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ÜBER DIE MATERIE DES GEISTES. Relektüre von Edelman 1992. Teil 6

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 29.August 2018
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

LETZTE ÄNDERUNG: 1.Dez.2018, Wiederholung der vorausgehenden Diskussion gestrichen. Kumulierte Zusammenfassungen sind HIER.

Gerald M.Edelman, Bright Air, Brilliant Fire. On the Matter of the Mind, New York: 1992, Basic Books

KAP.7 DIE PROBLEME NEU ÜBERLEGT

  1. Nach den ersten Analysen in Kap.1-6 stellt Edelman eine ‚Zwischenreflexion‘ an. Angesichts der entdeckten Komplexität und Dynamik im Fall des Gehirns und seiner Entwicklung stellt sich die Frage, wie man den Zusammenhang zwischen den vorfindlichen materiellen Strukturen und ihren Funktionen miteinander in Beziehung setzen (‚to relate‘) kann.(vgl. S.65f)
  2. Und um seine mögliche neue Position zu bestimmen wiederholt er summarisch nochmals seine zuvor geäußerte Kritik an der ‚falschen Objektivität‘ der Physik, an der zu eng gefassten Kognitionswissenschaft, und er wiederholt auch wieder die unsinnigen Vergleiche mit einem falschen Begriff von Computer, der weder theoretisch noch praktisch Sinn macht.(vgl. SS.66-69)
  3. Grundsätzlich hält er an der Forderung fest, (i) eine ‚Theorie‘ zu bauen (‚to construct), die (ii) ‚wissenschaftlich‘ ist. ‚Wissenschaftlich sein‘ macht er an der Eigenschaft fest (iii), dass die Theorie ‚überprüfbar‘ sein soll. Allerdings muss die Theorie (iv) ’nicht immer‘ zu (v) ‚Voraussagen auf allen Ebenen führen‘, noch muss (vi) ‚jeder Teil von der Theorie direkt falsifizierbar‘ sein.(vgl. S.66)
  4. Aufgrund seiner massiven Kritik an der unterdrückten Rolle des Beobachters speziell in der Physik (vgl. S.66f) muss man indirekt folgern, dass (a) der Beobachter in einer ‚kritischen Wissenschaft‘ im Zusammenspiel mit der Theorie ‚anders integriert wird als bisher‘. Dies bedeutet, man muss berücksichtigen, (b) dass es ‚mentale Ereignisse‘ gibt (‚Bewusstsein‘, ‚Intentionalität‘) gibt, die (c) nur durch ‚Introspektion‘ oder (d) nur durch indirekte Schlüsse aufgrund des beobachtbaren Verhaltens von anderen‘ zugänglich sind.(vgl. S.67)

DISKUSSION FORTSETZUNG

  1. Das Kapitel 7 ist sehr kurz und bringt weitgehend nur Wiederholungen ausgenommen der Punkt mit der Theorie. Der ist neu. Und es ist überhaupt das erste Mal, dass Edelman in diesem Buch explizit über eine ‚wissenschaftliche Theorie‘ spricht, obgleich er sich selbst ja als Wissenschaftler versteht und  er seine eigenen Überlegungen gleichwohl als wissenschaftlich verstanden wissen will (wenngleich er das aktuelle Buch in seiner Form nicht streng als wissenschaftliche Theorie verfasst hat).
  2. Seine Charakterisierung einer ‚wissenschaftlichen Theorie‘ ist interessant. Sie ist generell sehr fragmentarisch; sie ist ferner in ihrer Ernsthaftigkeit fragwürdig, da er die Forderung der Falsifizierbarkeit mit dem Argument einschränkt, dass ansonsten Darwins Theorie in ihrer Anfangszeit niemals hätte Erfolg haben können; und sie ist geradezu mystisch, da er eine radikal neue Rolle des Beobachters mit all seinen mentalen Eigenschaften innerhalb der Theoriebildung einfordert, ohne aber irgendwelche Hinweise zu liefern, wie das praktiziert werden soll.
  3. Man stellt sich die Frage, welchen ‚Begriff von Theorie‘ Edelman eigentlich benutzt? In der Geschichte der empirischen Wissenschaften gab es viele verschiedene Begrifflichkeiten, die nicht ohne weiteres kompatibel sind, und seit ca. 100 Jahren gibt es eine eigene Meta-Wissenschaft zu den Wissenschaften mit Namen wie ‚Wissenschaftsphilosophie‘, ‚Wissenschaftstheorie‘, ‚Wissenschaftslogik‘, deren Gegenstandsbereich gerade die empirischen Wissenschaften und ihr Theoriebegriff ist. Obgleich das Gebiet der Wissenschaftsphilosophie, wie ich es hier nenne, bislang immer noch keinen geschlossenen begrifflichen Raum darstellt, gibt es doch eine Reihe von grundlegenden Annahmen, die die meisten Vertreter dieses Feldes einer Metawissenschaft zu den Wissenschaften teilen. Aufgrund seiner bisherigen Ausführungen scheint Edelman nichts vom Gebiet der Wissenschaftsphilosophie zu kennen.
  4. Die Überprüfbarkeit einer Theorie ist in der Tat ein wesentliches Merkmal der modernen empirischen Wissenschaften. Ohne diese Überprüfbarkeit gäbe es keine empirische Wissenschaft. Die Frage ist nur, was mit ‚Überprüfbarkeit‘ gemeint ist bzw. gemeint sein kann.
  5. Wenn Edelman fordert dass für eine Theorie gelten soll, dass nicht (vi) ‚jeder Teil von der Theorie direkt falsifizierbar‘ sein muss, dann geht er offensichtlich davon aus, dass eine Theorie T aus ‚Teilen‘ besteht, also etwa T(T1, T2, …, Tn) und dass im ‚Idealfall‘ jeder Teil ‚direkt falsifizierbar‘ sein müsste. Diese Vorstellung ist sehr befremdlich und hat weder mit der Realität existierender physikalischer Theorien irgend etwas zu tun noch entspricht dies den modernen Auffassungen von Theorie. Moderne Theorien T sind mathematische (letztlich algebraische) Strukturen, die als solche überhaupt nicht interpretierbar sind, geschweige den einzelne Teile davon. Ferner liegt die Erklärungsfähigkeit von Theorien nicht in ihren Teilen, sondern in den ‚Beziehungen‘, die mittels dieser Teile formulierbar und behauptbar werden. Und ob man irgendetwas aus solch einer Theorie ‚voraussagen‘ kann hängt minimal davon ab, ob die mathematische Struktur der Theorie die Anwendung eines ‚logischen Folgerungsbegriffs‘ erlaubt, mittels dem sich ‚Aussagen‘ ‚ableiten‘ lassen, die sich dann – möglicherweise – ‚verifizieren‘ lassen. Diese Verifizierbarkeit impliziert sowohl eine ‚Interpretierbarkeit‘ der gefolgerten Aussagen wie auch geeignete ‚Messverfahren‘, um feststellen zu können, ob die ‚in den interpretierten Aussagen involvierten entscheidbaren Eigenschaften‘ per Messung verifiziert werden können oder nicht. Der zentrale Begriff ist hier ‚Verifikation‘. Der Begriff der ‚Falsifikation‘ ist relativ zu Verifikation als komplementärer Begriff definiert. Begrifflich erscheint dies klar: wenn ich nicht verifizieren kann, dann habe ich automatisch falsifiziert. In der Praxis stellt sich aber oft das Problem, entscheiden zu können, ob der ganz Prozess des Verifizierens ‚korrekt genug‘ war: sind die Umgebungsbedingungen angemessen? Hat das Messgerät richtig funktioniert? Haben die Beobachter sich eventuell geirrt? Usw. Als ‚theoretischer Begriff‘ ist Falsifikation elegant, in der Praxis aber nur schwer anzuwenden. Letztlich gilt dies dann auch für den Verifikationsbegriff: selbst wenn der Messvorgang jene Werte liefert, die man aufgrund einer abgeleiteten und interpretierten Aussage erwartet, heißt dies nicht mit absoluter Sicherheit, dass richtig gemessen wurde oder dass die Aussage möglicherweise falsch interpretiert oder falsch abgeleitet worden ist.
  6. All diese Schwierigkeiten verweisen auf den ausführenden Beobachter, der im Idealfall auch der Theoriemacher ist. In der Tat ist es bislang ein menschliches Wesen, das mit seinen konkreten mentalen Eigenschaften (basierend auf einer bestimmten materiellen Struktur Gehirn im Körper in einer Welt) sowohl Phänomene und Messwerte in hypothetische mathematische Strukturen transformiert, und diese dann wiederum über Folgerungen und Interpretationen auf Phänomene und Messwerte anwendet. Dies in der Regel nicht isoliert, sondern als Teil eines sozialen Netzwerkes, das sich über Interaktionen, besonders über Kommunikation, konstituiert und am Leben erhält.
  7. Edelman hat Recht, wenn er auf die bisherige unbefriedigende Praxis der Wissenschaften hinweist, in der die Rolle des Theoriemachers als Teil der Theoriebildung kaum bis gar nicht thematisiert wird, erst recht geht diese Rolle nicht in die eigentliche Theorie mit ein. Edelman selbst hat aber offensichtlich keinerlei Vorstellung, wie eine Verbesserung erreicht werden könnte, hat er ja noch nicht einmal einen rudimentären Theoriebegriff.
  8. Aus dem bisher Gesagten lässt sich zumindest erahnen, dass ein verbessertes Konzept einer Theorie darin bestehen müsste, dass es eine explizite ‚Theorie einer Population von Theoriemachern (TPTM)‘ gibt, die beschreibt, wie solch eine Population überhaupt eine Theorie gemeinsam entwickeln und anwenden kann und innerhalb dieser Theorie einer Population von Theoriemachern würden die bisherigen klassischen Theoriekonzepte dann als mögliche Theoriemodelle eingebettet. Die TPTM wäre dann quasi ein ‚Betriebssystem für Theorien‘. Alle Fragen, die Edelman angeschnitten hat, könnte man dann in einem solchen erweiterten begrifflichen Rahmen bequem diskutieren, bis hinab in winzigste Details, auch unter Einbeziehung der zugrunde liegenden materiellen Strukturen.
  9. Das, was Edelman als Theorie andeutet, ist vollständig unzulänglich und sogar in wesentlichen Punkten falsch.
  10. Anmerkung: Darwin hatte nichts was einem modernen Begriff von Theorie entsprechen würde. Insofern ist auch das Reden von einer ‚Evolutionstheorie‘ im Kontext von Darwin unangemessen. Damit wird aber der epochalen Leistung von Darwin kein Abbruch getan! Eher wirkt sein Werk dadurch noch gewaltiger, denn die Transformation von Gedanken, Phänomenen, Fakten usw. in die Form einer modernen Theorie setzt nicht nur voraus, dass man über die notwendigen Formalisierungsfähigkeiten verfügt (selbst bei den theoretischen Physikern ist dies nicht unbedingt vollständig gegeben) sondern man kann erst dann ’sinnvoll formalisieren‘, wenn man überhaupt irgendetwas ‚Interessantes‘ hat, was man formalisieren kann. Die großen Naturforscher (wie z.B. Darwin) hatten den Genius, die Kreativität, den Mut, die Zähigkeit, das bohrende, systematisierende Denken, was den Stoff für interessante Erkenntnisse liefert. Dazu braucht man keine formale Theorie. Die Transformation in eine formale Theorie ist irgendwo Fleißarbeit, allerdings, wie die Geschichte der Physik zeigt, braucht man auch hier gelegentlich die ‚Genies‘, die das Formale so beherrschen, dass sie bisherige ‚umständliche‘ oder ‚unpassende‘ Strukturen in ‚einfachere‘, ‚elegantere‘, ‚besser passende‘ formale Strukturen umschreiben.

