hamburg: FELIX MEINER VERLAG, 2010 (mit CD-ROM)
  • Stanford Encyclopedia of Philosophy, Aristotle’s Logic
  • Whitehead, Alfred North, and Bertrand Russell, Principia Mathematica, 3 vols, Cambridge University Press, 1910, 1912, and 1913; Second edition, 1925 (Vol. 1), 1927 (Vols 2, 3). Abridged as Principia Mathematica to *56, Cambridge University Press, 1962.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume One. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-182-3.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume Two. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-183-0.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume Three. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-184-7

Eine Übersicht über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER

AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – BLITZÜBERSICHT

(Letzte Änderung 14.Okt.2014, 06:11h )

Da die rekonstruierende Lektüre zu Avicennas Abhandlung zur Logik ein immer größeres Ausmaß annimmt, erweist sich die Methode, jeden einzelnen Beitrag mit einem Überblick über die vorausgehenden Beiträge einzuleiten, als immer weniger praktikabel. Deswegen wird jetzt ein eigener Blogeintrag als Referenzpunkt für diesen Überblick gewählt. Dies bedeutet, dass künftig alle nachfolgenden Beiträge einleitend (für die ‚Vorgeschichte‘), auf diesen Blogeintrag verweisen werden. Es ist zu beachten, dass diese Übersicht nur eine Übersicht über die wichtigsten Begriffe und Themen ist ohne alle Details und normalerweise auch ohne die ausführliche Diskussion von Avicennas Gedanken. Diese finden sich nur in den Blogeinträgen selbst, auf die verwiesen wird.

1. In einem ersten Beitrag AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 1 hatte ich geschildert, wie ich zur Lektüre des Textes von Avicenna gekommen bin und wie der Text grob einzuordnen ist.

2. In einem zweiten Beitrag AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 2 ging es um die Frage, warum überhaupt Logik? Avicenna führt erste Unterscheidungen zu verschiedenen Wissensformen ein, lässt aber alle Detailfragen noch weitgehend im Dunkeln.

3. Im Teil AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 3 ging es um einfache und zusammengesetzte Begriffe, und bei den einfachen Begriffen um ‚individuelle‘ und ‚universelle‘. Schon hier zeigt sich der fundamentale Unterschied zwischen der antiken und der modernen-formalen Logik. In der antiken Logik wird die Ausdrucksebene E – und einer sich daran manifestierenden Folgerungslogik – immer in Verbindung mit einer zugehörigen Bedeutungsstruktur gesehen, die sich an einer Objektstruktur O festmacht. Die moderne formale Logik kennt zwar auch ‚Semantiken‘ und ‚Ontologien‘, diese sind aber ’sekundär‘, d.h. es werden nur solche ‚formalen Semantiken‘ betrachtet, die zum vorausgesetzten syntaktischen Folgerungsbegriff ‚passen‘. Dies sollte dann später an konkreten Beispielen diskutiert werden. Hier liegt der Fokus auf der antiken Logik im Sinne Avicennas.

4. Im Abschnitt AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 4 knüpft Avicenna an den zuvor eingeführten Begriff des ‚universellen‘ Begriffs an und betrachtet jetzt solche als ‚universell‘ bezeichneten Ausdrücke in einem Ausdruckskontext von aufeinanderfolgenden Ausdrücken. Alle diese Ausdrücke könnte man im Sinne der antiken Logik auch als ‚Urteile‘ bezeichnen, durch die einem bestimmten Ausdruck durch andere Ausdrücke bestimmte Bedeutungen (Eigenschaften) zu- oder abgesprochen werden. Hier unterscheidet er die Fälle eines ‚wesentlichen‘ Zusammenhanges zwischen zwei Begriffen und eines ’nicht wesentlichen‘ – sprich ‚akzidentellen‘ – Zusammenhangs.

