Archiv der Kategorie: Wahrheit

WAS IST LEBEN ? … Wenn Leben ‚Mehr‘ ist, ‚viel Mehr‘ …

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Datum: 8.Febr 2025 – 13.Febr 2025

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

Eine englische Version findet sich HIER!

KONTEXT

Dies ist eine direkte Fortsetzung der vorausgehenden Texte

  1. „WAS IST LEBEN ? Welche Rolle haben wir ? Gibt es eine Zukunft ?“
  2. „WAS IST LEBEN ? … DEMOKRATIE – BÜRGER“
  3. „WAS IST LEBEN ? … PHILOSOPHIE DES LEBENS“

Diesem Text ging ein Vortrag am 31.Jan 2025 voraus, in dem ich die grundlegenden Ideen schon mal formuliert hatte.

EINLEITUNG

In den vorausgehenden Texten wurde der ‚Rahmen‘ abgesteckt, innerhalb dessen sich die nachfolgenden Texte zum Thema „Was ist Leben? …“ bewegen werden. Eine Sonderstellung nimmt dabei der Text zur ‚Philosophie‘ ein, da hier darauf aufmerksam gemacht wird, in welcher ‚Perspektive‘ wir uns bewegen, wenn wir über uns selbst und die umgebende Welt anfangen nachzudenken und dann auch noch zu ’schreiben‘. Zur Erinnerung an die philosophische Perspektive hier der letzte Abschnitt als Zitat und zur Erinnerung:

„Letztlich ist ‚Philosophie‘ ein ‚Gesamtphänomen‘, das sich im Zusammenspiel vieler Menschen in einem Alltag zeigt, erlebbar ist und nur hier, in Prozessform, Gestalt annehmen kann. ‚Wahrheit‘ als ‚harter Kern‘ jeglichen wirklichkeitsbezogenen Denkens findet sich dadurch immer nur als ‚Teil‘ eines Prozesses, in dem die wirkenden Zusammenhänge wesentlich zur ‚Wahrheit einer Sache‘ gehören. Wahrheit ist daher niemals ’selbstverständlich‘, niemals ‚einfach‘, niemals ‚kostenlos‘; Wahrheit ist eine ‚kostbare Substanz‘, die zu ‚gewinnen‘ jeglichen Einsatz erfordert, und ihr Zustand ist ein ‚flüchtiger‘, da die ‚Welt‘ innerhalb deren Wahrheit ‚erarbeitet‘ werden kann, sich als Welt kontinuierlich ändert. Ein Hauptfaktor dieser beständigen Veränderung ist das Leben selbst: das ‚Dasein von Leben‘ ist nur möglich innerhalb eines ‚andauernden Prozesses‘ durch den ‚Energie‘ ‚emergente Bilder‘ aufleuchten lassen kann, die nicht zum ‚Ausruhen‘ geschaffen sind, sondern für ein ‚Werden‘, dessen letztes Ziel noch vielfach ‚offen erscheint‘: Leben kann sich tatsächlich — partiell — selbst zerstören oder sich selbst — partiell — ermächtigen. Irgendwo da mitten drin befinden wir uns. Die aktuelle Jahreszahl ‚2025‘ ist dafür eigentlich wenig aussagekräftig.“

WENN LEBEN ‚MEHR‘ IST, ‚VIEL MEHR‘ …

Im ersten Text dieses Textprojektes ‚Was ist Leben‘ wurde unter dem Label ‚EARTH@WORK. Cradle of Humankind‘ im Prinzip schon vieles gesagt, was für eine ’neue Sicht‘ auf das ‚Phänomen Leben‘ im Lichte der modernen wissenschaftlichen und philosophischen Erkenntnisse gesagt werden kann und eigentlich dann auch gesagt werden muss. Hier zur Erinnerung der Text:

„Die Existenz [des Planeten Erde] war faktisch die Voraussetzung dafür, dass das heute bekannte biologische Leben sich so entwickelt hat, wie wir es kennen lernen konnten. Es sind erst wenige Jahre her, seitdem wir ansatzweise verstehen können, wie sich das bekannte ‚biologische Leben‘ (Natur 2) aus dem ’nicht-biologischen Leben‘ (Natur 1) ‚entwickeln‘ konnte. Bei einer noch tiefer gehenden Analyse kann man nicht nur die ‚Gemeinsamkeit‘ in der benutzten ‚Materie‘ erkennen, sondern auch die ’neuartigen Erweiterungen‘, die das ‚Biologische‘ gegenüber dem ‚Nicht-Biologischen‘ auszeichnet. Statt dieses ‚Neuartige‘ in einen Gegensatz zu verwandeln, wie es das bisherige Denken der Menschheit getan hat (z.B. ‚Materie‘ versus ‚Geist‘, ‚Matter‘ versus ‚Mind‘), kann man das Neuartige auch als ‚Manifestation‘ von etwas ‚tiefer Liegendem‘ verstehen, als eine ‚Emergenz‘ von neuen Eigenschaften, die wiederum auf Eigenschaften hindeuten, die in der ‚Grundlage von allem‘ — nämlich in der ‚Energie‘ — vorhanden sind, sich aber erst bei der Bildung von immer komplexeren Strukturen zeigen können. Diese neuartige Interpretation wird angeregt durch die Erkenntnisse der modernen Physik, insbesondere der Quantenphysik in Verbindung mit der Astrophysik. Dies alles legt es dann nahe, die klassische Formel von Einstein (1905) e=mc2 umfassender zu interpretieren als bisher üblich (abgekürzt: Plus(e=mc2)).“