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ÜBER DIE MATERIE DES GEISTES. Relektüre von Edelman 1992. Teil 5

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 28.August 2018
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Gerald M.Edelman, Bright Air, Brilliant Fire. On the Matter of the Mind, New York: 1992, Basic Books

KAP.6 TOPOBIOLOGIE: WAS MAN VOM EMBRYO LERNEN KANN

  1. Der Ausgangspunkt ist weiterhin die Frage, welche materiellen Prozesse zu jenen materiellen Strukturen geführt haben, die für uns den homo sapiens repräsentieren. Diese materiellen Strukturen des homo sapiens zeigen eine Fülle von Verhaltenseigenschaften (Dynamiken), die wir als Hinweise auf ‚Geist‘ klassifizieren. Bisher wurden diese vorausgehenden formierenden Prozesse schon begrenzt auf die beiden Pole ‚Genotyp‘ und ‚Phänotyp‘ mit der Arbeitshypothese, dass die Eigenschaften des Genotyps weitgehend (wie weitgehend eigentlich? Kann man das quantifizieren?) die Eigenschaften des Phänotyps festlegen. Edelman selbst konkretisiert diese beiden Pole noch weitergehender mit der Frage, wie ein ‚ein-dimensionaler genetischer Kode‘ letztlich ein ‚drei-dimensionales Lebewesen‘ definieren kann.(vgl. S.63)
  2. Die Redeweise vom ‚genetischen Kode‘ setzt voraus, dass es eine Instanz gibt, die die Eigenschaften des Moleküls, das als ‚genetischer Kode‘ angesehen wird, als ‚Kode‘ ‚interpretieren‘ kann, d.h. diese Kode-erkennende-und-interpretierende Instanz (letztlich wieder ein Molekül) ist in der Lage, zwischen den materiellen Eigenschaften des Gen-Repräsentierenden Moleküls (normalerweise als DNA-Molekül vorliegend) und einer möglichen Proteinstruktur eine ‚Abbildung‘ vorzunehmen, die aus dem Bereich des ‚abstrakten Kodes‘ hinaustritt in den Bereich realer, 3-dimensionaler materieller Strukturen und Prozesse.
  3. Edelman beschreibt die konkreten Details des Gen-repräsentierenden-Moleküls M_gen (als DNA-Molekül; spezielle Abschnitte eines DNA-Moleküls repräsentieren ‚Gene‘), beschreibt die einzelnen Kode-Elemente (genannt ‚Kodons‘, ‚codons‘), die den späteren Transformationsprozess in materielle Strukturen steuern. Dieser Transformationsprozess geschieht aber nicht direkt, sondern über einen Zwischenschritt, in dem das Gen-repräsentierenden-Molekül M_gen in ein spiegel-identisches Gen-repräsentierendes-Molekül M_gen* (als RNA-Moleküle) übersetzt wird, das den Zellkern einer Zelle verlässt und dort dann von einer Kode-erkennende-und-interpretierende Instanz (‚cellular device‘) schrittweise in Aminosäuren übersetzt wird, die aneinander gekettet lange Moleküle (Polypeptide) bilden, die sich weiter als drei-dimensionale Strukturen ausformen, die schließlich Proteine repräsentieren. Aufgrund ihrer drei-dimensionalen Struktur kommen den Proteinen ‚Formen‘ (’shapes‘) zu, mit denen sich charakteristische ‚Eigenschaften‘, ‚Funktionen‘ verbinden. Schon diese Proteinformen kann man als Zwischenstufen zu einem Phänotyp ansehen. Unter anderem können sich Proteine zu komplexen ‚Zellen‘ zusammen finden (einem weiteren, komplexen Phänotyp), die ihren eigenen Zellkern haben mit einem spezifischen Genotyp. Verschiedene Proteine können ganz verschiedene Zellen bilden! (vgl. SS.52-57)
  4. Schon dieser Transformationsprozess von einem Gen-repräsentierenden-Molekül M_gen zu einer Zelle deutet in den einzelnen Phasen vielfältige Möglichkeiten der Variation, der Veränderung an. Doch, eine einzelne Zelle macht noch kein Lebewesen. Eine Lebensform wie der homo sapiens besteht – wie wir heute wissen – aus vielen Billionen (10^12) einzelnen Zellen, allein das Gehirn aus ca. 90 Milliarden neuronalen Zellen (ohne Glia-Zellen). Wie muss man sich diesen Weg von einer (!) befruchteten Zelle zu vielen Billionen Zellen in Form eines Lebewesens vorstellen?
  5. Dieser Transformationsprozess von einer befruchteten Eizelle ‚Zygote‘ genannt (‚zygote‘) zum ausgewachsenen Lebewesen wird von der Teilwissenschaft der ‚Embryologie‘ (‚embryology‘) behandelt. Die befruchtete Zelle (eine Vereinigung einer ‚Samenzelle‘ (’sperm cell‘) und einer ‚Eizelle‘ (‚egg cell‘) unterläuft eine lange Serie von Teilungen. Zellen können aber noch mehr als sich nur teilen: sie können ‚migrieren‘ (‚migrate‘), ‚absterben‘, ‚anhaften aneinander‘, und sich ‚differenzieren‘ (‚differentiate‘), d.h. abhängig von bestimmten chemischen Signalen in ihrer Umgebung werden unterschiedliche Gene aktiviert, um ganz spezifische Proteine zu erzeugen. Dadurch können Zellen (das Phänotyp) ganz unterschiedliche Dynamiken, unterschiedliche Verhaltensweisen zeigen. Differentiation von Zellen ist somit kontextabhängig, d.h. setzt die Nähe zu bestimmten anderen Molekülen (die als Signale fungieren) voraus, wobei die Signale Sender voraussetzen, die in Form von Zellen auftreten.(vgl. S.57f)
  6. Aufgrund dieser grundlegenden Fähigkeit der Differentiation (also eines signalabhängigen Verhaltens (Edelman spricht hier von ‚Ortsabhängigkeit‘; mit dem griechischen Wort ‚topos‘ für Ort spricht er dann auch von ‚Topobiologie‘; diese Wortwahl ist aber gefährlich, da sie primär Raumstrukturen nahelegt, obgleich der Prozess selbst nur Signale kennt (natürlich in einem Raum)) können Zellen, selbst wenn sie sich im Verlaufe des Transformationsprozesses zu unterschiedlichen ‚Schichten‘ (‚layer‘) anordnen, über Entfernungen hinweg ‚Signale senden‘, die kontextbedingt ausgelöst werden. Die schrittweise ‚Gestaltwerdung‘ von immer komplexeren Strukturen wird damit ‚aus sich selbst‘ gesteuert. Je nach aktueller Anordnung bestehen spezifische Kontexte, die spezifische neue Signale auslösen, die die ’nächsten Schritte‘ einleiten. Dabei spielen offensichtlich zwei Faktoren ineinander: (i) das in den Genen hinterlegte ‚Programm‘ konstituiert ein allgemeines ‚Schema‘, ein ‚Template‘, das einen grundlegenden Bauplan, eine grundlegende Architektur skizziert, und (ii) die jeweils konkreten individuellen Zellen, die assoziiert mit unterschiedlichen Kontexten durch den Raum wandern, bilden ein konkretes ‚Bedingungsgefüge‘, eine aktuelle ‚Selektionsmatrix‘, die darüber entscheidet, wann und wie Teile des generellen Bauplans konkretisiert werden. Der Möglichkeitsraum des genetischen Programms wird über die Konkretheit der selektierenden Zellen eingeschränkt, auf konkrete Punkte ‚herunter spezifiziert‘. Dieser Vorgang bietet zahlreiche Variationsmöglichkeiten. Mittlerweile hat man entdeckt, dass der Signalprozess stark hierarchisch sein kann insofern es ‚homöotische‘ (‚homeotic‘) Gene gibt, die die Proteinproduktion bestimmter Gene kontrollieren. (vgl. SS.58-63)
  7. Edelman benutzt den Begriff ‚Epigenetik‘ in den geschilderten Kontexten als jene Faktoren, Ereignisse, Prozesse, die zusätzlich zu den Genen selbst für die Umsetzung der Transformation von Genen in Proteinen, in Zellen, in Zellverbände verantwortlich sind.(vgl. S.62)
  8. Nach diesem embryologischen Einblick in die Entwicklungsdynamik eines Organismus kann Edelman skizzieren, wie die charakteristischen Strukturen des Gehirns eines homo sapiens sich gebildet haben können und warum diese Strukturen artspezifisch sind, d.h. diese Strukturen sind typisch für den homo sapiens; alle Exemplare der Lebensform ‚homo sapiens‘ haben die gleiche Struktur. Zugleich gilt aber auch, dass selbst eineiige Zwillinge sich im Detail dieser Strukturen unterscheiden können und tatsächlich unterscheiden. Das Zusammenspiel von allgemeinem genetischen Programm und den ‚konkreten individuellen Zellen‘ in ihren jeweils ’spezifischen Kontexten‘ bietet solch ungeheure Variationsmöglichkeiten, dass das gleiche artspezifische genetische Programm sich im Detail immer unterscheiden wird. Diese in der Art des Transformationsprozesses angelegte Variabilität ist aber eben nur die eine Seite. Die andere Seite ist die arttypische Struktur, die einen Organismus, ein Gehirn spezifiziert, wodurch eine ‚Architektur‘ definiert wird, die unterschiedlichste Funktionen an unterschiedliche ‚Komponenten‘ bindet, die zudem typische ‚Interaktionsmuster‘ zeigen. Exemplare des homo sapiens haben daher alle eine typische Weise des ‚Wahrnehmens‘, des ‚Erinnerns‘, des ‚Denkens‘, des ‚Fühlens‘, usw.(vgl. S.63f)

DISKUSSION FORTSETZUNG

  1. Die fundamentale Tatsache, dass es Moleküle gibt, die andere Moleküle als ‚Kode‘ benutzen können, um Transformationsprozesse zwischen einer Sorte von Molekülen (DNA, RNA) in eine andere Sorte von Molekülen (Polypeptide, Proteine) steuern zu können, nimmt Edelman als Faktum hin, thematisiert es selbst aber nicht weiter. Er benennt diese ‚interpretierenden Moleküle‘ auch nicht weiter; sein Begriff ‚cellular device‘ ist eher nichtssagend. Dennoch ist es gerade diese Fähigkeit des ‚Übersetzens’/ ‚Interpretierens‘, die fundamental ist für den ganzen Transformationsprozess von einem Genom in einen Phänotyp bzw. in eine ganze Kette von hierarchisch aufeinander aufbauenden Phänotypen. Setzt man diese Übersetzungsfähigkeit voraus, ist das ganze folgende Transformationsgeschehen – so komplex es im Detail erscheinen mag – irgendwie ‚trivial‘. Wenn ich in mathematischer Sicht irgendwelche Mengen habe (z.B. verschiedene Arten von Moleküle), habe aber keine Beziehungen definiert (Relationen, Funktionen), dann habe ich quasi ‚Nichts‘. Habe ich aber z.B. eine Funktion definiert, die eine ‚Abbildung‘ zwischen unterschiedlichen Mengen beschreibt, dann ist es eine reine Fleißaufgabe, die Abbildung durchzuführen (z.B. die Übersetzung von DNA über RNA in Aminosäuren, dann Polypeptide, dann Proteine). Das die Biochemie und Mikrobiologie samt Genetik so viele Jahre benötigt hat, die Details dieser Prozesse erkennen zu können, ändert nichts daran, dass diese Transformationsprozesse als solche ‚trivial‘ sind, wenn ich die grundlegende Transformationsfunktion definiert habe. Wo aber kommt diese grundlegende Abbildungsfunktion her? Wie kann es sein, dass ein ordinäres chemisches Molekül ein anderes ordinäres chemisches Molekül als ‚Kode‘ interpretiert, und zwar genau dann so, wie es geschieht? Betrachtet man ’normale‘ Moleküle mit ihren chemischen Eigenschaften isoliert, dann gibt es keinerlei Ansatzpunkt, um diese grundlegende Frage zu beantworten. Offensichtlich geht dies nur, wenn man alle Moleküle als eine Gesamtheit betrachtet, diese Gesamtheit zudem nicht im unbestimmten Raum, sondern in Verbindung mit den jeweils möglichen ‚realen Kontextbedingungen‘, und dann unter Berücksichtigung des potentiellen Interaktionsraumes all dieser Moleküle und Kontexte. Aber selbst diese Raum repräsentiert im mathematischen Sinne nur Mengen, die alles und nichts sein können. Dass man in diesem Raum eine Funktion implantieren sollte, die dem Dekodieren des genetischen Kodes entspricht, dafür gibt es im gesamten Raum keinerlei Ansatzpunkt, es sei denn, man setzt solche eine Funktion als ‚Eigenschaft des Raumes‘ voraus, so wie die Physiker die ‚Gravitation‘ als Eigenschaft des Raumes voraussetzen, ohne irgendeinen Ansatzpunkt im Raum selbst zu haben, als die beobachtbare Wirkung der Gravitation. Die Biologen können feststellen, dass es tatsächlich einen Transformationsprozess gibt, der solch eine Abbildungsbeziehung voraussetzt, sie haben aber keine Chance, das Auftreten dieser Abbildungsbeziehung aus den beobachtbaren materiellen Strukturen abzuleiten!!!
  2. In der Beschreibung von Edelmans Position habe ich schon angemerkt, dass seine Wortwahl ‚Topobiologie‘ möglicherweise unglücklich ist, da es letztlich nicht der dreidimensionale Raum als solcher ist, der entscheidend ist (wenngleich indirekt die Drei-Dimensionalität eine Rolle spielt) sondern der ‚Kontext in Form von interaktiven Nachbarschaften‘: welche andere Zellen stehen in Interaktion mit einer Zelle; welche Signale werden empfangen. Indirekt spielt dann auch der ‚vorausgehende Prozess‘ eine Rolle, durch den eben Kontexte erzeugt worden sind, die nur in bestimmten Phasen des Prozesses vorliegen. Man hat also eher einen ‚Phasenraum‘, eine Folge typischer Zustände, die auseinander hervorgehen, so, dass der bisherige Prozess die nächste Prozessphase hochgradig determiniert. Dies ähnelt einer ‚algorithmischen‘ Struktur, in der eine Folge von Anweisungen schrittweise abgearbeitet wird, wobei jeder Folgeschritt auf den Ergebnissen der vorausgehenden Abarbeitungen aufbaut und in Abhängigkeit von verfügbaren ‚Parameterwerten‘ den nächsten Schritt auswählt. Im Unterschied zu einem klassischen Computer, bei dem die Ausführungsumgebung (normalerweise) festliegt, haben wir es hier mit einem algorithmischen Programm zu tun, das die jeweilige Ausführungsumgebung simultan zur Ausführung ‚mit erschafft‘! Wenn Computermetapher, dann eben so: ein Programm (Algorithmus), das seine Ausführungsumgebung (die Hardware) mit jedem Schritt selbst ‚erschafft‘, ‚generiert‘, und damit seine Ausführungsmöglichkeiten schrittweise ausbaut, erweitert. Dies setzt allerdings voraus, dass das genetische Programm dies alles schon ‚vorsieht‘, ‚vorwegnimmt‘. Die interessante Frage ist dann hier, wie ist dies möglich? Wie kann sich ein genetisches Programm ‚aus dem Nichts‘ entwickeln, das all diese ungeheuer komplexen Informationen bezüglich Ausführung und Ausführungsumgebung zugleich ‚aufgesammelt‘, ’strukturiert‘, ‚verpackt‘ hat, wo die Gesamtheit der modernen Wissenschaft bislang nur Fragmente versteht?
  3. Während Neurowissenschaftler (Edelman eingeschlossen) oft mit unsinnigen Computervergleichen versuchen, die Besonderheit des menschlichen Gehirns herauszustellen, kann man ja auch mal umgekehrt denken: wenn die Entwicklung des Gehirns (und des gesamten Organismus) Ähnlichkeiten aufweist mit einem Algorithmus, der seine eigene Ausführungsumgebung während der Ausführung (!!!) mit generiert, ob sich solch ein Prozess auch ‚rein technisch‘ denken ließe in dem Sinne, dass wir Maschinen bauen, die aus einer ‚kleinen Anfangsmenge von Materie‘ heraus ausgestattet mit einem geeigneten ‚Kode‘ und einem geeigneten ‚Interpretierer‘ sich analog selbst sowohl materiell als auch kodemäßig entwickeln? Da die biologischen Systeme zeigen, dass es grundsätzlich geht, kann man solch einen technischen Prozess nicht grundsätzlich ausschließen. Ein solches Gedankenexperiment macht aber sichtbar, worauf es wirklich ankommt: eine solche sich selbst mit-bauende Maschine benötigt auch einen geeigneten Kode und Interpretationsmechanismus, eine grundlegende Funktion. Ohne diese Funktion, geht gar nichts. Die Herkunft dieser Funktion ist aber gerade diejenige grundlegende Frage, die die gesamte empirische Wissenschaft bislang nicht gelöst hat. Es gibt zwar neuere Arbeiten zur Entstehung von ersten Zellen aus Molekülen unter bestimmten realistischen Kontexten, aber auch diese Forschungen beschreiben nur Prozesse, die man ‚vorfindet‘, die sich ‚zeigen‘, nicht aber warum und wieso es überhaupt zu diesen Prozessen kommen kann. Alle beteiligten materiellen Faktoren in diesen Prozessen als solchen geben keinerlei Ansatzpunkte für eine Antwort. Das einzige, was wir bislang wissen, ist, dass es möglich ist, weil wir es ‚beobachten können‘. Die ‚empirischen Phänomene‘ sind immer noch die härteste Währung für Wahrheit.

