Archiv der Kategorie: Motivation

Genom – Kultur – (Evolution —> Evolution 2.0)

In dem vorausgehenden Text „WAS IST LEBEN ? … Wenn Leben ‚Mehr‘ ist, ‚viel Mehr‘“ wurde sichtbar gemacht, dass die verschiedenen Phasen der bisherigen Evolution des Lebens auf dem Planet Erde unmissverständlich eine deutliche Beschleunigung erkennen lassen, die zudem einhergeht, mit einer Zunahme der Komplexität biologischer Strukturen. Ein Kandidat, der in diesem Prozess anwachsender Komplexität real hervortritt, ist die Lebensform des ‚Homo sapiens‘. In diesem Text wird die Besonderheit des Homo sapiens ein wenig genauer betrachtet, aber nicht ‚isoliert‘, sondern als ‚genuiner Teil des gesamten Lebens‘. Dadurch wird eine Dramaturgie in Umrissen sichtbar, die viele Fragen ermöglicht, die in eine mögliche Zukunft der Evolution des Lebens deuten, anders als es bislang thematisiert wurde.

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Datum: 18.April 2025 – 24.April 2025

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

Eine englische Version findet sich HIER.

GENE ODER UMWELT?

So — oder so ähnlich — lautete viele Jahrzehnte die Überschrift über eine intensive Diskussion, wodurch das Verhalten von Menschen im Alltag und dann auch im weiteren Verlauf stark geprägt wurde.

Dass ‚Gene‘ verantwortlich gemacht werden können für bestimmte ‚Verformungen des Körpers‘ (oft als ‚Missbildungen‘ empfunden), für bestimmte Krankheiten, für besondere ‚Begabungen‘ wird heute vielfach angenommen. Gleichzeitig wurde aber auch immer wieder betont, dass die jeweilige Umwelt, in der ein Mensch lebt, aufwächst, und arbeitet einen Einfluß auf sein Verhalten, auf seine Persönlichkeit haben kann.

Die Forschungsergebisse der neueren ‚Soziogenomik‘ [1] wirken in diesem Meinungskonflikt eher versöhnlich: anhand vieler Experimente und Untersuchungen findet sich hier die Arbeitshypothese, dass bestimmte ‚Gene‘ (Bestandteil des umfaassenden ‚Genoms‘ eines Menschen) zwar eine Art ‚Potenzial‘ für eine höhere Wahrscheinlichkeit des Auftretens von bestimmten Verhaltensweisen mit sich bringen, dass die tatsächliche ‚Verwirklichung‘ dieses Potentials dann aber sehr wohl von der Beschaffenheit der Umwelt abhängig sind. Krass ausgesprochen: ein hohes musikalisches Potential wird nicht zur Wirkung kommen, wenn das Kind in einer gesellschaftlichen Situation von großer Armut, Kinderarbeit, Kindersoldaten und Ähnlichem aufwachsen muss. Umgekehrt kann aber die gezielte Förderung von Musikalität bei einem Kind zu einer besonderen Förderung der Fähigkleiten beitragen, zugleich aber auch — möglicherweise — auf Kosten der Unterdrückung vieler anderer Fähigkeiten, über die das Kind auch noch verfügt.

[1] Artikel von Dalton Conley, „A New Scientific Field Is Recasting:
Who We Are and How We Got That Way“, 13.März 2025, New York Times, https://www.nytimes.com/2025/03/13/opinion/genetics-nature-nurturesociogenomics.html . Dazu das Buch von Dalton Conley: „THE SOCIAL GENOME: The New Science of Nature and Nurture“, 18.März 2025 , WW Norton – Penguin Random House

Eine weitergehende Betrachtung kann zu weiteren Aspekten führen, die geeignet erscheinen, die ganze Diskussion in eine gänzlich andere Sicht zu leiten.

Weiterhin eher Black-Box?

Was wir in der Diskussion vorfinden sind die beiden Größen ‚Gene‘ als Teil des Menschlichen Genoms und ‚kulturelle Muster‘, die im Alltag als wirksam angenommen werden.

Klar ist, dass die Gene des Genoms nicht direkt mit den kulturellen Mustern des Alltags interagieren. Wir wissen so viel, dass Gene auf höchst komplexe Weise Teile des Körpers und verschiedene Teile des Gehirns beeinflussen. Man kann aber nicht sagen, dass dieses Wechselspiel zwischen Körper und Gehirn unter Einfluss der Gene hinreichend aufgeklärt ist. Für den Start macht es daher vielleicht Sinn, den Körper – trotz des Wissens, welches wir schon haben – als eine ‚Black Box‘ zu betrachten, die mit der konkreten realen Umgebung in Interaktion tritt. Nennen wir einen menschlichen Akteur mit seinem Genom dazu vorläufig einen ‚Black-Box Akteur‘ – kurz: BBActor –.

Menschliche Akteure sind aber über die Umwelt selbst wieder Teil anderer menschlicher Akteure. Es wird angenommen, dass das beobachtbare Verhalten eines menschlichen BBActors von unterschiedlichen ‚kulturellen Mustern‘ beeinflusst wird, welche sich in ‚Form von Regeln‘ auf das konkrete Verhalten auswirken können. Dies führt zu einer Vielzahl von Perspektiven:

(1) VIELFÄLTIGE UMGEBUNGEN : Aufgrund der großen Bandbreite an kulturellen Mustern in einer Gesellschaft können die gleichen Aktionen eines BBActors völlig verschiedene Reaktionen auslösen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine besondere genetische Disposition von der Umgebung gefördert wird, hängt daher sehr stark von der Umgebung ab (Krieg, Kinderarbeit, große Armut, religiöse Anschauungen mit einer Vielzahl von Verboten, destruktive Verhaltensweisen, …)

(2) PERSÖNLICHKEIT : Ein Verhalten, welches Kindern und Jugendlichen mittelfristig hilft, zu einer ‚Persönlichkeit‘ heran zu wachsen, besteht zudem in der Regel aus verschiedenen ‚Bündeln unterschiedlichster Verhaltensweisen‘, die zusammen eine Art ‚Profil‘ bilden, welches nur begrenzt statisch ist. Diese wechselwirkenden Faktoren in verschiedenen Umgebungen müssen über viele Jahre hin wirksam sein , um ‚konstruktive‘ und ‚stabile‘ ‚innere Verhaltensmodelle‘ entstehen zu lassen.

(3) SOZIAL : Ein wichtiger Teil stabilisierender Faktoren gehört zum großen Komplex ‚sozialer Verhaltensweisen‘ und ‚sozialer Gruppen‘, denen sich ein BBActor ‚zugehörig fühlt‘ und in denen er auch ‚positiv akzeptiert‘ wird. Solche sozialen Beziehungen brauchen kontinuierliches Engagement über viele Jahre.

Soweit die individuelle Perspektive.

Wie hängt diese mit dem größeren Ganzen der Evolution zusammen?

Klar ist, dass jedes einzelne biologische System — und damit auch ein Mensch — vollstänig Teil des gesamten Lebens ist, dass in jedem Augenblick Veränderungen unterworfen ist, die in ihrer Summe das repräsentieren, was wir ‚(biologische) Evolution‘ nennen.

Evolution —> Evolution 2.0 (Evo2)

Mit dem Auftreten des Homo sapiens hat sich die Situation des Lebens auf dem Planet Erde allerdings grundlegend geändert, so sehr geändert, dass wir von einer ‚Evolution 2.0 (Evo2)‘ sprechen sollten.

Die Beschreibung von Evo2 kann hier nur als grobe konzeptuelle Skizze stattfinden, da die Komplexität von Evo2 sehr hoch ist; man benötigt aber eine ‚grobe Idee‘ zu Beginn, um sich nicht von Beginn an in den vielen Details zu verlieren. Außerdem finden sich aktuell in der wissenschaftlichen Diskussion nahezu keine Dialogansätze, um das hier im Fokus stehende Evo2-Konzept ausführlich zu schildern.

Falls die Grundidee des Evo2-Konzepts stimmt, wird aber kein Weg daran vorbeiführen, dieses Konzept zur allgemeinen Grundlage für mögliche Planungen und Ausgestaltungen für die Zukunft zu benutzen.

Logik des Alltags

Wenn man die Evolution ’seit dem Auftreten des Homo sapiens‘ neu ‚Klassifizieren‘ möchte als ‚Evo2‘, dann benötigt man hinreichend viele ‚Eigenschaften‘, die man in Verbindung mit dem Auftreten des Homo sapiens erkennen kann als solche, die es so ‚vorher‘ noch nicht gegeben hat.

Hier einige solcher Eigenschaften, die vom Autor identifiziert werden, eingebettet in angedeuteten Beziehungen, die später konkreter ausgeführt werden müssen.

  • ABSTRAKTION : Auffällig ist, wie leicht ein HS verschiedene ‚einzelne Phänomene‘ in einem ‚abstrakten Konzept‘ ‚zusammenfassen kann‘. So kann ein abstraktes Konzept wie ‚Baum‘ nicht nur viele verschiedene Arten von Bäumen ‚meinen‘, sondern einem Baum können ‚beliebig viele Eigenschaften‘ zugeordnet werden. Und ein abstraktes Konzept kann selbst wieder Element für ein ’noch abstrakteres Konzept‘ werden, z.B. können viele Bäume unter dem Konzept ‚Wald‘ versammelt werden. Denkt man in den Kategorien ‚Element‘ und ‚abstraktes Konzept‘, dann bilden abstrakte Konzepte eine ‚Meta-Ebene‘ und die zugehörigen Elemente eine ‚Objekt-Ebene‘. Und da ein HS offensichtlich Elemente einer Meta-Ebene zu einer ‚Objekt-Ebene‘ ‚höherer Stufe‘ machen kann, indem er einfach eine neue ‚Meta-Ebene‘ einführt, erscheint dieser ‚Mechanismus der Objekt-Meta-Ebenen‘ wie eine Art ‚Fahrstuhl in die Abstraktheit‘, für die es keine festen Grenzen zu geben scheint.
  • ZEIT ALS VERÄNDERUNG : Der HS verfügt über die Fähigkeit, ‚Veränderungen‘ zu erfassen. Veränderungen implizieren ein ‚Vorher‘ und ein ‚Nachher‘. Indirekt manifestiert sich in dieser ‚Vorher-Nachher-Struktur‘ das Phänomen der Zeit‘. Zeit erscheint damit als eine Art ‚Meta-Eigenschaft‘ von jeglicher Art von Veränderung. Sie lässt sich begreifen als eine ‚lineare Struktur‘, auf der ein ‚Nachher‘ wieder zu einem ‚Vorher‘ von einem anderen nachfolgenden ‚Nachher‘ werden kann. Diese Linearität hat zur Konstruktion von ‚Zeitmaschinen (Uhren)‘ geführt, die in regelmäßigen Abständen ‚Ereignisse‘ erzeugen, die man ‚Zeitpunkte‘ nennen kann, und die sich mittels ‚Zahlzeichen‘ quantitativ als ‚Zeitpunkte‘ in einer Weise benutzen lassen, wodurch man den Begriff der ‚Zeitdauer‘ bilden kann. Die Zuordnung von ‚realen Ereignissen‘ zu ‚abstrakten Zeitpunkten‘ bildet ein grundlegendes Instrument zur ‚Vermessung der Welt‘.
  • RAUM-STRUKTUR : Der HS mit seinem eigenen Körper in der Welt verfügt über eine Art von Wahrnehmung, in der ‚alles Wahrnehmbare‘ in einer ‚räumlichen Anordnung‘ erscheint. Es gibt ‚viele einzelne Phänomene‘ angeordnet in einer ‚Menge‘, die indirekt (wie bei der Zeit) eine ‚Fläche‘ oder gar einen ‚Raum‘ manifestieren. Durch das ‚Vorkommen in einem Raum‘ gibt es ‚räumliche Beziehungen‘ wie ‚oben – unten‘, ‚davor – dahinter‘, ‚kleiner – größer‘ usw.

Diese Meta-Eigenchaften wie ‚Raum, Zeit und Abstraktion‘ bilden eine Art ‚Koordinatensystem‘, welches dem HS erlaubt, die Gesamtheit seiner ‚Außenwelt-Wahrnehmung‘ in einer ‚Struktur‘ zu ‚ordnen‘, die ihm die ‚äußere Welt‘ in einer ‚vereinfachten Darstellung‘ ‚verfügbar‘ macht. (Anmerkung: besonders die beiden ‚Koordinaten Raum und Zeit‘ finden sich mit anderen Bezeichnungen und in einem anderen Setting schon bei Kant in seiner ‚Kritik der reinen Vernunft‘ von 1781/1789).

Ergänzend zur Erfassung der Meta-Eigenschaft der Zeit besitzt der HS aber auch noch folgende Fähigkeit:

  • MÖGLICHE VERÄNDERUNG (ZIEL(e)) : Die Fähigkeit, ‚Veränderungen‘ in einer Struktur von ‚Vorher‘ und ‚Nachher‘ zu erkennen, wird beim HS noch ergänzt um die Fähigkeit, ‚künstliche Nachher‘ zu einem ‚Vorher‘ zu generieren. Ob man diese Fähigkeit nun ‚Vorstellen‘ nennt, ‚Denken‘ oder irgendwie mit ‚Kreativität/ Fantasie‘ umschreibt, Fakt ist, ein HS kann die ‚real erlebte Kette von Ereignissen‘ auch in Form einer ‚Kette von bloß vorgestellten Ereignissen‘ generieren. Sofern diese ‚vorgestellte Kette von Ereignissen‘ sich auf ‚mögliche reale Ereignisse‘ beziehen lässt, die aufgrund von ‚möglichen Veränderungen stattfinden‘ können, erlauben solche ‚vorgestellten Ereignisketten‘ eine Art von ‚Planung‘ dafür, dass man ‚Heute planen‘ kann, was ‚Morgen‘ dann vielleicht ‚der Fall sein sollte‘. Dasjenige, was in dieser Kette dann ‚der Fall sein sollte‘ wäre dann so eine Art ‚Ziel‘: ein Zustand, den man ‚erreichen‘ möchte. Offensichtlich kann ein HS sich solche ‚möglichen Ziele‘ auch vorstellen, bevor er eine ‚Kette von möglichen Ereignissen‘ konstruiert hat. In diesem Fall kann die ‚Vorgabe eines Zieles‘ dazu anzuregen, eine ‚Kette von möglichen Ereignissen‘ zu konstruieren, die ein ‚zunächst bloß vorgestelltes Ziel‘ erreichbar erscheinen lässt.

Soweit erste Grundelemente einer ‚Logik des Alltags‘.

Diese, allein für sich genommen, können allerdings noch nichts bewirken. Dazu braucht es noch mehr. Der HS verfügt über dieses ‚Mehr‘.

Kommunikation und Kooperation

Über welche ‚inneren Zustände‘ ein HS auch verfügt, solange er diese inneren Zustände — oder zumindest Teile davon — nicht mit anderen Menschen ‚teilen‘ kann, bleibt ein HS ein ‚isolierter Körper‘ in Raum und Zeit, der mit niemandem kooperieren kann.

  • KOOPERATION : Zur Kooperation gehört, dass ein einzelner HS sich mit beliebigen anderen Menschen über ‚Ziele‘ verständigen kann, die erreicht werden sollten, und über die ‚Prozesse‘, die gemeinsam durchlaufen werden müssten, um die Ziele einzulösen. Der Begriff ‚Kooperation‘ ist in diesem Zusammenhang auch ein ‚Meta-Konzept‘, welches sehr viele — nicht gerade ‚einfache‘ — Eigenschaften zusammen fasst.
  • SYMBOLISCHE SPRACHE : Ein Standardmittel zur Ermöglichung von ‚Kooperation‘ besteht darin, einen ‚Austausch‘ von ‚Zeichen‘ zu organisieren, der so ist, dass die ‚verwendeten Zeichen‘ mit einer ‚Bedeutung‘ korrelieren, die beim ‚Sprecher (Schreiber)‘ wie beim ‚Hörer (Leser)‘ ‚annähernd gleich‘ sind. Ist dies der Fall, dann kann z.B. ein HS von bestimmten ‚Pflanzen‘ sprechen, die ‚gefunden‘ werden sollen, und ein anderer HS ‚versteht‘ die gesprochenen Worte so, dass er mit den ‚vom Sprecher benutzten Worten‘ in seinem Innern eine ‚Vorstellung von jenen Pflanzen‘ aktivieren kann, die vom Sprecher mit seinen Worten ‚intendiert‘ waren. Zugleich kann er ein ‚inneres Bild‘ von ‚möglichen Orten‘ und ‚dazu passenden Wegen‘ aktivieren. Damit ausgestattet, kann der Hörer sich ‚auf den Weg machen‘, um die ‚intendierten/ gewünschten‘ Pflanzen zu finden, einzusammeln und ’nach Hause‘ zu bringen.

Schon diese wenigen Ausführungen lassen erahnen, wie schnell eine Kooperation mittels sprachlicher Kommunikation an ‚Komplexität zunehmen kann‘. Ein ‚gemeinsames Handeln‘ mit vielen beteiligten Menschen in einer unübersichtlichen ‚dynamischen‘ Situation, die über einen längeren Zeitraum an verschiedenen Orten stattfinden soll, erfordert neben starken sprachlichen Fähigkeiten sehr viel mehr:

  • MOTIVATION : Warum sollte jemand über das ‚Motiv‘ verfügen, sich einer gemeinsamen Handlung anzuschließen?
  • KNOWHOW : Verfügen die Teilnehmer über genügend Wissen/ Erfahrung, so dass ein gemeinsam gesetztes Ziel erreicht werden kann?
  • SOZIALE AKZEPTANZ : Gibt es in der potentiellen ‚Gruppe‘ genügend viele Mitglieder, die über eine ‚hinreichende soziale Akzeptanz‘ verfügen, dass ‚Vorschläge‘ als mögliche Ziele von anderen übernommen werden?
  • RESSOURCEN : Gemeinsame Aktionen in Raum und Zeit benötigen ein Vielerlei an ‚Ressourcen‘, damit die notwendigen Aktionen ausgeführt werden können. Die aktiven Menschen benötigen selbst genügend ‚Energie‘ und ‚Wasser‘ für ihre Körper; ferner muss ‚genügend Zeit‘ verfügbar sein, dazu verschiedene ‚Werkzeuge‘, und manches mehr.

