Archiv der Kategorie: Oberster Gerichtshof

WAR ES DAS? SCHAFFEN SICH DIE DEMOKRATIEN SELBST AB? KÖNNEN WIR NOCH ETWAS TUN? Eine Zusammenfassung in eigener Sache

KEINER MAG ES UND DOCH PASSIERT ES

1. Am 28.Juli 2013 habe ich in diesem Blog zum ersten Mal explizit über Politik geschrieben. Anlass waren die im Somme 2013 aufkommenden ersten Nachrichten über Aktivitäten der US-Amerikanischen Geheimdienste und ihr staatlich, verfassungsrechtlicher Kontext: PHILOSOPHIE TRIFFT DAS SNOWDON SYNDROM – Erste Notizen. Dies war (siehe den Gesamtüberblick) damals der Blogeintrag Nr.148. Seitdem habe ich immer wieder weitere Blogeinträge geschrieben, da das Thema nicht nur nicht von der Bildfläche verschwand, sondern, ganz im Gegenteil, nahezu täglich durch neue Enthüllungen und Erkenntnisse an ‚Realitätsgehalt‘ zugenommen hat.

DAS ÖFFENTLICHE BEWUSSTSEIN NIMMT ZU, DIE VERLEUGNUNG DURCH DIE REGIERUNG(en) ABER AUCH

2. Das Erfreuliche an dem Vorgang ist, dass es immer mehr Publikationen, immer mehr Sendungen gibt, die die Dinge beim Namen nennen. Immer mehr Menschen merken, dass hier Dinge im Gang sind, die nicht den Geist der westlichen Demokratien repräsentieren. Doch, zugleich, von erschreckender Banalität, ist, dass die zuständigen Regierungsstellen samt den gewählten Regierungen den Eindruck erwecken, als ob ihnen die Bürger, die sie gewählt haben und für die Sie ihr Amt ausüben, genau diese Bürger überhaupt nicht mehr ernst nehmen. Dass Sie sich nicht wie demokratisch gewählte ‚Diener des Staates‘ benehmen, sondern – quasi losgelöst von allen geschriebenen Verfassungen – wie absolutistische Herrscher der vor-demokratischen Zeiten. Die US-Regierung mit ihren Behörden agiert eher ‚pro-aktiv‘, deutet das politische Handeln erst mal in ihrem Sinne ohne die Bürger ernsthaft gefragt zu haben, und die Deutsche Regierung mit ihren Organen erweckt den Eindruck, als ob sie einfach mitmacht; Augen zu, Ohren zu, sie stellt sich gleichsam ‚tot‘ und hofft, dass die Bürger sich ruhig verhalten; als ob ein Schweigen einen andauernden aktiven Verfassungsbruch quasi ungeschehen machen könnte.

3. Wenn man sieht, vor welch gewaltigen Herausforderungen die Menschheit als Menschheit steht, dann erscheint es irgendwie widersinnig, wie sich führende demokratische Staaten durch Missbrauch von politischer Macht im Alltag selbst zerfleischen, dass die Regierungsbehörden eines Staates ihren eigenen Staat, die eigene Bürger zum Feind erklären, anstatt ihre Potentiale auf jene Aufgaben zu lenken, die tatsächlich gelöst werden müssen.

DER SCHUTZ DES EINZELNEN TENDIERT MITTLERWEILE GEGEN NULL

4. In dem Beitrag vom 6.Aug.2013 (samt den Kommentaren!) wurde deutlich, wie die US-Behörden den ursprünglichen Geist der US-Verfassung zum Schutze des einzelnen nach und nach so ausgehöhlt haben, dass es die Bürgerrechte eigentlich gar nicht mehr gibt. Mittlerweile hat sich die US-Staatsmacht mittlerweile alle Rechte genommen; auf der einen Seite wurden die Rechte des Bürgers quasi annulliert, auf der anderen Seite nahm sich der Präsident und seine Behörden (allen vorweg die Geheimdienste) mittlerweile alle Rechte; die formal existierenden demokratischen Kontrollen sind faktisch nicht wirksam oder werden – falls es doch gelegentlich zu parlamentarischen Anfragen kommt – von der eigenen Regierung belogen und mit juristischen Scharmützeln überzogen (die deutsche Regierung und Regierungsstellen wirken in diesem Punkt wie Kopien ihres großen US-Amerikanischen Bruders).