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ÜBER DIE MATERIE DES GEISTES. Relektüre von Edelman 1992. Teil 4

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 27.August 2018
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Gerald M.Edelman, Bright Air, Brilliant Fire. On the Matter of the Mind, New York: 1992, Basic Books

KAP.5 (+ Teil von Kap.3): MORPHOLOGIE UND GEIST: VERVOLLSTÄNDIGUNG VON DARWINS PROGRAMM

  1. Entsprechend seiner Grundannahme, dass die bekannten materiellen Strukturen biologischer Systeme (Edelman benutzt hier auch die Begriffe ‚Morphologie‘ oder gar ‚Form‘) sich im Rahmen eines evolutionären Prozesses herausgebildet haben beschreibt Edelman diesen evolutionären Prozess mit Rückgriff auf Darwin und die nachfolgende Forschung.
  2. Der begriffliche Rahmen der von Edelman beschriebenen biologischen Evolutionstheorie ist vergleichsweise einfach: als Basiselemente gibt es die veränderbaren ‚Gene‘ im Genotyp, die bis zu einem gewissen Grad festlegen, wie der zugehörige Körper, der ‚Phänotyp‘ aussehen wird. Der Phänotyp gehört zu einem ‚Individuum‘ in einer ‚Population, die wiederum in bestimmten ‚Umgebungen‘ leben. Die ‚Fitness‘ wird an der Anzahl der Nachkommen eines Individuums festgemacht. Ist die Anzahl der Nachkommen zu gering, dann stirbt dieser Phänotyp und damit der zugehörige Genotyp aus. Sind ausreichend Nachkommen da, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des Überlebens dieses Phänotyps und des zugehörigen Genotyps (was allerdings nur solange gilt, als die Umgebungsbedingungen sich nicht zu stark und zu schnell ändern!).
  3. Insofern alles beobachtbare Verhalten an den Phänotyp gebunden ist, kann man sagen, dass die zugrunde liegenden materiellen Strukturen des Phänotyps das Verhalten ‚bedingen‘. Sofern für die ermöglichenden materiellen Strukturen der Genotyp verantwortlich ist, kann man dann such sagen, dass der Genotyp über den Phänotyp auch das Verhalten bedingt.
  4. Die Interaktion zwischen Genotyp und Phänotyp ist gekennzeichnet durch ‚Transfer‘ von Genen, durch ‚Modifikationen‘ und durch ‚Expression‘ in materielle Strukturen eines Phänotyps. (vgl.S.46) Hierdurch kann es zu Variationen sowohl des Genotyps wie auch des Phänotyps kommen.
  5. Zusätzlich zu den Veränderungen des Genotyps bei der Reproduktion postuliert Edelman auch Veränderungen des Genotyps zur Lebenszeit eines Individuums was er ‚Epigenetic‘ nennt. Damit soll erklärt werden, warum Individuen in einer Populationen zu einem spezifischen Verhalten finden können, was sich innerhalb einer bestimmten Art von den anderen Mitgliedern unterscheidet.(vgl. S.46f)
  6. Die Zurückführung eines bestimmten beobachtbaren Verhaltens des Phänotyps auf ganz bestimmte Gene scheitert meist daran, dass komplexe Verhaltensweisen nicht nur durch einzelne Gene bestimmt sind sondern durch das Zusammenspiel von vielen Komponenten der materiellen Struktur, die wiederum auf das Zusammenspiel von vielen verschiedenen Genen zurückgehen. (vgl. S.47f)
  7. Der Versuch, aus unterschiedlichen einzelnen Datenfragmenten verteilt über eine Zeitachse (wobei die Feststellung der Zeit in sich ein Messproblem darstellt) mögliche Veränderungslinien zu rekonstruieren ist oft sehr schwierig, tentativ, da die verfügbaren Daten zu viele Fragen offen lassen.(vgl. S.49)
  8. Am Beispielen der prozentual geringen genetischen Differenz von Schimpansen und Menschen (1%) und der doch großen Differenz im Verhalten illustriert Edelman, wie ‚geringe‘ genetische Differenzen große Differenzen im Verhalten bewirken können.(vgl.S.50)
  9. Ebenso ist auffällig, wie unterschiedliche materielle Strukturen im menschlichen Gehirn mit unterschiedlichen komplexen Verhaltensweisen korrelieren. Dies wirft die Frage auf, wie es zu solchen Ausprägungen kommen kann. Wie müsste eine Theorie der Entwicklung materieller Strukturen (Edelman spricht von einer evolutiven Theorie der Morphogenese) aussehen, eine, die zudem alle Phasen abdeckt von der Zelle zum Embryo zum erwachsenen Organismus?(vgl. S.51)
  10. Im Kapitel 3 hat Edelman die Idee der Entwicklung von materiellen Strukturen am Beispiel der Gehirnentwicklung vom Embryo bis zum Erwachsenen schon ein wenig skizziert. Man erkennt einen hochkomplexen Prozess von Zellteilungen, Zellbewegungen, Zellkopplungen, Absterben von Zellen, Synapsenbildungen und auch wieder -rückbildungen, und vieles mehr. Wichtige Faktoren in diesem Prozess sind der jeweilige ‚Ort‘ und die ‚Zeit‘ insofern Nacheinander und Parallelität von Ereignissen eine Rolle spielen. Und welche späteren Verhaltenseigenschaften einer materiellen Struktur zugeordnet werden können hängt dann von dem ‚Ort‘ ab und stattfindenden Signalinteraktionen. Edelman spricht auch hier wieder von ‚Epigenetik‘, d.h. von Einwirkungen auf die materielle Strukturen, die zu nachfolgenden Änderungen bestimmter Gene führen. (vgl. S.22f)
  11. Edelman folgert daraus, dass die Gene die spätere Struktur und Funktion der materiellen Strukturen nicht vollständig determinieren.(vgl. S.23) Und er sieht eine große Herausforderung in der Frage, wie der Zusammenhang zwischen diesen Formungsprozessen auf lokalen materiellen Strukturen und den hochkomplexen Verhaltensweisen in einer nicht weniger komplexen drei-dimensionalen Körperwelt sich überhaupt einstellen kann. In diesem Zusammenhang spricht Edelman auch von einem sich selbst organisierendem System (’self organizing system‘) ohne dass dieser Begriff hier direkt etwas erklärt. (vgl. S.25)
  12. Die generelle Nicht-Determiniertheit bei der Entwicklung der konkreten Gehirnstruktur führt u.a. zu dem Phänomen, dass die Gehirne unterschiedlicher Individuen niemals identisch sind. Dennoch hat man den Eindruck, dass die kognitiven Leistungen der verschiedenen Gehirne in der Interaktion ‚hinreichend ähnlich‘ sind. Auch dieses Phänomen ist erklärungsbedürftig.(vgl. S.25ff)
  13. Edelman unterscheidet auch zwischen ‚Lernen‘ und ’strukturellen Änderungen‘ ohne dass klar wird, worin genau der Unterschied bestehen soll. Denn wie immer man Lernen in Korrelation setzen will zu zugrunde liegenden Strukturen, man wird nicht umhin kommen, Änderungen der materiellen Struktur anzunehmen, das aber entspricht seiner bisherigen Beschreibung von Epigenetik.(vgl. S.27f)
  14. Edelman diskutiert auch den häufigen Vergleich, der im Gehirn einen ‚Computer‘ sieht. Die Besonderheit des Gehirns macht er vor allem an der ‚evolutionären Morphologie‘ fest und an der durchgängigen ‚Selbstbezüglichkeit‘ des Gehirns. Seine Kritik am Computervergleich ist aber wenig hilfreich, da sein Konzept eines Computers nicht viel mit dem theoretischen Konzept eines Computers zu tun hat. (Der Computer der Theorie kann natürlich alles, was ein reales Gehirn kann. Dass reale Maschinen, die nur einige der Eigenschaften eines Computers besitzen, im Vergleich verlieren, ist daher eher irreführend. ).(vgl. S.28ff)

DISKUSSION FORTSETZUNG

  1. Die Einbeziehung der Entwicklung von materiellen Strukturen biologischer Systeme verändert an der Ausgangsfrage, was ‚Geist‘ ist, zunächst nicht viel. Da die bekannten ‚geistigen Eigenschaften‘ sich primär ausschließlich am beobachtbaren Verhalten und seiner Beschreibung durch Exemplare des homo sapiens festmachen, reproduziert sich hier die Aufgabenstellung, eine Liste von entscheidbaren Kriterien von Geist (G) zu haben, anhand deren man materielle Strukturen identifizieren kann, die mit solch einem Verhalten V korrelieren. Da jene geistige Eigenschaften, die den homo sapiens von anderen Lebensformen unterscheiden, erst mit diesem auftreten, kann eine ‚Geschichte der Entwicklung jener Formen, die den homo sapiens auszeichnen‘ nur indirekte Hinweise darauf liefern, wie sich jene ’späten‘ komplexen materiellen Strukturen aus ‚einfacheren, früheren‘ Strukturen entwickelt haben. Damit entsteht dann die interessante Frage, wie sich solche Komplexität aus ’scheinbar einfacheren‘ Strukturen entwickeln konnte? In der logischen Beweistheorie gilt allgemein, dass ich nur etwas ‚ableiten’/ ‚beweisen‘ kann, wenn ich das zu Beweisende letztlich schon in meinen ‚Voraussetzungen’/ ‚Annahmen‘ angenommen habe. Das ’spätere komplexere Neue‘ wäre in dem Sinne dann nicht wirklich ’neu‘ sondern nur eine ‚andere Zustandsform‘ eines Ausgangspunktes, der schon alles hat‘. Dies wäre nicht sehr überraschend, da wir in der Big-Bang-Theorie allgemein von ‚Energie (E)‘ ausgehen, die in Folge von Abkühlungsprozessen unendlich viele konkrete Zustandsformen angenommen hat, von denen wir mit E=mc^2 wissen, dass sie alle ineinander überführbar sind, wie speziell sie auch immer sein mögen.
  2. Die komplexen Abbildungsprozesse zwischen Genotypen und Phänotypen als Teil von Populationen in Umgebungen machen eine Zuordnung von im Verhalten fundierten Eigenschaftszuschreibungen von ‚Geist‘ zu vorliegenden materiellen Strukturen schwer bis unmöglich. Nicht nur die jeweils aktuelle Dynamik eines Gehirns wie auch die darin wirksamen vielfältigen Überlappungen, Interaktionen, Reaktionen, strukturellen Änderungen sowie die dazu vorausgehenden komplexen ontogenetischen Entwicklungsprozesse samt den evolutionären ‚Zubereitungen‘ lassen es irgendwie sinnlos erscheinen, die beobachtbaren Phänomene von Geist über diese unfassbar komplexen Dynamiken definieren zu wollen. Das Entscheidende am Phänomen des Geistes ist ja, dass er nach vielen Milliarden Jahren Entwicklung in einem aktuell hochkomplexen und dynamischen System sich zeigt, und zwar nicht ‚aus sich heraus‘ sondern nur dann, wenn ein anderes System, das ebenfalls ‚Geist‘ hat, diesen Phänomenen ‚ausgesetzt‚ ist. Ein System, das selbst ‚keinen Geist hat‘, kann die beobachtbaren Phänomene nicht als ‚geistige‘ klassifizieren! Dies schließt nicht aus, dass heutige Algorithmen quasi automatisch irgendwelche ‚Muster‘ im beobachtbaren Verhalten identifizieren können, allerdings sind dies Muster wie unendlich viele andere Muster, deren ‚Bewertung‘ in irgendeine Zustandsdimension völlig beliebig ist.
  3. Wenn also die verschiedenen materiellen Strukturen zu unterschiedlichen Entwicklungszeitpunkten als solche nichts über das empirische Phänomen des Geistes sagen können, so kann es dennoch eine interessante Frage sein, ob es irgendeinen interessanten Zusammenhang zwischen dem Ausgangspunkt der materiellen Entwicklung, der Logik der Entwicklung und dem sehr späten Zustand eines biologischen Systems geben kann. Diese Frage ist umso interessanter, als ja dieser Entwicklungsprozess offensichtlich noch nicht an einem Endpunkt angekommen ist. Von Interesse ist auch, wie sich der Zustandsraum der materiellen Strukturen (die Gesamtheit des aktuellen empirischen Wissens über das Universum und seiner möglichen Zukünfte) und der Zustandsraum von Systemen mit Geist (die Gesamtheit des geistigen Vorstellungsraumes samt seiner möglichen geistigen Zukünfte) unterscheidet. Die Sache wird dadurch kompliziert, dass ja die Systeme mit empirischem Geist letztlich auch zum genuinen Gegenstandsbereich der sogenannten ‚Natur‘-Wissenschaften gehören. Wenn das Empirisch-Geistige Teil der Natur ist, reichen die bisherigen empirischen naturwissenschaftlichen Theorien nicht mehr. Sie müssten entsprechend geändert werden. Der Beobachter muss wesentlicher Bestandteil der Theorie selbst werden. Für diese Konstellation haben wir bislang aber keinen geeigneten empirischen Theoriebegriff.