Werkzeuge : Materie und Zukunft

Neben den bislang genannten Faktoren, welche das besondere Potential des Homo sapiens auszeichnen, gibt es noch viele weitere, die genannt werden müssen. Zwei stechen besonders hervor:

(1) ‚Werkzeuge‘, mit denen der HS die materielle Umgebung (einschließlich biologischer Systeme) nahezu ‚vollständig bearbeiten‘ kann, und zwar so, dass sie durch die Bearbeitung eine ‚völlig veränderte Gestalt‘ inklusive ’neuartiger Funktionen‘ annehmen kann.

(2) Werzeuge, mit denen der HS ‚abstrakte Repräsentanten (= Bilder, Modelle,…)‘ der realen Welt (inklusive biologischer Systeme) mit Berücksichtigung einer ‚möglichen Dynamik (Veränderungsformen)‘ über ‚abstrakte Zeitstrecken‘ in einer Weise ‚ausloten‘ kann, dass damit ‚mögliche zukünftige Zustände‘ der Welt und des Lebens in dieser Welt umrisshaft sichtbar gemacht werden können.

Diese beiden Faktoren bilden die Grundbausteine einer ‚evolutionären Revolution‘, wodurch der bisherige Gang der Evolution in einen Zustand versetzt wird, der historisch einmalig ist und dessen Potential bislang weder angemessen erkannt noch ausgelotet ist. Diese Möglichkeiten markieren damit tatsächlich eine völlig neue Phase der Evolution, eben eine ‚Evolution 2.0‘.

Folgende Anmerkungen verdienen hier aber Beachtung:

Technische Werkzeuge für die ‚Sichtbarmachung möglicher zukünftiger Zustände der Welt und des Lebens‚ sind Maschinen, angereichert mit Algorithmen, welche die hierzu notwendigen simulativen Operationen zwar faktisch ausführen können, aber sie hängen fundamental von folgenden Faktoren ab:

(1) Auch sie benötigen für ihre ‚Arbeit‘ ‚Energie‘, und nicht wenig.

(2) Sie benötigen für ihre Simulationen ‚Repräsentationen von Sachverhalten‘, welche

(2.1) ‚empirisch zutreffend‘ sind

(2.2) der ‚Dynamik hinter den Phänomenen‘ gerecht werden

(2.3) die ‚Wechselwirkungen zwischen Faktoren‘ berücksichtigen

(3) benötigen ‚Zielvorstellungen‘, die aus der großen Menge möglicher zukünftiger Zustände jene ‚aussortieren‘, die den ‚Kriterien für eine nachhaltige Zukunft des Lebens‚ auf dem Planeten oder ‚woanders‘ berücksichtigen.

Dabei dürfte der Punkt mit den ‚Zielvorstellungen‘ der schwierigste sein: Wer verfügt über diese Zielvorstellungen? Maschinen als solche haben keinen Zugang dazu. ‚Menschen‘ als Teil des Lebens‘ haben im Laufe ihrer Gegenwart auf dem Planeten zwar gezeigt, dass sie grundsätzlich ‚zielfähig‘ sind, dass sie aber ihre Ziele im Laufe von ca. 300.000 Jahren beständig verändert haben, was verschiedene Ursachen hat. Ungeklärt ist das riesige Potential an Zielen in den übrigen Bereichen des Lebens außer dem Menschen.

Frage nach dem letzten Sinn

In diesem Szenario ist somit zwar das Leben generell — und darin möglicherweise der Homo sapiens ganz besonders — der zentrale Kandidat für das ‚Auffinden der angemessenen Ziele‘ für eine weitere spannende Zukunft des Lebens im bekannten Universum (oder auch jenseits davon), aber wie definieren Menschen Ziele für das Ganze, wenn sie sich selbst noch in einer ‚Ziel-Klärungs-Phase‘ befinden?

Der Zuwachs an Handlungsfreiheit und Gestaltungsmacht ist zugleich ein Zuwachs an Herausforderung an das ‚Selbstbewusstsein‘ des Lebens auf dem Planeten, in diesem Universum: Was wollt ihr hier überhaupt? Auf wen wartet ihr? Merkt ihr nicht, dass ihr jetzt gefordert seid?

ABSTRAKTE MORAL in einer ENDLICHEN und VERÄNDERLICHEN WELT

(16.Juni 2023 – 19.Juni 2023, 15:15h)

KONTEXT

Die Bedeutung und die Befolgung von moralischen Werten im Kontext des alltäglichen Handelns hat schon immer für Spannungen, Diskussionen und handfeste Konflikte gesorgt.

In diesem Text soll kurz beleuchtet werden, warum dies so ist, und warum dies vermutlich nie anders sein wird, so lange wir Menschen so sind, wie wir sind.

ENDLICHE-UNENDLICHE WELT

In diesem Text wird angenommen, dass die Wirklichkeit, in der wir uns von Kindheit an ‚vorfinden‘, eine ‚endliche‘ Welt ist. Damit ist gemeint, dass kein Phänomen, auf das wir in dieser Welt stoßen — wir selbst mit eingeschlossen — ‚unendlich‘ ist. Anders ausgedrückt: alle Ressourcen, auf die wir stoßen, sind ‚begrenzt‘. Auch die ‚Sonnenenergie, die im heutigen Sprachgebrauch als ‚erneuerbar‘ angesehen wird, ist ‚begrenzt‘, wenngleich diese Begrenzung die Lebenszeit vieler Generationen von Menschen überdauert.

Diese ‚Endlichkeit‘ ist aber kein Gegensatz dazu, dass sich unsere endliche Welt kontinuierlich in einem ‚Veränderungsprozess‘ befindet, der von vielen Seiten gespeist wird. Eine ’sich-selbst-verändernde Endlichkeit‘ ist damit ein Etwas, was an und in sich irgendwie ‚über sich hinaus weist‘! Die ‚Wurzeln‘ dieser ‚immanenten Veränderlichkeit‘ sind weitgehend vielleicht noch unklar, aber die ‚Auswirkungen‘ der immanenten Veränderlichkeit‘ deuten an, dass das jeweils ‚konkret Endliche‘ nicht das Entscheidende ist; das ‚jeweils konkret Endliche‘ ist eher eine Art ‚Indikator‘ für eine ‚immanente Veränderungsursache‘, die sich mittels konkreter Endlichkeiten in Veränderung ‚manifestiert‘. Die ‚Formen konkreter Veränderungsmanifestationen‘ können daher vielleicht eine Art ‚Ausdruck‘ sein, von etwas, was ‚dahinter immanent wirkt‘.

In der Physik gibt es das Begriffspaar ‚Energie‘ und ‚Masse‘, letztere als Synonym für ‚Materie‘. Atomphysik und Quantenmechanik haben uns gelehrt, dass die verschieden ‚Manifestationen von Masse/ Materie‘ nur eine ‚Zustandsform von Energie‘ sein können. Die überall und immer angenommene ‚Energie‘ ist jener ‚Ermöglichungsfaktor‘, der sich in all den bekannten Formen von Materie ‚manifestieren‘ kann. ‚Sich-verändernde-Materie‘ kann man dann verstehen als eine Form von ‚Information‘ über die ‚ermöglichende Energie‘.

Setzt man das, was die Physik bislang über ‚Energie‘ herausgefunden hat, als jene Form von ‚Unendlichkeit‘, die sich uns über die erfahrbare Welt erschließt, dann sind die verschiedenen ‚Manifestationen von Energie‘ in diversen ‚Formen von Materie‘ Formen konkreter Endlichkeiten, die aber im Kontext der unendlichen Energie letztlich nicht wirklich endlich sind. Alle bekannten materiellen Endlichkeiten sind nur ‚Übergänge‘ (‚Transitionen‘) in einem nahezu unendlichen Raum von möglichen Endlichkeiten, der letztlich in der ‚unendlichen Energie‘ gründet. Ob es ’neben‘ oder ‚hinter‘ oder ‚qualitativ nochmals ganz anders zu‘ der ‚erfahrbaren Unendlichkeit‘ noch eine ‚andere Unendlichkeit‘ gibt, ist damit völlig offen.[1]

ALLTAGSERFAHRUNGEN

Unser normale Lebenskontext ist das, was wir heute ‚Alltag‘ nennen: ein Bündel von regelmäßigen Abläufen, vielfach verbunden mit charakteristischen Verhaltens-Rollen. Dazu gehört die Erfahrung, einen ‚endlichen Körper‘ zu haben; dass ‚Abläufe real Zeit benötigen‘; dass jeder Prozess durch seinen eigenen ‚typischen Ressourcenverbrauch‘ charakterisiert ist; dass ‚alle Ressourcen endlich‘ sind (wobei es hier unterschiedliche Zeit-Skalen geben kann (siehe das Beispiel mit der Sonnenenergie)).

Aber auch hier: das ‚Eingebettet-Sein‘ aller Ressourcen und ihr Verbrauch in eine umfassende Veränderlichkeit macht aus allen Angaben ‚Momentaufnahmen‘, die ihre ‚Wahrheit‘ nicht allein ‚im Moment‘ haben, sondern in der ‚Gesamtheit der Abfolge‘! An sich ‚kleine Veränderungen‘ im Alltag können, wenn sie andauern, Größen annehmen und Wirkungen erzielen, die einen ‚bekannten Alltag‘ soweit verändern, dass lang bekannte ‚Anschauungen‘ und ‚lang praktizierte Verhaltensweisen‘ irgendwann ’nicht mehr stimmen‘: Das Format des eigenen Denkens und Verhaltens gerät dann in zunehmendem Widerspruch zur erfahrbaren Welt. Dann ist der Punkt gekommen, wo die immanente Unendlichkeit sich in der alltäglichen Endlichkeit ‚manifestiert‘ und uns darin ‚demonstriert‘, dass der ‚gedachte Kosmos in unserem Kopf‘ eben nicht der ‚wahre Kosmos‘ ist. Letztlich ist diese immanente Unendlichkeit ‚wahrer‘ als die ’scheinbare Endlichkeit‘.

HOMO SAPIENS (Wir)

Neben den lebensfreien materiellen Prozessen in dieser endlichen Welt gibt es seit ca. 3.5 Mrd. Jahren die Erscheinungsformen, die wir ‚Leben‘ nennen, und sehr spät — quasi ‚gerade eben‘ — zeigte sich in den Milliarden von Lebensformen eine, die wir ‚Homo sapiens‘ nennen. Das sind wir.

Die heutigen Kenntnisse von dem ‚Weg‘, den das Leben in diesen 3.5 Mrd. Jahren ‚genommen‘ hat, waren und sind nur möglich, weil die Wissenschaft gelernt hat, das ’scheinbar Endliche‘ als ‚Momentaufnahme‘ eines andauernden Veränderungsprozesses zu begreifen, der seine ‚Wahrheit‘ nur in der ‚Gesamtheit der einzelnen Momente‘ zeigt. Dass wir als Menschen, als die ‚Spätlinge‘ in diesem Lebens-Entstehungs-Prozess‘, über die Fähigkeit verfügen, aufeinander folgende ‚Momente‘ ‚einzeln‘ wie auch ‚in Abfolge‘ ‚erkennen‘ zu können, liegt an der besonderen Beschaffenheit des ‚Gehirns‘ im ‚Körper‘ und der Art und Weise, wie unser Körper mit der umgebenden Welt ‚interagiert‘. Von der ‚Existenz einer immanenten Unendlichkeit‘ wissen wir also nicht ‚direkt‘, sondern nur ‚indirekt‘ über die ‚Prozesse im Gehirn‘, die auf eine ’neuronal programmierte Weise‘ Momente identifizieren, speichern, prozessieren und in möglichen Abfolgen ‚anordnen‘ können. Also: unser Gehirn ermöglicht uns aufgrund einer vorgegebenen neuronalen und körperlichen Struktur, ein ‚Bild/ Modell‘ einer möglichen immanenten Unendlichkeit zu ‚konstruieren‘, von dem wir annehmen, dass es die ‚Ereignisse um uns herum‘ einigermaßen gut ‚repräsentieren‘.

DENKEN

Eine Eigenschaft, die dem Homo Sapiens zugeschrieben wird, heißt ‚Denken‘; ein Begriff, der bis heute nur vage und sehr vielfältig durch verschiedene Wissenschaften beschrieben wird. Von einem anderen Homo Sapiens erfahren wir von seinem Denken nur durch seine Art des ‚Sich Verhaltens‘, und ein Spezialfall davon ist ’sprachliche Kommunikation‘.

Sprachliche Kommunikation ist dadurch gekennzeichnet, dass sie grundsätzlich mit ‚abstrakten Begriffen‘ arbeitet, denen als solches direkt kein einzelnes Objekt in der realen Welt entspricht (‚Tasse‘, ‚Haus‘, ‚Hund‘, ‚Baum‘, ‚Wasser‘ usw.). Stattdessen ordnet das menschliche Gehirn ‚völlig automatisch‘ (‚unbewusst‘!) unterschiedlichste konkrete Wahrnehmungen dem einen oder anderen abstrakten Begriff so zu, dass ein Mensch A sich mit einem Menschen B darüber einigen kann, ob man dies konkrete Phänomen da vorne dem abstrakten Begriff ‚Tasse‘, ‚Haus‘, ‚Hund‘, ‚Baum‘, oder ‚Wasser‘ zuordnet. Irgendwann weiß im Alltag Mensch A welche konkrete Phänomene gemeint sein können, wenn Mensch B ihn fragt, ob er eine ‚Tasse Tee‘ habe, bzw. ob der ‚Baum‘ Äpfel trägt usw.

Diese empirische belegte ‚automatische Bildung‘ von abstrakten Konzepten durch unser Gehirn basiert nicht nur auf einem einzigen Moment, sondern diese automatischen Konstruktionsprozesse arbeiten mit den ‚wahrnehmbaren Abfolgen‘ von endlichen Momenten ‚eingebettet in Veränderungen‘, die das Gehirn selbst auch automatisch ‚erstellt‘. ‚Veränderung als solche‘ ist insofern kein ‚typisches Objekt‘ der Wahrnehmung, sondern ist das ‚Resultat eines Prozesses‘, der im Gehirn stattfindet, der ‚Folgen von einzelnen Wahrnehmungen‘ konstruiert, und diese ‚errechneten Folgen‘ gehen als ‚Elemente‘ in die Bildung von ‚abstrakten Begriffen‘ ein: ein ‚Haus‘ ist von daher kein ’statisches Konzept‘, sondern ein Konzept, das viele einzelne Eigenschaften umfassen kann, das aber als ‚Konzept‘ ‚dynamisch erzeugt‘ wird, so dass ’neue Elemente‘ dazu kommen können oder ‚vorhandene Elemente‘ möglicherweise wieder ‚weg genommen‘ werden.

MODELL: WELT ALS PROZESS

Obwohl es bislang keine allgemein akzeptierte umfassende Theorie des menschlichen Denkens gibt, gibt es doch viele unterschiedliche Modelle (alltäglicher Begriff für den korrekteren Begriff ‚Theorien‘), die versuchen, wichtige Aspekte des menschlichen Denkens anzunähern.

Das vorausgehende Bild zeigt die Umrisse eines minimal einfachen Modells zu unserem Denken.

Dieses Modell nimmt an, dass die umgebende Welt — mit uns selbst als Bestandteile dieser Welt — als ein ‚Prozess‘ zu verstehen ist, bei dem man zu einem gewählten ‚Zeitpunkt‘ in idealisierter Weise alle ‚beobachtbaren Phänomene‘ beschreiben kann, die dem Beobachter zu diesem Zeitpunkt wichtig sind. Diese Beschreibung eines ‚Weltausschnitts‘ sei hier ‚Situationsbeschreibung‘ zum Zeitpunkt t oder einfach ‚Situation‘ zu t genannt.

Dann benötigt man ein ‚Wissen über mögliche Veränderungen‘ von Elementen der Situationsbeschreibung in der Art und Weise (vereinfacht): ‚Wenn X Element der Situationsbeschreibung zu t ist, dann wird für eine nachfolgende Situation zu t entweder X gelöscht oder durch ein neues X* ersetzt‘. Möglicherweise gibt es für das Löschen oder die Ersetzung mehrere Alternativen mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten. Solche ‚Beschreibungen von Veränderungen‘ werden hier vereinfachend ‚Veränderungsregeln‘ genannt.

Zusätzlich gibt es als Teil des Modells noch eine ‚Spielanleitung‘ (klassisch: ‚Folgerungsbegriff‘), die erklärt wann und wie man einer Veränderungsregel auf eine gegebene Situation Sit zu t so anwenden kann, dass zum nachfolgenden Zeitpunkt t+1 eine Situation Sit* existiert, in der die Veränderungen vorgenommen worden sind, die die Veränderungsregel beschreibt.

Im Normalfall gibt es mehr als eine Veränderungsregel, die gleichzeitig mit den anderen angewendet werden kann. Auch dies gehört zur Spielanleitung.

Dieses minimale Modell kann und muss man auch vor dem Hintergrund der durchgängigen Veränderung sehen.

Für diese Struktur von Wissen wird vorausgesetzt, dass man ‚Situationen‘ beschreiben kann, mögliche Veränderungen solch einer Situation, und dass man ein Konzept haben kann, wie man Beschreibungen von erkannte möglichen Veränderungen auf eine gegebene Situation anwenden kann.

Mit der Erkenntnis einer immanenten Unendlichkeit, die sich in vielen konkreten endlichen Situationen manifestiert, ist sogleich klar, dass die Menge der angenommenen Veränderungsbeschreibungen mit den beobachtbaren Veränderungen korrespondieren sollte, da ansonsten die Theorie nur einen geringen praktischen Nutzen hat. Ebenso ist es natürlich wichtig, dass die angenommenen Situationsbeschreibungen mit der beobachtbaren Welt korrespondieren. Die Korrespondenz-Anforderungen zu erfüllen bzw. ihr Zutreffen zu überprüfen ist alles andere als trivial.

ABSTRAKT – REAL – INDETERMINIERT

Zu diesen ‚Korrespondenz-Anforderungen‘ hier einige zusätzliche Überlegungen, in denen die Sicht der Alltagsperspektive zur Sprache kommt.

