Archiv der Kategorie: Brundtland Report

OPERATION ‚AM OFFENEN HERZEN‘?

(7.Juli 2023 – 7.Juli 2023)

KONTEXT

Anschließend an die grundlegenden Überlegungen zur Möglichkeit/ Unmöglichkeit einer allgemein gültigen Moral in dieser endlich-dynamischen Welt soll hier, ausgehend vom aktuell populäre Begriff der ‚Nachhaltigkeit‘, soll hier ein kleiner Blick auf das ‚Phänomen des Lebens‘, angeregt werden.

NACHHALTIGKEIT

Im Jahr 2023 ist der Begriff der ‚Nachhaltigkeit‘ in — fast — aller Munde; nicht nur positiv (Das ist es; das müssen wir tun, …) sondern sehr wohl auch negativ, ablehnend (Welch ein Quatsch; brauchen wir nicht, …). Dazu die vielen Milliarden Menschen, die von Nachhaltigkeit noch nie etwas gehört haben … Die Vereinten Nationen versuchen seit dem grundlegenden ‚Brundtland-Bericht‘ von 1987 [1] in immer neuen Konferenzen mit immer neuen Akzentsetzungen und möglichen Umsetzungsempfehlungen das Thema der ‚Nachhaltigkeit‘ in das Bewusstsein aller Regierungen zu heben. Wie weit dies bislang erfolgreich ist mag jeder selbst beurteilen, der sich den Gang des Weltgeschehens anschaut.

An dieser Stelle soll der Blick auf einen bestimmten Aspekt des Themas ‚Nachhaltigkeit‘ gelenkt werden, ein Aspekt, der bis heute irgendwie ‚unsichtbar‘ zu sein scheint, obwohl er zum Verständnis und zum Gelingen des Projekts ‚Nachhaltigkeit‘ fundamental ist. Ohne diesen Aspekt wird es keine wirksame Nachhaltigkeit geben.

Einfaches Beispiel: An einem bestimmten Ort auf dem Planet Erde gibt es einen Brunnen, aus dem man bislang täglich ungefähr 180 Liter Wasser schöpfen kann. Für sich gesehen ist es weder viel noch wenig. Wenn von diesem Wasser aber Pflanzen, Tiere oder Menschen leben müssen, dann kann dieses Wasser ganz schnell ‚zu wenig‘ sein. Dazu kommt die ‚Umgebungstemperatur‘: haben wir 10 °C, 20°C, …, 50 °C …? Auch ist es nicht unwichtig, ‚woher‘ der Brunnen sein Wasser bekommt: stammt es aus (i) oberflächennahem Wasser aus einem nahen Bach? oder aus (ii) tiefer gelegenem erneuerbaren Grundwasser (iii) oder aus …

Wenn sich dieser Brunnen in einem Dorf mit 20 Familien befindet, dann wird das Wasser angesichts des ‚Bedarfs‘ zu einer ‚knappen Ressource‘. Für den täglichen Bedarf der Familien, der Pflanzen und möglicherweise für Tiere wird dieses Wasser nicht reichen. Was immer jetzt in diesem Dorf mit dieser knappen Ressource geschieht/ geschehen wird, hängt von dem ‚Wissen‘/ der ‚Erfahrung‘ ab, die in den Köpfen seiner Einwohner verfügbar ist; dazu kommt die Art von ‚Emotionen‘, die in den gleichen Köpfen ‚wirksam‘ sind, und irgendwie — mehr oder weniger bewusst/ unbewusst — bestimmte ‚Werte‘ (was man in eine bestimmten Situation tun sollte). Ein ‚Grenzfall‘ wäre, (i) dass die Menschen eine große ‚Angst‘ haben zu sterben, dass sie deswegen vor dem ‚Töten‘ der anderen nicht zurückschrecken würden, falls sie “nicht wissen‘, dass es keine Alternativen gibt…; ein anderer Fall (ii) wäre, dass sie neben der Emotion ‚Angst‘ auch noch eine ‚Emotion‘ ‚Verbundenheit mit den anderen‘ haben, ergänzt um eine Wertvorstellung ‚Verwandte/ Freunde tötet man nicht‘. Deswegen dann vielleicht eher der Versuch, gemeinsam dem ‚Tod durch Verdursten‘ in die Augen schauen. Ein noch anderer Fall (iii) könnte sein, dass mindestens ein Mitglied des Dorfes ‚weiß‘, wann und wie es eine Lösung des Problems geben könnte (unterschiedlich sicher), das die Mehrheit des Dorfes ihm ‚vertraut‘, und dass ‚konkrete Verhaltensweisen verfügbar ‚ sind, die Lösung umzusetzen.