5. Im Abschnitt AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 5 führt Avicenna eine Reihe von neuen technischen Begriffen ein, die sich nicht alle in ihrer Bedeutung widerspruchsfrei auflösen lassen. Es handelt sich um die Begriffe ‚Genus‘, ‚Spezies‘, Differenz, allgemeine und spezielle Akzidens, den Begriff ‚Kategorie(n)‘ mit den Kategorien ‚Substanz‘, ‚Qualität‘ und ‚Quantität‘. Die Rekonstruktion führt dennoch zu spannenden Themen, z.B. zu einem möglichen Einstieg in das weltverändernde Phänomen der kognitiven Evolution.

6. Im Abschnitt AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 6 geht es um die Begriffe ‚Definition‘ und ‚Beschreibung‘. Im Verhältnis zwischen beiden Begriffen geht die Beschreibung der Definition voraus. In der ‚Definition‘, die Avicenna vorstellt, wird ein neuer Ausdruck e mittels anderer Ausdrücke <e1, …, ek>, die sich auf schon bekannte Sachverhalte beziehen, ‚erklärt‘. Die von Avicenna dann vorgenommene Erklärung, was eine ‚Definition‘ sei, hängt u.a. stark ab von dem Begriff der ‚Bekanntheit‘ und dem Begriff des ‚wahren Wesens‘. Für die Tatsache, dass ein Mensch A bestimmte Ausdrücke <e1, …, ek> einer Sprache L ‚kennt‘ oder ’nicht kennt‘, dafür gibt es keine allgemeinen Regeln oder Kriterien. Von daher macht die Verwendung der Ausdrücke ‚bekannt’/ ’nicht bekannt‘ eigentlich nur Sinn in solch einem lokalen Kontexten W* (z.B. einem Artikel, ein Buch, ein Vortrag, …), in dem entscheidbar ist, ob ein bestimmter Ausdruck e einer Sprache L schon mal vorkam oder nicht. Schwierig wird es mit dem Begriff des ‚wahren Wesens‘. In meiner Interpretation mit der dynamischen Objekthierarchie gibt es ‚das wahre Wesen‘ in Form von Objekten auf einer Stufe j, die Instanzen auf Stufen kleiner als j haben. Dazu gab es weitere Überlegungen.

7. Im folgenden Abschnitt AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 7 beschreibt Avicenna syntaktisch zusammengesetzte, aber semantisch einfache Ausdrücke. Innerhalb der Ausdrücke unterscheidet er die Teileausdrücke ‚Name‘, ‚Verb‘ und ‚Präposition‘. Die unterschiedliche Charakterisierung erfolgt nicht aufgrund der syntaktischen Form, sondern aufgrund der semantischen Eigenschaften, die mit diesen Ausdrücken verbunden werden. Neben dem Objektbezug, der die eigentliche Bedeutung fundiert, gibt es im Bedeutungsraum auch noch den zeitlichen und den räumlichen Aspekt. Das Zusammenspiel von Bedeutung und Ausdruck wird angerissen.