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ÜBER DIE MATERIE DES GEISTES. Relektüre von Edelman 1992. Teil 3

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 25.August 2018
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

LETZTE ÄNDERUNG: 1.Dez.2018, Wiederholung der vorausgehenden Diskussion gestrichen. Kumulierte Zusammenfassungen sind HIER.

Gerald M.Edelman, Bright Air, Brilliant Fire. On the Matter of the Mind, New York: 1992, Basic Books

KAP.3 THE MATTER OF THE MIND

Nachdem Edelman zuvor die Notwendigkeit einer Untersuchung der materiellen Strukturen des Körpers und des Gehirns als potentieller Grundlage des Geistes gefordert hat, fasst er im Kapitel den aktuellen (=1992) Erkenntnisstand der Gehirnforschung (natürlich sehr komprimiert, vereinfachend) zusammen.

  1. Bemerkenswert erscheinen mir seine Eingangsfeststellungen zur ‚Allgemeinheit der materiellen Strukturen‘, die wir im Gehirn finden. Nichts an den materiellen Bestandteilen des Gehirns sei ’speziell‘. Wir finden nur die allgemeinen chemischen Elemente und Beziehungen wie auch sonst in der Welt. Von daher gibt es ’nichts in den Zusammensetzungen (‚compositions‘) des Gehirns, das uns als Schlüssel für geistige (‚mental‘) Eigenschaften dienen könnte‘.(vgl. S.16)
  2. Trotz dieser Allgemeinheit in der grundsätzlichen chemischen Zusammensetzung sieht Edelman aber eine Besonderheit in der Art und Weise, wie diese chemischen Substanzen im Kontext des Gehirns ‚organisiert‘ (‚organized‘) sind: z.T. Spezielle Moleküle, 200 verschiedene Zelltypen, Schichten von Zellen, die Art ihrer Verknüpfungen, spezifische chemische und elektrische Funktionen. Diese Besonderheiten zusammen ergeben etwas, was auf diese Weise ‚verschieden ist zu allem, was es sonst im gesamten Universum gibt‘. Oder etwas später spricht er von dem Gehirn von dem ‚kompliziertesten (‚most complicated‘) materiellem Objekt des bekannten Universums‘. (vgl. S.16f)
  3. Edelman führt dann einzelne Aspekte dieser besonderen Organisation beispielhaft vor. So den zerebralen Kortex mit seinen geschätzten 10 Milliarden Neuronen (ohne Berücksichtigung der Gliazellen), zwischen denen ca. 1 Mio mal 1 Milliarde (=10^15) direkte Verbindungen im Kortex bestehen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die gleiche Verbindung auf ganz unterschiedliche Weise (n-mal) genutzt werden kann, wa den kombinatorischen Raum entsprechend vergrößert, also ca. (10^15)^n (vgl. S.17)
  4. Neben dem Kortex finden sich weitere Schichten (’sheets‘, ‚laminae‘) von Zellen mit Strukturen die als ‚Kerne‘ (’nuclei‘) bezeichnet werden. Diese Schichten können weniger, aber auch mehr Neuronen enthalten wie der Kortex.(vgl. S.18)
  5. Teilt man den Signalfluss des Gehirns ein nach den Kriterien ‚von der Außenwelt des Gehirns in das Gehirn (Input)‘, von der ‚Innenwelt des Gehirns in die Außenwelt des Gehirns (Output)‘, und von der ‚Innenwelt des Gehirns auf sich selbst‘, dann nimmt die Kommunikation ‚mit sich selbst‘ den meisten Raum ein. Die Kommunikation ’nach außen‘ endet in Muskeln oder Drüsen (‚glands‘), oder in anderen Körperorganen.(vgl. S.18f, 22)
  6. Edelman beschreibt dann ein wenig die Signaleigenschaften eines einzelnen Neurons wie auch von Neuronen im Verbund. Neben den bekannten prä- und postsynaptischen Strukturen zwischen zwei einzelnen Neuronen erwähnt er besonders die Organisation von Neuronen in Form von ‚Karten‘ (‚maps‘), die es erlauben räumliche Strukturen samt deren Veränderungen in der Zeit abzubilden (z.B. Oberfläche der Haut, Retina im Auge). Zwischen diesen Karten gibt es ein dichtes Netz von Verbindungsfasern (fiber‘), ebenso zwischen der ‚rechten‘ und der ‚linken‘ Gehirnhälfte; er spricht hier von ca. 200 Mio verbindenden Fasern.(vgl. S.19f) Wichtig ist, dass diese Karten ‚dynamisch‘ sind, d.h. ihre ‚Grenzen‘ können fließend sein; dieses dynamische Verhalten wird stark durch den Signalfluss gesteuert.(vgl. S.27)
  7. Bezüglich des Signalflusses zwischen Neuronen ist zu beachten, dass die elektrischen Ladungen nicht wie in elektrischen Leitungen durch Bewegungen von Elektronen realisiert werden, sondern durch spezifisch geladene Ionen, die sich erheblich langsamer bewegen. Dazu kommt, dass die gesamte Signalkette zwischen Neuronen viele unterschiedliche Teilsysteme durchlaufen muss: vom Axon zum Axon-Endpunkt, über den synaptischen Spalt, über die Rezeptoren der postsynaptischen Membran, durch Ionen-Kanäle, durch die Entladung in der postsynaptischen Membran samt der zugehörigen Refraktionszeit. Dieser Signalweg ist um Dimensionen langsamer. Diese Langsamkeit kann nur ausgeglichen werden durch eine große Parallelität aller Prozesse.(vgl. S.22, plus Ergänzungen des Reviewers).
  8. Alles in allem kann das Gehirn also in spezieller Weise räumlich verteilte und zeitlich angeordnete energetische Ereignisse ‚aufnehmen‘ und sie auf seine spezifische Weise zu neuen Strukturen ‚verrechnen‘, die dann z.T. wieder auf sich selbst, auf andere Organe oder auf die Außenwelt jenseits des Körpers ‚zurück gegeben werden‘.(vgl. S.22)
  9. Neben diesen eher anatomischen (strukturellen) Eigenschaften des Gehirns sagt Edelman sowohl etwas über ‚dynamische Verhaltenseigenschaften‘ wie auch über ‚Entwicklungsaspekte‘ des Gehirns einschließlich der Phänomene ‚Gedächtnis‘ und ‚Lernen‘. Dies soll aber in einem weiteren Beitrag diskutiert werden. In diesem Zusammenhang lehnt Edelman den Vergleich zwischen dem Gehirn und einem Computer als unpassend ab.(cf. SS.22-30)

DISKUSSION (Fortsetzung)

  1. Interessant erscheint einerseits die Feststellung, dass es ’nichts in den Zusammensetzungen (‚compositions‘) des Gehirns [gibt], das uns als Schlüssel für geistige (‚mental‘) Eigenschaften dienen könnte‘, und andererseits die Feststellung, dass das Gehirn als das ‚komplizierteste (‚most complicated‘) materielle Objekt des bekannten Universums‘ erscheint. Also nicht die grundlegenden chemischen Substanzen sind hier wichtig, sondern die Art und Weise ihrer ‚Organisation‘ zu spezifischen ‚Strukturen‘, die entsprechend spezifische ‚Dynamiken‘ ermöglichen.
  2. Bezogen auf die Frage, ob und wie diese materiellen Strukturen auf das Phänomen ‚Geist‘ verweisen, muss man aber wohl zunächst mal feststellen, dass keine dieser spezifischen materiellen Strukturen als solche auf das Phänomen ‚Geist‘ verweist!
  3. Bislang bleibt die zuvor in der Diskussion geäußerte Arbeitshypothese bestehen, dass ich schon ‚entscheidbare Kriterien von Geist (G)‘ vorab zur Verfügung haben muss, um eine Korrelation zwischen bestimmten materiellen Strukturen (M) und diesen entscheidbaren Kriterien für G identifizieren zu können.
  4. Natürlich ist es interessant, dass die materielle Strukturen eines homo sapiens im Vergleich zum gesamten bekannten Universum als ‚einzigartig‘ erscheinen, und dass wir sogar eine ‚evolutionäre Entwicklung‘ rekonstruieren können. Alle Eigenschaften, die wir als ‚geistig‘ untereinander ‚handeln‘ sind aber zunächst einmal nur in der wechselseitigen Wahrnehmung, Kommunikation, im Handeln als ‚Phänomene‘ verfügbar. Dass diese empirisch beobachtbaren Phänomene des Verhaltens nach heutigem Kenntnisstand zeitlich mit speziellen materiellen Strukturen der Körper korrelieren ist auf jeden Fall bemerkenswert. Aber – und das ist der entscheidende wissenschaftsphilosophische Punkt – diese materiellen Strukturen als solche geben keinerlei Hinweise aus sich heraus auf ‚Geist‘! Erst durch die Dynamik des Gesamtsystems werden – oft als ‚emergent‘ klassifizierte – Phänomene sichtbar, die von den einzelnen Bestandteilen des materiellen Systems als solchen nicht ableitbar sind, nur eben durch das Verhalten, die Dynamik des Gesamtsystems.
  5. Daraus folgt nun nicht, dass diese materiellen Strukturen ‚egal‘, ‚unwichtig‘ sind, nein, sie sind von zentraler Bedeutung, aber nicht als isolierte Strukturen sondern als Teil einer Dynamik, die ‚in sich‘ Eigenschaften von Geist erkennen kann, die nur in diesem Erkennen verfügbar sind. Außerhalb des spezifischen Erkennens eines homo sapiens und unabhängig von der realisierbaren Dynamik dieser materiellen Strukturen existieren diese Phänomene nicht! Anders formuliert: wenn ein homo sapiens ’nichts tut‘, dann ist die Dynamik ‚unsichtbar‘ und die durch solch eine Dynamik sichtbar werdenden Eigenschaften sind nicht greifbar. Weiter: wenn ein homo sapiens eine Dynamik erkennen lässt, dann bedarf es einer spezifischen ‚Erkenntnisweise‘, um die spezifischen Eigenschaften von ‚Geist‘ erkennen zu können.
  6. Mit dieser Präzisierung der Arbeitshypothese zum Phänomen des ‚Geistes‘ lassen sich dann konkreter Fragen und Experimente definieren, anhand deren man versuchen kann, dieses einzigartige Phänomen weiter zu erforschen. Aber man sollte nicht zu schnell zu viel erwarten. Das viel einfachere Phänomen der ‚Gravitation‘ ist bislang nicht nur ungelöst, sondern die Physiker haben nicht einmal die leiseste Idee, wie sie es weiter ‚klären‘ wollen. Beim empirischen Phänomen ‚Geist‘ haben wir es – so scheint es – mit einem ganz anderen Kaliber zu tun. Das maximal komplexeste empirische Phänomen des gesamten bekannten Universums reicht vermutlich noch weiter. Es ist weder auszuschließen, dass es zwischen dem empirischen Phänomen der ‚Gravitation‘ und dem empirischen Phänomen ‚Geist‘ einen ‚tieferen‘ Zusammenhang gibt (da ‚Geist‘ als empirisches Phänomen ‚Gravitation‘ voraussetzt‘), noch dass es weit komplexere empirische Phänomene geben kann als den ‚individuell in Populationen‘ sich manifestierenden ‚empirischen Geist‘.

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ÜBER DIE MATERIE DES GEISTES. Relektüre von Edelman 1992. Teil 2

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 24.August 2018
URL: cognitiveagent.org
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Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

LETZTE ÄNDERUNG: 1.Dez.2018, Wiederholung der vorausgehenden Diskussion gestrichen. Kumulierte Zusammenfassungen sind HIER.

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KRITIK AN PSYCHOLOGIE UND PHILOSOPHIE DES GEISTES

(Wiederholung und Verstärkung)

In Kapitel 4 greift Edelman seine kritische Sicht der Psychologie und Philosophie nochmals auf und verstärkt dies durch Nennung von noch mehr Namen und Positionen: so nennt er nochmals die Philosophen Rene Descartes, John Locke, George Berkeley, David Hume und Immanuel Kant explizit als solche, die versuchen den ‚Geist aus dem Geist‘ zu erklären (vgl. SS.34f).