Zu beachten ist, dass ein ‚Modell‘ nicht die Umwelt selbst ist, sondern nur eine ’symbolische Beschreibung‘ eines Umweltausschnitts aus der Sicht und mit dem Verständnis eines menschlichen ‚Autors‘! Auf welche Eigenschaften der Umwelt sich eine Beschreibung bezieht, das weiß nur der Autor selbst, der die gewählten ‚Symbole‘ (Text oder Sprache) ‚in seinem Kopf‘ mit bestimmten Eigenschaften der Umwelt ‚verknüpft‘, wobei diese Eigenschaften der Umwelt ebenfalls ‚im Kopf‘ repräsentiert sein müssen, quasi ‚Wissensabbilder‘ von ‚Wahrnehmungsereignissen‘, die durch die Umwelteigenschaften ausgelöst worden sind. Diese ‚Wissensabbilder im Kopf‘ sind für den jeweiligen Kopf ‚real‘; verglichen mit der Umgebung sind sie aber grundsätzlich nur ‚fiktiv‘; es sei denn, es gibt zwischen aktuellen fiktiven ‚Bilder im Kopf‘ und den ‚aktuellen Wahrnehmungen‘ von ‚Umweltereignissen‘ aktuell einen Zusammenhang, der die ‚konkreten Elemente der Wahrnehmung‘ als ‚Elemente der fiktiven Bilder‘ erscheinen lässt. Dann wären die ‚fiktiven‘ Bilder ‚fiktiv und real‘.

Aufgrund des ‚Gedächtnisses‘, dessen ‚Inhalt‘ im ‚Normalzustand‘ mehr oder weniger ‚unbewusst‘ sind, können wir aber ‚erinnern‘, dass bestimmte ‚fiktive Bilder‘ in der Vergangenheit mal ‚fiktiv und real‘ waren. Dies kann dazu führen, dass wir im Alltag dazu tendieren, fiktiven Bilder, die in der Vergangenheit schon mal ‚real‘ waren, auch in der aktuellen Gegenwart eine ‚vermutliche Realität‘ zuzuschreiben. Diese Tendenz ist im alltäglichen Leben vermutlich von hoher praktischer Bedeutung. In vielen Fällen funktionieren diese ‚Annahmen‘ auch. Dieses ’spontan-für-real-Halten‘ kann aber auch oft daneben liegen; eine häufige Quelle für Fehler.

Das ’spontan-für-real-Halten‘ kann aus vielen Gründen nachteilig sein. So können die fiktiven Bilder (als unausweichlich abstrakte Bilder) schon als solche vielleicht nur ‚partiell angemessen‘ sein. Der Kontext der Anwendung kann sich geändert haben. Generell befindet sich die Umgebung ‚im Fluss‘: Sachverhalte, die gestern gegeben waren, können heute anders sein.

Die Gründe für die anhaltenden Veränderungen sind verschieden. Neben solchen Veränderungen, die wir durch unsere Erfahrung als ein ‚identifizierbares Muster‘ erkennen konnten, gibt es auch Veränderungen, die wir noch keinem Muster zuordnen konnten; diese können für uns einen ‚zufälligen Charakter‘ haben. Schließlich gibt es auch noch die verschiedenen ‚Lebensformen‘, die von ihrer Systemstruktur her bei aller ‚partiellen Determiniertheit‘ grundsätzlich ’nicht determiniert‘ sind (man kann dies auch ‚immanente Freiheit‘ nennen). Das Verhalten diese Lebensformen kann zu allen anderen erkannten Mustern konträr liegen. Ferner verhalten sich Lebensformen nur partiell ‚einheitlich‘, wenngleich Alltagsstrukturen mit ihren ‚Verhaltensregeln‘ — und viele anderen Faktoren — Lebensformen mit ihrem Verhalten in eine bestimmte Richtung ‚drängen‘ können.

Erinnert man sich an dieser Stelle nochmals an die vorausgehenden Gedanken zur ‚immanenten Unendlichkeit‘ und der Sicht, dass die einzelnen, endlichen Momente nur als ‚Teil eines Prozesses‘ verstehbar sind, dessen ‚Logik‘ bis heute weitgehend noch nicht entschlüsselt ist, dann ist klar, dass jegliche Art von ‚Modellbildung‘ von innerhalb der umfassenden Veränderungsprozesse immer nur einen vorläufigen Näherungscharakter haben kann, zumal erschwerend dazu kommt, dass die menschlichen Akteure ja nicht nur ‚passiv Aufnehmende‘ sind, sondern zugleich immer auch ‚aktiv Handelnde‘, die durch ihr Handeln mit auf den Veränderungsprozess einwirken! Diese menschlichen Einwirkungen resultieren aus der gleichen immanenten Unendlichkeit wie jene, die alle übrigen Veränderungen bewirkt. Die Menschen (wie das gesamte Leben) sind damit real ‚ko-Kreativ‘ …. mit all den Verantwortlichkeiten, die sich daraus ergeben.

MORAL ÜBER ALLEM

Was man unter ‚Moral‘ genau zu verstehen hat, muss man aus vielen hundert — oder gar mehr — verschiedenen Texten heraus lesen. Jede Zeit — und sogar jede Region in dieser Welt — hat dazu unterschiedliche Versionen entwickelt.

In diesem Text wird davon ausgegangen, dass mit ‚Moral‘ solche ‚Anschauungen‘ gemeint sind, die dazu beitragen sollen, dass ein einzelner Mensch (oder eine Gruppe oder …) in Fragen der ‚Entscheidung‘, soll ich eher A oder B tun, ‚Hinweise‘ bekommen soll, wie diese Frage ‚am besten‘ beantwortet werden kann.

Erinnert man sich an dieser Stelle daran, was zu vor gesagt wurde zu jener Denkform, die ‚Prognosen‘ erlaubt (das Denken in expliziten ‚Modellen‘ oder ‚Theorien‘) , dann müsste es unabhängig von eine aktuellen ‚Situationsbeschreibung‘ und unabhängig vom möglichen ‚Veränderungswissen‘ eine ‚Bewertung‘ der ‚möglichen Fortsetzungen‘ geben. Es muss also ’neben‘ der Beschreibung einer Situation, wie sie ‚ist‘ mindestens eine ‚zweite Ebene‘ (eine ‚Meta-Ebene‘) geben, die ‚über‘ die Elemente der ‚Objektebene so sprechen kann, dass z.B. gesagt werden kann, dass ein ‚Element A‘ aus der Objektebene ‚gut‘ oder ’schlecht‘ oder ’neutral‘ ist oder mit einer bestimmten graduellen ‚Abstimmung‘ ‚gut‘ oder ’schlecht‘ oder ’neutral‘. Dies kann auch mehrere Elemente oder ganze Teilmengen der Objektebene betreffen. Dies kann man machen. Damit es ‚rational akzeptierbar‘ ist, müssten diese Bewertungen aber mit ‚irgendeiner Form von Motivation‘ verknüpft sein, ‚warum‘ diese Bewertung angenommen werden soll. Ohne solch eine ‚Motivation von Bewertungen‘ würde solch eine Bewertung als ‚pure Willkür‘ erscheinen.

An dieser Stelle wird die ‚Luft‘ recht ‚dünn‘: in der bisherigen Geschichte wurde bislang kein überzeugendes Modell für eine moralische Begründung bekannt, das letztlich nicht auf die Entscheidung von Menschen zurück zu führen ist, bestimmte Regeln als ‚gültig für alle‘ (Familie, Dorf, Stamm, …) anzusetzen. Oft lassen sich die Begründungen noch in den konkreten ‚Lebensumständen‘ verorten, genauso oft treten die konkreten Lebensumstände im Laufe der Zeit ‚in den Hintergrund‘ und stattdessen werden abstrakte Begriffe eingeführt, die man mit einer ’normativen Kraft‘ ausstattet, die sich einer konkreteren Analyse entziehen. Ein rationaler Zugriff ist dann kaum bis gar nicht mehr möglich.

In einer Zeit wie im Jahr 2023, in dem das verfügbare Wissen dazu ausreicht, die wechselseitigen Abhängigkeiten von buchstäblich jedem von jedem erkennen zu können, dazu die Veränderungsdynamik, die mit der Komponenten ‚Erderwärmung‘ den ’nachhaltigen Bestand des Lebens auf der Erde‘ substantiell bedrohen kann bzw. bedroht, erscheinen ‚abstrakt gesetzte Normbegriffe‘ nicht nur ‚aus der Zeit‘ gefallen, nein, sie sind höchst gefährlich, da sie den Erhalt des Lebens für die weitere Zukunft substantiell behindern können.

META-MORAL (Philosophie)

Es stellt sich dann die Frage, ob dieses ‚rationale schwarze Loch‘ von ‚begründungsfreien Normbegriffen‘ die Endstation menschlichen Denkens markiert oder ob das Denken hier nicht gerade erst anfangen sollte?

Traditionell versteht sich eigentlich die Philosophie als jene Denkhaltung, in der jedes ‚Gegebene‘ — dazu gehören dann auch jegliche Art von Normbegriffen — zu einem ‚Gegenstand des Denkens‘ gemacht werden kann. Und gerade das philosophische Denken hat in Jahrtausende langem Ringen genau dieses Ergebnis hervorgebracht: es gibt keinen Punkt im Denken, aus dem sich alles Sollen/ alles Bewerten, ‚einfach so‘ ‚ableiten lässt.

Im Raum des philosophischen Denkens, auf der Meta-Moral-Ebene, kann man zwar immer mehr Aspekte unserer Situation als ‚Menschheit‘ in einer dynamischen Umwelt (mit dem Menschen selbst als Teil dieser Umwelt) ‚thematisieren‘, ‚benennen‘, in eine ‚potentielle Beziehungen‘ einordnen, ‚Denkexperimente‘ über ‚mögliche Entwicklungen‘ anstellen, aber dieses philosophische Meta-Moral-Wissen ist komplett transparent und immer identifizierbar. Die Folgerungen, warum etwas ‚besser‘ erscheint als etwas anderes, sind immer ‚eingebettet‘, ‚bezogen‘. Die Forderungen nach einer ‚autonomen Moral‘, nach einer ‚absoluten Moral‘ neben dem philosophischen Denken erscheinen vor diesem Hintergrund ‚grundlos‘, ‚willkürlich‘, der ‚Sache fremd‘. Eine rationale Begründung ist nicht möglich.

Ein ‚rational Unerkennbares‘ mag es geben, gibt es sogar unausweichlich, aber dieses rational Unerkennbare ist unsere schiere Existenz, das tatsächliche reale Vorkommen, für das es bislang keine rationale ‚Erklärung gibt‘, genauer: noch nicht gibt. Dies ist aber kein ‚Freifahrschein‘ für Irrationalität. In der ‚Irrationalität‘ verschwindet alles, sogar das ‚rational Unerkennbare‘, und dieses gehört mit zu den wichtigsten ‚Sachverhalten‘ in der Welt des Lebens.

DER AUTOR

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ANMERKLUNGEN

[1] Die verschiedenen Formen von ‚Unendlichkeit‘, die mit den Arbeiten von Georg Cantor in die Mathematik eingeführt und intensiv weiter untersucht wurden, haben mit der im Text beschrieben erfahrbaren Endlichkeit/ Unendlichkeit nichts zu tun: https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Cantor . Allerdings, will man die ‚Erfahrung‘ von realer Endlichkeit/ Unendlichkeit ‚beschreiben‘, dann wird man möglicherweise auf Beschreibungsmittel der Mathematik zurückgreifen wollen. Nur ist nicht von vornherein ausgemacht, ob die mathematischen Konzepte mit der zur Sache stehenden empirischen Erfahrung ‚harmonieren‘.

MOTIVATION 2. Außen und Innen

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 22.Sept. 2019
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

KONTEXT

Nach dem kurzen Überblick zum Lösen von Problemen mit den drei Faktoren Wissen (Erfahrung), Kommunikation und Motivation, sind in einem Schnelldurchgang die wichtigen Kontexte angesprochen worden, die der Mensch seit seiner Abspaltung vom homo erectus vor ca. 600.000 Jahren bis heute durchlaufen hat. Diese Kontexte sind wichtig, da die inneren Zustände des Menschen durch die kontinuierliche Interaktion mit dem jeweiligen Kontext einschneidend geprägt werden. In dieser Darstellung ist die genaue Rolle der internen Zustände, insbesondere jene, die das konstituieren, was im ersten Beitrag zusammenfassend ‚Motivation‘ genannt wurde, noch ungeklärt, offen. Dieser Punkt soll nun etwas weiter bedacht werden.

KREATIVER KERN. NUR BEDINGT ANPASSBAR

Die grundlegende Annahme, dass der Mensch durch seine Interaktionen mit der Umgebung seine inneren Zustände modifiziert, impliziert, dass der Mensch grundlegend ein lernendes System ist; dies gilt nach heutigem Kenntnisstand generell für alle biologischen Systeme. Dies bedeutet, dass der Mensch je nach dem Wandel der Verhältnisse sich unterschiedliche Strukturen, Abläufe, Konventionen, Erwartungen usw. intern aufprägt. Das so entstehende dynamische Wissen ist quasi ein inneres Bild der äußeren Welt, mehr oder weniger klar, und mehr oder weniger unterschiedlich in jedem einzelnen. Bedenkt man ferner, dass nach den neuen Erkenntnissen das Gehirn als Träger vieler geistiger Eigenschaften die Welt außerhalb des Körpers nicht direkt kennt, nur die sensorischen Fragmente, die es kunstvoll zu zusammenhängenden Strukturen zusammenbaut, dann repräsentiert das innere Bild für jeden einzelnen die Welt (wie sie vielleicht gar nicht ist), und dies für jeden ganz individuell. Vom eigenen Weltbild auf das des anderen zu schließen ist daher gefährlich; in der Regel ist das eigene Bild verschieden von dem der anderen. Es erfordert daher eine geeignete Kommunikation, um diese Verschiedenheit zu bemerken und die Gemeinsamkeiten klar zu stellen.

Jede Gesellschaft trainiert die nachwachsenden Generationen in der Regel dahingehend, den aktuellen Abläufen und damit einhergehenden Erwartungen zu folgen. Ein ‚regelkonformes Verhalten‘ ist so gesehen ein weit verbreiteter gesellschaftlicher Standard. Vielfach existieren Interventionsmechanismen, wenn einzelne oder ganze Gruppen scheinbar von den allgemeinen Normen abweichen.

Trotz einem solchen Erwartungsdruck gibt es aber die berühmten Aussteiger; gibt es Menschen die Aufbrechen und Auswandern (migrieren); gibt es die Protestler, die Alternativen und Oppositionellen, gibt es Freiheitskämpfer und Revolutionäre; andere wagen einen Neuanfang, gründen etwas; Wissenschaftler, Erfinder, kreative Köpfe schaffen neue Formen, neues Verhalten; andere sprechen von Bekehrung, vom Abwenden von Bisherigem und Zuwendung zu etwas ganz Anderem; Beziehungen zwischen Menschen über gesellschaftliche Schranken hinweg, trotz drohender Marginalisierung oder Todesdrohungen.

Diese Beispiele deuten an, dass Kontexte, die sich in das Innere von Menschen eingraben, nicht immer und überall das gesamte Innere beherrschen müssen. Aufgeprägte innere Strukturen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen sich entsprechend konform verhalten, aber sie garantieren diese Konformität nicht. Das Innere verfügt anscheinend über Möglichkeiten, äußere Verhältnisse innerlich zu überwinden, die sich dann in neuen, alternativen Verhalten niederschlagen können. Das Innere besitzt irgendwie einen ‚kreativen Kern‘, der sich nicht notwendigerweise und nicht immer ganz durch die herrschenden Verhältnisse vereinnahmen lässt.

In den bekannten gesellschaftlichen Systemen seit dem Auftreten des homo sapiens, dem modernen Menschen, gibt es neben der schlichten Präsenz von Alltagsprozessen auch jene, in denen eine Gruppe von Menschen versucht, auf die anderen besonderen Einfluss zu nehmen durch Machtstrukturen bewehrt mit empfindlichen Strafen, durch nackte Gewalt und Folter, durch spezielle Belohnungsstrukturen, durch Indoktrinationen und Propaganda, und durch spezielle Werbung. Neben rein verbalen Aktionen gibt es auch den Bereich von Doping, Drogen oder der Virtualisierung von sozialen Beziehungen mit neuartigen Manipulationsmöglichkeiten (z.B. das Vorgaukeln von sozialer Nähe in virtuellen Räumen, die gleichzeitig zum Abbau von realer sozialer Nähe führen). Aber auch bei diesen verschärften Formen der Einflussnahme von Außen gibt es zahlreiche historische Beispiele aus allen Zeiten, dass Menschen standhalten und sich gegen diese Strukturen stellen. Sie besitzen eine ‚innere Motivation‘ die sie stark macht.

Allerdings kann auch der einzelne durch sich selbst zum Opfer werden, wenn er bestimmte grundlegende Bedürfnisse des Körper nicht hinreichend unter Kontrolle bringen kann. Prominente Beispiele sind vielfältige Formen von Sucht wie z.B. Sex, Essen, Trinken, Narzissmus, Eitelkeit, Drogen, Erfolg, Berühmt sein, um nur einige zu nennen. Auch hier gilt: viele zerbrechen daran, genauso gibt es immer wieder aus allen Zeiten Beispiele, dass Menschen es schaffen, sich diesen scheinbar unüberwindlichen Mechanismen zu entziehen. Die Motivation kann stärker sein als der Druck von außen (wobei ‚außen‘ hier physiologische, chemisch Prozesse sind, die die Zustände des Gehirns beeinflussen).

DER KÖRPER ALS FILTER UND ERMÖGLICHUNG

Viele der geistigen, psychischen Eigenschaften, die wir uns Menschen zuschreiben, erscheinen aus Sicht des Verhaltens und der Physiologie mit dem Gehirn verknüpft zu sein, das räumlich ‚im‘ Körper sitzt.

Aus Biologischer Sicht lassen sich die unterschiedlichen Körperstrukturen auflösen in eine unfassbar große Menge von Zellen, die beständig miteinander kommunizieren, von denen ständig welche absterben, andere neu entstehen. Rein zahlenmäßig entsprechen alle Zellen unseres Körpersystems etwa 450 Galaxien im Format der Milchstraße. Die Auflösung in Zellen macht viele der komplexen Strukturen unsichtbar, die den Körper zu dem machen, als was er uns funktionell erscheint.