AUSDEHNUNG OHNE JEDES MASS

5. Im Beitrag vom 24.August 2013 wird der ungeheuerliche Umfang deutlich, den die Geheimdienste in den USA angenommen haben. Überspitzt könnte man sagen, die USA bestehen im wesentlichen aus diesem Komplex an Geheimdiensten, dazu verzahnt mit einer gigantischen Militärmaschinerie und der Rest ist irgendwie nur noch (störende?) Zutat. Ein normaler Bürger zählt auf jeden Fall nichts mehr. Das Land hat sich zudem mit einem Wall von Sicherheitssystemen umgeben, so dass die USA von außen – optisch – wie ein Hochsicherheitsgefängnis erscheinen.

SICHERHEIT IST ALLES – SELBST WENN MAN DIE, DIE GESCHÜTZT WERDEN SOLLEN, SELBST ZU TERRORISTEN ERKLÄREN MUSS

6. In einer Zwischenauswertung vom 26.Sept.2013 der Lektüre eines Buches von Tom Engelhardt kann man erkennen, dass die vordergründige schleichende Entdemokratisierung der USA fast schon ‚zwangsläufig‘ erscheint, wenn man das Erstarken und das Verhalten des US-Militärapparates betrachtet, der sich seit dem Vietnamkrieg keinesfalls ‚in sich‘ zurückgezogen hat, sondern sich mit immer neuen – und immer ‚künstlicheren‘ – Feinbildern zu einer Struktur und Stärke weltweit aufgebaut hat, die historisch ohne Beispiel ist. Wenn man sich fragt, wie Hitler und die Nazis eine solche totale Kontrolle über den Staat bekommen konnte (Stalin und viele andere gehören hier natürlich auch genannt), dann muss man sich nur die USA nach dem 2.Weltkrieg anschauen: erst waren es die Kommunisten, die alles rechtfertigten, dann die Staatssicherheit als solche, und schließlich die ‚Terroristen‘, die ‚überall sein können, auch im eigenen Land. Dass in einem solchen ideologisch verzerrten Kontext (in dem Menschenrechte schon lange nichts mehr gelten) ausländische demokratisch instabile Regierungen ‚unbequemer‘ erschienen als Diktaturen, mit denen man kooperieren konnte, versteht sich dann fast – leider – von selbst. In diesem Sinne wären die USA selber ein ‚Schurkenstaat‘, würden sie ihre eigenen Kriterien auf sich selbst anwenden.

EIN BUNDESANWALT, DER NICHTS WEISS (ODER NICHTS WISSEN WILL?)

7. Am 28. Dezember 2013, also quasi zum Jahresende 2013, gab es genügend Hinweise, aufgrund deren man vermuten konnte, dass es eine intensiven Abhörtätigkeit der US-Dienste auf deutschem Boden und in die deutschen Datenströme hinein gab und gibt. Die offizielle Verlautbarung des deutschen Bundesanwalts Range zu diesem Punkt war abwiegelnd, ablehnend; er sähe keinen Anfangsverdacht. Dass er in seiner Stellungnahme statt von der ‚NSA‘ von der ‚NASA‘ sprach wirkte extrem beunruhigend: ist der Bundesanwalt Alkoholiker? Nimmt er Drogen? Ist er gar dement? Leider hat die deutsche Presse bislang versäumt, dieses Amt, seine Amtsführung etwas genauer unter die Lupe zu nehmen (stattdessen hat man lieber den ehemaligen Bundespräsidenten wegen ca. 700€ ‚zu Tode gehetzt‘ (natürlich ist die Integrität eines Bundespräsidenten wichtig, aber die Integrität eines Bundesanwalts, wenn es um massive Grundrechtsverletzungen geht, steht dem eigentlich in nichts nach)).