Wenn im Fall (iii) zwar ‚prinzipiell‘ eine Lösung bekannt ist, aber nicht bekannt ist, mit welchen ‚Maßnahmen‘ diese Lösung erreicht werden kann, trifft wieder Fall (i) oder (ii) zu. Wenn im Fall (iii) die Mehrheit der einen Person ’nicht vertraut‘, die sagt, über ‚Wissen/ Erfahrungen‘ zu verfügen, eine Lösung zu finden, dann kann sich ‚Niedergeschlagenheit‘ /’Verzweiflung‘ breit machen. Ganz schlecht wäre es auf jeden Fall, wenn niemand im Dorf ansatzweise über Wissen verfügen würde, aus dem sich ein brauchbare Handlung ableiten ließe. Oder, nicht weniger schlimm, einzelne ‚glauben‘, dass sie über ein Wissen verfügen, das Abhilfe verspricht, aber diese ‚geglaubte Lösung‘ erweist sich als ‚Irrtum‘.

Was dieses einfache Beispiel verdeutlichen kann, ist, dass eine ‚Ressource‘ als solche weder gut noch schlecht ist, weder wenig noch viel. Entscheidend ist das Vorhandensein eines ‚Bedarfs‘, und ein Bedarf ist letztlich immer gekoppelt an das ‚Vorhandensein von biologischen Lebensformen‘! ‚Biologische Lebensformen‘ — also ‚Leben‘ — repräsentieren jenes Phänomen auf dem Planeten Erde, zu dessen grundlegenden Eigenschaften es gehört einen ‚Bedarf‘ zu haben an Ressourcen, die notwendig sind, damit Leben ’sich realisieren kann‘, dass ‚Leben leben‘ kann.

Bezieht man sich auf die 17 Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, gültig ab Januar 2016, adressiert an Nationalstaaten [2], dann kann man viele Teilziele erkennen, die zur Förderung des ‚Lebens des Lebens‘ hilfreich erscheinen, man wird aber die klare Einordnung der menschlichen Population als Teilpopulation in das Gesamtphänomen ‚Leben‘ vermissen. Allem ‚Nicht-Menschlichem‘ Leben wird im Dunstkreis der 17 Entwicklungsziele nur eine Bedeutung zugestanden, insofern es für das ‚Leben der menschlichen Teilpopulation‘ hilfreich erscheint.

Was fehlt ist eine grundsätzliche Bestimmung dessen, was das Phänomen des Lebens auf dem Planet Erde als Teil des gesamten Universums repräsentiert: ist es ein zufälliges Phänomen, das es aktuell gibt, dem aber keine weitere Bedeutung beizumessen ist; es kann auch wieder verschwinden. Oder muss das Phänomen des Lebens als Teil des Universums als ein ‚außerordentliches Phänomen‘ eingestuft werden, das grundlegende Eigenschaften des Universums anzeigt, die weit über alles hinaus weisen, was wir bisher als Wirklichkeit, als mögliche Zukunft, zu denken gewohnt sind?

Wenn wir das ‚Phänomen des Lebens‘ als ein ‚außerordentliches Phänomen von globaler Bedeutung‘ einstufen — und zwar das ‚ganze Leben‘ !!! —, dann muss die Frage des ‚Erhalts‘ dieses ganzen Lebens samt seiner vielfältigen Wechselwirkungen im Zentrum der Betrachtungen stehen und man muss ‚wissend-lernend-fragend‘ in einem entsprechenden Alltag den Fragen nachgehen, was dies bedeutet; zugleich muss man ‚handelnd‘ an einer dauerhaften Gestaltung der ‚Bedingungen für ein globales Leben‘ arbeiten.

Vor diesem Hintergrund erscheint eine Kultur, die ‚Unwichtiges‘ auf Top 1 setzt und zugleich grundlegend Lebenswichtiges an den Rand drängt als das perfekte Rezept für einen schnellen gemeinsamen Tod. Dieser gemeinsame Tod, zersplittert in viele Millionen einzelne Tode, ist nicht einfach ‚ein Tod‘; er vernichtet das ‚Herz des Universums‘ selbst.