In einem weiteren Abstraktionsschritt lassen sich alle Zellen auflösen in Richtung der Moleküle, aus denen Zellen bestehen, und noch weitergehender in Richtung der Atome der Moleküle, und sogar noch weitergehender in Richtung der subatomaren Partikel. Dies ist die Sicht der Quantenmechanik. In der Quantenmechanik gibt es keine festen Strukturen, sondern nur noch Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Bei dieser Sichtweise ist ein menschlicher Körper (samt Gehirn) ein nach allen Seiten offenes Gebilde, das über riesige Entfernungen mit nahezu allem in Verbindung stehen kann.

Nicht wenige meinen, dass diese grundlegende quantenmechanische Offenheit und Verbundenheit von jedem mit jedem alle bislang ungelöste Fragen des menschlichen Geistes oder möglicher mystischer Zustände, für die bislang keine befriedigenden wissenschaftliche Erklärungsansätze existieren, lösen können.

Dies muss man allerdings bezweifeln. Schon die Entstehung der grundlegenden biologischen Strukturen, jene der einfachen Zellen vor ca. 3.5 Milliarden Jahre, entzieht sich bislang vollständig einer physikalischen Erklärung. Mit Quantenmechanik kann man in keiner Weise die Entstehung und die Besonderheit von biologischen Zellen erklären. Biologische Zellen haben so viele neuartigen spezielle Strukturen mit Hilfe von Molekülen geschaffen, die wiederum neuartige komplexe Funktionen ermöglicht haben, für die die Physik nicht den geringsten Denkansatz bietet. Schrödinger und viele andere großen Physiker haben dies erkannt. Die weitere Entwicklung des BIOMs mit komplexen Zellen, Zellverbänden, Atmosphäre und dann komplexen Organismen mit hochkomplexen Organen mit komplexen Nervensystemen für eine neuartige Informationsverarbeitung weit über die Mechanismen der DNA hinaus, entzieht sich der heutigen Physik bislang vollständig.

Was immer also sich auf der quantenmechanischen Ebene abspielt, die jeweils komplexeren biologischen Strukturen ‚verbergen‘ diese Vorgänge so, dass sie auf den höheren Ebenen in keiner Weise direkt durchschlagen.

Für den Bereich des sogenannten Bewusstseins bedeutet dies, dass das, was wir ‚bewusst‘ wahrnehmen, durch sehr viele komplexe Strukturen und Prozesse vermittelt ist, die die zugehörigen quantenmechanischen Vorgänge völlig verdecken, ‚weg filtern‘. Will man also die inneren Zustände verstehen, insbesondere den winzig kleinen Anteil der ‚bewussten‘ Ereignisse, dann muss man sich diesen bewussten Ereignissen und den zugehörigen ‚unbewussten‘ Prozessen direkt zuwenden. Die Leistung des Gesamtsystems zeigt sich eben in seinen komplexen funktionalen Ausprägungen, nicht in seinen möglichen Bestandteilen, die im Rahmen eines funktionellen Prozesses benutzt werden.

KRITISCHES DENKEN

Die Steuerung durch die alltäglichen Strukturen und Prozesse kann, wie die erwähnten Beispiele andeuten, durch den inneren, kreativen Kern der Motivation partiell oder ganz aufgehoben werden.

Eine Ursache dafür kann jene Form des Denkens sein, die sich mit den vorliegenden Formen des Wissens beschäftigt, das vorliegende Wissen zum Gegenstand macht, und auf einer zusätzlichen Reflexionsebene mit diesem vorliegenden Wissen ‚kreativ spielt‘, was sich auch in Form von systematischen philosophischen Reflexionen niederschlagen kann. Aber auch engagierte Literatur, manche Formen von Theater und vieles mehr kann zum Medium für alternatives Denken werden.

Wie auch immer solche kreativen Diskurse aussehen mögen, ohne eine geeignete Motivation werden sie nicht stattfinden.

Und die aufgeführten Beispiele enthalten viele Fälle, in denen die alternative, kreative Motivation nicht unbedingt von einer starken Wissenskomponenten begleitet wird. Motivationen als solche können eine Kraft entfalten, die ‚aus sich heraus‘ einen Menschen bewegen können, ‚das Andere‘ zu tun. Wie kann, wie muss man sich diesen ‚kreativen, heißen Kern‘ der Motivation vorstellen?

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MOTIVATION. Außen und Innen

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 20.Sept. 2019
URL: cognitiveagent.org
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Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

KONTEXT

Im vorausgehenden Beitrag zu Problemen und ihren Lösungen wurden im ersten Schritt drei Faktoren herausgearbeitet, die dabei unbedingt notwendig sind: ein hinreichendes Wissen (Erfahrung), die Fähigkeit, mit allen Beteiligten hinreichend zu kommunizieren, und eine hinreichende Motivation, es überhaupt zu versuchen.

Alle drei Faktoren erscheinen wichtig, wobei der Faktor Motivation möglicherweise der grundlegendere ist, da man Wissen über Lernen nur erwerben kann, wenn man hinreichend motiviert ist, desgleichen mit der Kommunikation: ohne hinreichende Motivation wird man nicht kommunizieren.

Was aber genau ist dieser Faktor ‚Motivation‘?

AUSSEN UND INNEN

Die natürlichste Herangehensweise an das Phänomen Motivation ist die über das beobachtbare Verhalten. Wenn ein Mensch nichts tut, in sich verharrt, dann ist es für einen Außenstehenden nahezu unmöglich, zu erfassen, was einen anderen Menschen antreibt, wobei Schlafen, einfaches Verharre, Warten, bekannte Formen des Nichttuns sind, die gewöhnlich eine akzeptierte Form der Interpretation finden.

Gibt es ein beobachtbares Verhalten mit identifizierbaren Eigenschaften, dann können sich Fragen anschließen, was denn wohl im Inneren des Handelnden an Zuständen, Prozessen vorliegen, die zu diesem Verhalten geführt haben oder führen. Von außen ist eine Beantwortung dieser Frage nach den begleitenden inneren Zuständen wenn überhaupt nur begrenzt und grundsätzlich nur hypothetisch möglich.

Der Handelnde selbst kann über seine innere Wahrnehmung — oft Bewusstsein genannt — vielfältigste Unterschiede anhand von internen Wahrnehmungseigenschaften unterscheiden, diese aber zu deuten, ist kein Selbstläufer. Und auch diese internen Wahrnehmungen sind möglicherweise die Wirkungen von Prozessen, die dahinter liegen, die als solche nicht direkt wahrnehmbar sind. Es ist, wie wir heute wissen können, das Gehirn, das in einem Körper sitzt, das zumindest für einen Teil dieser subjektiv wahrnehmbaren Unterschiede diese hervorbringt. Die Gesamtheit der Faktoren und Prozesse, die hier im Spiel sind, ist bis heute nicht vollständig geklärt, und auch die bislang bekannten Interpretationen in Form von sprachlich vermittelten Erklärungsmodellen (eine Form von Wissen) sind vielfach unklar oder gar widersprüchlich.

Trotz dieses tentativen Charakters unseres Wissens über innere Zustände besteht der Eindruck, dass eine Kombination aus äußerlich beobachtbaren Verhaltenseigenschaften und wahrnehmbaren internen Unterschieden ein bestimmtes Verhalten besser charakterisiert als wenn man es ohne Berücksichtigung der inneren Zustände beschreiben würde.

MOTIVATION IM VERHALTEN – Die Umgebung

Über das Verhalten des Menschen können wir natürlich nur sprechen unter Voraussetzung einer jeweiligen Situation, einer Umgebung, in der der Mensch vorkommt.Und hier spielt weiter die Zeit eine Rolle: zu verschiedenen Zeiten waren die Umgebungen verschieden, und neben der augenblicklichen Gegenwart haben wir sehr viel Vergangenheit.

Unser Wissen um die Vergangenheit ist gebunden an aufzeigbare Zeugnisse, sogenannte Artefakte, deren Vorkommen irgendwelche Hinweise auf Menschen und deren Verhalten in der Vergangenheit zulassen.

Der moderne Archäologie in Zusammenarbeit mit vielen anderen Wissenschaften, insbesondere neuerdings zusammen mit der Mikrobiologie, speziell der Genetik in Form der Archäogenetik, ist es in mühevoller Detailarbeit gelungen, die Herkunft von uns heutigen Menschen zurück zu verfolgen bis zu dem Punkt, wo sich die menschenähnliche Lebensform vor frühestens 7 Mio Jahren von der Linie abspaltete, aus der die Schimpansen hervorgingen. Über verschiedene Zwischenformen zeigte sich dann der erste Ur-Mensch — genannt homo erectus — vor ca. 1.9 Mio Jahren. Er verbreitete sich in wenigen hundert Tausend Jahren in ganz Afrika und Eurasien. Während sich aus dem homo erectus in Asien der Peking Mensch entwickelte (und der später ausstarb), spaltete sich in Afrika vor ca. 600.000 Jahren jene Linien ab, die zum modernen Menschen (homo sapiens), zum Neandertaler und — etwas später — als Abspaltung vom Neandertaler, zum Denisovaner führten. Neandertaler und Denisovaner starben beide aus, hinterließen aber genetische Spuren in allen modernen Menschen (ca. 2-7%, je nach Region).(vgl. Krause und Trappe (2019), Die Reise der Gene, S.43f, Kindle Pos.557ff)

Die Auswanderung des modernen Menschen aus Afrika begann etwa vor 60.000 Jahren und nahm ihren Weg nach Europa (etwa vor 40.000 Jahren), vorher aber schon nach Indien (etwa vor 50.000 Jahren), nach Sibirien und Australien vor etwa 45.000 Jahren, nach Alaska vor etwa 20.000 Jahren, Nordamerika vor etwa 15.000 Jahren, und Südamerika vor etwa 14.000 Jahren.(vgl. Krause und Trapp (2019)).

Überall stießen die Menschen zu dieser Zeit auf menschenleere Räume.

Lange Zeit gab es als Überlebensform nur die Jäger und Sammler. Ab ca. 12.000 gab es zunehmend feste Ansiedlungen, die nach und nach in die Ackerbau und Viehzucht Lebensform überging, die ihre erste starke Ausprägung im sogenannten fruchtbaren Halbmond fand (etwa heutiger Süd-Osten der Türkei und nordwestlicher Iran). Vor ca. 5200 Jahren bildete sich im Gebiet der heutigen Ukraine (östliche), des heutigen Russlands (süd-westlich) und Kasachstans (westlich) eine pastorale Lebensform heraus: Nomaden mit riesigen Viehherden in flachen Steppen. Sie waren Nachkommen jener Menschengruppen, von denen Gruppen Nord- und Südamerika erwandert hatten. Nach 5200 überfluteten diese pastoralen Gruppen Mitteleuropa bis hin nach England. Es entstand damit der typische europäische Genpool, der alle Europäer auszeichnet: Steppengene, Ackerbaugene, Jäger- und Sammler Gene sowie Reste vom Neandertaler und Denisovaner. Nur der prozentuale Anteil der verschiedenen Gene variiert.(vgl. Krause und Trapp (2019), viele verschiedene Stellen)

Die Verschiebung vom freien Jäger- und Sammlerdasein zum Nomadentum und dann zu Viehzucht und Ackerbau mit beginnenden Städten machte das Leben immer abhängiger von konkreten Ressourcen: fruchtbares Land und Wasser, Saatgut und Tier mit Weideflächen, Gebäude, Geräte, und Handel. Analog die Fischerei am Wasser, am Meer, der einsetzende Bergbau zur Gewinnung von Rohstoffen oder edlen Metallen. Diese konkreten Ressourcen forderten einen Rund-um-die-Uhr Einsatz, schufen den Begriff von Eigentum und Besitz, von Einkommen. Menschsein war plötzlich nur noch möglich durch Verfügbarkeit über solche Ressourcen. Erbschaft gewann an Bedeutung, die Geltung von Recht. Über Handwerk, Handel, Finanzwesen bauten sich neue, sekundäre Strukturen auf, die alle auf spezifische Weise die Teilhabe an lebenswichtigen Ressourcen definierten. Wer Mensch sein wollte musste in diesem Spektrum von Tätigkeiten Leistungen erbringen, harte Leistung durch harte Arbeit. Wer das nicht konnte war arm dran, wenn es keinen Rückhalt gab durch ein soziales Netzwerk.

Die Weiterentwicklung zu Technologien, Industrien, globalen Handels- und Finanzmärkten, und heute gar zu smarten Maschinen, lässt diese alten Fähigkeiten und gesellschaftlichen Rollen langsam verblassen. Die Rolle des einzelnen verliert an Kontur. Irgendwie ist jetzt jeder Teil von irgendetwas Größerem; schwer verstehbar, unübersichtlich, zunehmend noch mehr ersetzbar durch intelligente Maschinen; das Gefühl überflüssig zu werden macht sich breit, etwas von Ohnmacht. Zugleich beginnt die moderne Genetik mit den biologischen Bauplänen zu experimentieren. Die biologische Struktur von Pflanzen, Tieren und auch des Menschen geraten in den Fokus von Gestaltungsplänen: irgendwie noch ‚besser‘, ‚effektiver‘.

MOTIVATION IM VERHALTEN – Umgebung und Verhalten

Obwohl das nackte Überleben zu allen Zeiten die primäre Herausforderung bildete, gab es schon in der Jäger- und Sammlerzeit frühe Zeugnisse (ab ca. 41.000 Jahren) von geschnitzten Figuren, von einer Flöte aus Knochen, von vielfältiger Höhlenmalerei, und Grabbeigaben. Später kamen formen- und farbenreiche Keramiken dazu, Schmuck aller Art, Begräbnisstätten, die riesige Ausmaße annehmen konnten (Hügelgräber der Steppenvölker, Megalithgräber der nordischen Jäger und Sammler).

Dies Verhaltensweisen zeigen, dass diese frühen Menschen sich nicht nur auf das Überlebensnotwendige konzentriert hatten, sondern dass sie auch ein Bedürfnis verspürt haben müssen, ihren inneren Bildern und Gefühlen Ausdruck zu verleihen, sie sichtbar, hörbar, anfassbar zu machen, innere Bilder, die sie in ihrem Alltag begleitet haben müssen.

Diese innere Fähigkeit zum Erfinden innerer Bilder in Interaktion mit der Umgebung wirkte sich dann real auch darin aus, dass sie Werkzeuge, Waffen, Pflüge mit Ochsen, Pferde zum Reiten, und vieles mehr ‚erfunden‘, ‚erdacht‘ haben,um ihren Alltag auch im Lebensnotwendigen zu verändern.

Wirken diese geschilderten Verhaltensweisen auf uns eher ‚positiv‘, lässt sich gegenläufig konstatieren, dass mit der Verdichtung der Bevölkerung einerseits und der Bindung des Lebens an konkrete, lokale, endliche Ressourcen (Weideflächen, Wasser, Wirtschaftsgebäude, Herden, …) andererseits die Existenz, das Überleben an die Verfügbarkeit und Unversehrtheit dieser Ressourcen gebunden erschien. Eine Bedrohung dieser Ressourcen wurde damit sehr direkt zu einer Bedrohung der eigenen Existenz. Und es verwundert dann nicht, dass mit dem Voranschreiten der Bindung an Ressourcen kriegerische Auseinandersetzung, Massengräber deutlich zunahmen. (vgl. Krause und Trapp (2019), S.101f)

Die späteren sozialen Ausdifferenzierungen in den wachsenden Gesellschaften verfeinerten die Abhängigkeiten der individuellen Existenz zwar (unterschiedliche gesellschaftliche Rollen mit unterschiedlichen Privilegien), aber das grundsätzliche Prinzip der Abhängigkeit der individuellen Existenz von konkreten Gegebenheit verfestigte sich weiter. Bis weit in die Neuzeit waren gesellschaftliche Strukturen ‚harte‘ Strukturen, an soziale Schichten, spezifische soziale Gruppen gebunden, in der herrschenden Moral und dem herrschenden Gesetz quasi ‚eingefroren‘, dazu weitgehend vererbbar.

Was immer also ein einzelner an inneren Empfindungen, an Bedürfnissen haben mochte, die fest verzurrten gesellschaftlichen Strukturen spiegelten sich auch in seinen inneren Bildern von der Welt wieder und bildeten so die ‚gesellschaftlich erlaubten Bereiche‘ ab, in denen sein Empfinden, sein Begehren, sein träumen stattfinden konnte, wollte er ohne gesellschaftliche Konflikte leben. Ein Bruch der geltenden Konventionen wurde meistens massiv geahndet.

Seit den demokratischen Revolutionen in Europa und Nordamerika sowie durch die industrielle Revolution und der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft kam es zwar partiell zu Flexibilisierungen der Zugehörigkeit zu Rollen — weniger durch Geburt, eher durch Leistung, die wiederum stark durch Bildungsprozessen ermöglicht wurde –, aber die Verstetigung von Reichtum in den Händen weniger und die inoffizielle Besetzung der demokratischen Strukturen durch Machteliten (die die wichtigen Medien stark instrumentalisierten), setzte die neue Flexibilität in vielen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen wieder außer Kraft. Reichtum und Macht scheinen stärkere Prinzipien zu sein als demokratische gesellschaftliche Formen. Die Zunahme an autoritären politischen Strukturen weltweit kann man als Indiz werten, dass die noch so junge Flexibilisierung durch Einbeziehung aller Bürger wieder in altbekannte Muster zurück fällt.

Die Verstetigung der gesellschaftlichen Strukturen sowie die starke Indoktrinierung vieler Medien kann sich im Inneren der einzelnen in der Weise niederschlagen, dass sie eine — von den autoritären Strukturen meist erwünschte — ‚konforme‘ Meinung ausbilden, ein ‚konformes Weltbild annehmen, das ihr Verhalten ‚von innen‘ steuert ohne zu großen Aufwand von außen. Das größte Experiment dieser Art findet zur Zeit wohl in China statt.

LITERATURHINWEIS

Johannes Krause mit Thomas Trappe (2019, 5.Aufl.), Die Reise unserer Gene. Eine Geschichte über uns und unsere Vorfahren. Propyläen Verlag

FORTSETZUNG

Eine Fortsetzung findet sich HIER.

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PROBLEME und LÖSUNGEN. Überlegungen zur Zukunftsfähigkeit

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 17.Sept. 2019
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

KONTEXT

Das Reden von der ‚Zukunft‘ klingt oft so isoliert, so abgetrennt, so fern, so unerreichbar, und doch begleitet uns die potentielle Zukunft — unsere potentielle Zukunft — auf Schritt und Tritt in unserem Handeln.