8. Im Abschnitt AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 8 geht es um solche Ausdrücke E, die ‚Aussagen‘ P sind, von denen man sagt, dass sie ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ seien. Aussagen sind eine echte Teilmenge aller Ausdrücke, $latex P \subset E$. Avicenna unterscheidet drei Arten von Aussagen: ‚kategorische‘ Aussagen, ‚Disjunktiv-konditionelle‘ und ‚Konjunktiv-konditionelle‘. Es wird ausführlich eine mögliche Wahrheitstheorie für die Zuschreibung ‚wahr’/ ‚falsch‘ diskutiert. Dann werden nochmals die Aussagetypen näher untersucht. Ein Zusammenhang mit der modernen Aussagenlogik wird hergestellt. Disjunktion, Konjunktion (und ergänzend) Implikation) sind Aussagetypen, die aus zwei Teilausdrücken A und B bestehen, die selbst wieder Aussagen sind, die wahr oder falsch sein können. Die beiden Teilausdrücke A und B werden dann durch die Teilausdrücke (oder), (und) sowie (wenn)-(dann)- verknüpft. Sie unterscheiden sich dadurch, wie der Wahrheitswert des Gesamtausdrucks von der Verteilung der Wahrheitswerte auf die Teilausdrücke festgelegt ist. Die Teilausdrücke (oder), (und) sowie (wenn)-(dann)- nennt man später dann auch ‚aussagenlogische Operatoren‘. Der Aussagetyp ‚kategorisierend‘ passt nicht in dieses Schema. Der Aussagetyp ‚kategorisierend‘ ist eine Aussage A, die wahr oder falsch sein kann unabhängig von irgendeinem aussagenlogischen Operator. Auch wird die Verneinung/ Negation diskutiert. Ausdrücke wie (Etwas)(ist nicht)(dies)(oder)(jenes) wurden rekonstruiert als $latex \neg(A)(oder)(B)$ mit dem Zeichen $latex \neg$ für ’nicht‘ oder ‚es ist nicht der Fall, dass‘.

9. Im Abschnitt AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 9 kommt Avicenna auf mehrere Begriffspaare zu sprechen, die sich z.T. mit Themen berühren, die er schon vorher besprochen hat, z.T. neue Aspekte thematisieren, die nicht so ohne weiteres mit dem bisher Gesagten harmonieren. Es handelt sich z.B. um die Begriffe ‚Kategorisch‘, ‚Negation‘, ‚Universal‘, ‚Partikulär‘, die aber jetzt mit neuen Randbedingungen nochmals diskutiert werden. So stellt er die Frage, wann ‚kategorischen‘ (‚kategorisierenden‘) Aussagen ‚affirmativ‘ und wann sie ’negativ‘ sind. Ferner führt er neben den bisherigen die semantisch motivierten Begriffe ‚Name‘, ‚Verb‘ (auch ‚Term‘ genannt), sowie ‚Präposition‘ nun auch das Begriffspaar ‚Subjekt‘ und ‚Prädikat‘. Auch diese sind ’semantisch‘ motiviert, d.h. nur durch Rückgriff auf die Bedeutung kann man zur Klassifikation ‚Subjekt‘ bzw. ‚Prädikat‘ kommen. In den soeben erwähnten Kontexten wie auch in nachfolgenden Beispielen diskutiert Avicenna auch die Begriffe ‚affirmativ‘ und ’negativ‘. Zwischendrin bemerkt er auch mal, dass das Treffen einer Feststellung, eigentlich nur Sinne mache, wenn dasjenige, von dem etwas ausgesagt wird, auch existiere. Doch wird dieser Punkt nicht weiter diskutiert. Vom Subjekt einer Aussage sagt Avicenna, dass es partikulär‘ oder ‚universell‘ sein kann. Falls universell, dann kann man unterscheiden, ob sie ‚unbestimmt‘ (engl.: ‚indeterminate‘) ist – wie viele genau involviert sind — oder eben ‚bestimmt‘ (engl.: ‚determinate‘). Ferner illustriert er am Beispiel der kategorisierenden Aussagen auch die Begriffe ’notwendig‘ und ‚kontingent‘. Diese Verwendung der Begriffe stimmt überein mit den zuvor eingeführten Begriffe ‚wesentlich‘ und ‚akzidentell‘. Auch erwähnt Avicenna den Begriff ‚möglich‘. Er sieht mindestens zwei Verwendungsweisen von ‚möglich‘: In der Diskussion dieses Abschnitts werden einerseits einige Widersprüchlichkeiten in den Ausführungen Avicennas sichtbar gemacht, andererseits wird die Rekonstruktion einer möglichen systematischen Theorie zur Logik Avicennas fortgesetzt. Die wichtigsten Kritikpunkte kreisen um das Begriffspaar ‚affirmativ – negativ‘ mit der Kritik, dass beide Begriffe auf unterschiedlichen semantischen Ebenen liegen. Ferner widerspricht die Handhabung der Quantoren durch Avicenna der allgemeinen Verwendung.