GRUNDRECHTE GELTEN INTERNATIONAL

8. Zu Beginn des Jahres 2014 hat sich in Sachen ‚außer Kontrolle geratene US-Sicherheitsmaschinerie‘ mit deutscher Gefolgschaft nicht viel geändert. Allerdings denkt die US-amerikanische Bürgerechtsvereinigung darüber nach, dass Grundrechte auch transnational gelten müssten, d.h. das Verbot des Abhörens von US-Bürgern müsste auch für Bürger anderer Staaten gelten (da war offensichtlich noch nicht klar genug, dass die US-Regierung – begonnen unter dem 43.ten Präsidenten der USA, George Walker Bush (born July 6, 1946), ohne Einschränkung übernommen von dem 44.ten Präsidenten der USA, Barack Hussein Obama II (born August 4, 1961) – die US-Bürger trotz anderslautender Verfassung schon längst im großen Stil abhörten). Als irgendwann der US-Justizminister Ashcroft sowie sein Stellvertreter sich weigerten, die Zustimmung zu diesem verfassungswidrigen Abhören von US-Bürgern zu geben, hat Cheney als damals amtierender Vizepräsident kurzerhand das Formular geändert; auf dem neuen Formular musste der Justizminister nicht mehr zustimmen. Dies war zwar gegen geltendes Recht, wurde aber von Bush akzeptiert, ebenso vom damaligen Chef der NSA Michael Vincent Hayden (born March 17, 1945) (Videoausschnitte dazu mit Originalaussagen der Beteiligten finden sich in einer Dokumentation des ZDF vom 28.Mai 2014! (eigentlich kennt das US-amerikanische Recht das Instrument des Impeachments, also der Möglichkeit, einen amtierenden Präsidenten aus dem Amt zu entfernen. Aber dazu bräuchte es neben Klägern auch Richter, die den Mut hätten, das Unrecht auf Seiten der Regierung entsprechend zu würdigen. Bislang findet sich kein Richter ..).

9. Als am 27.Januar 2014 erstmalig ein partielles Interview mit Snowden in der ARD ausgestrahlt wurde, war dies ein Meilenstein in der öffentlichen Diskussion. Gleichzeitig wurde die Verweigerungshaltung der betroffenen US- und Deutschen Regierungen immer deutlicher. Insbesondere wurde deutlich, dass das im US-Recht eingebaute Instrument des ‚Whistleblowings‘ mittlerweile (und von Obama ganz besonders) nahezu zu Null reduziert worden ist. Waren schon die Verhandlungen gegen den/ die SoldatenIn Mannings einer Demokratie unwürdig (eigene parteiliche Militärgerichtsbarkeit), so wirft die regierungsseitig völlig einseitige Argumentation in Sachen Snowden kein gutes Licht auf die demokratische Gesinnung der US-Regierung.

‚FAKTISCH KEINE KONTROLLE DER DEUTSCHEN GEHEIMDIENSTE‘

10. Am 8. Februar 2014 stellt ein Mitglied des parlamentarischen Kontrollausschusses der deutschen Geheimdienste (und ehemaliger Bundesrichter) fest, dass es faktisch keine Kontrolle der deutschen Geheimdienste gibt. Seitdem sich die Hinweise häufen, dass der BND intensivst mit der NSA kooperiert (und die NSA wiederum außer Kontrolle operiert), wirken solche Aussagen nicht beruhigend.

ERST TOTALAUSSPÄHUNGA, DANN ABSCHAFFUNG DER PARLAMENTARISCHEN KONTROLLE

11. Am 16. Februar 2014 wurde klar, dass die Unkontrolliertheit der Geheimdienste nur ein Teil der Geschichte ist. Die zunehmend durchsickernden Informationen zum geplanten transatlantischen Freihandelskommen TTIP zeigen, dass die Machtmonopole der USA (hier nicht nur die Geheimdienste und das Militär, sondern auch Firmen und Anwaltskanzleien) und Europas den Eindruck erwecken, als ob sie an den Parlamenten vorbei (auch der US-Kongress ist außen vor!) versuchen Handelsregeln zu etablieren, die nicht mehr von nationalen Rechten und Regierungen beschränkt werden können (der berühmte Investorenschutz). Wie sich zeigt, ist die deutsche Bundeskanzlerin eine der treibenden Kräfte in diesem Spiel trotz massivem Widerstand ihrer eigenen Wähler. Erst als ganz Europa schon im Aufruhr war und viele namhafte deutsche Vereinigungen und Institutionen offiziell protestierten, lies sie sich zu der öffentlichen Bemerkung herab, dass natürlich keine ‚Chlorhühnchen‘ nach Europa kommen sollten. Die viel schlimmere, die Demokratie aushebelnde, Investorenschutzklausel, erwähnte sie mit keiner Silbe. Sie, die demokratisch gewählte Bundeskanzlerin, hat – so sieht es aus – offensichtlich kein Problem damit, ihre eigenen Wähler zu belügen und die Rolle des demokratisch gewählten Parlamentes abzuschaffen. Wozu brauchen wir eigentlich noch Terroristen? Nur dazu, um die Bevölkerung einzuschüchtern, damit diese nicht sieht, was die gewählten Regierungen mit der Demokratie veranstalten? Im übrigen beginnt man zu begreifen, dass die großen Internetkonzerne mit ihren eigenen Selbstherrlichkeiten im Umgang mit Kundendaten vielleicht doch nicht so harmlos sind, wie diese sich gerne darstellen.