Nicht viel besser schneiden bei ihm Psychologen ab wie William James, Wilhelm Wundt, Ewald Hering, Hermann von Helmholtz, Edward Titchener, Hermann Ebbinghaus, Ivan Pavlow, Edward Thorndike, Clark Leonard Hull, John Watson, B.F.Skinner, Max Wertheimer, Wolfgang Köhler, Kurt Koffka, Sigmund Freud, Frederic Bartlett. Auch diesen wirft Edelman vor, dass sie versucht haben, psychische Phänomene ohne expliziten Rekurs auf die physiologischen Grundlagen der Psyche, des Geistes zu erklären.(vgl. SS.36ff)

Aus der Sicht Edelmans ändert sich die Situation erst, als man ernsthaft begann, nach physiologischen Grundlagen zu forschen. Explizit nennt er als Beispiele: Santiago Ramón y Cajal (Nervenzellen), Sir Charles Sherrington (Messungen), Gustav Fritsch und Julius Hitzig (entdecken ‚Gehirnfelder‘ (‚brain maps‘)), Paul Broca (korreliert bestimmte Gehirnfelder mit unterschiedlichen Aspekten des Sprachvermögens), Karl Lashley, Donald Hebb. Allerdings fanden diese frühen Forschungen noch ganz ohne direkten Bezug zum Aspekt der ‚Evolution der Strukturen‘ statt. (vgl. SS.38ff)

Für die neue evolutive Sichtweise benennt Edelman folgende Forscher: Charles Darwin, George Romanes, C.Lloyd Morgan, C.W.Mills, J.M.Baldwin, Jean Piaget.(vgl. S.39f)

Erst langsam setzte sich dann die Haltung durch, dass psychologische Fakten im Kontext von biologischen (inklusive evolutions-biologischen) Fakten zu analysieren und zu deuten sind. Für diese neue Synthese benennt er Biologen (genauer: Ethologen) wie Nikolaas Tinbergen und Konrad Lorenz. (vgl. S.40f)

Edelman konstruiert auf der Basis dieser begrifflichen Entwicklungen die Arbeitshypothese, dass das, was wir ‚Geist‘ nennen, sich nur ab bestimmten Zeitpunkten während der allgemeinen Evolution ‚gezeigt‘ (‚emerged‘) hat, und zwar sehr spät.(vgl. S.41) Und dies setzt die Annahme voraus, dass die fundamentale Basis für alles Verhalten und für die ‚Sichtbarwerdung‘ (‚emergence‘) des Geistes die Anatomie und Morphologie der biologischen Strukturen ist sowie deren Funktionen.(vgl. S.41)

DISKUSSION (FORTSEZUNG)

  1. Der Arbeitshypothese zuzustimmen, dass man für ein volles Verständnis der psychisch-geistigen Funktionen die materiellen Grundlagen untersuchen sollte samt der evolutionären Entwicklungsgeschichte ist eine Sache, der man heute aus mehreren Gründen zustimmen kann und sollte. Zugleich die Arbeitshypothese aufzustellen, dass damit Analyse- und Erklärungsansätze von vornherein zu verurteilen sind, die Verhaltensdaten (Psychologie) bzw. auch introspektive Daten (Philosophie) als solche als Basis nehmen ohne direkt einen Bezug zu den materiellen (anatomischen) Daten herzustellen, ist mindestens problematisch wenn nicht wissenschaftsphilosophisch unhaltbar. Im weiteren Verlauf wird gerade am Beispiel der Anatomie (bzw. der Gehirnforschung im engeren Sinne) gezeigt, dass anatomische Daten ‚für sich‘ keinerlei verhaltensrelevanten Aussagen zulassen, geschweige denn solche, die irgendeinen Bezug zu psychisch-geistigen Eigenschaften erlauben.
  2. Die von Edelman scharf kritisierten Psychologen haben allesamt grundlegende Pionierarbeit geleistet, indem sie Methoden entwickelt und partielle Theorien formuliert haben, die auch heute noch fruchtbar genutzt werden können. Ihr Schicksal ist nur, dass ihre Arbeiten mit den neuen wissenschaftsphilosophischen Methoden nicht neu aufgearbeitet worden sind. So war – um nur einen heraus zu greifen – Ebbinghaus ein Pionier der Gedächtnisforschung, der erstmalig mit experimentellen Methoden (und ohne all die wundersamen technischen Hilfsmittel der heutigen empirischen Wissenschaften) die Dynamik des menschlichen Gedächtnisses ansatzweise quantitativ erfassen und beschreiben konnte, und das ohne auf die anatomischen Grundlagen Bezug zu nehmen. Selbst wenn Ebbinghaus die Möglichkeit gehabt hätte, dies mit moderneren Messverfahren tun zu können (bislang geht es immer noch nur sehr eingeschränkt) hätte ihm dies für seine Forschungen gar nichts genützt. Denn, wie immer die anatomischen Grundlagen beschaffen sein mögen, wenn ich deren ‚Verhaltensdynamik‘ erforschen will, interessieren mich die Details dieser Anatomie nicht, sondern nur ihre Funktion. Und diese lässt sich nicht durch Rekurs auf Bestandteile beschreiben sondern nur durch Beobachtung des Systemverhaltens. Das begrenzte wissenschaftsphilosophische Verständnis, das Edelman hier offenbart, ist leider eine Eigenschaft, die sich in vielen (den meisten?) Arbeiten von Neurowissenschaftlern auch heute noch zeigt. Und dies ist insofern schade, da dadurch das große Potential einer empirischen verhaltensbasierten Psychologie für eine Gesamtsicht eines biologischen Systems nicht genutzt wird.
  3. Analog kann man sagen, der Arbeitshypothese zuzustimmen, dass man die materiellen Strukturen eines biologischen Systems ‚theoretisch einbetten‘ sollte in Zeitreihen von ‚passenden Daten‘, die eine ‚Entwicklung dieser Strukturen‘ sichtbar machen, ist aus vielen Gründen sinnvoll. Zugleich anzunehmen, dass damit automatisch neue Einsichten über psychisch-geistige Eigenschaften folgen würden, ist mehr als kühn. Aus materiellen Strukturen als solchen folgt in keiner Weise irgend etwas ‚Geistiges‘ es sei denn, ich habe vorab zur Untersuchung einen Kriterienkatalog G, den ich als Maßstab anlegen kann, um dann bei der Analyse der Beobachtungsdaten konstatieren zu können, das der Eigenschaftskomplex G vorliegt. Habe ich solch einen Kriterienkatalog G nicht, kann ich noch so viele empirische Daten zu irgendwelchen materiellen Strukturen vorweisen; ‚aus sich heraus‘ lassen diese Daten eine solche Eigenschaftszuschreibung nicht zu!
  4. Tinbergen und Lorenz hatten z.B. zuerst bestimmte Verhaltensmerkmale V im Verhalten ihrer biologischen Systeme identifiziert und dann versucht, die Frage zu beantworten, von welchen physiologischen Voraussetzungen diese wohl abhängig sein könnten. Dies führte zu sehr interessanten Entdeckungen und öffnete den Blick für die anatomischen Grundlagen vieler Verhaltensweisen und der mit diesen Verhaltensweisen assoziierten ‚Eigenschaften‘, nennen wir sie ‚psychisch‘, ‚geistig‘, ‚unbewusst‘ oder wie auch immer. Allerdings, ohne die ‚Anhaltspunkte‘ im ‚beobachtbaren Verhalten‘ wäre es praktisch unmöglich, jene bedingenden materiellen Struktureigenschaften zu identifizieren, da die zugrundeliegenden neuronalen und damit letztlich biochemischen Grundlagen rein mathematisch nahezu unbegrenzt viele Funktionen erlauben. Letztlich deuten diese materiellen Strukturen auf einen quantenmechanischen Möglichkeitsraum hin, deren Konkretisierung von Faktoren abhängt, die sich aus den Strukturen selbst nicht so einfach ableiten lassen.
  5. Diese Überlegungen legen nahe, dass man grundsätzlich einen methodisch transparenten Ansatz benötigt, in dem die Methoden einer verhaltensbasierten Psychologie, einer evolutionären Biologie und – falls man die Neurowissenschaften als eigenen Bereich innerhalb der Biologie sehen will – einer systemischen Neurowissenschaft in einer kombinierten Theorie zusammen geführt werden. Jede Einzeltheorie hätte hier ihren spezifischen Ansatz, der aber in einem übergeordneten Theorierahmen integriert würde. Gelegentlich findet man die Bezeichnung ‚Neuropsychologie‘, aber das, was sich hinter diesem Namen verbirgt, ist selten das, was es sein sollte.
  6. Alles, was am Beispiel der von Edelman zitierten Psychologen angemerkt wurde, lässt sich in analoger Weise auch auf die zitierten Philosophen anwenden (wobei die Liste von Edelman sehr unvollkommen ist!). Philosophen arbeiten traditionell mit dem subjektiven Erlebnisraum direkt, ohne zugleich die Frage nach den materiellen Bedingungen der so erlebbaren ‚Phänomene‘ zu stellen. In gewisser Weise handelt es sich bei diesen subjektiven (= bewussten) Phänomenen auch um eine Systemfunktion eigener Art mit einer spezifischen Besonderheit, der man nicht gerecht werden würde, würde man sie durch Rekurs auf die bedingenden materiellen Strukturen (Gehirn, Körper, Welt, …) ‚ersetzen‘ wollen. Abgesehen davon, dass selbst die aktuelle Gehirnforschung eine solche vollständige begrifflich-funktionale Substitution noch gar nicht leisten könnte, muss man sich klar machen, dass alle sogenannten ‚empirischen Daten‘ ja nicht ‚außerhalb‘ des ‚bewusstseinsbedingten Phänomenraums‘ vorkommen, sondern auch nur ‚bewusstseinsbedingte Phänomene‘ sind, allerdings eine spezielle Teilmenge, die man mit unterstellten Vorgängen in der Außenwelt in Verbindung bringt. Insofern bildet der subjektive Phänomenraum die Basis für jegliche Denkfigur, auch für die empirischen Wissenschaften.
  7. Angesichts der soeben skizzierten methodischen Situation kann man Philosophen eventuell darin kritisieren, dass sie die falschen Schlüsse gezogen haben, aber nicht darin, dass sie die primär im Bewusstsein fundierte Denkfiguren benutzen. Dies machen alle empirischen Wissenschaftler; nur sind diese sich dieser Tatsache oft nicht mehr bewusst. Und genauso wie Verhaltenswissenschaftler und Physiologen sich wechselseitig Hilfestellung leisten können im Zustandekommen von Verhaltensdaten so können sich Verhaltenswissenschaftler, Physiologen und Philosophen gegenseitig helfen, indem sie die Korrelationen zwischen Bewusstseinsdaten, Verhaltensdaten und physiologischen Daten untersuchen. Dies dann weitergehend erweitert um die Entwicklungsdimension.
  8. Die Frage, was denn dann die primären Kriterien für das ‚Psychische-Geistige‘ sind, wird durch diese multidisziplinäre Kooperationen nicht einfacher: da die materiellen Strukturen als solche keinerlei Anhaltspunkte für ‚Geistiges‘ liefern, bleibt letztlich als Ausgangspunkt doch nur das ‚Geistige‘, wie biologische Systeme ’sich selbst‘ sehen, weil sie sich so ‚erleben‘. Das ‚Geistige‘ erscheint hier als ‚Dynamik‘ von Systemen, die sich anhand des Auftretens dieser Systeme ‚zeigt‘, ‚manifestiert‘. Aus den einzelnen materiellen Bestandteilen kann man diese Eigenschaften nicht ableiten, nur aus der Gesamtheit in spezifischen Wechselwirkungen. Sofern man auf diese Weise einen ‚intuitiven‘ Zugang zu diesem komplexen Phänomen hat, kann es interessant sein, seine ‚Fundierung‘ in materiellen Strukturen und deren Entwicklung zu untersuchen. Man darf allerdings nicht erwarten, dass die materiellen Strukturen als solche irgendwelche Hinweise liefern. Dies ist ein bisschen wie das Phänomen der ‚Gravitation‘ in der physikalischen Sicht der Welt. Gravitation manifestiert sich im Gesamtverhalten, lässt sich aber – bis heute – nicht auf bestimmte materielle Eigenschaften zurück führen. Würde man jetzt sagen, dass Gravitation eine ‚Chimäre‘ sei, würde die physikalische Beschreibung des Universums weitgehend zusammen brechen. Am Beispiel des – methodisch sehr analogen – Begriffs ‚Geist‘ tut sich die Wissenschaft eigentümlicherweise sehr schwer, hier ebenfalls einen systemisch notwendigen theoretischen Term anzunehmen, der sich nur im Gesamt definieren lässt, nicht durch Bezug auf einzelne materielle Aspekte.

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ÜBER DIE MATERIE DES GEISTES. Relektüre von Edelman 1992. Teil 1

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KONTEXT BLOG

Eine der zentralen Fragen, um die dieser Blog seit vielen Jahren kreist, ist die Frage nach dem Verhältnis von ‚Geist‘ und ‚Materie‘. Während die Tradition der Philosophie (und davon stark abhängig auch die christliche Theologie) seit den Griechen einen wesentlichen Unterschied zwischen ‚Geist‘ und ‚Materie‘ annimmt, legen die neuen Erkenntnisse der empirischen Wissenschaften mehr und mehr den Schluss nahe, dass der ‚Geist‘, das ‚Geistige‘, das ‚Psychische‘, das ‚Bewusstsein‘ Eigenschaften sind, die nur im Kontext einer hochkomplex organisierten Materie (z.B. im Kontext des Körpers des homo sapiens mit Gehirn) auftreten, die sich im Laufe von vielen Milliarden Jahren auf der Erde in Gestalt des ‚biologischen Lebens‘ entwickelt konnte. Dies ist nicht zwingend als schlichte Gleichsetzung materieller Strukturen und geistiger Eigenschaften zu verstehen, sondern möglicherweise eher in Richtung einer ‚emergenten Logik‘ derart, dass sich diese Eigenschaften anlässlich des Auftretens bestimmter komplexer materieller Strukturen ‚zeigen‘. Dies entspricht analog der Situation in der Mathematik, in der man zwischen ‚Mengen‘ und ‚Relationen‘ unterscheidet: ohne Mengen lassen sich keine Relationen definieren und aufzeigen, aber Relationen sind keine Mengen. Mengen können auch ohne Relationen auftreten, genauso wie es materieller Strukturen gibt, die keine Phänomene von ‚Geist‘ zeigen.