Es sind unsere eigenen Entscheidungen, was wir tun wollen, die immer wieder einen kleinen Schritt in eine bestimmte Richtung nach nicht ziehen, die unsere Zukunft eröffnen.

Natürlich sind diese individuellen Entscheidungen nicht isoliert vom Kontext, vom gesamten Lebenszusammenhang, aber doch, ja, wir kopieren nicht irgendetwas, wir mit unserer konkreten Persönlichkeit erzeugen ein kleines Stück Wirklichkeit, das eine Teil des je größeren Zukunftsszenariums darstellt.

Diese unseren individuellen konkreten Handlungen können zufällig sein, intuitiv, mögen planlos erscheinen, aber in der Regel stehen dahinter konkrete Motivationen, bestimmte Bilder, die wir aktuell von der Welt haben, und das Ganze meistens mit anderen vernetzt durch Kommunikation.

Im allgemeineren Fall, dort, wo es etwas professioneller wird, begegnet uns die Zukunft im Rahmen von Problemlösungen. Einer bestimmten Gruppe von Menschen stellt sich ein ‚Problem‘ verbunden mit einer minimalen ‚Vision‘ wie es denn stattdessen sein sollte, und dann versucht man diese Vision möglich zu machen, ein Stück Arbeit für die Zukunft und dann deren Realisierung.

Probleme müssen in vielen Bereichen gelöst werden und entsprechend haben sich in vielen Bereichen unterschiedliche Vorgehensweisen etabliert, wie man das macht: in den empirischen Wissenschaften, bei den Ingenieuren, bei Ärzten, Architekten, Kriminalpolizei, im Case Management, und vielem mehr.

Im folgenden Text soll von diesen speziellen Verfahren abstrahiert werden und der Frage nachgegangen werden, wie eine Problemlösung im Alltag funktionieren kann bei der beliebige Menschen beteiligt sind, vorzugsweise Gruppen von Bürgern, Kommunalverwaltungen, ganze Kommunen (Gemeinden, Städte).

ALLTAGSPROBLEME AUS DEN MEDIEN

Wenn man sich heutzutage in den Medien umschaut, mit Freunden und Bekannten spricht, dann kann man den Eindruck gewinnen, wir sind von Problemen umzingelt. Hier ein kleine Stichprobe aus drei Zeitungen von wenigen Tagen:

  1. Ortsbeiräte und Stadtverordnete sollen durch eine bürgernahe Stadtwerkstatt ergänzt werden, um die Anliegen der Bürger besser einbinden zu können
  2. Das Problem des bezahlbaren Wohnraumes wird in den Städten immer schlimmer. Jährlich fallen deutlich mehr Wohnungen aus der Sozialbindung als neue geschaffen werden
  3. Eine Großstadt verweigert sich offiziell, Sozialwohnungen ohne Befristung zu bauen.
  4. Forscher konstatieren zum Teil dramatischen Rückgang bei bestimmten Vogelarten. Dies verweist auf einen Mangel an geeignete Lebensräume.
  5. Die Waldbesitzer in ganz Deutschland melden riesige Schäden durch Trockenheit.
  6. Die Bedrohung von BürgermeisterInnen durch radikale Gruppierungen nimmt beständig zu; einige geben auf
  7. Ortsbeiräte sollen das besondere Ohr zum Bürger darstellen. Aber, welcher Bürger kennt seinen Ortsbeirat? Und in der Stadtverordnetenversammlung, wer hört die Ortsbeiräte?
  8. Immer wieder Auffälligkeiten, dass der Verfassungsschutz Bezüge zu rechten Gefährdern unterbewertet
  9. Ein Kultusministerium will ein Schulamt weg verlegen aus seinem Bezirk und bürdet damit seinen Mitarbeitern zusätzliche Belastungen auf.
  10. Das ganze politische System Deutschlands benötigt ein Update, um zukunftsfähig zu werden
  11. Die großen Internetkonzerne merken, dass ihre Wirkung auf die Gesellschaft langsam Rückwirkungen erzeugen, die in immer größeres Misstrauen, wenn nicht gar partiell Feindschaft umschlagen. Plötzlich sprechen sie davon, dass Vertrauen das Wichtigste sei, sowohl in der Firma wie auch zur umgebenden Gesellschaft.
  12. Saubere Motoren alleine reichen nicht für eine weltweite Verbesserung des Verkehrs in den Metropolen
  13. International ist viel Geld da, das nach Anlage drängt, gleichzeitig gibt es aber zu wenige gute Anlageobjekte. Das Anlegen geschieht dennoch, vorbei an regulierten Finanzmärkten; Wertsteigerungen auf dem Papier werden verbucht, denen immer weniger realer Gegenwert entspricht (dies erzeugt eine massive Inflation, die von den Zentralbanken nicht erfasst wird)
  14. Der Chef eines der größten internationalen Ölkonzerns verkündet den nachhaltigen Umbau des Konzerns in Richtung Unterstützung erneuerbaren Energien, investiert aber bis auf Weiteres immer noch den größten Teil des Geldes in das Ölgeschäft
  15. Während der größten internationalen (Auto)-Mobil(itäts)-Ausstellung stehen sich tausende von Demonstranten und zehntausende Besucher ideell gegenüber.
  16. Keiner der weltweit größten Erdöl- und Erdgas-Konzerne ist auf Klimakurs
  17. Während die Reduzierung den Einsatz von EMobilität pushed, zeigen Fachleute vielfältige Probleme auf, die damit noch nicht gelöst sind oder gar durch EMobilität erst neu erzeugt werden.
  18. Bahn und Nahverkehr sollen ausgebaut werden, beim Bahnhofsumbau z.B. in Frankfurt sind viele Fragen noch offen; es wird Jahre dauern…
  19. Eine Buchbesprechung thematisiert die neue Sichtweise der Neurowissenschaften und die Wirkung auf andere bisherige Sichtweisen auf den Menschen. Vereinfacht gesagt: Die Reduktion des Menschenbildes auf Gehirnfunktionen.
  20. Der Konflikt zwischen einem Whistleblower (Snowden), der von seinem eigenen Staat nicht als solcher anerkannt wird, und der für die Interessen einer offenen, demokratischen Gesellschaft gegen ihre scheinbar übermächtig gewordenen geheimen Institutionen eintritt.
  21. Eine Diskussion um das rechte Verhältnis von Import/ Export, Realzinsen, und Fiskalpolitik im globalen Miteinander. Missverhältnisse können zu Verzerrungen, Abschottungen und mehr führen.
  22. Die intransparente Rolle von politischen Beratern jenseits der demokratischen Verfahren.
  23. Weltweit steigen die Schäden für Rückversicherer.
  24. Weltkonzerne stehen vor der Aufgabe, sich global neu zu orientieren ohne aber verlässliche politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu haben.
  25. Der starke Verfall von demokratischen Rechten und Gepflogenheiten in Hongkong am Beispiel der Fluggesellschaft
  26. Mikroplastik ist überall (Weltmeere, Flüsse, auch durch die Luft) auf dem Vormarsch
  27. Das Ringen um eine europäische Cloud als Alternative für mehr Unabhängigkeit im Datenverkehr.
  28. Der Zuwachs an Rechenkapazität in der Forschung wird durch technische Barrieren verlangsamt. Die Forschung wird durch Vorlieben der Bundesregierung nur einseitig gefördert.

Schon diese kleine Auswahl lässt ganz unterschiedliche Kontexte aufblitzen, die jeweils vorausgesetzt werden:

  1. Es geht um Menschen, verschiedene Tierarten und den Wald, deren Lebensräumen sich wechselseitig beeinflussen.
  2. Es geht um die Umwelt, die durch die Aktivitäten des Menschen unterschiedlich verändert wird.
  3. Es geht um Kommunen/ Städte, die den direkten Lebensraum für die Menschen (und viele Tiere) darstellen.
  4. Es geht um staatliche Institutionen, die bestimmte Aufgaben erfüllen sollen.
  5. Es geht um Bürgerrechte und die Demokratische Öffentlichkeit.
  6. Es geht um globale Konzerne, die sich mit unterschiedlichen nationalen Forderungen arrangieren müssen.
  7. Es geht um Technologien, um technologischen Abhängigkeiten und deren Bedeutung für die Wirtschaft und die staatliche Autonomie.
  8. Es geht um Weltbilder, die von unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen gespeist werden.
  9. Es geht bei allem auch immer um einzelne (Bürger, Bürgermeister, Stadtverordnete, Ortsbeiräte, Präsidenten, Firmenchefs, …), die sich in den jeweiligen Kontexten ‚verwirklichen‘ wollen.
  10. Einzelne lassen sich von dem jeweiligen Weltbild in ihrem Kopf leiten oder holen sich spezielle Berater, die ihr Weltbild unterstützen sollen.

WANN IST ETWAS EIN PROBLEM?

Dies aufgelisteten Fälle vorausgesetzt kann man die Frage aufwerfen, ob man bei den eingangs erwähnten Beispielen tatsächlich von ‚Problemen‘ sprechen sollte. Warum soll eine bestimmte geschilderte Sachlage als ein ‚Problem‘ bezeichnet werden? Warum sollte man in der mangelnden Einbindung von Bürgern in den Kommunen ein Problem sehen? Warum ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ein Problem? usw.

WELTBILD UND ZIELVORSTELLUNGEN

Offensichtlich setzt das Sprachspiel ‚Problem‘ voraus, dass die Beteiligten als Teil ihres jeweiligen Weltbildes bestimmte ‚Zielvorstellungen‚ haben, die für sie als ‚erstrebenswert‘ gelten, und im Lichte dieser Zielvorstellungen kann dann eine bestimmte Sachlage als ‚Problem‘ klassifiziert werden. So z.B.: Wenn man die Einbindung der Bürger innerhalb einer Kommune als erstrebenswert ansieht (Begründung?), dann kann man eine mangelnde Einbindung als ‚Problem‘ klassifizieren; wenn hinreichend verfügbarer bezahlbarer Wohnraum als erstrebenswert angesehen wird (Begründung?), dann kann man den Mangel als Problem klassifizieren. Und analog in all den anderen Fällen.

Was sich schon in diesen wenigen Beispielen andeutet, ist die Notwendigkeit, dass man zur Diagnose von Problemen über ‚erstrebenswerte Zielvorstellungen‘ verfügt, die auch von den anderen Beteiligten geteilt werden.

Wie diese ersten Beispiele aber auch zeigen, kann man nicht unterstellen, dass alle Beteiligten tatsächlich über eine Zielvorstellungen verfügen und falls doch, dass diese bei allen Beteiligten gleich sind.

So ist das Wort Bürgerbeteiligung in vieler Munde, man kann aber wenig konkrete Maßnahmen erkennen, die dies real unterstützen. Fachabteilungen in Kommunen sind einer Bürgerbeteiligung gegenüber tendenziell eher ablehnend, weil es die Arbeit ‚verkompliziert‘. Über hinreichend viel bezahlbaren Wohnraum wird seit Jahren diskutiert, seit Jahren aber tut sich nichts. Die Zerstörung von Lebensräumen von bestimmten Tierarten wird von Naturschützern angeklagt, aber viele handelnde Gruppierungen interessiert dies nicht. Fehlleistungen des Verfassungsschutzes (im Bund und auf Landesebene) werden immer wieder diagnostiziert, aber diese öffentliche Kritik zeigt bislang keine erkennbare Wirkung. Die einen ziehen aus den bisherigen Erkenntnissen zur Klimaänderung bestimmte Schlüsse (z.B. für den ganzen Bereich Verkehr, Mobilität), andere sehen dies als überzogen und unrealistisch an. Und so weiter.

Schon beim Aufsammeln von Problembeschreibungen stößt man also auf eine nicht einfache Problematik: die Ausgangslage für die Problemfeststellung liegt in den jeweiligen Weltbildern der Beteiligten, und dort insbesondere im Bereich der ‚erstrebenswerten Zielvorstellungen‘. Setzt man diese ‚erstrebenswerten Zielvorstellungen‘ ‚absolut‘, dann gibt es harte, unversöhnliche Fronten.

Andererseits, Weltbilder und erstrebenswerte Zielvorstellen sind nicht angeboren sondern resultieren aus Interaktionen des einzelnen mit seiner Lebenswelt. Im allgemeinsten Sinne kann man dies ‚Lernen‚ nennen: die Aneignung von Vorstellungen über die Welt, mit Hilfe deren man sich die Welt ‚erklärt‚ und mit deren Hilfe man sein Verhalten ‚orientiert‚.

Grundsätzlich kann man also immer versuchen, die eigene gelernte Sicht der Welt auf den Tisch zu legen und dabei deutlich machen, warum man bestimmte Ansichten für erstrebenswert hält.

FAKTOR MOTIVATION

Der Faktor Weltbild inklusive möglicher Zielvorstellungen ist im Alltag allerdings nur ein Faktor. Zusätzlich wirksam sind noch viele psychische Faktoren, die hier aus Sicht des Verhaltens zusammenfassend angenommen werden als ‚Motivation‚, also jene internen subjektiven Faktoren, die einen Menschen dazu bringen, sich eher einer Sache ‚zuzuwenden‘, sie ‚aktiv zu betreiben‘, oder, ganz im Gegenteil, sich ‚zu verschließen‘, eine ‚ablehnende Haltung‘ einzunehmen, eine Mitwirkung ‚zu verweigern‘.

Überall dort, wo es gilt, gemeinsame Entscheidungen zu fällen, ist neben allen Arten von Argumenten für oder gegen eine Sache immer auch die Motivation der einzelnen im Spiel. Direkt oder indirekt unterstützen sie den Prozess positiv oder blockieren ihn negativ. Rationale Argumente alleine reichen oft nicht aus, die motivationalen Faktoren zu beeinflussen.

Die Faktoren, die eine Motivation beeinflussen können, sind äußerst vielfältig, in der heutigen Forschung nur partiell geklärt, und können von Person zu Person, von Situation zu Situation fast beliebig variieren. Persönliche Vorlieben, persönliche Erlebnisse, Sympathie und Antipathie, Einbindung in Milieus mit bestimmten fixierten Rollen oder speziellen Werten, und vieles mehr. Ein unbeliebtes Beispiel: wenn ein Politiker bestimmten Lobbyisten nahe steht, deren konkrete wirtschaftliche Interessen durch Bürgerinteressen betroffen sind, wird es für die Bürger schwer, sich politisch Gehör zu verschaffen.

OHNE KOMMUNIKATION GEHT NICHTS

Sollte jemand über genügend Wissen verfügen (was praktisch nie der Fall ist, weil man als Spezialist viele andere Spezialisten benötigt) und sollte jemand zugleich auch noch motiviert sein, sein Wissen wirksam einzusetzen (keinesfalls selbstverständlich, nicht für alle denkbaren Situationen), wird es zusätzlich notwendig sein, mit all jenen Menschen in Verbindung zu treten, die für eine Lösung des Problems wichtig sind. Das geht nicht ab ohne Kommunikation. Überwiegend wird diese Kommunikation eine sprachliche Kommunikation sein, oft zusätzlich unterstützt durch Bilder, Videos, Pläne, Modelle, und vieles mehr.

Kommunikation ist nicht einfach. Nicht nur, dass man überhaupt in der Lage sein sollte vor und mit anderen sinnvoll sprechen zu können, man muss auch alle wichtige Punkte durch die Kommunikation dem anderen verständlich machen. Jeder, der spezielle Ausbildungen durchlaufen hat (was letztlich schon in der Schule beginnt), weiß, dass es oft viele Monate, Jahre, oder gar Jahrzehnte an Lernen und Praxis braucht, um gewisse Wissensgebiete zu verstehen und sie zur Anwendung bringen zu können. Fachgespräche sind hier nur mit solchen Menschen möglich, die eine ähnliche Ausbildung durchlaufen haben und ähnliche Expertise anhäufen konnten. Was aber, wenn solch eine Experte von Gebiet A auf einen Nicht-Experten trifft (z.B. einen Stadtverordneten) oder auf einen Experten auf Gebiet B? Eine solche Kommunikation kommt nicht wirklich zustande, oder verläuft pro forma, oder aber, ist man ernsthaft an wirklichem Verstehen interessiert, man nimmt sich füreinander hinreichend viel Zeit.

In einer Welt wie der unseren, ist aber Zeit ein äußerst knappes Gut geworden. Ich selbst habe es über Jahre erlebt, dass wir zwar einen interdisziplinären, viele Fachbereiche und Disziplinen übergreifenden Studiengang gründen durften, aber die geltenden Kapazitätspläne, die festlegen, wie viel Zeit ein Lehrender für eine bestimmte Zahl von Studierenden aufwenden darf, sehen nicht vor, dass Lehrende aus verschiedenen Disziplinen natürlich einen erheblich höheren Zeitbedarf für die Vorbereitung, Abstimmung und Nachbereitung benötigen, da sie sich ja auch mit den verschiedenen Wissenshorizonten ihrer Kollegen-innen auseinander setzen müssen. Bei einem Lehrdeputat, das sowieso schon grenzwertig ist, führen daher freiwillige zusätzliche Kommunikationszeiten zu einer erheblichen Mehr- und letztlich grenzwertigen Belastung. Dabei ist diese individuelle Belastung ja gar nicht das zentrale Problem, sondern die Möglichkeit, einen pädagogisch und wissenschaftlich vertretbaren Konsens herzustellen (eine ähnliche Situation findet sich heute in vielen Schulen, wo durch Inklusion und erhöhten Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund die Anforderungen an das Lehrpersonal sehr gestiegen ist, ohne dass dafür von Kultusministerien zusätzlich hinreichende Unterstützungen bereitgestellt wurden).

Während also der Aufwand an Kommunikation erheblich steigt, wenn die Zahl der Beteiligten und die Anzahl der unterschiedlichen Wissenskulturen zunimmt, wird die Zeit für Prozesse konträr eher immer knapper, was die Prozessqualität unausweichlich verschlechtert.

SIMULIERTES DENKEN

Angesichts der wachsenden Komplexität von Sachverhalten und der Zunahme an unterschiedlichen Erfahrungswerten, die die einzelnen Personen in einem Problemlösungsprozess einbringen, hat sich im Bereich des Engineering schon seit Jahrzehnten durchgesetzt, dass man das versammelte Wissen zum Problem in Form von ‚Simulationen‚ für alle in gewisser Weise sichtbar macht. In besonderen Kontexten benutzt man sogar ‚interaktive Simulationen‚, die es erlauben, dass der einzelne direkte eigene Erfahrungen sammeln kann, wie das System, die Umgebung, die anderen Beteiligten, auf die eigenen Handlungen reagieren (plakative Beispiele: Flugsimulator, Autosimulator, Schiffssimulator). Die Komplexität heutiger Anwendungen und Situationen erlauben es nicht mehr, dass man alle Eventualitäten rein gedanklich ‚vorweg nimmt‘.