Dieser kurze Text soll im weiteren etwas mehr entfaltet werden, um die Dramatik ein wenig mehr sichtbar zu machen, die sich im Zusammenklang der vielen neuen Erkenntnisse andeutet. Manche werden diese Perspektiven vielleicht ‚bedrohlich‘ empfinden, andere als die ‚lang ersehnte Befreiung‘ von ‚falschen Bildern‘, die unser reale mögliche Zukunft bislang eher ‚verdeckt‘ haben.

Kontexte

Wenn wir einen ‚Apfel‘ sehen, ganz isoliert, dann ist dieser Apfel für sich genommen mit seinen Formen und Farben irgendwie ‚unbestimmt‘. Wenn wir aber ‚erleben‘ können, dass man einen Apfel z.B. ‚essen‘ kann, seinen Geschmack spüren, seine Wirkung auf unsren Körper, dann wird der Apfel ‚Teil eines Kontextes‘. Und wenn wir dann zufällig auch noch etwas ‚wissen‘ über seine Zusammensetzung und deren mögliche Wirkung auf unseren Körper, dann erweitert sich das ‚Bild des Erlebens‘ um ein ‚Wissensbild‘ und kann damit einen ‚Erlebens-Wissens-Kontext‘ in uns bilden, der den Apfel aus seiner ‚anfänglichen Unbestimmtheit‘ entreißt. Als Teil eines solchen Kontextes ist der Apfel ‚Mehr‘ als vorher.

Ähnlich mit einem ‚Stuhl‘: einfach so hat er irgendwie eine Form, hat Farben, zeigt Oberflächeneigenschaften, aber mehr nicht. Kann man erleben, dass dieser Stuhl in einem ‚Zimmer‘ steht ‚zusammen mit anderen ‚Möbelstücken‘, dass man sich ‚auf einen Stuhl setzen kann‘, dass man seinen Platz im Zimmer verändern kann, dann entsteht ein erlebtes Bild von einem größeren Ganzen, in dem der Stuhl ein Teil ist mit bestimmten Eigenschaften, die ihn von den anderen Möbelstücken unterscheiden. Wenn wir dann noch wissen, dass Möbelstücke in ‚Zimmern‘ vorkommen, die Teile von ‚Häusern‘ sind, dann entsteht wieder ein recht komplexer ‚Erlebens-Wissens-Kontext‘ in uns, der aus dem einzelnen Stuhl wieder ‚Mehr‘ macht.

Diese Art von Überlegungen können wir im Alltag auf sehr viele Objekte anwenden. Tatsächlich gibt es kein einziges Objekt, das ganz alleine, nur für sich vorkommt. Ganz krass findet sich dies bei ‚biologischen Objekten‘: Tieren, Pflanzen, Insekten, …

Nehmen wir uns selbst — wir als Menschen — als Beispiel. Lassen wir den Blick schweifen von dem Punkt, wo sich jeder gerade jetzt befindet, über das ganze Land, über den ganzen Kontinent, ja über das ganze Rund unseres Planeten, dann finden sich heute (2025) nahezu überall Menschen. Standardmäßig als Mann und Frau gibt es kaum eine Umgebung, wo nicht Menschen leben. Die jeweiligen Umgebungen können sehr einfach sein oder hoch verdichtet mit riesigen Gebäuden, Geräten, Menschen auf engstem Raum. Hat man den Blick so geweitet, dann ist klar, dass auch wir Menschen ‚Teil von etwas sind‘: sowohl von der jeweiligen geografischen Umgebung wie auch Teil einer großen biologischen Lebensgemeinschaft. Im Alltagserleben begegnen wir normalerweise immer nur wenigen (auch mal einige Hundert, speziell auch einige Tausend) anderen Menschen, aber durch das verfügbare Wissen können wir erschließen, dass wir viele Milliarden sind. So ist es wieder der ‚Erlebens-Wissens-Kontext‘ , der uns in einen größeren Kontext versetzt, in dem wir klar ‚Teil von etwas Großem‘ sind. Auch hier repräsentiert der Kontext ein Mehr gegenüber uns selbst als einzelner Person, als einzelnem Bürger, als einzelnem Menschen.