10. Im Abschnitt AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 10 diskutiert Avicenna seine Begriffe ‚Konjunktives‘ und ‚Disjunktives Konditional‘ unter verschiedensten Aspekten. Einige davon sind die Quantoren (wobei er auch Quantoren über die Zeit benutzt!), das Begriffspaar ‚Antezedenz – Konsequenz‘, der Begriff der ‚Harmonie‘, und wiederholt die Aspekte ‚Existenz‘, ‚Affirmation‘ sowie ‚Bestimmt/ Unbestimmt‘. Alle diese Aspekte werden in diesem Blogeintrag schon ein wenig ‚vorsortiert‘, um dann im nachfolgenden Blogeintrag weiter rekonstruierend diskutiert zu werden.

11. Im Abschnitt AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 11 erfolgt eine ‚rekonstruierende Diskussion‘ von Avicennas Überlegungen aus Blogeintrag 10. Seine Überlegungen werden aufgegriffen und in einen theoretischen Rahmen eingeordnet, der es erlaubt, die Begriffe schärfer zu fassen und sie dadurch besser voneinander abzugrenzen. Nach einer Übersicht über die Struktur der Aussagen erfolgt dann eine Rekonstruktion von Bedeutungszuordnungen und eine Erklärung von Begriffen wie ‚wahr’/ ‚falsch‘, ‚Existenz‘, und ‚möglich‘.

12. Im Abschnitt AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 12 diskutiert Avicenna den Fall widersprüchlicher Aussagen. Gemessen an dem bisher Gesagten bringt er in diesem Abschnitt keine neuen Aspekte ins Spiel. Wohl aber bietet dieser Abschnitt weitere Beispiele für sein Auffassung des Sachverhalts. Sie belegen, wie schwer er sich durchgängig damit tut, in dem unscharfen Wechselspiel von Ausdrucksseite und Bedeutungsseite eine konstante Verwendungsweise seiner Begriffe durchzuhalten. In diesem Blogeintrag erfolgt die Diskussion seines Textes immer unmittelbar hinter jedem Punkt in Form einer Anmerkung.

13. Im Abschnitt AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 13 diskutiert Avicenna die Möglichkeit der Konvertierung von Aussagen mit Quantoren in solche, deren Bedeutung trotz Veränderung von Ausdruckselementen ‚erhalten‘ bleibt. In einigen Beispielen widerspricht er sich selbst; manche Stellen sind unklar. Es zeigt sich allgemein: (i) die Formulierung von Konvertierungsregeln greift beständig auf bestimmte unterstellte Bedeutungen zurück und (ii) genau diese unterstellten Bedeutungen werden nicht hinreichend klar definiert. Daraus entsteht die Forderung, diese unterstellte Bedeutung klar zu definieren und auf dieser Basis alle logischen Ausdruckselemente eindeutig zu definieren (was im nachfolgenden Abschnitt dann unternommen wird).

14/14b. In den Blogeinträgen AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 14 sowie AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 14b geht es darum, erstmalig einen theoretischen Rahmen für eine Semantik zu formulieren, mit der man die Logik Avicennas konsistent entwickeln kann. Abschnitt 14b stellt eine Überarbeitung des Eingangsteils von Abschnitt 14 dar. Es hat sich gezeigt, dass die in 14b gewählte Begrifflichkeit für das weitere Vorgehen ‚günstiger‘ wirkt. Aber wir befinden uns noch in der Phase der ‚Annäherung‘ an das ‚Neue‘.

