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Realität eingebettet in Virtualität

Hypothese 1

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Textes „Neustart der Menschlichkeit (Rebooting humanity)“

(Die Englische Version findet sich HIER)

Autor Nr. 1 (Gerd Doeben-Henisch)

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

(Start: 29.Mai 2024, Letzte Änderung: 5.Juni 2024)

Es geht um das Paradox, dass wir zwar beständig das Gefühl haben, uns in einer realen Welt zu bewegen, dass aber der ‚Inhalt unseres Gehirns‘ natürlich nicht ‚die reale Welt‘ ist, sondern das Produkt von vielen neuronalen Transformationsprozessen, die ‚Reize aus der realen Welt‘ in ‚interne Zustände‘ verwandeln, die wir dann so behandeln, als ob es die reale Welt ist. Dieses ‚als ob‘ ist keine freie Entscheidung, da diese Situation aus der Art und Weise resultiert, wie unser Gehirn in unserem Körper arbeitet. Durch unseren Körper, durch unser Gehirn sind wir also zunächst mal ‚locked-In‘ Systeme.

Man kann sich dies auch dadurch verdeutlichen, dass unser Körper sich — das nehmen wir alle an — in einer Alltagswelt vorfindet, die aus vielen anderen Körpern und Objekten besteht, mit denen unser Körper ‚interagiert‘: wir können uns in der Alltagswelt bewegen und verändern dadurch unser ‚Position‘ in dieser Welt. Wir können Gegenstände berühren, anfassen, greifen, bewegen, verändern und manches mehr. Aber diese Gegenstände der Alltagswelt können auch auf uns einwirken: Wir empfinden ‚Geruch‘, wir ‚hören‘ Laute, wir ’sehen‘ Formen, Farben, Helligkeit und vieles mehr.

Diese ‚Wahrnehmung‘ unserer Alltagswelt durch verschiedene ‚Sinnesorgane‘ ist nah besehen aber keinesfalls einfach: wenn visuelle Reize auf unsere ‚Augen‘ treffen oder akustische Reize auf unsere ‚Ohren‘, dann werden diese physikalischen Reize der Alltagswelt im ‚Sinnesorgan‘ umgesetzt/ verwandelt/ transformiert in chemische Zustandsveränderungen von Nervenzellen, die diese wiederum in elektrische Potentiale verwandeln, die sich dann als ‚Signale‘ durch weitere Nervenzellen ‚fortpflanzen‘ können. Es entsteht ein ‚Signalfluss‘. Das beeindruckende an diesen Signalflüssen ist, dass sie alle chemisch-physikalisch die gleichen Eigenschaften haben, egal ob sie durch visuelle oder akustische Reize ausgelöst wurden (oder durch noch andere Sinnesorgane).

Was immer wir also mittels unserer Sinnesorgane in Verbindung mit den Nervenzellen ‚wahrnehmen‘, das, was dann in unserem Gehirn stattfindet, das ist nicht direkt ‚die Welt da draußen‘, wie sie physikalisch-chemisch beschaffen ist, sondern die Welt, wie sie durch unsere Sinnesorgane und die angeschlossenen Nervenzellen in ’neuronale Signalflüsse‘ verwandelt wurde, die im Gewebe der Milliarden von Nervenzellen weiter verarbeitet werden.

Aus Sicht von uns Menschen, die wir diesen Körper mit seinem Gehirn haben, erzeugen diese Signalflüsse in uns eine ‚Realität‘, die wir als ‚bare Münze‘ nehmen, obgleich sie im Vergleich zur Realität der Außenwelt nur ‚virtuell‘ ist, also eine ‚Virtualität‘. In diesem Sinne kann man sagen, dass die ‚Realität der Außenwelt‘ in uns als ‚Virtualität‘ vorkommt, die im Bereich der Signalflüsse von den Sinnesorganen von der ‚Realität der Außenwelt‘ angeregt/ induziert wird.