Zeit, Zeitscheiben, …

Wenn man die Dinge um uns herum — und dann auch uns selbst — im ‚Format‘ von ‚Kontexten‘ erleben und denken kann, dann ist es nicht weit, das Phänomen der ‚Veränderung‘ zu bemerken. Da, wo wir gerade sind, im ‚Jetzt‘, im ‚aktuellen Augenblick‘, gibt es keine Veränderung; alles ist, wie es ist. Sobald aber der ‚aktuelle Augenblick‘ von einem ’neuen Augenblick‘ gefolgt wird, und dann immer mehr neue Augenblicke ‚hintereinander‘, dann werden wir unweigerlich ‚Veränderungen‘ feststellen können: die Dinge ändern sich, alle Dinge in dieser Welt ändern sich; es gibt nichts, was sich nicht ändert!

Im ‚individuellen Erleben‘ kann es sein, dass wir mit unseren Augen, Ohren, Geruchssinn und sonstigen Sinnen für mehrere Augenblicke ’nichts sinnlich wahrnehmen‘. Dies ist möglich, weil unsere körpereigenen Sinnesorgane die Welt nur sehr grob wahrnehmen können. Mit den Methoden der neuen Wissenschaften, die nahezu beliebig ‚ins Kleine‘ und ‚ins Große‘ schauen können, können wir ‚wissen‘, dass zum Beispiel unsere ca. 37 Billionen (1012) Körperzellen in jedem Moment hoch aktiv sind, indem sie ‚Botschaften‘ austauschen, ‚Material austauschen‘, sich ‚reparieren‘, abgestorbene Zellen durch neue ersetzen, usw. Unser eigener Körper ist also in jedem Augenblick einem regelrechten ‚Veränderungssturm‘ ausgesetzt, ohne dass wir dies irgendwie bemerken können. Das Gleiche gilt für den Bereich der ‚Mikroben‘, kleinsten Lebewesen, die wir nicht sehen können, die aber zu vielen Milliarden nicht nur ‚um uns herum‘ leben, sondern sie besiedeln unsere Haut und sind auch ständig hochaktiv. Dazu kommt das Material der Gebäude um uns herum. In jedem Moment finden Veränderungsprozess im Material statt, so dass es nach einer bestimmten Anzahl von Jahren so ‚gealtert‘ ist, dass es seine geplante Funktion immer weniger erfüllen kann; Brücken können dann auch einstürzen, wie wir erleben können.

Generell können wir von ‚Veränderungen‘ nur sprechen, wenn wir ein ‚Vorher‘ und ein ‚Nachher‘ unterscheiden können, und wir die vielen Eigenschaften, die ein ‚Augenblick vorher‘ aufweist, mit den Eigenschaften ‚vergleichen‘ können, die ein ‚Augenblick nachher‘ aufweist. Im Raum unserer ’sinnlichen Wahrnehmung‘ gibt es immer nur ein ‚Jetzt‘ ohne vorher und nachher. Durch die Eigenschaft des ‚Erinnerns‘ in Zusammenarbeit mit einem ‚Merken‘ von aktuellen Ereignissen verfügt unser ‚Gehirn‘ aber über die wunderbare Fähigkeit, ‚Augenblicke‘ bis zu einem gewissen Grade ‚quasi zu speichern‘, und ergänzend über die Fähigkeit, ‚verschiedene gespeicherte Augenblicke‘ nach bestimmten Kriterien mit einer aktuellen sinnlichen Wahrnehmung zu vergleichen. Gibt es ‚Unterschiede‘ zwischen der ‚aktuellen sinnlichen Wahrnehmung‘ und den bislang ‚gespeicherten Augenblicken‘, dann macht uns das Gehirn darauf ‚aufmerksam‘; es ‚fällt uns auf‘.

Dieses Phänomen der ‚erlebbaren Veränderungen‘ ist die Basis für unser ‚Empfinden von Zeit‘. Wir Menschen haben zwar schon immer auch ‚externe Ereignisse‘ zur Hilfe genommen, um erlebbare Veränderungen in einen größeren Rahmen einordnen zu können (Tag-Nacht, Jahreszeiten, diverse Konstellationen von Sternen, Zeitmaschinen wie verschiedenste ‚Uhren‘, … unterstützt durch Zeitaufzeichnungen, später auch ‚Kalendern‘), aber die Fähigkeit, Veränderungen erleben zu können, bleibt für uns grundlegend.