15. In dem Blogeintrag AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 15 geht es um die Feinstruktur von Aussagen. Avicenna unterteilt ja Ausdrücke anhand inhaltlicher Kriterien nach Subjekt S, Prädikat P und ergänzend nach Quantoren Q. Es fragt sich, wie man diesen Ausdrucksteilen eine ‚Bedeutung‘ im Objektraum O zuordnen kann. Wichtig ist hier die schon früher getroffene Unterscheidung zwischen ‚echten‘ und ‚unechten‘ Objekten. ‚Unechte‘ Objekte wurden als ‚Eigenschaften‘ bezeichnet. Mit dieser Terminologie kann man sagen, dass die Objekthierarchie O primär von echten Objekten gebildet wird; unechte Objekte als Eigenschaften treten nur im Kontext eines echten Objekts auf. Damit kann man die begriffe ‚Gattung‘ und ‚Art‘ einführen. Gattungen, die keine Gattungen mehr ‚über sich‘ haben können, sollen hier ‚Kategorien‘ genannt werden. Setz man Definitionen von Worten voraus, dann kann man ach erklären, warum eine Aussage wie ‚a ist eine Tasse‘ ‚rein definitorisch‘ (bzw. ‚rein analytisch‘) ‚wahr ist, unabhängig davon, ob diesem gedanklichen Sachverhalt etwas Sinnliches entspricht. Im Gegensatz zu solch einer rein definitorischen (analytischen) Wahrheit eines Objekts a soll hier die ursprünglich vereinbarte ‚Wahrheit‘ durch Bezug auf eine ’sinnliche Gegebenheit‘ $latex s \subseteq Os$ ‚ontologische‘ Wahrheit genannt werden. Solange wir uns in unseren Aussagen auf das Enthaltensein eines Objektes a in einem Gattungsobjekts X beschränken ‚a ist ein X‘ oder das Feststellen von Eigenschaften der Art ‚a hat b‘ kann man sagen, dass eine Aussagestruktur wie (S P) wie folgt interpretiert werden kann: Es gibt einen Ausdruck A=(AsAp), bei dem ein Ausdrucksteil As sich auf ein echtes Objekt M(As) = $latex a \in Oa$ bezieht und der andere Ausdrucksteil Ap bezieht sich auf die Beziehung zwischen dem Objekt a und entweder einem Gattungsobjekt X (Ap = ‚ist ein X‘) oder auf eine Eigenschaft Y (Ap = ‚hat Y‘). Hierbei ist eine gewisse ‚Asymmetrie‘ zu beachten. Die Bedeutung vom Ausdrucksteil As – M(As) – bezieht sich auf eine ‚konkrete‘ Eigenschaftsstruktur innerhalb der Objekthierarchie. Die Bedeutung vom Ausdrucksteil Ap – M(Ap) – bezieht sich auf eine ‚Beziehung‘ / ‚Relation’/ ein ‚Verhältnis‘ [R] zwischen dem bezeichneten Bedeutungsobjekt M(As) = a und einem anderen bezeichneten Bedeutungsobjekt M(Ap), also R(M(As), M(Ap)). Die Beziehung R ist selbst kein ‚Objekt‘ so wie das Objekt a oder das implizit angenommene ‚Bezugsobjekt‘ X bzw. Y von a. Eine solche Beziehung R setzt – um prozessural ‚hantierbar‘ zu sein – eine zusätzliche ‚Objektebene‘ voraus, auf der es ein R-Objekt gibt, das die Beziehung zwischen dem a-Objekt und dem X-Y-Objekt ‚repräsentiert.

16. In dem Blogeintrag AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 16 wird die Analyse der vorausgesetzten Objekthierarchie O und der damit interagierenden Ausdrucksstruktur E weiter analysiert. Nach der Analyse der Feinstruktur von (S P) werden die Aspekte Anzahl, Raum und Zeit betrachtet. Es wird gezeigt, wie man für diese Aspekte sowohl ‚globale Quantoren‘ wie auch ‚lokale Relationen‘ einführen kann; zudem ist die Wechselwirkung zwischen diesen Aspekten konfliktfrei, da sie voneinander unabhängig sind.