DAS ZDF ALS BASTION DEMOKRATISCHER ÖFFENTLICHKEIT

12. Am 27.Mai 2014 gab es Teil 1 einer ZDF-Dokumentation zu diesem ganzen Komplex mit dem Titel ‚Verschwörung gegen die Freiheit. Big Brother und seine Helfer‘, und am 28.Mai 2014 den Teil 2 mit dem Titel ‚Verschwörung gegen die Freiheit. Verschwörung im Weißen Haus‘. Diesen beiden Beiträge sind sehr gut gemacht (wenn auch im zweiten Teil bei manchen Personen leider die Namenseinblendungen fehlen). Obgleich die hier gezeigten Fakten nur einen kleinen Ausschnitt aus dem darstellen, was wir mittlerweile aus dem Paralleluniversum ‚der dunklen Macht‘ (um ein Bild zu gebrauchen) wissen, sind diese beiden Berichte sehr beeindruckend, da hier die wichtigsten handelnden Personen im Originalton auftreten. Ich kann mir dies nur so erklären, dass die US-amerikanische Stellen trotz allem Rechtsbruch subjektiv immer noch zu glauben scheinen, sie tun das ‚Richtige‘ (was übrigens auch viele der Nazigrößen bei den Nürnberger Prozessen zeigten: auch dann glaubten sie immer noch, dass sie nichts Falsches getan haben).

DIE US-ÖFFENTLICKEIT IST NOCH NICHT VÖLLIG GLEICHGESCHALTET

13. Während sich bislang ein deutscher Bundesanwalt, ein deutscher Präsident des Verfassungsschutzes, die deutsche Bundeskanzlerin und einige ihrer Minister sich bis hin zur Unkenntlich in Sachen massenhafter Abhörung und Verfassungsbruch verleugnen, berichtete die New York Times unter dem Titel ‚Defending His Actions, Snowden Says He’s a Patriot‘ am 29.Mai von dem Fernsehauftritt Snowdens im NBC, bei dem Snowden sehr ausführlich Gelegenheit hatte, sich erstmals offiziell in der US-Öffentlichkeit zu präsentieren. Laut Umfragen anschließend war dann die Öffentlichkeit zu 2/3 der Meinung, dass er in der Tat ein Patriot sei. Ein nicht unwichtiger Fakt wenn man weiß, dass die US-Administration mit allen Mitteln versucht, Snowden als Verräter dar zu stellen (und dabei mehr als großzügig über ihre eigenen schweren Verfassungsbrüche hinweggeht).

WIE KANN ES WEITERGEHEN?

14. Wie kann es weitergehen? Ich meine, wir sind alle normale Berufstätige, wir haben viel Arbeit und wenig Zeit. Es gibt so viele andere drängende Probleme, um die man sich kümmern muss bzw. sollte (und natürlich möchte man eigentlich nicht ständig ‚Probleme wälzen’…). Andererseits ist das, was hier sichtbar geworden ist und immer klarer wird, ein umfassender Prozess, dem man eine historische Qualität nicht absprechen kann. Er betrifft komplette Staaten und, insofern die USA und Deutschland nicht gerade von geringem Einfluss sind, haben diese Vorgänge Auswirkungen auf Prozesse weltweit. Er betrifft die großen Strukturen und über diese den Alltag, jeden Ort dieser Welt, jede Person und Institution. Dieser Prozess betrifft die tägliche Luft der Informationen, die alle Demokratien einatmen müssen, um zu leben. Diese Luft wird von einigen wenigen selbsternannten Weltrettern eigenmächtig manipuliert und vergiftet. Ohne das Wissen und gegen den Willen aller Bürger werden hier täglich Dinge getan, die dem Geist der demokratischen Verfassungen Hohn sprechen. Was geht in den Köpfen der selbsternannten Weltretter vor, wenn sie leichthändig die eigenen Bürger pauschal zu Terroristen erklären, um damit ihre demokratisch nicht gebilligten Aktionen zu motivieren? Wie krank im Kopf muss jemand sein, wenn er die normale Welt, die eigenen Bürger zu Verbrechern erklären muss, um sein eigenes, unkontrolliertes wahnhaftes Sicherheitsbedürfnis am Leben zu erhalten? Über die Nazis von gestern lächelt man gerne, was aber, wenn man selbst ein solcher moderner Nazi geworden ist? Es ist nicht der Name, der einem zu einen Nazi macht, nicht die Uniform, sondern eine bestimmte Haltung, die Selbstermächtigung über alle anderen; Kritik im Ansatz verboten …