Wenn man über dies alles ’nachdenkt‘, dann kann man z.B. das Konzept der ‚Zeitscheibe‘ formulieren: Wenn man sich einen ‚Zeitabschnitt‘ denkt — der natürlich unterschiedlich kurz oder lang sein kann (Nanosekunden, Sekunden, Stunden, Jahre, …) — und alle Orte unseres Planeten samt allem, was sich da gerade befindet, als einen einzigen ‚Zustand‘ ansieht, und dies macht man für jeden Zeitabschnitt, der auf den ersten Zeitabschnitt folgt, dann bekommt man eine ‚Reihe/ Folge‘ von ‚Zeitscheiben‘. Bei dieser Konstellation ist es dann so, dass jede Veränderung, wo immer sie innerhalb des Zustands stattfindet, sich mit ihren ‚Wirkungen‘ in einer der folgenden Zeitscheiben ‚auswirkt‘. Je nach ‚Dicke der Zeitscheibe‘ ist es in der ‚direkt nachfolgenden Zeitscheibe‘ oder eben ‚viel später‘. In diesem Modell geht nichts verloren. Je nach ‚Dicke‘ ist das Modell eher ’sehr präzise‘ oder ’sehr grob‘. So wird z.B. die Bevölkerungsentwicklung von einer Gemeinde in Deutschland immer nur stichprobenartig am letzten Tag eines Jahres erhoben. Würde man dies jede Woche machen, dann würden sich die einzelnen Kenngrößen (Geburten, Sterbefälle, Zuzüge, Weggang, …) sehr unterscheiden.

Im Übergang von einer zur nächsten Zeitscheibe wirkt sich ‚jede Veränderung‘ aus, also auch, was jeder einzelne Mensch tut. Allerdings muss man unterscheiden zwischen konkreten Wirkungen (wenn ein junger Mensch regelmäßig zur Schule geht) und einem ‚langfristigen Ergebnis (Schulabschluss, erworbene Kompetenzen,…), das sich ’nicht direkt‘ als konkretes Veränderungsereignis zeigt. Erwerb von Erfahrungen, Wissen, Kompetenzen … wirkt sich ‚im Innern‘ eines Menschen aus durch ‚Aufbau von unterschiedlichen Strukturen‘, die den einzelnen Menschen in die Lage versetzen, z.B. auf neue Weise zu ‚Planen, zu entscheiden und zu Handeln‘. Dieser ‚Aufbau von unterschiedlichen Strukturen‘ im Innern eines Menschen ist nicht direkt beobachtbar. Diese Strukturen können aber die ‚Qualität des Verhaltens‘ sehr stark beeinflussen.

Zeitscheiben des Lebens auf dem Planet Erde

Es klang eben schon an, dass die ‚Dicke einer Zeitscheibe‘ sich darin auswirkt, welche Ereignisse man sieht. Dies hängt damit zusammen, dass wir auf dem Planet Erde sehr viele ‚unterschiedliche Arten von Veränderungen‘ kennen gelernt haben. Vorgänge am Himmel und Vorgänge in der Natur dauern gefühlt eher ‚länger‘, Wirkungen von konkreten mechanischen Aktionen finden eher ’schnell‘ statt, Veränderungen der Erdoberfläche brauchen tausende, viele tausende oder gar Millionen von Jahren.

Hier soll der Blick auf die großen Entwicklungsschritte des (biologischen) Lebens auf dem Planeten Erde gelenkt werden. Wir selbst — als Homo sapiens — sind Teil dieser Entwicklung und es kann interessant sein, zu klären, ob die Tatsache, dass wir ‚Teil des großen Lebens‘ sind Perspektiven sichtbar macht, die wir im ’normalen Alltag‘ eines einzelnen Menschen praktisch nicht erkennen können, obgleich diese Perspektiven möglicherweise von großer Bedeutung für jeden von uns sind.

Die Auswahl von ‚markanten Ereignissen‘ in der Entwicklung des Lebens auf der Erde ist natürlich sehr stark abhängig von dem ‚Vor-Wissen‘, mit dem man an die Aufgabe herangeht. Ich habe hier nur solche Punkte ausgewählt, die sich in nahezu allen wichtigen Publikationen finden. Die Angabe jenes Zeitpunkts, ‚ab dem‘ diese Ereignisse anerkannt werden, haben grundsätzlich eine ‚Unschärfe‘, da sowohl die ‚Komplexität‘ des Ereignisses wie auch die Problematik der ‚zeitlichen Bestimmung‘ bis heute nicht viel genauer sein kann. Folgende markante Ereignisse habe ich ausgewählt:

  1. Molekulare Evolution (ab ~3.9 Mrd. Jahren)
  2. Prokaryotische Zellen (ab ~3.5 Mrd. Jahren)
  3. Großes Sauerstoffereignis (ab ~2.5 Mrd. Jahren)
  4. Eukaryotische Zellen (ab ~1.5 Mrd. Jahren)
  5. Vielzeller (ab ~600 Mio. Jahren)
  6. Auftreten der Gattung Homo (ab ~2.5 Mio. Jahren)
  7. Auftreten des Homo sapiens (ab ~300.000 Jahren)
  8. Auftreten von Künstlicher Intelligenz (ab ~21. Jahrhundert)

Mich hat dann interessiert, wie groß die Abstände zwischen diesen Ereignissen waren. Für die Berechnung wurden immer die Anfangspunkte der markanten Ereignisse genommen, da sich im weiteren Verlauf kein Zeitpunkt gut festlegen lässt. Folgende Tabelle hat sich dann ergeben:

  1. Molekulare Evolution zu Prokaryotischen Zellen: 400 Millionen Jahre
  2. Prokaryotische Zellen zum Großen Sauerstoffereignis: 1 Milliarde Jahre
  3. Großes Sauerstoffereignis zu Eukaryotischen Zellen: 1 Milliarde Jahre
  4. Eukaryotische Zellen zu Vielzellern: 900 Millionen Jahre
  5. Vielzeller zum Auftreten der Gattung Homo: 597,5 Millionen Jahre
  6. Gattung Homo zum Homo sapiens: 2,2 Millionen Jahre
  7. Homo sapiens zur Künstlichen Intelligenz: 297.900 Jahre

Als nächstes habe ich diese Zeitabstände umgerechnet in ‚prozentuale Anteile der Gesamtzeit‘ von 3.9 Milliarden Jahren. Damit er gibt sich folgende Tabelle:

  1. Molekulare Evolution zu Prokaryotischen Zellen: 400 Millionen Jahre = 10,26%
  2. Prokaryotische Zellen zum Großen Sauerstoffereignis: 1 Milliarde Jahre = 25,64%
  3. Großes Sauerstoffereignis zu Eukaryotischen Zellen: 1 Milliarde Jahre = 25,64%
  4. Eukaryotische Zellen zu Vielzellern: 900 Millionen Jahre = 23,08%
  5. Vielzeller zum Auftreten der Gattung Homo: 597,5 Millionen Jahre = 15,32%
  6. Gattung Homo zum Homo sapiens: 2,2 Millionen Jahre = 0,056%
  7. Homo sapiens zur Künstlichen Intelligenz: 297.900 Jahre = 0,0076%

Mit diesen Zahlen kann man dann schauen, ob diese Daten als ‚Datenpunkte‘ auf einer Zeitachse irgendeine auffällige Eigenschaft erkennen lassen. Natürlich gibt es hier rein mathematisch sehr viele Optionen, wonach man schauen könnte. Mich hat zunächst nur interessiert, ob es eine ‚mathematisch definierte Kurve‘ geben kann, die mit diesen Datenpunkten ’signifikant korreliert‘. Nach zahlreichen Tests mit verschiedenen Schätzfunktionen (siehe Erläuterungen im Anhang) ergab sich, dass die logistische Funktion (S-Kurve) von ihrem Design her die Dynamik der realen Daten der Entwicklung von biologischen Systemen am besten wiedergibt.

Für diese Schätzfunktion wurden die Datenpunkte ‚Molekulare Evolution‘ sowie ‚Auftreten von KI‘ ausgeklammert, da sie nicht zum Entwicklungsgeschehen von biologischen Systemen im engeren Sinne gehören. Damit ergaben sich folgende Datenpunkte als Ausgangspunkt für das Finden einer Schätzfunktion :

0 Molekulare Evolution zu Prokaryoten 4.000000e+08 (NICHT)
1 Prokaryoten zum Großen Sauerstoffereignis 1.000000e+09
2 Sauerstoffereignis zu Eukaryoten 1.000000e+09
3 Eukaryoten zu Vielzellern 9.000000e+08
4 Vielzeller zu Homo 5.975000e+08
5 Homo zu Homo sapiens 2.200000e+06
6 Homo sapiens zu KI 2.979000e+05 (NICHT)

Für die ausgewählten Ereignisse ergaben sich dann jeweils die kumulierte Zeit zu:

0 0.400000
1 1.400000
2 2.400000
3 3.300000
4 3.897500
5 3.899700
6 3.899998

Und als Voraussage des nächsten ‚besonderen‘ Ereignisses in der Entwicklung biologischer Systeme ergab sich das Jahr ‚4.0468‘ Mrd (unsere Gegenwart ist bei ‚3.899998‘ Mrd). Damit soll das nächste strukturelle Ereignis bei konservativer Schätzung ca. 146.8 Mio Jahre in der Zukunft liegen. Es könnte aber auch — nicht ganz unwahrscheinlich — in ca. 100 Mio Jahren stattfinden.