17. In dem Blogeintrag AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 17 geht es um die Frage, wie man Aussagen über Veränderungen in der hypothetisch angenmmenen Bedeutungsstruktur nachzeichnen kann. Es lässt sich erkennen, dass die Kodierung von Veränderungen mittels Ausdruckselementen innerhalb eines Prädikates P mittels ‚Veränderungsausdrücken‘ V (‚Verben‘) oft nicht nur die beteiligten Objekte Y benennt, sondern zusätzlich zahlreiche weitere Ausdruckselemente aktiviert, die räumliche Gegebenheiten R_r bezeichnen, zeitliche Relationen R_t, zusätzliche Eigenschaften At an den Veränderungen; dazu ferner spezielle kulturelle Relationen R_x einbeziehen können sowie mit zusätzlichen Subjektrepräsentationen operieren. Auch kann man beobachten, wie die Aneinanderreihung von unterschiedlichen Sachverhalten (S P) mit logischen Operatoren (S P) UND (S2 P2) auch zu speziellen Verkürzungen führen kann wie (S P1 UND P2). Dies lässt erahnen, dass eine vollständige Analyse auch nur einer einzigen Alltagssprache von ihrer logisch relevanten Semantik her eine schier unendliche Aufgabe ist. Diese wird weder ein einzelner Mensch alleine noch viele Menschen über viele Genrationen hinweg jemals vollständig erfüllen können. Was aber möglich erscheint, das ist die Analyse des grundlegenden Mechanismus, der sich mit Hilfe von evolvierenden Computermodellen experimentell untersuchen und mit realen semiotischen Systemen überprüfen lässt.

18. In dem Blogeintrag AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 18 weitet sich nun der Blick Avicennas auf das Wissen allgemein, und konzentriert sich im Wissen auf das schlussfolgernde Denken in Form von ‚beweisenden Syllogismen‘. Nach einer Definition von ‚Syllogismus‘ unterscheidet er dann zwei Arten von Syllogismen ‚Konjunktiver‘ Syllogismen und ‚Disjunktiver‘ Syllogismus. Am Beispiel des ‚Konjunktiven Syllogismus‘ führt Avicenna dann eine Reihe von technischen Begriffen ein. Dann stellt Avicenna zusätzliche Beschränkungen vor, um die 256 möglichen Figuren/ Muster auf nur 27 mögliche Muster einzuschränken. Alle seine Festlegungen geschehen ohne eigentliche Begründung.

19. In dem Blogeintrag AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 19 beginnt die Diskussion um die Interpretation der syllogistischen Schlussfiguren am Beispiel der ersten Figur (A F B), (A B H) und (A F H) mit der Quantorenbelegung ‚AAA‘. In einzelnen Schritten wird dann eine erste Skizze zu einer Logik auf der Basis einer dynamischen Objektstruktur erarbeitet. Zentrale Begriffe sind hier OBJEKTIFIZIERUNG, ENTHALTENSEIN, ZUSCHREIBUNG und VERERBUNG. In dieser Skizze werden auch ‚Aktivitäten‘ berücksichtigt, die in dem Muster zur ersten Figur nicht vorkommen, zusätzlich werden neben den Anzahlquantoren auch Raum- und Zeitquantoren berücksichtigt.