DER AUTOR

Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

ANMERKUNGEN

[1] Brundtland-Bericht von 1987: https://de.wikipedia.org/wiki/Brundtland-Bericht

[2] Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Ziele_f%C3%BCr_nachhaltige_Entwicklung

Sag niemals Nie … Rückkehr

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 13.November 2021
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@doeben-henisch.de)

KONTEXT

Im Beitrag vom 3.Juli 2021 hatte ich bekannt gegeben, dass ich ‚ausgewandert‘ bin — nicht ‚physisch‘, sondern ‚mental‘. Das klingt dort sehr ‚abschließend‘. Nun muss ich feststellen, dass ich wieder ‚zurück bin‘. Wie soll man dies verstehen?

GEGENWART UND ZUKUNFT

Nun ist es so — was in diesem Blog mehrfach reflektiert worden ist –, dass wir in der aktuellen Gegenwart von der möglichen Zukunft (eigentlich ein Plural: Zukünfte!) radikal nichts wissen. Wir leben von Fragmenten aus der Vergangenheit und einigen Fragmenten aus der Gegenwart und basteln und daraus mehr oder weniger gute Vermutungen, was als nächstes kommen wird. [1]

So hatte ich am 23.Juni 2021 gewisse (begründete) Vermutungen, wie sich das oksimo Projekt weiter entwickeln wird und welche Art von Ideen/ Texten dazu hilfreich sein werden. Die Art des philosophischen Denkens, wie sie in diesem Blog praktiziert worden ist, hielt ich mit Erreichen des oksimo Projektes für ‚erledigt‘.

Nach nunmehr 5 Monaten verstärkt sich der Eindruck, dass dieser Schluss mit der ‚Erledigung‘ zu voreilig war. Warum?

OKSIMO UND DIE PHILOSOPHIE

Richtig ist, dass das oksimo Projekt eine eigene Dynamik entwickelt hat, die sich kontinuierlich weiter verstärkt. Und, ja, richtig ist auch, dass die philosophischen Überlegungen aus diesem ‚Philosophie Jetzt‘ Blog vielfach die Grundlagen für das oksimo Paradigma bilden (zusätzlich verstärkt durch den eher technischen uffmm.org Blog). Was ich aber offensichtlich unterschätzt habe, das ist das ‚Eigengewicht‘ der philosophischen Dimension und die unaufhebbare Wechselbeziehung zwischen ’speziellem Denken‘ (wie im oksimo Paradigma) und der allgegenwärtigen philosophischen Dimension, die jedes menschliches Denken wie so eine Art ‚kognitives Hintergrundrauschen‘ begleitet. Niemand ist gezwungen, das kognitive Hintergrundrauschen des philosophischen Denkens zu ‚aktivieren‘, aber überall dort, wo es interessant wird, muss man es eigentlich tun, da man sonst das Interessanteste am Gegenstand nicht in den Blick bekommt.

Was ist dieses ‚Interessante‘ im Kontext des oksimo Paradigma, was nur die Philosophie ’sehen‘ kann?

NACHHALTIGE ENTWICKLUNG, KOLLEKTIVE INTELLGENZ, und OKSIMO

Im oksimo Paradigma vereint sich eine theoretische Perspektive mit einem praktischen Werkzeug. Die theoretische Perspektive verhandelt die Frage, wie sich beliebige Menschen unter ausschließlicher Benutzung ihrer Alltagssprache über beliebige Fragestellungen unter ausdrücklicher Berücksichtigung des prozesshaften Charakters von Wirklichkeit so verständigen können, dass sie gemeinsam Wege aus dem Jetzt in das Morgen beschreiben, simulieren und spielen können. Natürlich unter Einbeziehung aller verfügbaren Formen von sogenannter ‚Künstlicher Intelligenz [KI]‘ (oder schwächer: ‚Maschinellem Lernen [ML]‘). Die praktische Perspektive beschreibt und entwickelt eine konkrete Software, die Menschen dabei unterstützt, genau dies tun zu können.

Bei dieser Art der Aufgabenstellung ist eine starke Komponente die Sicht der Ingenieure und Informatiker. Aber, wie man ahnen kann, diese nicht ganz einfache Aufgabenstellung impliziert so viele tiefgreifende Annahmen zum Menschen, zu Sprache, zu Kognition, zu Kultur — um nur einige Aspekte zu nennen –, dass das kognitive Hintergrundrauschen des philosophischen Denkens schwerlich zu ‚überhören‘ ist.