Hat man diese Blickweise einer emergenten Logik erst einmal eingenommen, stellen sich natürlich sehr viele neue Fragen. Einige dieser Fragen lauten, wie denn überhaupt etwas ‚Materielles‘ beschaffen sein muss, dass es etwas ‚Geistiges‘ zeigen kann? Was genau ist dann das ‚Geistige‘ in Abgrenzung vom ‚Materiellen‘? Wieso kann es materielle Strukturen geben, die keine ‚geistige‘ Phänomene zeigen, und solche, die es tun?

Und, wie so oft in der Geschichte der Philosophie und der neueren Geschichte der empirischen Wissenschaften, kann es von Bedeutung sein, die ‚Bedingungen des Erkennens‘ im Kontext des ‚vermeintlich Erkannten‘ mit zu reflektieren. Ein ‚Lebewesen‘, das ‚läuft‘ kann ich z.B. ‚träumen‘, mir ‚vorstellen‘, ‚erinnern‘, mir ‚ausdenken‘ oder ‚aktuell sehen‘. Und wenn ich es aktuell sehe, dann kann es ein Gemälde sein, eine Photographie, ein Film, ein Video, ein Computerspiel, oder ein ‚realer Gegenstand der Körperwelt’… und mein individuelles Erkennen eingebettet in einen sozialen Kontext eröffnet eine weitere große Anzahl an Varianten des wechselseitigen ‚Verstehens‘ oder ‚Nicht-Verstehens‘. Und selbst, wenn wir spontan ein ‚Verstehen‘ unterstellen, kann sich – nicht selten – später heraus stellen, dass der andere etwas anderes verstanden hat als man selber ‚meinte‘, was er ‚verstanden haben sollte‘. Viele weitere Aspekte der Art des Erkennens können benannt werden.

Diese Fragen zu klären ist ein Anliegen dieses Blogs.

KONTEXT EDELMAN

Bleibt man dem Anliegen des Blogs treu, dann kommt man an einer Gestalt wie Gerald Maurice Edelman (1929 – 2014) kaum vorbei. Gestartet als ein mit dem Nobelpreis gekrönter Erforscher des menschlichen Immunsystems wendet er sich später der Erforschung des menschlichen Gehirns und seines Geistes zu. Die vielen Bücher, die er zu diesem Thema seit 1987 geschrieben hat, sind von einer eindrücklichen Klarheit und zeugen von einem profunden Wissen. Eines dieser Bücher mit dem vieldeutigen Untertitel ‚Über die Materie des Geistes‘ oder auch ‚Über die Sache des Geistes‘ (‚On the Matter of the Mind‘) soll hier exemplarisch diskutiert werden.

GEIST (MIND)

Bei der Diskussion der Texte von Edelman werde ich seinen Begriff ‚Mind‘ mit ‚Geist‘ übersetzen, obgleich das Wortfeld von ‚Geist‘ im Deutschen möglicherweise nur partiell mit dem Wortfeld von ‚Mind‘ im Englischen übereinstimmt. Aufgrund der komplexen Bedeutungs- und Wortfeldbeziehungen aller Begriffe einer Sprache ist jedes Übersetzungsprojekt immer nur eine Annäherung. Soweit würde ich hier jedoch gar nicht gehen. Ich benutze den Begriff ‚Geist‘ hier einfach so, als ob es der Begriff ‚Mind‘ im Englischen wäre und folge dem Englischen Text. Wer sich vergewissern will, was ‚tatsächlich‘ da steht, sollte daher selbst den Englischen Text lesen, was sich im übrigen auf jeden Fall empfiehlt, da ich ja nicht den Text von Edelman hier direkt wiedergebe sondern nur bestimmte Gedanken aus seinem Text aufgreife und sie hier diskutiere.

Generell ist sich Edelman bewusst, dass der Begriff ‚Mind‘ in der Geschichte der Philosophie, überhaupt in der Kultur, und dann auch im Alltag, so vielfältig überladen ist, dass es im Einzelfall schwer bis unmöglich ist, zu einer klaren und eindeutigen Bestimmung der gemeinten Bedeutung zu kommen. Dennoch meint er, dass es im Alltag eine Art ‚gemeinsamen Bedeutungskern‘ gib, den er wie folgt umreißt (vgl. S.5):

  1. Dinge haben keinen Geist
  2. Normale Menschen haben Geist; einige Tiere verhalten sich so, als ob sie über Geist verfügen.
  3. Seiendes mit Geist kann sich auf anderes Seiendes oder auf Dinge beziehen; Dinge ohne Geist können sich nicht auf anderes Seiendes oder auf andere Dinge beziehen.

Dieses ’sich auf etwas anderes beziehen können‘ assoziiert Edelman mit dem Begriff der ‚Intentionalität‘, die der Deutsche Philosoph Franz Brentano eingeführt hat. ‚Bewusstsein‘ (‚awareness‘) wird hier so gesehen, dass es immer ein ‚bewusst sein von einem anderen als einem Objekt‘ ist. (vgl. S.5)

Ferner sieht Edelman dieses Bewusstsein als einen ‚Prozess‘, darin dem Psychologen William James folgend, für den ‚Geist ein Prozess ist, kein Zeug (’stuff‘)‘. Und da die moderne Wissenschaft ‚Materie‘ (‚matter‘) auch als einen ‚Prozess‘ sieht, der auf Energieaustausch basiert, ist diese Sicht des Geistes als Prozess nicht inkompatibel mit der generellen Sicht von Materie als Prozess.(vgl. S.6) Allerdings schränkt Edelman diese generelle Sicht insofern ein, als er ‚Geist‘ als einen ’spezielle Art von Prozess‘ ansieht, der nur mit einem ’speziellen Arrangement von Materie‘ korreliert! (vgl. S.7)

Dieses spezielle Arrangement von Materie sieht er gegeben in den Strukturen des Gehirns, das in einen Körper eingebettet ist, der sich – was seit Darwin Thema ist – im Rahmen einer evolutionären Entwicklung ‚herausgebildet‘ (‚arose‘) hat. (vgl. S.7) Vor diesem Hintergrund ist es keineswegs ausreichend, Wissenschaft auf Objekte ‚ohne Geist‘ (‚inanimate‘) zu beschränken.

Nein, Lebewesen (‚animals‘) mit Gehirnen, mit Intentionalität, müssen untersucht werden, allein auch schon deshalb, weil ‚wissenschaftliche Beobachter‘ selbst solche Lebewesen mit Gehirn, mit Intentionalität sind, die in ihr eigenes Bewusstsein ‚eingeschlossen sind‘ (‚locked into‘) und die deswegen darauf angewiesen sind, ihre eigenen Erfahrungen mit anderen Beobachtern so zu ‚kommunizieren‘, dass sie ‚objektiv‘ sind.(vgl. S.8)

Diese Forderung nach einer Rückbesinnung darauf, den ‚Geist‘ als Eigenschaft der ‚Natur‘ zu sehen, richtet sich nicht nur an die Philosophen, sondern auch an die empirischen Wissenschaftler!

DEN GEIST IN DIE NATUR ZURÜCKVERLAGERN

(PUTTING THE MIND BACK INTO NATURE)

Edelman listet eine Reihe illustrer Naturwissenschaftler auf, die alle entscheidende Beiträge zur modernen Physik geleistet haben (Galilei, Newton, Einstein, Planck, Heisenberg), die alle das Ideal der ‚invarianten Naturgesetze‘ befördert haben, (vgl. S.9-11) ‚invariant‘ in dem Sinne, dass die ‚Subjektivität des Beobachters‘ aus den Beobachtungen und Gesetzmäßigkeiten ausgeklammert werden muss.

Diese methodisch geforderte Ausgrenzung des Subjekts – und damit des Geistes – aus dem Gegenstandsbereich der Physik ähnelt äußerlich dem philosophischen Dualismus, für den der Philosoph (und Mathematiker) Descartes gerne zitiert wird. Mit seiner begrifflichen Unterscheidung von ‚res extensa‘ (frei übersetzt ‚Materie‘) und ‚res cogitans‘ (frei übersetzt ‚Geist‘) konservierte er das klassische dualistische Denken auf eine Weise, die eine Aporie aufbaute, aus der es lange kein Entkommen zu geben schien.(vgl. S.11)

Edelman klassifiziert auch die moderne, verhaltensbasierte Psychologie (‚behaviorism‘) als ‚dualistisch‘ (vgl. S.11f), obgleich deren Motivation die gleiche war wie jene der Physiker: es ging um eine methodische Ausklammerung jener subjektiven Momente des Erkennens, die eine objektive Kommunikation erschweren bis unmöglich machen.

Sehr ausführlich schildert er auch die Position der ‚Kognitionswissenchaft‘ (‚cognitive science‘, ‚cognitivism‘), die sich als Reaktion auf die radikal verhaltensorientierte Psychologie entwickelt hatte. Den Mangel an kognitiven Strukturen der frühen verhaltensbasierten Psychologie versuchte die multidisziplinär aufgestellte Kognitionswissenschaft durch umfangreichen Einsatz von mathematischen Modellen und Computersimulationen auszugleichen. (vgl. S.12-14) Allerdings kritisiert Edelman diese Position auch sehr entschieden, da sie sich – nach seiner Einschätzung – weitgehend von empirischen Grundlagen des menschlichen Geistes verabschiedet hatte. Die wahre Struktur und die wahre Entwicklung biologischer Systeme blieb dadurch auf der Strecke.

Edelman fordert demgegenüber, dass die Eigenschaften des Geistes nicht als biologiefreie Funktionen zu postulieren sind, sondern im Aufweis der biologischen Strukturen muss der Geist in die Natur ‚zurück verlagert‘ werden. (vgl. S.14f)

DISKUSSION

  1. Die generelle Idee von Edelman, den Dualismus von ‚Geist‘ und ‚Materie‘ dadurch aufzulösen, dass man der Frage nachgeht, wie der Geist überhaupt in die als ‚materiell klassifizierte Welt‘ hineinkommt, ist auch die Idee dieses Blogs.
  2. Edelman selbst liefert mehrere Hinweise, wo er ansetzen will: (i) Descartes hatte versäumt, die Grundlage seines ‚cogito ergo sum‘ zu hinterfragen, nämlich seinen Körper. Den spanischen Universal-Intellektuellen Miguel de Unamuno y Jugo (1864 – 1936 ) zitierend formulierte er das Motto von Descartes um: ’sum ergo cogito‘ (‚Ich bin, daher denke ich‘). In diesem Motto, das in diesem Blog inhaltlich schon ähnlich formuliert worden ist, ist die ‚res cogitans‘ eine Eigenschaft der ‚res extensa‘, was wiederum die Frage nach der genauen ‚Beschaffenheit‘ der res extensa aufwirft. (ii) Die moderne Physik hat den Beobachter aus ihrer Theoriebildung ausgeklammert, dabei aber fundamentale Eigenschaften der empirischen Wirklichkeit mit ausgeklammert. Die ‚geist-freie‘ Materie erscheint in dieser Hinsicht als ein ‚methodischer Artefakt‘ der Theoriemacher. (iii) Die moderne verhaltensbasierte Psychologie (oft als ‚Behaviorismus‘ bezeichnet) verhält sich synchron zur modernen Physik: sie klammert den Beobachter aus aus Angst, die ‚objektive Empirie‘ mit ’subjektiven Wahrnehmungsinhalten zu verunreinigen‘. (iv) Der wissenschaftliche Modetrend der Kognitionswissenschaft unterscheidet sich letztlich vom Behaviorismus methodisch gar nicht; die Kognitionswissenschaft hat nur freizügiger von Theorie-Erweiterungen Gebrauch gemacht, die mehr Mathematik und mehr Algorithmen einbezogen haben, ohne allerdings die empirische Basis entsprechend zu erweitern.
  3. Edelman sieht nun eine Verbesserung des Verstehens gegeben in dem Versuch, die Biologie stärker einzubeziehen: einmal mit Blick auf den Entwicklungsaspekt (Evolution), wie auch mit Blick auf die funktionalen Aspekte des Körpers und hier speziell des Gehirns (Physiologie).
  4. Obwohl Edelman die fundamentale Rolle des Beobachters und seiner Körperlichkeit sieht und unterstreicht, lässt er aber gerade den Beobachter als Ausgangspunkt und Basis jeder Theoriebildung offen. Obwohl Edelman auf das Problem der primären Subjektivität hinweist, das sich nur mühsam durch Kommunikationsprozesse mit anderen Subjektivitäten ‚vermitteln‘ lässt, lässt er es offen, was dies für die verschiedenen empirischen Disziplinen methodisch bedeutet.
  5. Wissenschaftsphilosophisch handelt es sich bei ‚introspektiven (=subjektiven)‘ Daten (Phänomenologie), ‚Verhaltensdaten‘ (Psychologie, Biologie) und ‚physiologischen‘ Daten (Physiologie, Biologie), das Ganze noch ausgedehnt in ‚Zeitreihen‘ (Evolution, Wachsen, Lernen, Biologie), um ganz unterschiedliche Daten, die eigene Theoriebildungen erfordern, die miteinander ‚korreliert‘ werden müssten. Bedenkt man weiter, dass die Verhaltensdaten und physiologischen Daten samt aller Zeitreihen primär auch subjektive Daten sind (das Gehirn sitzt ‚im Körper‘, berechnet von dort aus alles) und nur im abgeleiteten Sinne ‚objektiv‘ genannt werden können, werden hier viele Fragen aufgeworfen, von denen nicht bekannt ist, dass sie bislang irgendjemand ernsthaft verfolgt hat. Edelman liefert alle Zutaten, um die Fragen zu stellen, aber auch  er lässt diesen Komplex zunächst mal im Unbestimmten.