20. In dem Blogeintrag AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 20 geht es um die Interpretation des zweiten Musters der ersten syllogistischen Schlussfigur ‚A F ist B‘, ‚A B ist nicht H‘ (als ‚Kein A ist B‘), ‚A F ist nicht H‘ (als ‚Kein F ist H‘), dazu die Beispiele ‚Jeder ausgedehnte Körper ist farbig‘, ‚Kein farbiger Körper ist unerschaffen‘, ‚Kein ausgedehnter Körper ist unerschaffen‘. Wir treffen in diesem Muster wieder auf den Prozess der Objektifizierung, tatsächlich sogar in impliziten Formen mit der expliziten Angabe von Eigenschaften und der stillschweigenden Annahme einer daraus sich ergebenden Mengenbildung. Zusätzlich finden sich wieder Enthaltensbeziehungen einerseits anhand von Eigenschaftszuschreibungen, andererseits durch Benutzung von Anzahlquantoren. Die Zuschreibung von Eigenschaften wird explizit vorgenommen. Eine Vererbung von Eigenschaften von einer Menge zur anderen tritt nur implizit über eine Enthaltensbeziehung auf. Es tritt nur eine Sorte von Quantoren auf. Auch sei angemerkt, dass außer der Negation kein weiterer aussagenlogischer Operator auftritt.

21. In dem Blogeintrag AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 21 geht es um die Interpretation der Muster 3-4 der Schlussfigur 1. Dabei entsteht die Vermutung, dass viele der Unterscheidungen von Avicenna (die weitgehend auf Aristoteles zurückgehen!) möglicherweise ‚redundant‘ sind, d.h. mit anderen Formulierungen letztlich doch ‚das Gleiche‘ sagen. Der Ansatzpunkt für diese Vermutung liegt darin begründet, dass die Unterscheidung von einem Term als ‚Subjekt‘ (S) und als ‚Prädikat‘ (P) auf Seiten der abstrakten Bedeutungsstruktur als Bedeutungsrepräsentation jeweils ein ‚echtes‘ oder ein ‚unechtes‘ Objekt haben können, und zwar so, dass diese Strukturen ‚fließend‘ sind: jedes ‚echte‘ Objekt kann als ‚unechtes‘ interpretiert werden und umgekehrt. Weitere Vereinfachungen deuten sich an. Diese sollen im Folgenden überprüft werden.

Fortsetzung folgt …

QUELLEN

  • Avicenna, ‚Avicennas Treatise on Logic‘. Part One of ‚Danesh-Name Alai‘ (A Concise Philosophical Encyclopedia) and Autobiography, edited and translated by Farang Zabeeh, The Hague (Netherlands): Martinus Nijhoff, 1971. Diese Übersetzung basiert auf dem Buch ‚Treatise of Logic‘, veröffentlicht von der Gesellschaft für Nationale Monumente, Serie12, Teheran, 1952, herausgegeben von M.Moien. Diese Ausgabe wiederum geht zurück auf eine frühere Ausgabe, herausgegeben von Khurasani.
  • Digital Averroes Research Environment
  • Immanuel Kant, Critik der reinen Vernunft‘, Riga, 1781
  • Konrad Lorenz, 1973, ‚Die Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgeschichte des menschlichen Erkennens‘, München, Zürich: Piper
  • Günther Patzig, ‚Die Aristotelische Syllogistik‘, 3,verb.Aufl., Göttingen: Vandenhoeck & Rupprecht, 1969
  • Nicholas Rescher (1928 – ),The Development of Arabic Logic. University of Pittsburgh Press, 1964
  • Hans-Jörg Sandkühler (Hg.) unter Mitwirkung von Dagmar Borchers, Arnim Regenbogen, Volker Schürmann und Pirmin Stekeler-Weithofer, ‚Enzyklopädie Philosophie‘, 3 Bd., Hamburg: FELIX MEINER VERLAG, 2010 (mit CD-ROM)
  • Stanford Encyclopedia of Philosophy, Aristotle’s Logic
  • Whitehead, Alfred North, and Bertrand Russell, Principia Mathematica, 3 vols, Cambridge University Press, 1910, 1912, and 1913; Second edition, 1925 (Vol. 1), 1927 (Vols 2, 3). Abridged as Principia Mathematica to *56, Cambridge University Press, 1962.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume One. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-182-3.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume Two. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-183-0.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume Three. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-184-7

Eine Übersicht über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.