Lange Zeit waren solche Simulationen vornehmlich bei den Ingenieuren zu Hause. Militärische Manöver, Unternehmensspiele oder vielfältige Rollenspielszenarien verdeutlichen aber, dass Simulationen nicht auf rein technische Anwendungen beschränkt sein müssen. Und wenn heute (laut Statistik) im Jahr 2018 ca. 40 Mio Bundesbürger regelmäßig Computerspiele spielen (auch jenseits der 50!), online, auch in Teams mit anderen, dann zeigt dies, das das Format ‚interaktive Simulation‘ ein sehr allgemeines, leistungsfähiges Lern- und Kommunikationsformat ist.

Umso erstaunlicher ist es, dass dieses Format seinen Weg noch nicht in den Bereich von allgemeinen Kommunikations- und Problemlösungsverfahren (Planungsverfahren) gefunden hat.

NUR DREI SIND EINS

So grob die bisherige Systematik erscheint, die Faktoren Wissen (Erfahrung), Motivation und Kommunikation sind alle drei bis zu einem gewissen minimalen Grad notwendig, damit ein einzelner zu einem konstruktiven Prozess beitragen kann. Mangelndes Wissen kann prinzipiell mit Hilfe von Motivation und Kommunikation ‚aktiviert‘ werden; mangelnde Kommunikation kann auch mit Hilfe von Motivation und Wissen ‚aktiviert‘ werden; Mangelnde Motivation jedoch ist sehr schwer ‚aktivierbar‘. Dabei erscheint der Faktor Motivation der wichtigste und zugleich heikelste Faktor von allen dreien zu sein. Das ‚Aktivieren‘ eines Faktors, das heißt der nachträgliche ‚Erwerb‘ von Wissen oder Kommunikationsfähigkeit – oder auch Motivation — ist prinzipiell möglich, erfordert aber echte Anstrengungen und real Zeit, ohne Erfolgsgarantie.

FORTSETZUNG

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FREIHEIT. Was Menschen so denken. Nachhall zu einem Gesprächsnachmittag

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 21.Januar. 2019
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

KONTEXT

Ich bin Mitglied eines Gesprächskreises von ganz unterschiedlichen Menschen. Jeder von Ihnen verkörpert mindestens einen kompletten Roman. Immer wieder treffen wir uns zu einem persönlichen Austausch. An diesem Tag hatte sich jemand das Thema Freiheit vorgenommen, natürlich nicht irgendwie abstrakt, sondern aus seiner sehr persönlichen Wahrnehmung im Lichte seiner Biographie.

Die folgenden Gedanken sind kein Protokoll des Gesprächs, sondern eine Beschreibung des Widerhalls, das dieses Gespräch in mir gefunden hat. Zur Erinnerung – es gab schon viele Blogbeiträge zum Thema Wahrheit –: Wahrheit ist für uns Menschen nicht die ‚Wahrheit an sich‘, sondern zu einem unterschiedlich großen Anteil das, was unser aktuelles Weltbild daraus macht. Deswegen sagt die Äußerung eines Menschen über eine Sache X im ersten Zugriff immer auch etwas über den Menschen, der sich äußert. Im zweiten Zugriff – vielleicht – etwas über die Sache X. Wenn also verschiedene Menschen, die sich nicht kennen, diesen Text lesen, und sie würden im Austausch untereinander ähnliche Dinge von ihrer Lektüre berichten, dann könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass dieser Text Elemente Y enthält, die über die jeweilige individuelle Sicht hinausgehen. Das sagt aber noch lange nicht, dass dann Y mit der Sache X tatsächlich eine Übereinstimmung aufweist.

Diese scheinbare Unlösbarkeit kann manche dazu verleiten, das Reden über die Sache X von vornherein als vergeblich einzustufen. Aber die modernen Wissenschaften haben demonstriert, dass die Menschheit als Ganze über nationale Grenzen, Kulturen und Jahrhunderte hinweg das Wunder vollbracht hat, so viel über die Sache X in ein gemeinsames Reden über die Welt einzubringen, das es erlaubt, belastbare Vorhersagen zu machen und eine Technologie zu entwickeln, die unser Leben auf diesem Planeten ermöglicht. Dass wir diesen Planeten zugleich auch verwüsten können, ist nicht der Wissenschaft als solcher anzulasten. Dazu gibt es andere Kommunikations- und Entscheidungsräume sowie Verhaltensweisen im Alltag, die ihre eigene Wirkung entfalten.

VERHALTENSMUSTER: ERFÜLLEN VON ERWARTUNGEN

Einen großen Raum nahm im Gespräch das Phänomen ein, dass im Alltag jeder Mensch sehr viele Verhaltensmuster, Stereotype, Regelkonformität, ‚political Correctness‘, und Ähnliches zeigt. Sobald man morgens erwacht beginnt man sich zu verhalten und folgt – in der Regel — seinen ‚Gewohnheiten‘, seinen ‚Vorlieben‘, seinen ‚Pflichten‘, seinen ‚Süchten‘, seinen ‚Ängsten‘, und was es alles an Faktoren gibt, die dazu beitragen, dass das Verhalten von uns Menschen im Alltag so ‚erwartbar‘ erscheint; manche mögen es ‚monoton‘ bezeichnen, auf andere wirkt es ‚beruhigend‘, im Rahmen von Institutionen und Firmen ermöglicht es Planung und Produktivität.

Viele erzählten aus ihrem Leben von starken Einwirkungen von Eltern, auch anderen Menschen (Geschwister, Partner, Lehrer, …), deren Verhalten sie stark ‚geprägt‘ hat, sich eingefressen hat in ihre Wahrnehmungen, in ihre Wertungen, damit in das ‚Selbstgefühl‘, in das ‚Bild von sich selbst‘ (Negativbeispiele: das kannst Du nie; Du taugst zu nichts; jetzt hast Du es schon wider vermasselt; du kriegst überhaupt nichts zustande; habe ich Dir doch gleich gesagt usw.), und sie berichteten, dass diese frühen Einwirkungen noch viele Jahrzehnte später ‚aktiv‘ sind, ‚wirken‘, ‚beeinflussen‘, ‚Ängste am Leben erhalten‘, ‚Selbstvertrauen schwächen‘, usw.

BEWUSSTSEIN – UNTERBEWUSSTSEIN

Relativ schnell wurde das Wort vom Unterbewusstsein ins Spiel gebracht (Anmerkung: in den Wissenschaften gibt es keine einheitliche Terminologie zu dem, was ’nicht Bewusst‘ ist; hier wird daher pauschal immer vom ‚Unterbewusstsein‘ gesprochen für all das, was ’nicht Bewusst‘ ist; siehe dazu mehr weiter unten).

Denn jeder macht in seinem Alltag permanent die Erfahrung, dass all das, was er tut, zwar ‚im Ereignis‘ mehr oder weniger bewusst ist (obwohl man auch vieles tut, was einem selbst kaum noch bewusst ist, weil es quasi ‚automatisiert‘ erfolgt), dass aber die ‚Entstehung‘ der eigenen Handlung oft/ meistens/ immer (?) im ‚Dunkel‘ des Nichtbewusstseins liegt. Was sind genau die ‚Kräfte’/ ‚Faktoren‘, die einen dazu bewegen, zu einem bestimmten Zeitpunkt Z zu sagen, zu schreiben, zu malen, zu spielen, zu zeigen, zu tun…. ?

Die Wissenschaft weiß heute, dass das Unterbewusstsein 99 oder mehr Prozent aller Vorgänge im Körper umfasst und sich über das Bewusstsein meistens eher kryptisch mitteilt. Von diesem Wissen hat bislang wenig Eingang in das Alltagswissen gefunden.

ENTSCHEIDEN, WISSEN, FREIER WILLE, MOTIVE

Der Alltag ist voll von Situationen, in denen wir uns zwischen mindestens zwei Alternativen A oder B entscheiden müssen (soll ich jetzt schon aufstehen? trinke ich Kaffee, Tee oder Milch? Esse ich Müsli trotz des unfassbar großen Zuckeranteils? Habe ich noch Zeit für die Zeitung? Rede ich noch mit meinem Mann? Bin ich genügend geschminkt? Welches Kleid ziehe ich heute an? ….. Muss ich heute eine Entlassung aussprechen? Kann ich X eine Finanzzusage über 15 Mio machen? Was sage ich gleich in der Pressekonferenz? Kann ich dem Reporter vertrauen? … Soll ich mehrere Tage für die Lektüre von Buch Y einsetzen, wo ich doch eigentlich keine Zeit habe? ….).

Verhaltensgewohnheiten helfen sehr, um sich entscheidungsmäßig zu entlasten. Statt viel Nachzudenken spult man ein tägliches Programm ab, ohne große Überlegungen.

Wissen über die Welt, d.h. die verschiedenen ‚Bilder‘, die man abrufen kann, wie Dinge aussehen, sich verhalten, warum B passiert, usw. können helfen, mögliche Entscheidungssituationen ‚bewusst‘ zu machen (ohne explizites Wissen kann es allerdings ziemlich ‚düster‘ aussehen; wer nicht weiß, dass es neben A und B auch noch C gibt, wird niemals in die Verlegenheit kommen, C wenigstens zu probieren). Wissen alleine entscheidet aber nicht. Das Entscheiden verorten wir in dem, was – etwas vage – ‚Wille‘ genannt wird. Auch wenn ich weiß, dass A oder B möglich ist, muss ich zu einem ‚willentlichen Entschluss‘ kommen, A oder B tatsächlich ‚zu wollen‘. Solange ich nicht explizit und real A oder B ‚tatsächlich will‘ und es auch ‚tatsächlich tue‘, wird nichts passieren.

Warum aber sollte ich A eher wollen als B? Das reine Wissen um A oder B nützt mir nicht wirklich. Ich brauche auch irgendein ‚Motiv‘, einen ‚Beweggrund‘ eher A zu wählen als B (oder umgekehrt). Und damit geraten wir in den schwierigsten Teil der Überlegungen: Was ist das, ein ‚Motiv‘, ein ‚Beweggrund‘? Wo kommen sie her? Wie entstehen sie? Woher weiß ich um sie? Kann ich sie beeinflussen? Sind sie ‚gelernt‘? Sind sie im Unterbewusstsein ‚fest verdrahtet‘, sodass man von diesen unterbewussten Beweggründen ‚gesteuert‘ wird, deterministisch, und damit letztlich ‚unfrei‘ ist?

Dank des hervorragenden deutschen Bildungssystems hat normalerweise kein deutscher Bürger gelernt, in seinem Bewusstsein-Unterbewusstsein so zu lesen, dass er versteht, was in ihm vorgeht, warum er diese und jene Tendenzen, Gefühle, Emotionen, Triebe usw. hat. Wir geben lieber mehrstellige Milliardenbeträge für ein Gesundheitssystem und ein Justizsystem aus, das ‚reparieren‘ soll, statt dem Bürger von vornherein zu helfen, sich besser zu verstehen und einen Zustand zu finden, in dem er sich im Grund ‚wohl fühlen‘ kann…

AUSBRUCH AUS DER GEGENWART

Auch wenn es ein unfassbar großes Unterbewusstsein gibt, so haben wir erstaunlicherweise doch auch das, was wir ‚Bewusstsein‘ nennen, eine Eigenschaft, die erst ein paar hundert Tausend Jahre verfügbar ist. Und da die biologische Evolution nur Dinge hervor gebracht hat (bisher), die das ‚Leben‘ auf dem Planet ‚Erde‘ begünstigt, muss dieses Bewusstsein neben dem fantastischen Unterbewusstsein etwas ermöglichen, was über die Leistungen des Unterbewusstseins hinaus reicht.

Eine dieser Eigenschaften ist es, dass im Bewusstsein u.a. zwei Wirklichkeitsbereiche aufeinander stoßen: (i) das, was wir aktuell, gerade jetzt, Wahrnehmen, und (ii) das, was unser Gehirn (darin unser Gedächtnis, dieses im Unterbewusstsein) von ‚vorausgehenden Gegenwarten‘ fleißig ‚gespeichert‘ hat. Zwar findet die Begegnung zwischen ‚Gegenwart’/ ‚Jetzt‘ und ‚Vergangenheit‘ primär im Unterbewusstsein statt, aber auch im Bewusstsein. Es ist uns ‚bewusst‘, was wir gerade sehen, hören, riechen usw., und unsere ‚Erinnerung‘, die durch dieses Wahrnehmungen ‚geweckt‘ wird, ‚kommentiert‘ kontinuierlich (automatisch, unbewusst, ohne dass wir dies explizit wollen), die sensorische Gegenwart mit den abstrakten Bildern der Vergangenheit. Von daher erleben wir etwas als ‚bekannt‘, ‚vertraut‘ oder eben als ‚unbekannt‘, ’neu‘. Und wir können grob unterscheiden zwischen ‚jetzt‘ und ‚vorher‘, und damit ansatzweise Abfolgen aufbauen.

Und weil wir Menschen von der Gattung ‚homo sapiens‘ neben dem Bewusstsein auch über die wunderbare Fähigkeit zur ‚Sprache‘ verfügen, können wir das, was wir bewusst (!) wahrnehmen, mit sprachlichen (symbolischen) Ausdrücken assoziieren, die uns in die Lage versetzen, das, was gerade ist, zu ‚protokollieren‘, und dann im Vergleich der vielen Protokolle feststellen, dass sich die Wahrnehmungsinhalte ändern, wie sie sich ändern, wie häufig, usw. Über das Bewusstsein und mit Hilfe der Sprache können wir den sensorischen Augenblick, die sensorische Gegenwart überwinden und Beziehungen zwischen den Phänomenen, Veränderungen sichtbar machen. Im sprachlich vermittelten Bewusstsein kann daher ein Bild von der Welt als Prozess entstehen, der Hinweise liefert, warum heute B stattfindet (weil viele As vorausgingen), und warum morgen vielleicht C stattfinden wird (weil wir gelernt haben, wann dem B ein C nachfolgt).

Auch wenn wir nicht direkt ins Unterbewusstsein schauen können, können wir aufgrund des Bewusstseins und der Sprache anfangen, zu lernen (durch Beobachtungen und Vergleichen), wann welche Phänomene sich zeigen, bei welchem Kontext, in welcher Abfolge, und dann kann man ‚lernen‘, dass unser Unterbewusstsein von einem ganzen ‚Kosmos‘ von Faktoren bevölkert ist, die z.T. große Unterschiede aufweisen (Schwindel, Zahnschmerzen, Hunger, sexuelle Erregung, Träume, Ängste, Wut, Eifersucht, Freundlichkeit, Ruhe, Erregung, …) , wann und warum sie auftreten, ob und wie man sie durch bewusstes Verhalten beeinflussen kann.

BEWUSSTSEIN, UNTERBEWUSSTSEIN, GEHIRN, KÖRPER, LEBEN, PLANET …

Durch die systematische Ausnutzung der Möglichkeit von Bewusstsein und Sprache haben die Wissenschaften mittlerweile auch das ‚Dunkel des Unterbewusstseins‘ schon ein wenig aufhellen können. Moderne Physiologie, speziell auch Neurophysiologie, in enger Kooperation mit Psychologie und Phänomenologie, dazu Biologie mit speziell Evolutionsbiologie, haben erste Erkenntnisse darüber, wie das Gehirn im Körper funktioniert, wie die Interaktion zwischen Gehirn und Körper verläuft, und wie unsere Körper im Laufe von 3.8 Milliarden Jahren sich in Interaktion mit dem Planet Erde geformt haben. Viele interessante Fragen sind noch nicht beantwortet, aber das, was wir bisher erkannt haben, ist so überwältigend, dass es alle Fantasien der vorausgehenden Jahrtausende völlig in den Schatten stellt.

Grundsätzlich gilt, dass das Gehirn als Gehirn in keinster Weise ‚deterministisch‘ ist, dass die biologischen Zellen, aus denen alles besteht (Gehirn, Körper, Tiere, Pflanzen…) als solche in keinster Weise deterministisch sind, und dass auch alles, was die moderne Physik über die Struktur der Materie (und Energie) herausgefunden hat, zeigt, dass der Stoff, aus dem alles ist (Energie-Materie) ebenfalls vollständig in-deterministisch ist. Man muss die Ursachenkette daher umdrehen: weil die Energie-Materie als solche radikal ‚frei‘ ist, können die biologischen Zellen radikal ‚frei‘ sein, und alle Strukturen, die aus Zellen bestehen (Pflanzen, Tiere (und wir als homo sapiens sind ein Teil davon)), können ebenfalls radikal ‚frei‘ sein.

Freiheit ist von daher kein Gegensatz zu konkreten Entscheidungen und Beeinflussungen, sondern ist der Möglichkeitsraum aufgrund dessen überhaupt Entscheidungsmöglichkeiten bestehen. Wie wann was entschieden wird, das ist die eigentlich interessante Frage. Und das ganze moderne Marketinggetöse um sogenannte ‚künstliche Intelligenz‘ hat noch nicht bemerkt, dass Geschwindigkeit und Menge an Informationen ziemlich wenig mit Freiheit, Entscheiden und Entscheidungsmotiven zu tun hat. Warum ich wann was entscheide, das ist die eigentliche Schicksalsfrage des Lebens im Universum. Dazu hört man aber bislang nicht all zu viel.