Es kam also, wie es kommen musste: im Laufe der Ausarbeitung schrammte das Projekt immer mehr an grundlegenden philosophischen Überlegungen vorbei, knallte geradezu in voller Fahrt auf diese, bis ich schließlich — jetzt — feststelle, dass die ‚mentale Auswanderung‘ wohl zu ‚verfrüht‘ war, falls überhaupt machbar. Eigentlich ‚un-machbar‘: man kann sein eigenes Denken — falls man überhaupt denken will –, nicht einfach so ‚abschalten‘.

Erschwerend — oder besser: verstärkend — kommt hinzu, dass die Gespräche im ‚Umfeld des oksimo Projektes‘ immer mehr Fragen aufwerfen, was es denn genau ist, dieses oksimo Projekt? Wie soll man es in die vielen heute gängigen Kontexte (Digitalisierung, KI, Smart xyz, Demokratie, Bürgerbeteiligung, Klimakatastrophe, Nachhaltigkeit, Gamification, Lernen, Forschen, Kommunalplanung, …) einordnen?

Aus diesen vielfältigen Aspekten kondensierten sich in der letzten Zeit dann besonders folgende Perspektiven heraus: einmal (i) die Perspektive der nachhaltigen Entwicklung, wie sie die Vereinten Nationen seit dem Brundtland Report von 1987 über zahlreiche Konferenzen vorangetrieben hat. Dann (ii) die Perspektive der Intelligenz, und zwar als Kollektive Intelligenz [KI+], wie sie die Lebensform des homo sapiens seit ca. 300.000 Jahren immer eindrucksvoller demonstriert. Und schließlich auch (iii) die Perspektive der Digitalisierung, die hier als Teil der Kulturentwicklung gesehen wird, diese wiederum als Teil der biologischen Evolution. Die Digitalisierung enthält eigene Formen von Intelligenz, die meistens als ‚Künstliche Intelligenz [KI]‘ oder ‚Maschinelles Lernen [ML]‘ bezeichnet wird.

Unter Voraussetzung dieser drei Themen ergibt sich weiterführend (iv) die Frage, ob und wie die kollektive Intelligenz eine gewünschte nachhaltige Entwicklung unterstützen kann. Weiterhin (v) stellt sich die Frage, welche Rolle die Digitalisierung als Ganze — besonders fokussiert im Konzept des Cyberspace — und die Maschinelle Intelligenz im Besonderen für die kollektive Intelligenz spielen kann: wird die Kollektive Intelligenz überflüssig — die Vision von den intelligenten Maschinen, die alles ‚übernehmen‘ — oder gewinnt die Kollektive Intelligenz durch neue Formen der Unterstützung durch die maschinelle Intelligenz eine ’neue Kraft‘ als hybride ‚kollektive Mensch:Maschine Intelligenz [KM:MI‘?[2]

Diese fünf Fragen verlangen ein Überschreiten des üblichen innerdisziplinären Diskurses; es ist mehr als ‚bloßes interdisziplinäres‘ Arbeiten. Es geht in Richtung von ‚transdisziplinärer‚ Arbeit. Der Versuch, den Terminus ‚transdisziplinär‘ zu charakterisieren, führt aber unweigerlich in einen ‚Meta-Diskurs‘ ‚über‚ gegebene Disziplinen, der mindestens in den Bereich der Wissenschaftsphilosophie führt, letztlich aber im vollen philosophischen Diskurs landet. Und das erklärt, warum die ‚Rückkehr‘ stattfindet: im Ernst-Nehmen des oksimo Paradigmas führen wichtige Fragen zum Projekt über die transdisziplinären Aspekte zur Wissenschaftsphilosophie, zur Philosophie zurück, und die Zielsetzung des ‚Philosophie Jetzt Blogs‘ [3] trifft damit auf eine neue, interessante Charakterisierung: Der Mensch als ‚kollektives Wesen‘ im Kontext einer dynamischen Entwicklung, versucht sich mittels neuen Technologien zu verstärken, um ein Überleben in einer unbekannten Zukunft zu sichern; vermutlich nicht der homo sapiens alleine sondern zusammen mit großen Teilen der Biosphäre, ohne die der homo sapiens nicht lebensfähig ist.

ANMERKUNGEN

[1] Alles, was in meinem Leben bislang ‚wichtig‘ gworden ist, von dem habe ich vorher nicht einmal gewusst, dass es existiert …

[2] Oder auch ‚Collective Man:Machine Intelligence [CM:MI]‘

[3] „Auf der Suche nach dem neuen Menschenbild“

DER AUTOR

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