Die Kurve erzählt jene ‚Wirkgeschichte‘, die ‚klassische biologische Systeme‘ bis zum Homo sapiens mit ihren ‚bisherigen Mitteln‘ erzeugen konnten. Mit dem Auftreten des Typs ‚Homo‘, und dann insbesondere mit der Lebensform ‚Homo sapiens‘, kommen aber völlig neue Eigenschaften ins Spiel. Mit der Teil-Population des Homo sapiens gibt es eine Lebensform, die mittels ihrer ‚kognitiven‘ Dimension und ihrer neuartigen ‚symbolischen Kommunikation‘ extrem viel schneller und komplexer Handlungsgrundlagen generieren kann. Damit ist nicht auszuschließen, dass das nächste markante evolutionäre Ereignis nicht nur weit vor 148 Mio Jahren stattfinden kann, sondern sogar vor 100 Mio Jahren.

Diese Arbeitshypothese wird noch dadurch gestärkt, dass der Homo sapiens nach ca. 300.000 Jahren mittlerweile ‚Maschinen‘ bauen kann, die er ‚programmieren‘ kann, und die viele Aufgaben, die für die ‚kognitive Durchdringung‘ unserer komplexen Welt schon jetzt das einzelne menschliche Gehirn überfordern, große Dienste erweisen können. Die Maschinen als nicht-biologische Systeme haben zwar keine ‚Entwicklungs-Basis‘ wie die biologischen Systeme, aber im Format einer ‚Co-Evolution‘ könnte das Leben auf der Erde mit Unterstützung von solchen ‚programmierbaren Maschinen‘ sehr wahrscheinlich die weitere Entwicklung beschleunigen.

Mensch sein, Verantwortung und Emotionen

Mit der soeben vorgenommenen Kontexterweiterung für die Frage nach der möglichen Rolle von Menschen im Kontext der globalen Entwicklung eröffnen sich viele interessante Perspektiven, die für uns Menschen nicht nur angenehm sind. Sie sind allesamt eher ‚unbequem‘ in dem Sinne, dass diese Perspektiven erkennen lassen, dass unsere bisherige ‚Selbstgenügsamkeit mit uns selbst‘ — fast vergleichbar mit einem ‚globalen Narzissmus‘ –, uns nicht nur ‚uns selbst entfremdet‘, sondern dass wir, die wir ein Produkt des Gesamtlebens auf dem Planeten sind, dabei sind, genau dieses Gesamtleben zunehmend empfindlich zu zerstören. Es scheint, dass die meisten nicht begreifen, was sie da tun, oder, wenn sie es vielleicht sogar ahnen, all dies beiseite schieben, weil ihnen das ‚Ganze‘ zu weit weg erscheint vom ‚aktuellen individuellen Lebenssinn‘.

Dieser letzte Punkt ist ernst zu nehmen: Wie kann eine ‚Verantwortung für das globale Leben‘ für uns Menschen von uns einzelnen Menschen überhaupt ‚verstanden‘, geschweige denn ‚praktisch umgesetzt‘ werden? Wie sollen Menschen, die aktuell ca. 60 – 120 Jahre leben, sich Gedanken machen für eine Entwicklung, die viele Millionen oder gar mehr Jahre in die Zukunft zu denken ist?

Die Frage nach der Verantwortung wird noch zusätzlich erschwert durch eine ‚konstruktive Besonderheit‘ des aktuellen Homo sapiens: Eine Besonderheit des Menschen besteht darin, dass seine ‚Kognitive Dimension‘ (Wissen, Denken…) nahezu vollständig unter der Kontrolle vielfältigster Emotionen steht. Selbst im Jahr 2025 gibt es ungeheuer viele ‚Weltbilder‘ in den Köpfen von Menschen, die mit der realen Welt wenig bis gar nichts zu tun haben, aber die emotional wie ‚zementiert‘ wirken. Der ‚Umgang mit Emotionen‘ erscheint bislang ein großer blinder Fleck zu sein: Wo wird dies wirklich ‚trainiert‘ und flächendeckend erforscht, dazu alltagsnah, für jeden?