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

PHILOSOPHIE TRIFFT DAS SNOWDON SYNDROM – Teil 4: Annulierung des 4.ten Zusatzes zur US-amerikanischen Verfassung?

Letzte Änderungen: (nur sichtbar, wenn man den Beitrag direkt anklickt!)

  • am 24.August 2013: Ein Song zum Thema am Ende des Textes.
  • am 7.Sept.2013: Kommentar mit Bezug auf Klage gegen Geheimdienste
  • am 9.Sept.2013: Kommentar mit Bezug auf FAZ Artikel; USA juristisch in Schieflage

Diesem Beitrag voraus ging Teil 3.

1) Ausgelöst durch immer mehr Informationen zu Abhörskandalen und anscheinend ungenügend demokratisch kontrollierten Aktionen der Geheimdienste bewegt sich die Diskussion in den USA auf vielen Ebenen zu immer grundsätzlicheren Fragen. So lässt ein kürzlicher Artikel in der Washinton Post mit dem Titel Supreme Court may need to decide how private a cellphone is (etwa: ‚Der oberste Gerichtshof sollte entscheiden, wie privat ein Mobiltelefon ist‘) den Eindruck entstehen, als ob jetzt die Mitglieder des höchstens Gerichtes darüber diskutieren, ob Mobiltelephone solch ein Teil der Privatspäre sind, dass sie vollständig unter den Schutz des 4.Zusatzes zur Amerikanischen Verfassung fallen.
2) Soll man sich jetzt freuen, weil die Richter sich endlich des Themas annehmen, oder soll man weinen angesichts der Langsamkeit und Naivität der Justiz im Umgang mit den Grundrechten der Bürger, die seit Jahren täglich den Machenschaften der Mobilfunkunternehmen ausgesetzt sind. Denn im Falle aller Mobiltelefone, die von Google und Samsung betrieben werden (andere habe ich nicht kontrolliert), gibt es mehrere Programme, die grundsätzlich Zugriff auf ALLE Daten des Telefones haben (Adressen, Bilder, Texte…), ohne das der Besitzer des Telefons dies verhindern kann. Dazu kommt, dass die modernen Mobiltelefone mit genügend Sensoren ausgestattet sind, dass sie eine kontinuierliche umfassende Überwachung des Zustandes und der Überwachung ihres Eigentümers erlauben (siehe den aufschlussreichen Artikel Das Smartphone, die freiwillige Fußfessel von Morton Freidel in der FAZ vom 3.August 2013. Das ist weit umfassender als alles, was der Staatsicherheitsdienst der DDR jemals konnte.
3) Schaut man sich den 4.Zusatz zur Amerikanischen Verfassung näher an (siehe den aufschlussreichen Überblick zum 4.Zusatz zur Amerikanischen Verfassung in der englischen Wikipedia), dann kann der Eindruck entstehen, als ob die Sicht der Privatheit seit Jahren zu Lasten der Bürger sowieso immer mehr eingeschränkt wurde.
4) Die Wurzeln des 4.Zusatzes liegen in der Zeit der amerikanischen Kolonien, als England das unbeschränkte Recht hatte, alles zu untersuchen und zu beschlagnahmen, um seine Abgabenforderungen durchsetzen zu können. Ein wesentlicher Teil der ersten amerikanischen Verfassung waren dann die 20 Zusätze einschliesslich eben des 4.Zusatzes, der den Schutz vor ‚Untersuchungen‘ und ‚Beschlagnahmungen‘ ausdrücklich garantieren sollte.
5) Um diesen Schutz abzusichern, wurde verfügt, dass Untersuchungen und Beschlagnahmungen nur zulässig sind, wenn eine autorisierte staatliche Institution klare Gründe und konkrete Umstände benennen kann, wann und wie dies geschehen soll.
6) Einerseits fand die Auslegung des 4.Zusatzes im Laufe der Zeit eine erfreuliche Anpassung dahingehend, dass die Privatheit nicht auf das Haus beschränkt wurde, in dem man wohnt, sondern an die Person gebunden wurde, wo immer diese ist und was immer diese an Hilfsmitteln benutzt (Auto, Telefon…).