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BAUSTEINE DER ‚UNLOGIK‘ VON GESCHICHTE: Philosophie und Politik, Einzelner und Geschichte, Das Beharrliche an Ungerechtigkeit

DENKEN, KÖRPER, WELT, POLITIK

1. Seit dem letzten Sommer schreibe ich in diesem Blog immer wieder und immer mehr über ‚politische‘ Themen, obgleich ich dies weder geplant hatte noch eigentlich will; die Tagesereignisse wirken jedoch auf das philosophierende Denken wie eine Art ‚Störfeuer‘; ich möchte Strukturen unseres Denkens, unseres Wissens, unseres Handelns weiter klären, aber dann rasen Meldungen durch die Medien von Ereignissen, die Auswirkungen auf viele haben, von Menschen, die Entscheidungen fällen, die ganze Nationen elementar betreffen, und dann ist irgendwie klar, dass das individuelle Denken und der reale Gang der Geschichte nun mal irgendwie zusammenhängen. Das individuelle Denken findet in einer realen Matrix von Gegebenheiten, Handlungen anderer statt, von denen man zwar im Denken bis zu einem gewissen Grad ‚abstrahieren‘ kann, aber trotz denkerischer Abstraktion bestehen diese realen Zusammenhänge. Auch wenn ich im ‚Denkraum‘ abtauche bleibt mein Körper ein realer Moment in realen Prozessen, verlangt er nach Nahrung, hat einen amtlich registrierten Namen, bin ich eine Nummer in einer Verwaltungsmaschinerie, unterliege ich den Spielregeln der aktuell jetzt und hier geltenden Gesetze. Im Denken kann ich ‚anders‘ sein als der Moment, als der Augenblick, als es die realen Situationen vorsehen und erlauben, aber das Denken als Denken verändert nicht notwendigerweise die Realität. Ich kann über Grundprinzipien der Demokratie ’nachdenken‘ und zugleich mit meinem Körper in einer Situation leben, in der Demokratie abgebaut wird, und ich dadurch zu diesem Abbau dadurch mit beitrage, dass mein Körper ’nichts tut‘, was diesen Prozess stoppt.

2. In dem Maße, wie ich meine, das Zusammenspiel von Realität und Denken besser zu verstehen, in dem Maße verliert die Realität ihre ‚Unschuld‘. In dem Maße wie man zu verstehen meint, wie die Prozesse des Alltags nicht ’naturgegeben‘ sind, nicht ‚unabwendbar‘, sondern auch von uns Menschen, von jedem einzelnen von uns, ‚erzeugt‘, in dem Masse wird Denken ‚über‘ diese Realität mehr und mehr zu einem Denken ‚der Realität‘, in der jedes Wort, jede Geste, jedes Handeln ‚bedeutsam‘ wird: wenn ich ’schweige‘ dann ‚rede‘ ich in der Form der Zustimmung; wenn ich rede, dann dann rede ich in Form der realen Interaktion. Dann tritt mein Denken in einem scheinbar ’schwachen‘ aber dennoch ‚realen‘ Dialog mit der Welt, in der mein Körper vorkommt. Es ist aktuell die Welt des Jahres 2014 (andere Kalender haben andere Zahlen).

3. Ich beginne für mich zu realisieren, dass die Zeit des ‚politikfreien‘ Denkens möglicherweise vorbei ist. Ich stelle fest, dass ich nicht mehr so abstrahieren kann wie früher. Ich stelle fest, dass das Denken der großen Entwicklungslinien des Lebens auf der Erde und das Alltagsgeschehen immer mehr verschmilzt. Der atemberaubende kosmologische Prozess dieser unserer Erde als Teil von Sonnensystem, Milchstraße usw. bricht sich in den scheinbar ‚geschichtslosen‘ Aktionen von Milliarden menschlicher Individuen jeden Tag neu, und je mehr man das Wunder des Lebens zu erkennen meint, umso unfassbarer wird die Perspektiv- und Verantwortungslosigkeit, die unser ‚Alltagshandel‘ zu haben scheint.

IMPLIZITES WISSEN UND EXPLIZITES HANDELN

4. Ich sage bewusst ’scheint‘, da nach aktuellem Kenntnisstand fast alles, was die Lebenssituation auf der Erde betrifft und die Strukturen des biologischen Lebens, stattgefunden hat und stattfindet ohne unser Zutun. Allerdings hat die Existenz der menschlichen Lebensform auf dieser Erde seit ein paar Millionen Jahren die Erde im Handlungsbereich eben von uns Menschen zunehmend verändert. Diese Änderungen sind mittlerweile so stark, dass wir drauf und dran sind, wichtige Teilprozesse des Gesamtprozesses so zu stören, dass der Gesamtprozess damit nachhaltig gestört wird.

5. Dennoch, obwohl das beobachtbare Verhalten von uns Menschen große Einwirkungen auf die eigene Lebensumwelt erkennen lässt, und es Menschen, Gruppierungen, größere Organisationen und Firmen gibt, deren Verhalten ‚planvoll‘ wirkt, kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass das ‚Planvolle‘ an dem Geschehen letztlich überwiegend wenig reflektiert ist und von individuellen Motiven einzelner angetrieben wird, die in der individuellen Psyche und deren individueller Geschichte wurzeln, und denen jeder Bezug zu einem größeren Ganzen abgeht. Dass ‚kleinwüchsige Männer‘ einen überhöhten Geltungsdrang haben, der viele Völker in einen Strudel von Kriegen und Zerstörung getrieben haben, ist nicht nur ein Klischee, sondern historische Realität. Dass persönliche Eitelkeiten und individuelles Machtstreben gepaart mit allerlei anderen individuellen Bedürfnissen Ländereien, Fabriken, ganze Völker ruiniert haben, ist auch real. Kurzum, das psychologische Format des einzelnen Menschen erscheint immer mehr als unzureichend für die Herausforderungen einer komplexen Massengesellschaft. Während die komplexen Prozesse einer Stadt, einer Region weitreichende vernetzte und rückgekoppelte Denkprozesse verlangen, die von Menschen ausgeführt und unterstützt werden, die in ihrem Denken und Fühlen dazu fähig sind, ist die normale psychologische Ausstattung eines einzelnen Menschen dafür im Normalfall gar nicht ausgelegt.

WENDEPUNKT DER EVOLUTION?

6. Immerhin, der Mensch, zumindest der homo sapiens sapiens, hat ca. 100.000 Jahre mit seiner psychologischen Ausstattung Erstaunliches bewegt und geleistet. Nun aber scheint homo sapiens sapiens sowohl mit seinem psychologischen Format wie auch mit seinen kognitiven Fähigkeiten wie ein Insekt um ein tödliches Licht zu kreisen, das im Fall des homo sapiens sapiens die in jedem Individuum eingebauten zeitlich eng begrenzten Bedürfnisse und Motive sind, die ihn wie ein unsichtbarer Magnet in ihrem Bann halten und letztlich im Alltag bestimmen. Die verschiedenen Religionen (alle, ohne Ausnahme!) haben bislang wenig dazu beigetragen, das Bild des Menschen real so aufzuhellen, dass wir diesem in unseren Genen eingeschriebenem Programm des ‚Handelns auf Kurzsicht, Nahbereich, triebhafter Elementarsteuerung‘ usw. irgendwie entkommen könnten. Letztlich haben sie es mit blumigen Worten und allerlei zufälligem Regelwerk festgeschrieben, den Status Quo zum Selbstzweck erklärt. Am allerschlimmsten, sie haben die ‚Erde‘ und den ‚Himmel‘ geteilt. Das ist die schlimmste Form des Atheismus, die es geben kann.

7. Historisch befindet sich der homo sapiens sapiens an dem bislang ‚höchsten Punkt‘ seiner Entwicklung. Zugleich ist dies eine Art ‚Scheitelpunkt‘ an dem ein nachhaltiger ‚Systemumbau‘ notwendig ist, soll das bislang Erreichte nicht im Desaster enden. Einerseits scheint es, als ob wir genügend Wissen ansammeln konnten, andererseits stecken wir alle in einer ‚unsichtbaren‘ psychologischen ‚Programmhülle‘, die die Gene in unserem Körper und Gehirn angelegt haben, die jeden einzelnen in seinem Bann hält und wie von einer unsichtbaren Macht gezogen täglich zu Gefühlen und Handlungen anregt, die sowohl individuell wie gemeinschaftlich eher ‚destruktiv‘ wirken als ‚konstruktiv‘.

8. Solange der gesellschaftliche Diskurs diese Problematik nicht offen und kompetent adressiert, solange werden wir das bisherige Programm unserer Gene weiter ausführen und damit unsere individuelle wie gemeinschaftliche Zukunft möglicherweise zerstören; nicht, weil wir dies explizit wollen, sondern weil wir implizit, ’nichtbewusst‘, Dinge tun, die unser genetisches Programm uns beständig ‚einflüstert‘, weil sich dieses Programm vor langer Zeit mal bewährt hatte. Moralisieren und die verschiedenen, aus dem Nichtwissen geborenen Religionen, helfen hier nicht weiter. Die Wissenschaft könnte helfen; alle bekannten Gesellschaftssysteme forcieren aber – wenn überhaupt – eine Wissenschaft, die auf kurzfristigen wirtschaftlichen Erfolg programmiert ist, und sich in den fachlichen Details verliert und gerade nicht ein solches Wissen, das Disziplinen übergreifend nach Zusammenhängen sucht und das alltägliche Fühlen und Denken in seiner Gesamtheit im Zusammenhang sieht mit dem zugrunde liegenden genetischen Programm.

WEN FRAGEN ERWACHSENE?

9. Kinder können die Erwachsenen fragen, was sie tun sollen, und sie fragen auch. Wen können die Erwachsenen fragen? Und wenn wir alle gleich wenig wissen, wen fragen wir dann zuerst?
10. Alle Antworten sind im Prinzip schon da. Ich bin auch überzeugt, dass wir die Antworten irgendwann finden werden. Wann? Bei einem historischen Prozess von ca. 13.8 Mrd Jahren kommt es nicht auf ein paar tausend ode ein paar zehntausend oder auch mehr Jahre an. Solange wir als einzelne nicht begreifen (und fühlen), dass wir grundsätzlich Teil dieses größeren Ganzen sind, solange können diese Gedanken ’schrecklich‘ wirken.

SELBSTBEHARRUNG DER UNGERECHTIGKEIT

11. Zum letzten Teil der Überschrift: wenn man sich lange genug die vielen ‚Ungerechtigkeiten‘ in unserer Welt anschaut, so beruhen sie ja allesamt auf dem Schema, dass einige wenige sich ‚Vorteile’/ ‚Privilegien‘ auf Kosten einer Mehrheit herausnehmen. Die Begründungen für diese Privilegien variieren im Laufe der Geschichte (auch dafür musste oft Gott herhalten: ‚göttliche Abstammung‘, ‚gottgewollt‘ …). Letztlich sind alle diese Begründungen nicht viel wert. Wenn das Leben als Ganzen der oberste Wert ist und alle Teile grundsätzlich ‚gleichberechtigt‘, dann können nur solche Lösungen zählen, in denen für die Gesamtheit ein Optimum angestrebt wird. Die Tendenz individuell oder gruppenmäßig Privilegien anzuhäufen, huldigt der Überlebenslogik, dass nur die ‚eigene Gruppe‘ überleben kann und soll und dass alle ‚anderen‘ Feinde sind. Dies ist die implizit kurzsichtige Logik der Gene. Für komplexe Gesellschaften als Teil komplexer Abläufe ist dies, wie sich allenthalben zeigt, kontraproduktiv oder sogar tödlich. Allerdings scheint es so zu sein, dass privilegierte Gruppen von sich aus fast nie ‚freiwillig‘ auf ihre Privilegien verzichten. Änderungen kamen daher immer entweder dadurch, dass die Privilegienbesitzer sich selbst zugrunde gewirtschaftet haben oder weil Unzufriedene sich dieses Schauspiel nicht mehr länger ansehen wollten und versucht haben, sich ihre angestammten Rechte notfalls mit Gewalt zurück zu holen. Revolutionen, Kriege, Terrorismus sind daher immer auch Indikatoren für Ungleichgewichte. Nach erfolgreichen Aufständen wurden dann die ‚Aufrührer‘ selbst zu ‚Privilegierten‘, usw.

RUM-Music

Musik vom 13.Maerz 2014, kann man hören muss man nicht. Eines von vielen experimentellen Stücken.

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WERKSTATTGESPRÄCH 14.Dezember 2013 – Rückblick

In Fortsetzung des Werkstattgesprächs vom 9.November 2013 fand sich wieder eine interessante Gruppe zusammen. Die konstruktive Atmosphäre wurde nur durch den zu kühlen Raum behindert, der uns zu einem früheren Abbruch bewegte, als geplant. Nichtsdestotrotz verlief das Gespräch lebendig und interessant.

Skizze vom Brainstorming beim Werkstattgespräch am 14.Dez.2013 (Fortsetzung vom 9.Nov.2013)
Skizze vom Brainstorming beim Werkstattgespräch am 14.Dez.2013 (Fortsetzung vom 9.Nov.2013)

Die Gedanken vom letzten Werkstattgespräch anhand der Gedankenskizze aufgreifend fokussierten die Gesprächsgruppen dieses Mal stark auf den Komplex Motivation – Gefühl – Emotion – Interesse einerseits und die Wechselwirkung dieses Komplexes mit dem Denken und dem Handeln. Ergänzt wurde dies von den Gesprächsgruppen durch den Hinweis auf das Gehirn als Sitz der vielfältigsten Bedürfnisse und Emotionen und dort wiederum unterscheidbar nach Hirnregionen, die sich verschiedenen Stadien der Gehirnentwicklung zuordnen lassen. In bestimmten Gefahrensituationen kann das Gehirn z.B. über seine Schaltungen ‚reflexartig‘ bestimmte Emotionen (‚Angst‘, ‚Flucht‘, ‚Aggression’…) aktivieren, um ein situationsgerechtes Verhalten quasi ‚aus dem Stand‘, ohne viel Reflexion, zu ermöglichen. Der Gesprächsverlauf zeigte aber, dass sich die Gesprächsteilnehmer in der Vagheit der Begriffe zu verstricken drohten, da alle die hier einschlägigen Begriffe eine sachlich bedingte ‚Unschärfe‘ mit sich bringen.

Es wurde daher an dieser Stelle eine kurze Metareflexion eingeblendet. Sie begann mit der Einblendung des Philosophischen Comic im Anschluss an das letzte Werkstattgespräch. In diesem kurzen Dialog wurde das Thema ‚Außenwelt‘ – ‚Innenwelt‘ behandelt und am Beispiel des Handy-Klingelns im Alltag verankert.

Skizze zur Übersetzung ('transduction') Energieereignissen im Kontext von von empirischen Ereignisquellen in neuronale Ereignisse. Am Beispiel des Ohres kann man ca. 6 verschiedene Übersetzungsprozesse unterscheiden, die alle hintereinander geschaltet sind
Skizze zur Übersetzung (‚transduction‘) Energieereignissen im Kontext von von empirischen Ereignisquellen in neuronale Ereignisse. Am Beispiel des Ohres kann man ca. 6 verschiedene Übersetzungsprozesse unterscheiden, die alle hintereinander geschaltet sind

Dies wurde erweitert um ein Schaubild zum Sinnesorgan ‚Ohr‘, in dem die Umwandlung der Schallenergie ‚außerhalb des Körpers‘ über fünf Transformationsstufen in ’neuronale Energie‘ in Form von wandernden elektrischen Potentialen illustriert wurde. Den wandernden elektrischen Potentialen kann man die Werte ‚1‘ und ‚0‘ zuordnen, analog den elektrischen Potentialen in den Chips der Computer. Diese Signale wandern dann von jedem Ohr in Richtung Gehirn und werden auf diesem Weg mehrfach ‚verschaltet‘ bzw. ‚verrechnet‘. Z.B. kann das Gehirn aus der Ungleichzeitigkeit von Schallereignissen am ‚linken‘ und ‚rechten‘ Ohr eine ‚Richtung‘ herausrechnen, aus welcher der Schall relativ zum Hörer kommt.

Der springende Punkt ist hier, dass die neuronale Maschinerie mit ihren ca. 100 Milliarden unverbundenen Nervenzellen als solche zwar elektrische Potentiale (und dazu gehörige diverse biochemische Prozesse) erkennen lassen, dem einzelnen Neuron als solchen kann man aber nicht ‚ansehen‘, ‚Teil‘ welcher ‚Funktion‘ es ist. Das ist analog zum Computer: die elektrischen Werte eines einzelnen logischen Gatters in einem Chip kann man messen, daran kann man aber nicht erkennen, welche ‚übergreifende Funktion‘ damit realisiert wird. Eine ‚übergreifende Funktion‘ erschließt sich nicht auf der Ebene der ‚Schalter‘, sondern nur auf einer ‚höheren‘ Ebene, einer ‚Metaebene‘. Im Fall von biologischen Systemen ist dies einmal der Bereich des ‚bewussten Erlebens (Bewusstsein)‘ und/ oder der des beobachtbaren Verhaltens.

Ein Beispiel ist unsere Fähigkeit, uns bestimmte Erlebnisse zu ‚merken‘, sie wieder ‚erinnern‘ zu können. Den konkreten Prozess des ‚Speicherns‘ und ‚Wiederfindens‘ können wir nicht ‚einsehen‘, nur seine ‚Wirkungen‘. Aus dieser Abfolge von ‚Ereignissen‘ und ‚Wiedererinnern‘ können wir versuchen, uns ein Bild zu machen, wie unser ‚Gedächtnis‘ funktioniert.

Skizze zum Zusammenhang von 'Außenweltereignissen' und 'Innenweltereignissen', sowie 'Neuronal' vs. 'Funktional', dazu die spezielle Rolle des 'bewussten Erlebens'
Skizze zum Zusammenhang von ‚Außenweltereignissen‘ und ‚Innenweltereignissen‘, sowie ‚Neuronal‘ vs. ‚Funktional‘, dazu die spezielle Rolle des ‚bewussten Erlebens‘

Dies haben einerseits viele Philosophen in der Vergangenheit versucht, aber auch, ab dem späten 19.Jahrhundert, immer mehr Psychologen (als Begründer der modernen Gedächtnisforschung gilt Ebbinghaus). Diese haben im Laufe von mehr als 100 Jahren ein ‚Modell‘ der Gedächtnisleistungen ermittelt, das grob die Komponenten ‚Sensorischer Speicher‘, ‚Kurzzeitspeicher‘ sowie ‚Langzeitspeicher‘ umfasst, mit recht komplexen internen Funktionen. Unser bewusstes Erleben (Bewusstsein) korrespondiert sehr stark mit dem ‚Kurzzeitspeicher, der auch ‚Arbeitsspeicher‘ oder ‚Arbeitsgedächtnis‘ genannt wird.