Alle diese Fragen rühren letztlich an unserem bisherigen ‚Selbstverständnis als Menschen‘. Wenn wir diese neue Perspektive ernst nehmen, dann müssen wir Menschen
offensichtlich neu und tiefer begreifen, was es heißt ‚Mensch zu sein‘ in solch einem gewaltigen ‚alles umfassenden Prozess‘. Ja, und dies wird offensichtlich nicht gehen, wenn wir uns selbst körperlich und geistig nicht deutlich weiter entwickeln. Die aktuelle Ethik mit ihrem ‚Veränderungsverbot‘ für Menschen, wie sie aktuell beschaffen sind, kann angesichts der ungeheuren Herausforderung im Grenzfall genau das Gegenteil bewirken: nicht ‚Erhalt‘ des Menschen sondern ‚Vernichtung‘. Es deutet sich an, dass es ‚wirklich bessere Technik‘ möglicherweise nur geben wird, wenn auch das Leben selbst, und hier speziell wir Menschen, uns dramatisch weiter entwickeln.

Ende des Dualismus ‚Nicht-Biologisch‘ : ‚Biologisch‘ ?

Bis zu dieser Stelle der Überlegungen sprechen wir so, wie es bislang üblich ist, wenn man über das ‚Leben‘ (die biologischen Systeme) und davon unterschieden von dem System Erde mit all dem ‚Nicht-Biologischen‘ spricht. Diese Unterscheidung zwischen ‚Biologisch‘ und ‚Nicht-Biologisch‘ sitzt sehr tief im Bewusstsein mindestens der europäischen Kultur und all jener Kulturen, die davon stark geprägt wurden.

Natürlich ist es nicht zufällig, dass sehr früh schon der Unterschied zwischen ‚belebter Materie‘ (Biologischen Systemen) und ‚unbelebter Materie‘ erkannt und benutzt wurde. Letztlich lag dies daran, dass ‚belebte Materie‘ Eigenschaften aufwies, die man so nicht bei ‚unbelebter Materie‘ feststellen konnte. Dabei blieb es bis heute.

Ausgestattet mit dem heutigen Wissen kann man diesen uralten Dualismus aber nicht nur in Frage stellen, man kann ihn eigentlich überwinden.

Der Ausgangspunkt für diesen denkerischen Brückenschlag findet man auf Seiten des Biologischen in der Tatsache begründet, dass ja die ersten einfachen Zellen, die Prokaryoten, aus ‚Molekülen‘ bestehen, diese wiederum aus ‚Atomen‘, diese wiederum aus … diese Hierarchie der Bestandteile kennt keine Grenze nach unten. Klar ist nur, dass eine ‚prokaryotische Zelle‘, die früheste Form von Leben auf dem Planet Erde, vom ‚Baumaterial‘ her vollständig aus dem Material besteht, aus dem alle nicht-biologischen Systeme bestehen, ein Material, was letztlich der ‚allgemeine Baustoff‘ ist, aus dem das ganze übrige Universum besteht. Dies wird im folgenden Bild angedeutet:

Für den Bereich der ‚unbelebten Materie‘ hat Einstein (1905) mit der Formel ‚e = mc2‚ dargelegt, dass zwischen der Masse‘ ‚m‘ einer beobachtbaren Materie und dem theoretischen Begriff der (nicht beobachtbaren) Energie ‚e‘ eine bestimmte Gleichwertigkeit besteht, wenn man die Masse m mit einem bestimmten ‚Betrag an Energie‘ auf eine bestimmte ‚Geschwindigkeit‘ ‚beschleunigt‘. Man kann aus Energie e nicht nur eine Masse m gewinnen sondern umgekehrt auch umgekehrt aus einer Masse m auch wieder Energie e.

Diese Formel hat sich bis heute bewährt.

Was aber bedeutet diese Formel für eine Materie m, die im ‚Zustand des Biologischen‘ vorliegt? Biologische Strukturen müssen nicht ’selbst ‚beschleunigt‘ sein, um ‚biologisch zu existieren‘. Allerdings müssen biologische Zellen zusätzlich zur ‚Energie‘ ihrer materiellen Bestandteile kontinuierlich ‚Energie aufnehmen‘, um ihre ’spezielle materielle Struktur‘ aufzubauen, zu erhalten, und zu verändern. Zusätzlich zu diesen ‚Aktivitäten‘ kann Materie im Format des Biologischen sich ’selbst reproduzieren‘. Im Rahmen dieser ‚Selbstreproduktion‘ findet zusätzlich ein ’semiotischer Prozess‘ statt, der später im Fall der symbolischen Kommunikation der hochkomplexen Lebewesen — insbesondere beim Homo sapiens — zur Grundlage einer neuartigen und hoch leistungsfähigen Kommunikation zwischen den biologischen Systemen geworden ist.