Fortsetzung folgt HIER.

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Thomas Görnitz (2006) Quanten Sind Anders – Kurzkommentar.

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 21.August 2018
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Angeregt durch die Lektüre des Buches von Thomas Görnitz, Quanten Sind Anders: Die verborgene Einheit der Welt, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg: 2006, habe ich zunächst mal einen kurzen Kommentar direkt bei amazon geschrieben (alternative Adresse).

Hier der Text des Kommentars:

SCHREIBEN ODER NICHT SCHREIBEN?

Ich habe offen gestanden länger überlegt, ob ich einen kurzen Kommentar zu diesem Buch schreiben sollte oder nicht. Einerseits ist das Thema ‚Quantentheorie‘ weiterhin wichtig und ich habe nicht den Endruck, dass die einschlägigen Konzepte mittlerweile zum ‚Alltagswissen‘ unserer Gesellschaft gehören; andererseits unternimmt Görnitz den – letztlich mutigen und verdienstvollen – Versuch, dieses schwierige Thema mit anderen Wissensbereichen wie unserer Alltagserfahrung, mit der Philosophie, der Psychologie der Biologie, und der Mathematik und Logik zu verknüpfen. Und es sind gerade diese eigentlich so notwendigen ‚Grenzgänge‘ zu anderen Disziplinen, die mir als Leser Schwierigkeiten bereitet haben und noch immer bereiten.

Zu dieser grundlegenden Thematik kommt der durchgängige Darstellungsstil: Görnitz arbeitet viel mit Vereinfachungen, Andeutungen, Verweise auf spätere Behandlungen im Buch. Dies ist bisweilen begrüßenswert, aber wenn es bei den Vereinfachungen bleibt, wenn dann die späteren Behandlungen doch keine Antwort liefern, dann kann dies ein bisschen frustrierend wirken. Ich war mehrfach versucht, mein Lesen einzustellen, habe dann aber irgendwie durchgehalten.

Dieses ‚Durchhalten‘ hat mir immerhin die Einsicht beschert, dass Thomas Görnitz bei allen Vereinfachungen und Grenzgängen zumindest in seinem Hauptgebiet der Quantenmechanik samt er zugehörigen Mathematik unzweifelhaft ein großer Kenner ist der sich grundlegende und weitreichende Gedanken gemacht hat. Aufgrund seiner Fachkenntnisse hätte er zu dem Thema ‚Quantenmechanik und Mathematik‘ eine Menge sagen können, wird doch gerade hier die Abhängigkeit des Denkens von der benutzen Sprache (hier: der mathematischen Sprache) in einer Weise deutlich wie sie kaum noch zu überbieten ist. Eng damit verknüpft ist das ganze Problem der ‚empirischen Überprüfbarkeit‘ von quantenmechanischen Aussagen.

PHILOSOPHISCHER AUSFALL

Leider kommt es in letzter Konsequenz dann nicht zu solchen spannenden Reflexionen. Es zeigt sich hier, dass Thomas Görnitz von der modernen Wissenschaftsphilosophie offenbar nur wenig kennt (er erwähnt moderne Wissenschaftstheorie einmal auf S.55, tendenziell abschätzig). Seine philosophischen Kenntnisse erklären das Programm Kants noch immer zu einem interessanten Kandidaten, ohne die ganze moderne Diskussion zu erwähnen, in denen die kantischen transzendentalen Bedingungen durch die Erkenntnisse der Evolutionsbiologie auf mögliche konkrete, sehr dynamische Voraussetzungen hin verflüssigt wurden. Obgleich er das bahnbrechende Buch von Edelmann von 1983 ‚Bright Air, Brilliant Fire. On the Matter of the Mind‘ positiv erwähnt, hält er an der künstlichen Trennung von Natur- und Geisteswissenschaften fest. Sein Art von Logik zu reden, entspricht dem Konzept der klassischen aristotelischen Logik ohne scheinbar zu bemerken, dass die moderne Logik parallel zur modernen Mathematik ebenfalls eine explosionsartige Entwicklung genommen hat. Neben einer ‚klassischen‘ zweiwertigen Variante gibt es in der modernen Logik beliebig viele mehr-wertige Logiken, dazu eine kaum abgrenzbare Menge von unterschiedlichen Folgerungsbegriffen und unterschiedlichen Sprachtypen. Unter anderem bedingt durch die eben erwähnten Einschränkungen seiner Sehweise kommt Görnitz u.a. zu einer Sicht des ‚Beobachters‘ im Theorieprozess, die man nur als ‚vereinfachend‘ bezeichnen kann. Dies aber korrumpiert dann letztlich seine eigenen Grundlagen.

SEHR VIELE ANREGUNGEN – PROBLEMATISCHE GRUNDANNAHMEN

Die ausführlichen historischen Beschreibungen zur Geschichte der Naturwissenschaften und dann der späteren Quantenmechanik als Teil der Naturwissenschaften kann man sehr wohl als informativ und anregend empfinden, aber die Einbettung dieser Informationen in bestimmte philosophische und psychologische Grundannahmen, die als solche kaum reflektiert werden, wirft viele Fragen auf.

Neben der schon angesprochenen Begrenztheit der philosophischen Perspektive werden ebenfalls beständig psychologische Sachverhalte benutzt, ohne dass es irgendwo zu einer nennenswerten Auseinandersetzung mit den Methoden der modernen Psychologie kommt geschweige denn mit den grundlegenden Wechselwirkungen zwischen empirischer Psychologie, Biologie (inklusive Neurowissenschaften) und Phänomenologie. Die Überlegungen zur Wechselwirkung zwischen quantentheoretischen Erkenntnissen und dem ‚menschlichen Geist‘ verbleiben dadurch in einem begrifflich ungeklärten Rahmen und wirken auf diese Weise eher ‚aufgesetzt‘.

SEHR SCHADE

Die Grundannahmen der Quantentheorie und die zugehörigen mathematischen Konzepte blitzen auf, lassen erahnen, was Görnitz zu sagen hat, aber die Art und Weise der Einbettung in andere Disziplinen, in grenzüberschreitende Überlegungen, wirkt schwach, ist nicht überzeugend. Dies ist sehr schade.

AUTOR UND PUBLIKUM

Wenn man ein Buch aus der Sicht des Lesers wahrnimmt, besteht natürlich immer die Gefahr, dass man im Buch etwas anderes sieht, als der Autor selbst intendiert hatte. Würde ich die vielen Seiten mit Notizen benutzen, die ich mir während der Lektüre gemacht habe, dann würde dieser Kommentar zu einer Ansammlung vieler Details verkommen. Der Versuch, sich auf ein paar allgemeine Aspekte zu beschränken, kann hingegen schnell ungerecht werden. Daher hier noch ein ganz anderer Gedanke.

Wenn man in Rechnung stellt, wie wenig heute in der normalen schulischen Ausbildung und im Allgemeinwissen Naturwissenschaft, insbesondere auch Mathematik, repräsentiert sind, dass es geradezu als ‚chic‘ gilt, davon möglichst nichts zu verstehen, dann stellt sich für einen Experten aus diesen Gebieten die Frage, wie soll er seine Geschichte erzählen? Einfach mit Mathematik so loszulegen, wie man es tun müsste, um die Sachverhalten angemessen zu beschreiben, geht nicht. Jeder Versuch, es dann mit ‚Alltagsverständnis‘ zu versuchen, mit möglichst ‚mathematikfreien‘ Formulierungen, mit Alltagsbeispielen, wird der eigentlichen Sache dann mehr oder weniger NICHT gerecht. Will man trotzdem nicht schweigen, beginnt ein begrifflicher Weg, der im Prinzip nur scheitern kann. Andererseits, wagt man es nicht, verharrt man im Schweigen, wird das Alltagswissen auch nicht besser. So gesehen empfinde ich die Unternehmung von Thomas Görnitz sehr mutig und sehe darin einen wichtigen Versuch, das alltagssprachlich eigentlich ‚Nicht-Sagbare‘ doch ‚irgendwie‘ zu sagen. Diejenigen, die die Grenzen des Gesagten aufgrund ihrer Kompetenzen erkennen können, können aus diesen Grenzen letztlich immer viel lernen. Von daher habe ich mich für 4 Sterne entschieden und nicht für 2-3. Mich hat das Buch trotz aller Fragen, die es in mir hervorgerufen hat – oder gerade wegen dieser? –, sehr angeregt.

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DUMMHEIT – INTELLIGENZ -MENSCHENWÜRDE. Gefährliche Tabus. Eine Notiz

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 4.August 2018
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

IDEE

‚Intelligenz’ ist in aller Munde … was ist mit ’Dummheit’? Kollidiert ein Reden über Dummheit mit ’Menschenwürde’? Globalisierung frag nur nach Leistungsfähigkeit …

I. KÜNSTLICHE INTELLIGENZ SCHEINT ZU GEHEN …

Spätestens seit der Cebit 2016 ist das Wort von der ’künstlichen Intelligenz’ in Deutschland gesellschaftsfähig geworden. Plötzlich ist vieles ’intelligent’ oder ’smart’ und im Rausch der Worte fällt oft gar nicht mehr auf, dass die Bedeutung von ’Intelligenz’ seitdem eher noch unklarer ist als vorher. Wenn plötzlich alles ’smart’ genannt wird, was nur die leisesten Zuckungen zeigt, und jeder über smarte,intelligente Dinge reden kann ohne erklären zu müssen, woher er sein Wissen hat, dann ist der Zustand eines ’fake Wissens’, eines ‚vorgetäuschten Wissens‘, potentiell nicht mehr weit. Es fällt auch kaum auf, dass diese Inflation des Redens über ’Intelligenz’ ausgelöst wurde durch Technologie, durch Geräte, durch Maschinen. Über die Intelligenz von Menschen zu reden ist bislang genau so verpönt wie früher; über die Intelligenz von Maschinen zu reden gilt als ’chic’, man ist ’in’. Von intelligenten Menschen zu sprechen ist eher ’un-chic’.

Dies hält viele nicht davon ab, dem Menschen zumindest die notwendige Intelligenz für die Zukunft von vornherein abzusprechen. Im Kontext von Maschinen, denen man bereitwillig ’Smartheit’, ’Intelligenz’ zu spricht ohne dass es einen klaren Intelligenzbegriff gibt, sind erstaunlich viele Menschen bereit, dem Menschen im Vergleich zu Maschinen jene notwendige Intelligenz abzusprechen, von der man glaubt, dass diese für die Bewältigung der Zukunft notwendig sei.

II. WISSENSVERMITTLUNG KONKRET …

Szenewechsel: seit  Herbst 2001 hatte (und habe) ich Gelegenheit, als Hochschullehrer an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften zu unterrichte, die offiziell Studierende aus mehr als100 verschiedene Nationen hat. Im Laufe der Jahre konnte ich zu 10 verschiedenen Sachgebieten unterrichten, in kleinen Gruppen von 5-7 bis hin zu größeren Gruppen von 150 und mehr. Es gab viele verschiedene Formate von klassischer Vorlesung bis hin zu unterschiedlichen Seminarformen, Projektarbeiten, und Abschlussarbeiten in Form von Diplom, Bachelor- und Masterthesen; in vielen Fällen gab es auch Abfolgen von interdisziplinären Projekten, die sich über drei Semester erstreckten (ein ’Semester’ in Hessen dauert z.B. von April bis Juli oder von Oktober bis Februar). Seit 2005 überwog das forschende Lernen organisiert in Projektteams, meistens sogar als interdisziplinäre Projektteams (Studierende aus mindestens zwei verschiedenen Fachbereichen, meistens drei bis vier verschiedenen) im Rahmen von Master-Studiengängen. Bei den interdisziplinären Veranstaltungen unterrichtete man zudem in Teams von drei ProfessorenInnen aus drei verschiedenen Fachbereichen.

Wenngleich bei allen diesen Veranstaltungen das ’Entstehen von Wissen, Erfahrungen und Kompetenzen’ im Studierenden im Vordergrund steht, verlangt das System Hochschule eine belastbare Überprüfung des erworbene Wissens und der erworbenen Fähigkeiten am Ende eines jeden Semesters. Dies ist zwar bei allen Beteiligten unbeliebt (auch bei den Prüfenden), erscheint aber notwendig, will man eine verlässliche Rückkopplung darüber haben, welche ’Wirkungen’ denn das Geschehen in einem Semester in einem überprüfbaren Sinn auf die Studierenden hatte. Dies ist für die Studierenden wichtig, um eine Rückmeldung zu bekommen, wie das, was sie von sich zeigen, von ihrer Umwelt wahrgenommen wird; für die Lehrenden, dass sie ein Gefühl dafür bekommen können, wie ihre Aktivitäten sich auswirken; und letztlich für die Institution Studiengang/ Fachbereich/ Hochschule, ob sie dem Bedarf jener Gesellschaft gerecht wird, für die sie diese ’Bildungsprozesse’ organisiert.