Zurück von dieser Metareflexion zum Diskussionsthema ‚Emotionen – Gefühle – …‘ deutete sich an, dass wir aus der Perspektive des Erlebens nur einen sehr begrenzten und groben Zugang zu jenen Gehirnprozessen haben, die den verschiedenen ‚Erlebnissen = Phänomenen‘ zugrunde liegen, die wir ‚Gefühl‘, ‚Emotion‘, ‚Motivation‘ usw. nennen. Und wenn diese noch durch evolutionäre ‚Erbschaften‘ ‚überlagert‘ sind, durch die das Gehirn uns aufgrund seiner Verschaltungen in bestimmte Richtungen ‚drängt‘, die wir selbst ‚gar nicht wollen‘ (Was ist ‚Wollen‘?), dann wird die Lage nicht gerade einfacher.

Soweit, stark vereinfachend, der Gesprächsprozess vom 14.Dez.2013.

Vorschau: das nächste Werkstattgespräch findet statt am Sa, 11.Januar 2013, 19:00h, im vorderen Teil von Confetti 2.0 (da ist es wärmer….:-))

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ZWISCHENREFLEXION: DEMOKRATIE – MEHR ALS NUR EIN WORT!

Letzte Änderungen (als Kommentar): 9.Sept.2013

1) In den letzten Wochen der Lektüre und Reflexionen zum Thema USA – Demokratie – Missbrauch von Demokratie – emergente Komplexität – Zukunft des Lebens auf der Erde habe ich nicht nur eine neue Nähe zu diesem alten Thema bekommen, sondern — vielleicht muss ich dies so direkt sagen — fast habe ich das Gefühl, dass ich überhaupt zum ersten Mal meine zu erahnen, welch ungeheuerliche Errungenschaft demokratische Gesellschaftsformen im Laufe der Evolution waren.
2) Für alle, die in Demokratien leben oder gar darin aufgewachsen sind, besteht allerdings immer die Gefahr, sich an das Wunderbare so zu gewöhnen, dass man es irgendwie gar nicht mehr wahrnimmt, es wird zum Alltag, ein Grau in Grau, in dem alltägliche Ereignisse die Wahrnehmung anfüllen und die ermöglichende Hintergründe verschwinden, verblassen, unwirklich werden, bis dahin, dass irgendwann niemand mehr so richtig weiß, dass man tatsächlich in einer Demokratie lebt; dass man noch versteht, was es bedeutet, in einer Demokratie zu leben, und welch ungeheure Prozesse in der Vergangenheit notwendig waren, dass es dazu kommen konnte.
3) Und es ist genau der Alltag, in dem sich einerseits der ‚Sinn von Demokratie‘ ‚erfüllt‘, indem die Menschen in einer Demokratie in einer Weise frei leben können, wie sie es in keinem anderen Gesellschaftssystem können; zum anderen ist es aber auch diese Freiheit — gerade dann, wenn sie zur ‚Normalität‘ wird — die in gewisser Weise Ertauben und Erblinden lässt für das Kostbare an ihr. Solange man genug zu Essen und zu Trinken hat wird man sich kaum darum kümmern, wo Essen und Trinken herkommt; erst wenn das Wasser knapp wird, wenn Essen ausbleibt, fängt man an, danach zu suchen. Dann kann es zu spät sein. Ohne Wasser kein Essen, ohne Essen kein Leben. Dann fehlt auch die Kraft zu allem anderen.
4) Neben der ‚Gewohnheit‘ schlechthin, die alle Gehirne einlullt (ob Reich oder Arm, ob ‚einfach‘ oder ‚gebildet‘, ob ‚machtfern‘ oder ‚machtvoll‘), sind es die Eigenart von Institutionen, die jedes Mitglied durch ihre Rollen und Regeln in ihren Bann ziehen. Davor ist keine Institution gefeit. Selbst eine ’staatliche‘ Einrichtung, die von ihrer juristischen Begründung her, dem ‚Staat dienen‘ soll, kann einem Staat nur in dem Masse dienen, wie ihre Mitglieder auch in der Weise ‚denken‘ und ‚fühlen‘, wie sie ihrem staatlichen Auftrag entspricht. Wie die Geschichte uns lehrt, gibt es zwischen dem ‚Auftrag‘ und dem ‚Denken‘ und ‚Fühlen‘ keinen Automatismus; das Handeln und das Selbstverständnis von Mitgliedern jeder Institution kann sich sehr weit von dem entfernen, was mit dem Auftrag gemeint ist. Und wenn die Leiter oder ‚Chefs‘ von Institutionen schon ’schiefliegen‘ (was sehr schnell der Fall sein kann), dann kann dies eine Institution sehr direkt und sehr schnell ‚prägen‘.
5) Da alle Institutionen diese Sollbruchstelle ‚Irrtum‘, ‚Fehlinterpretation‘, ‚unkritische Gewohnheiten‘ usw. besitzen, würde eine Demokratie versuchen, eine maximale Transparenz zwischen allen Institutionen herzustellen, Verfahren einrichten, die bewusst mit Irrtümern rechnen und die es erlauben, Irrtümer zu korrigieren. Dem steht die ’natürliche Eigentendenz‘ von Institutionen und ihren ‚Gewohnheiten‘ entgegen, sich ‚abzuschotten‘, da die Mitglieder von Institutionen ihre Arbeit und ihren Lebensunterhalt genau der Existenz dieser Institution verdanken. Je weniger Alternativen sie für sich sehen, umso mehr werden sie ‚ihre‘ Institution ’schützen‘. Alle ‚Abweichler‘ sind bedrohlich, alle ‚Neuerer‘ gefährlich! Transparenz und Erfolgskontrollen werden als ‚feindlich‘ interpretiert.
6) Diese ‚Selbstverliebtheit‘ von Institutionen ist unabhängig von ethnischen, ideologischen, politischen oder sonstigen Randbedingungen; es sind wir Menschen selbst mit unseren Bedürfnissen und Ängsten, die wir uns mit Institutionen ’solidarisieren‘, wenn wir den Eindruck haben, sie helfen uns.
7) In einer Demokratie braucht es genauso Institutionen wie in jeder anderen Gesellschaftsform. Während aber in einer Nicht-Demokratie Institutionen ausschließlich an den jeweiligen ‚Machthabern‘ und ‚Geldgebern‘ ausgerichtet sind (bei Beachtung der starken Eigeninteressen), ist in einer Demokratie eine Institution zwar auch dem ‚juristischen Auftraggeber‘ verpflichtet, daneben aber auch und nicht zuletzt der Bevölkerung, dem diese Institution ‚dienen‘ soll. Das schafft eine höhere Verantwortung, stellt eine größere Herausforderung dar, verlangt mehr von allen Beteiligten. Demokratische Gesellschaften setzen immer und überall ‚freie Bürger‘ voraus, die sich den grundlegenden Werten verpflichtet fühlen.
8) Und damit wird deutlich, wo die primäre Schwachstelle jeder Demokratie — wie aber auch letztlich jeder menschlichen Vereinigung — liegt: der ‚freie‘ und ‚wertebewusste‘ Bürger fällt nicht einfach so vom Himmel, er muss ‚entstehen‘ durch langwierige Lernprozesse, die nie aufhören. Er muss lernen, sich eine eigene Meinung zu bilden, die wirklichkeitsbezogen (= wahr) ist und zugleich ‚kritisch‘ in dem Sinne, dass er/sie weiß, warum er/sie das so sieht; er/sie hat Begründungen, kann begründen, kann Fragen stellen und kann Antworten finden.
9) Doch im Alltagsgeschäft — siehe die vielen früheren Blogeinträge –, in dem jeder um seinen Lebensunterhalt kämpfen muss, ist der Raum und die Zeit für notwendige Informations-, Kommunikations- und Denkprozesse mehr als knapp. Faktisch lässt jeder auf irgendeine Weise vieles ‚von anderen Denken‘ im Vertrauen, dass diese es schon richtig machen…. und das erscheint fast unausweichlich angesichts der — selbst erzeugten — wachsenden Komplexität der Umwelt.
10) Und in dem Masse, wie jeder auf den anderen angewiesen ist, muss er darauf vertrauen können, dass der andere das ‚Richtige‘ meint und tut. Vertrauen ist eine Grundkategorie in modernen komplexen Gesellschaften — auch wenn Vertrauen per se keine Korrektheit oder Richtigkeit garantiert. Selbst wenn der andere, dem man vertraut, beste Absichten hat, kann er irren.
11) Und hier wird wiederum deutlich, dass eine funktionierende, transparente, qualitativ hochwertige Öffentlichkeit die wichtigste Schlagader jeder lebendigen Demokratie ist. Beginnt diese zu leiden, wird diese geschwächt, wird sie verzerrt und manipuliert, dann zerbricht eine Demokratie quasi an ‚inneren Blutungen‘. Alle Mitglieder einer Demokratie — einschließlich ihrer Institutionen — werden desintegriert und partikuläre Interessen gewinnen die Oberhand (vorzugsweise Geheimdienste und Militär verbunden mit jenen Unternehmen, die dadurch profitieren (Paradebeispiel der zweit Irakkrieg)).
12) In solchen ‚verzerrten‘ undemokratischen Situationen können nur außergewöhnliche Maßnahmen (wie z.B. die von Martin Luther King oder anderen politischen Bewegungen) helfen, das allgemeine Bewusstsein so zu beeinflussen, dass eine Mehrheit sich für die notwendigen demokratischen Werte bereit findet. Demokratie ohne entsprechenden Einsatz kann es auf Dauer nie geben. Ein demokratisches Bewusstsein entsteht nicht von selbst. Es muss sich anlässlich von Fragestellungen aktiv und öffentlich formen (in diesem Kontext sind z.B. Polizeikräfte, die Demonstranten nicht mehr als ‚Bürger‘ wahrnehmen und nicht als solche behandeln, keine ‚demokratischen‘ Kräfte mehr, genauso wenig jene, die sie befehligen).
13) Doch zurück zum Grundsätzlichen: wenn die biologische Evolution nun mal diese exponentiell wachsende Komplexität aus sich heraus gesetzt hat und wir wissen, dass es ein ‚Optimum‘ nur geben kann, wenn alle Beteiligten sich dem Prozess — letztlich auf ‚demokratische‘ Weise !!! — nicht ‚unterwerfen‘, sondern sich bewusst und verstehend und motiviert ‚einordnen‘, dann ist Demokratie nicht nur ein polit-technisches Problem der hinreichenden Kommunikation, sondern auch ein Problem der ‚Motivation‘, der ‚Werte‘, ja sicher auch eines der geeigneten ‚Spiritualität‘. Woher soll all die Motivation kommen? Wie soll jemand sich für eine ‚gemeinsame Sache‘ einsetzen, wenn viele wichtige Vertreter in der Öffentlichkeit — meist aus Dummheit — ‚Egoismus‘ predigen, ‚Gewalt‘ verherrlichen, ‚Misstrauen‘ sähen, und Ähnliches mehr.
14) Nah betrachtet kann man ja niemanden zu einer ‚demokratischen Gesinnung‘ zwingen; noch so viele Anregungen und Lernprozesse bleiben ‚unvollendet‘, wenn die betreffende Person ‚von sich aus‘ ’nicht will‘. Umgekehrt heißt dies, eine demokratische Überzeugung und ein bewusstes demokratisches Verhalten sind Persönlichkeitsmerkmale von großem Wert, die einem ‚Geschenk‘ an die Gesellschaft gleich kommen. Die Menschen der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, die vielen Menschen und Bewegungen weltweit, die sich für die Rechte der Menschen und eine menschliche Gesellschaft einsetzen, sind alle nicht ‚Geschickte‘, sondern aus eigenem Antrieb ‚Berufene‘ für eine bessere menschliche Gesellschaft, letztlich für uns alle. ‚Demokraten‘ sind Menschen, die sich ihrer ‚Menschlichkeit‘ im Kontext aller anderen Menschen — auf die eine oder andere Weise — ‚bewusst‘ geworden sind und die mit ihrem Leben dazu beitragen wollen, dass wir ‚gemeinsam‘ eine Zukunft als ‚Menschen auf dieser Erde‘ haben.
15) Alle wissenschaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass wir den aktuellen Komplexitätssprung der Evolution nur in dem Umfang werden bewältigen können, in dem wir es schaffen, möglichst viele Bereiche der Menschheit ‚von innen her‘ dazu zu befähigen, die alltäglichen Prozesse entsprechend zu gestalten. Die Zukunft ist in diesem Sinne nicht nur eine technologische Herausforderung, sondern auch — und vielleicht je länger um so mehr — eine ‚personale‘, ’spirituelle‘ Herausforderung. Die Moral, Ethiken, Verhaltensmuster, Machtspiele der Vergangenheit werden nicht ausreichen, um die nächste Hürde zu nehmen. Bislang haben wir ‚Heilige‘ und ‚Helden‘ gern ins Museum gestellt als die großen Ausnahmen, auf möglichst hohe Podeste, dass nur ja niemand auf die Idee kommen könnte, solches Verhalten mit dem Alltag zu nahe in Verbindung zu bringen. Aber die Wahrheit ist, wir brauchen dieses ‚Heroisch-Heilige‘ für jeden von uns, letztlich. Es ist nur nicht ganz klar, wie wir diese ‚von innen getriebene‘ Bewegung wirksam fördern können. Möglicherweise müssen wir das auch gar nicht, weil jeder von uns dies ja letztlich verkörpert. Er muss sich seiner nur ‚bewusst werden‘. Der ‚freie Mensch‘ ist etwas ‚Unverfügbares‘, ein Stück ‚wahrhafter Offenbarung‘, und jede Religion, jedes politische System muss sich daran messen lassen. Ein am Leben interessiertes System kann nur in dem Masse ‚gut‘ sein, als es ‚freie Menschen‘ zulässt und fördert.

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DONALD A.NORMAN, THINGS THAT MAKE US SMART – Teil 3

Diesem Beitrag ging voraus Teil 2.

1) In den vorausgehenden Teilen wurden bislang zwei Aspekte sichtbar: einmal die ‚Menschenvergessenheit‘ in der Entwicklung und Nutzung von Technologie sowie die Einbeziehung von ‚wissensunterstützenden Dingen‘ sowohl außerhalb des Körpers (physisch) wie auch im Denken selber (kognitiv). Ferner hatte Norman die Vielfalt des Denkens auf zwei ‚Arbeitsweisen‘ reduziert: die ‚erfahrungsorientierte‘ Vorgehensweise, ohne explizite Reflexion (die aber über ‚Training‘ implizit in die Erfahrung eingegangen sein kann), und die ‚reflektierende‘ Vorgehensweise.

DREI LERNMETHODEN, MOTIVATION, FLOW

2) Ohne Bezug auf die umfangreiche Literatur zum ‚Lernen‘ unterteilt Norman dann das ‚Lernen‘ in drei Formen ein: (i) Sammeln (‚accretion‘) von Fakten; (ii) eine – meistens – lang andauernde ‚Abstimmung‘ (‚tuning‘) der verschiedenen Parameter für ein reibungsloses Laufen, Schreiben, Sprechen, usw.; (iii) Restrukturierung (‚restructuring‘) vorhandener begrifflicher Konzepte. Während er (i) und (ii) dem ‚Erfahrunfstyp‘ zurechnet bringt er (iii) in Zusammenhang mit der Reflexion. (vgl.SS.28-30)
3) [Anmerkung: von den vielen anderen Autoren und Strömungen, die Überschneidungen mit diesen Überlegungen aufweisen fällr mir insbesondere die Position von Jean Piaget (1896 – 1980) auf, der in beeindruckender Weise Theorieansätze zur Lernentwicklung erarbeitet hatte. Dass Norman mindestens ihn hier nicht erwähnt liegt vielleicht daran, dass der Gesamtrahmen bei Piaget die ‚Entwicklung‘ des Lernens war, während es Norman weniger um die Entwicklung als solcher ging sondern – meine persönliche Spekulation – um Verhaltenstypen von schon ‚entwickelten‘ Personen unter der Annahme, dass es im wesentlichen nur das ’spontane‘ oder das ‚reflektierte‘ Verhalten gibt. Allerdings, eine weitere Analyse von ’spontanem‘ und ‚reflektiertem‘ Verhalten würde unweigerlich zu den Strukturen führen, mit denen sich u.a. Piaget auseinandergesetzt hat (siehe weiter unten). ]
4) Zusätzlich erwähnt er noch den Aspekt der ‚Motivation‘. Anhand eigener Lernexperimente meint er aufzeigen zu können, dass das Vorliegen von Motivation unter sonst gleichen Voraussetzungen zu besseren Lernergebnissen führt als wenn wenn nur ‚Desinteresse‘ vorliegt. (vgl.S.30f)
5) [Anmerkung: Wenn man weiß, wie schwierig die theoretische Formulierung und die empirische Überprüfung von Begriffen wie ‚Motivation‘ ist, dann stellen sich bei diesen Schilderungen von Norman sehr viele Fragen. ]
6) Er stellt dann an mehreren Beispielen Formen von hochmotiviertem Lernen vor, denen gemeinsam ist, dass die Teilnehmer hochmotiviert und konzentriert sind, dies über viele Stunden oder gar Tage, letztlich wiederholbar, dies in Gruppen tun können, sich die Ziele und die Lerngeschwindigkeit bis zu einem gewissen Grad selber setzen können, in denen es direkte persönliche Rückmeldungen (Feedbacks) gibt, keine Ablenkung, mit einem deutlichen Spaßfaktor. (vgl. S.31-41) Diese Art von einem stark benutzerorientiertem und benutzergetriebenem Lernen sieht er im Kontrast zu den meisten Lernprozessen in Schulen und Universitäten.
7) [Anmerkung: Die Darlegungen von Norman zu diesen Punkten sind nicht sehr präzise, lassen aber einen groben Eindruck entstehen über mögliche wirksame Faktoren. Das Hauptproblem in der Theoriebildung sehe ich darin, dass sich hier beobachtbare Verhaltensaspekte mit ‚Deutungsmodellen‘ über lernerinterne Strukturen und Prozesse mischen. Niemand kann in einen Menschen hineinschauen. Alle Annahmen über mögliche interne Faktoren und Prozesse sind theoretische Annahmen, die Hypothesen bilden, die durch experimentelle Daten zu bestätigen oder zu widerlegen wären. Dies würde explizite Annahmen über Wahrnehmungs- und Gedächtnisprozesse voraussetzen, darin als Teilstrukturen explizite Annahmen über Konzept- und Begriffsbildung, usw. Dazu gibt es eine sehr umfangreiche Literatur. All dies findet man in der Darstellung von Norman nicht. ]

Fortsetzung folgt HIER: Teil 4.

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