7) Doch gab es parallel und danach verschiedene ‚Ausnahmen‘, die das Recht auf Privatheit wieder einschränkten. Zwei dieser Ausnahmen erscheinen mir besonders gravierend: (a) der 4.Zusatz bindet primär nur staatliche Stellen; (b) die Überwachung der Aktivitäten einer ‚fremden‘ Macht, ihrer Agenten und Kollaborateure ist erlaubt.
8) Die Beschränkung der Gültigkeit auf das Handeln staatlicher Stellen führte in den letzten Jahren vermehrt dazu, dass der Staat private Firmen beauftragte, Aufgaben auszuführen, bei denen die staatlichen Stellen in Konflikt mit dem Gesetz geraten würden; damit wird offiziell das Unterlaufen staatlicher Gesetze gefördert.
9) Die Erlaubnis zur Überwachung fremder Aktivitäten ist einfach, wenn man weiss, wer der ‚Feind‘ ist, aber dies ist in den seltensten Fällen der Fall. Dies hat zur Folge, dass allein in den letzten 12 Jahren die Gruppe der Verdächtigen immer mehr ausgeweitet wurde. Nach dem 11.Sept.2001 waren es erst bestimmte Terroristen, dann ethnische oder religiöse Gruppen, dann ganze (Schurken-)Staaten, dann sogar alle Amerikaner, da diese ja mit dem Feind kollaborieren könnten, schliesslich waren es alle Menschen, die man zu überwachen begann.
10) Im Endeffekt können zur Zeit staatliche amerikanische Stellen ALLE Menschen überwachen mit Methoden, die ‚gesetzesfrei‘ sind, d.h. ALLES ist erlaubt. Der 4.Zusatz ist faktisch außer Kraft, und die Internetfirmen und Mobilfunkbetreiber sind vollständig eingebunden. Das ist weit mehr als die Staatsicherheit der DDR je vermochte, das ist kaum noch unterscheidbar von George Orwell’s Novelle 1984.
11) Dass der oberste Gerichtshof der USA den Eindruck erweckt, diesen Entwicklungen untätig zuzuschauen (und auch parallel die deutsche Justiz bei diesen ungeheuerlichen Vorgängen bislang schweigt (die Bundesanwaltschaft hat angefangen, zu prüfen…)) ist nicht sehr beruhigend.
12) An anderer Stelle untersuche ich die systemtheoretischen Voraussetzungen zu Lernprozessen, Wissensbildung, Meinungsprozessen. Von diesen Studien her (und durch die Ereignisse der Geschichte) ist klar, dass es keinen ‚Zwang‘ gibt, ‚Grundrechte‘ einführen zu müssen. Andererseits zeigen die systemtheoretischen Untersuchungen aber auch, dass komplexe Systeme, die sich weiter entwickeln wollen (und weiter entwickeln müssen (wie wir Menschen, die wir in der Zeit ‚unterwegs‘ sind)) hinein in Räume, die noch nicht bekannt sind, dann am erfolgreichsten sind, wenn ALLE beteiligten Systeme an ihrem Optimum arbeiten können unf zugleich KOOPERATIV sind. Hierarchisch-diktatorische Systeme sind auf Dauer klar unterlegen. Sofern aber einzelne Gruppen von Menschen oft an Entscheidungspositionen stehen, an denen sie die Entwicklung von großen Teilen der Bevölkerung beeinflussen können, besteht immer die Gefahr, dass die individuellen Interessen die Oberhand gewinnen und diese Privatinteressen dann ganze Staaten behindern, gefährden, bremsen und viel Unrecht erzeugen. Anschauungsbeispiele gibt es leider viel zu viele.

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

Democracy can vanish, in the US, and everywhere…, ein Song zum Thema des Blogeintrags; Spontanproduktion im Rahmen meiner ‚Radically Unplugged‘ Musikexperimente.(Aufgenommen nur mit Laptop, nachts, in einem Hotelzimmer in Brasilien…).