Obwohl es unterschiedliche Prüfungsformen gibt (mündlich, schriftlich, Projekt-Präsentationen, wissenschaftlichen Artikel schreiben, kumulative Übungen, usw., dazu verschiedene Kombinationen davon (z.B. Projektarbeit mit Präsentation, begleitend dazu einen wissenschaftlichen Artikel schreiben, und ein individuelles Gespräch am Schluss), dazu mindestens jeweils zwei Prüfer, bisweilen mehr), ist jede Prüfung im Kern ein ’Messvorgang’: ein zu Prüfendes wird mit einem zuvor vereinbarten Standard verglichen. In der Physik vertraute Standards sind z.B. ’1 Meter’, ’1 Kilogramm’, ’1 Sekunde’ usw. und man vergleicht die zu vermessende Objekte mit diesen Standards, um sich zu vergewissern, ’wie räumlich ausgedehnt’, ’wie schwer’, wie ’zeitlich ausgedehnt’ das zu vermessende Objekt ist. Im Fall von Prüfungen im Rahmen der Lehre verlangt das Gesetz, dass man nur Prüfungsformen benutzt, die zuvor von der Institution vereinbart wurden. Dazu gehören auch vorgeschriebene Formen der Protokollierung des Prüfungsgeschehens.

Bei der Angabe jener Standards, die im Bereich von Hochschulen relevant sind, wird es schon bei der Formulierung der Standards schwierig, da es sich bei der Vermittlung wissenschaftlichen Wissens und der zugehörigen wissenschaftlichen Praxis nicht nur grundsätzlich um komplexe Sachverhalte handelt,sondern auch um Strukturen und Inhalte, die sich im Laufe der Jahre verändern können und real z.T. sehr schnell ändern. Dies führt einmal zum Problem der Aktualität der Kompetenzen von Hochschullehrern –wie können diese sich ’auf dem Laufenden’ halten – wie auch zum Problem, wie man solche dynamischen komplexen Strukturen und Inhalte jedes Semester neu so ’verpacken’, ’anordnen’, ’organisieren’ kann, dass Studierende eine faire Chance haben, diese Inhalte, Praktiken und Kompetenzen ’in sich selbst’ so ‚organisieren’ zu können, das sie diese dann ’selbständig’ und zusammen mit anderen bei entsprechenden Aufgabenstellungen ’angemessen’ ’anwenden’ können. Die hierzu notwendigen vielfältigen Wissens- und Erfahrungs-Transferleistungen einmal großzügig eingeschlossen.

Die gesetzlichen Vorschriften zur Überprüfbarkeit von Prüfungsleistungen (Was war der Standard?Wie wurde er gemessen? Ist das Leistungsmaß angemessen? …) im Verbund mit einem starken Anstieg von juristischen Klagen von Studierenden, die mit Prüfungsleistungen nicht einverstanden sind, führt tendenziell dazu, dass extrem vereinfachte Prüfungsformen favorisiert werden, die juristisch schwer angreifbar sind, aber rein sachlich mit dem offiziell zu vermittelnden Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen nur noch wenig zu tun haben. Diese Form der Leistungsüberprüfung nützt niemandem, sie schadet vielmehr  objektiv allen Beteiligten: die Studierenden bekommen keine fairen und brauchbaren Rückmeldungen mehr; die Lehrenden können mit diesen Rückmeldungen nahezu nichts darüber erfahren, ob ihre Weise der Lehre ’gut’ ist; und die Gesellschaft bekommt Absolventen, die zu einem hohen Grade möglicherweise genau das nicht können, was die Gesellschaft dringend bräuchte.

III. DUMMHEIT …

Während die empirische Psychologie seit mehr als 100 Jahren zum Thema ’Intelligenz’ viele interessante und sehr brauchbare Beiträge geleistet hat (die in der Mainstream-Diskussion zur künstlichen Intelligenz bislang aber keinen Eingang gefunden haben), gibt es zum Begriff ’Dummheit’ so gut wie nichts. Auch scheinen diese Begriffe ’gesellschaftlich’ nicht neutral zu sein. Sagt man von einem Menschen, er sei ’intelligent’, wird dies eher als etwas ’Positives’ aufgefasst; nennt man einen Menschen dagegen ’dumm’ wird dies sogleich als ’abwertend’, ’negativ’, ja, geradezu als beleidigend aufgefasst.Darüber spricht man nicht. Man könnte dies eine ’Tabuisierung’ nennen, eine, die extrem gefährlich ist.

Mich hat das Thema ’Dummheit’ eigentlich nie besonders interessiert.

Seitdem ich unterrichten durfte und mit dem Thema ’Prüfungen’ konfrontiert wurde, wandelte sich dies. Lässt man mal alle Details zu der Komplexität von Lehrinhalten, Lehrformen und verschiedenen Prüfungsformen beiseite, dann reproduziert sich mit jedem Semester folgender Sachverhalt: (i)während des Semesters werden die Studierenden mit unterschiedlichen Wissensinhalten, Methoden, Situationen und Vorgehensweisen konfrontiert. (ii) Ein Teil der Studierenden greift diese Anregungen auf, experimentiert damit herum, stellen eigene Experimente an, recherchieren auf eigene Faust, machen sich ihre eigenen Gedanken, stellen ständig Fragen, und am Schluss können sie nicht nur die vorgestellten Inhalte, Methoden etc. verständlich beschreiben, sondern sie überraschen mit eigenen Weiterentwicklungen, eigenen neuen Gedanken als Reaktion auf das Vorgestellte. Dies alles dazu  in lebendigem Austausch innerhalb eines selbst organisierten Team. (iii) Ein anderer Teil der Studierenden zeigt wenig Reaktionen, ist oft nicht da (es gibt keine Anwesenheitspflicht laut Gesetz), stellt praktisch nie Fragen, lässt wenig Eigenproduktion erkennen.Darauf angesprochen, lassen sich wenige Reaktionen erkennen. Bisweilen kommen doch Fragen zu einzelnen Sachverhalten; diese werden durchgesprochen, erklärt; und nach einiger Zeit werden die gleichen Fragen wieder gestellt; ich beantworte auch diese Fragen ausführlich, auch noch ein weiteres Mal …. Am Schluss sind diese Studierenden nicht in der Lage, die wesentlichen Inhalte/ Vorgehensweisen… angemessen zu beschreiben; sie haben keine eigene Ideen oder, wenn sie welche haben, passen sie kaum zusammen mit den eingeführten Normen und Methoden, die es anzuwenden gilt; Probleme, die zuvor mehrfach durch diskutiert wurden, werden trotz aller Diskussionen genauso vorgetragen, wie sie gerade nicht behandelt werden sollten (nach zuvor vereinbarten Sachverhalten/ Normen…). Positionen aus der wissenschaftlichen Literatur werden trotz vielfacher Beispiele und Anregungen nicht wahrgenommen. (iv) Zwischen dem Typ (ii) und (iii) gibt es natürlich viele fließende Übergänge, aber Typ(ii) und (iii) sind real in jedem Semester erlebbar.

Würde ich als Lehrender nur den Typ (iii) erleben, würde ich vermutlich sehr bald an mir selbst zweifeln, ob ich letztlich alles ’falsch’ mache. Da es aber – zum Glück – bislang immer auch Typ (ii)Studierende gab und gibt, weiß ich, dass das ’Ergebnis’ am Ende des Semesters nur z.T. von mir als Lehrendem abhängt. Mein eigenes Verhalten X erzeugt bei Typ (ii) Studierenden ein X ii -Ergebnis, und bei den Typ (iii) Studierenden ein X iii -Ergebnis, mit allen möglichen Mischformen dazwischen. Ob meine Lehre wegen den X ii -Ergebnissen automatisch als ’gut’ bezeichnet werden kann, folgt aus diesem Sachverhalt nicht notwendigerweise. Man könnte die Position vertreten, dass Typ (ii) Studierende immer gute Ergebnisse abliefern, egal wie gut oder schlecht ein Lehrender ist, und entsprechend, dass Typ (iii) Studierende immer schlechte Ergebnisse abliefern, unabhängig vom Lehrenden.

Bei solchen Themen, die man über viele Semester mit unterschiedlichen Studierendengruppen unterrichten konnte (ich habe ein Thema, das konnte ich 26 Semester unterrichten, abwechselnd mit deutschen und englischen Kursen und Studierenden aus vielen Nationen) kann man Inhalte und Formen variieren (zeitweilig konnte ich das Fach auch im Duo zusammen mit einer frisch gebackenen Doktorandin unterrichten). An der grundsätzlichen Situation hat sich nie etwas geändert.

Vor diesem Hintergrund habe ich dann mal die Arbeitshypothese formuliert, dass das Verhalten der Typ (ii) Studierenden möglicherweise mit ’Lernfähigkeit’ und ’Intelligenz’ assoziiert werden kann (ohne dass diese Begriffe dadurch schon ausreichend definiert wären), und das Verhalten der Typ (iii) Studierenden eben mit einer ’mangelnden Lernfähigkeit’ und einer ’kaum erkennbaren Intelligenz’. Diese Kombination aus ’mangelnder Lernfähigkeit’ und ’kaum erkennbaren Intelligenz’ würde ich dann versuchsweise mal mit dem begriff ’Dummheit’ assoziieren, ohne dass dies schon alles ’definieren’ würde. ’Dummheit’ wäre dann eine beobachtbare und reproduzierbare Verhaltenseigenschaft, die darauf hinweist, dass eine Person, die solch ein Verhalten zeigt, nicht oder nur sehr begrenzt in der Lage ist, aus ihrer Wahrnehmung von der Welt jene Schlüsse zu ziehen, jenes eigenes Verhalten zu motivieren, durch das sie in ihrem Verstehen von Welt, von den anderen, von sich selbst, zu neuen Einsichten und zu neuen lebenserweiternden Verhalten kommen könnte.

’Dumme’ Menschen wären also solche, die in ihrer Wahrnehmung, in ihrem Denken, in ihrem Verhalten tendenziell ’verharren’, obgleich die Welt um sie herum sich in ständiger Bewegung befindet.

IV. MENSCHEN WÜRDE

Auf den ersten Blick mag es weit hergeholt erscheinen, die Diskussion um Typ-ii intelligente Studierende und um Typ-iii dumme Studierende in einen Zusammenhang mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu bringen, und hier mit dem Art 1. (1), in dem es heißt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.Diese Position von der Würde des Menschen als unantastbarem höchsten Gut betrachte ich persönlich als eine (oder die?) größte Errungenschaft der europäischen Aufklärung (nicht der christlichen Kirchen!). Aber gerade dann, wenn man dies tut, zugleich aber die empirische Realität zur Kenntnis nehmen muss, dass es tatsächlich ’dumme’ und ’intelligente’ Menschen gibt, und dass die ’dummen’ Menschen viele wichtige Aufgaben in der Gesellschaft und in der Wirtschaft nur begrenzt erfüllen können, muss man sich die Frage stellen, wie die Gesellschaft mit diesem Sachverhalt umgeht: Wenn ich einen Menschen als Menschen ernst nehme, seine Würde achten will, zugleich aber sehe, er kann wichtige Aufgaben nicht genügend erfüllen, wie gehe ich dann damit um? Offensichtlich brauchen wir über die rein sachlich-funktionalen Kriterien hinaus eine Art der gegenseitigen Wertschätzung, die unabhängig von der funktionalen Leistungsfähigkeit ist, wobei wir diese Leistungsfähigkeit aber lebensnotwendig brauchen! Wenn Deutschland nicht mehr in der Lage ist, Flughäfen, Verkehrssysteme, Energiesysteme, Ausbildungssysteme usw. mit der notwendigen Qualität in akzeptabler Zeit zu bezahlbaren Preisen zu bauen bzw. zu betreiben, dann werden wir alle zusammen zu einem Absteigerland degenerieren, dem dann alle Ressourcen fehlen werden, sich da wieder heraus zu schaffen.

Neben dem Aspekt Dummheit/ Intelligenz kann man natürlich auch beobachten, dass scheinbar ’intelligente’ Menschen aufgrund ihrer emotionalen Struktur viel Schaden anrichten können. Das wäre ein anderes Thema.

V. GLOBALISIERUNG …

Während wir uns in Deutschland noch an unseren aktuellen wirtschaftlichen Erfolgen berauschen, gerät ein wenig aus dem Blick, dass ein Land wie China Deutschland mittlerweile in vielen Bereichen von Leistungsfähigkeit bei weitem übertrifft, und in den  wenigen Bereiche, wo dies noch nicht der Fall ist, ist es nur mehr eine Frage von wenigen Jahren, bis dies der Fall sein wird.

Während China weltweit einen radikalen Kampf um Steigerung seiner Leistungsfähigkeit in Ausbildung, Forschung und industrieller Leistung führt, baut Deutschland zur gleichen Zeit seine Qualität in Ausbildung, Forschung, Technologieentwicklung und Infrastrukturen dramatisch ab. Mit Kosteneinsparungen lässt sich nun mal keine Qualität erzeugen. Auf Dauer entscheidet aber immer nur die Qualität! Der schieren Zahl der Ingenieure in China und ihrer wachsenden Qualität hat Deutschland in seinem aktuellen Betriebsmodus auf Dauer wenig entgegen zusetzen. … ein Thema mit sehr vielen Aspekten…

VI. WEITERE LEKTÜRE

Erste interessante weitere Lektürehinweise finden sich in der Deutschen Wikipedia zu ’Dummheit’ und in der Englischen Wikipedia zu ’Stupidity’. Systemtheoretisch interessant und vermutlich weiter entwickelbar sind die Thesen von Carlo M. Cipolla, Professor für Wirtschaftswissenschaften, Universität von Kalifornien in Berkeley, mit dem Titel ” The Basic Laws of Human Stupidity”, abgedruckt in der Zeitschrift ”Whole Earth Review”, Frühjahr 1987 (http://www.extremistvector.com/content/stupid.html). Dazu auch der Wikipediaeintrag-EN zu Cipolla (https://en.wikipedia.org/wiki/Carlo M. Cipolla).

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