Die ’semiotische Struktur‘ im Kontext der Reproduktion kann man wie folgt (vereinfacht) beschreiben: eine Art von Molekülen (M1) ‚wirken‘ auf Moleküle (M2) so, als ob die Elemente der Moleküle M1 ‚Steuerbefehle‘ für die Moleküle von M2 sind, wodurch die Moleküle M2 chemische ‚Prozesse‘ anstoßen, durch welche neue Moleküle (M3) zusammen gebaut werden. Die Elemente von von M1, die ‚wie Steuerbefehle‘ wirken, verhalten sich dabei wie sogenannte ‚Zeichen‘ im Rahmen der Theorie der Semiotik. Die Moleküle ‚M3‘, die vom Molekül M2 erzeugt werden, sind im Rahmen der Semiotik zu verstehen als die ‚Bedeutung‘ von M1 und M2 wäre die ‚Bedeutungsbeziehung‘ für M1 mit M3.

Nicht nur das menschliche Gehirn arbeitet mit solchen semiotischen Strukturen, auch jeder moderne Computer besitzt diese semiotische Struktur. Dies deutet an, dass es sich möglicherweise um eine universelle Struktur handelt.

Akzeptiert man diese Überlegungen, dann scheint es so zu sein, dass sich ‚biologische Materie‘ von ‚nicht-biologischer Materie‘ dadurch unterscheidet, dass biologische Materie über die Eigenschaft verfügt, dass sie mit Hilfe von Energie nicht-biologische Materie so anordnen kann, dass zwischen den einzelnen nicht-biologischen Elementen (Atome, Moleküle) funktionale ‚Beziehungen‘ entstehen, die man als ‚semiotische Strukturen‘ interpretieren kann: nicht-biologische Elemente funktionieren ‚in einem Zusammenhang‘ (!) sowohl als ‚Zeichen‘ wie auch als ‚dynamische Bedeutungsbeziehung‘ wie auch als ‚Bedeutung‘.

Es stellt sich jetzt die Frage, wie weit man die ‚zusätzlichen Eigenschaften‘, die Materie im Format des Biologischen ‚zeigt‘, nicht nur als ‚emergente Eigenschaften‘ verstehen sollte, sondern darüber hinaus zugleich auch als ‚Manifestationen von Eigenschaften der Energie selbst‘! Da man die Energie e selbst nicht direkt beobachten kann, sondern nur indirekt durch ihre beobachtbaren Wirkungen, ist es der Forschung freigestellt, ob sie die gewohnte ‚Perspektive‘ von Einsteins 1905-Formel ‚e = mc2‚ weiter beibehalten will — und damit in Kauf nimmt, dass die komplexesten Eigenschaften des Universums weiter ‚unerklärt‘ bleiben –, oder ob die Forschung auch ‚unbelebte Materie im Format des Biologischen‘ in die Betrachtung einbeziehen will. Biologische Systeme sind ohne Energie nicht erklärbar. Allerdings fordert ihre ‚Dreifachstruktur‘ mit Materie als ‚Objekte‘ und mit Materie als ‚Metaebene‘ und noch Materie als ‚Akteur‘ dazu heraus, der unterstellten ‚Energie‘ mehr ‚interne Eigenschaften‘ zuzugestehen als bislang gewährt. Resultiert diese ‚Weigerung‘ aus einer ‚falschen Eitelkeit des Erkennenden‘, der nicht zugeben will, dass ihm ‚in der Materie selbst‘ etwas entgegen tritt, was deutlich mehr ist als ‚unbelebte Materie‘? Und ja, der ‚Erkennende‘ ist ja selbst genau dies: ‚Materie im Format des Biologischen‘ mit Eigenschaften, die weit über alles hinausgehen, was bislang die Physik bereit war, zu buchstabieren. Von der Vielfalt der Emotionen, die hier auch überall im Spiel sind, wurde bei dieser Erzählung noch nicht viel gesagt. Was, wenn die Energie auch für diesen Komplex zuständig ist? Vielleicht müssen wir alle — Philosophen, Wissenschaftler, .. — zurück auf ‚Start‘? Vielleicht müssen wir lernen, die Geschichte des Lebens auf dem Planeten und den wahren Sinn unseres Menschseins lernen, ganz neu zu erzählen …. Eigentlich haben wir dabei nichts zu verlieren. Alle bisherigen Geschichten taugen nicht all zu viel. Die mögliche Zukunft ist mit Sicherheit spannender, aufregender, reicher … als alles, was bislang erzählt wurde…

ANHANG PYTHON PROGRAMM

Ich habe mit Unterstützung von chatGPT4o eine ganze Reihe von Schätzfunktionen durchprobiert (z.B. Potenzfunktion, invertierte Potenzfunktion, Exponentialfunktion, Hyperbolische Funktion, Gompertz-Funktion, Logistische Funktion, Summierte Potenzfunktion, jeweils mit unterschiedlichen Varianten). Im Ergebnis zeigte sich die logistische (S-Kurve) Funktion als jene, die sich den realen Datenwerte am besten ‚anpasste‘ und eine ‚konservative Schätzung‘ für die Zukunft ermöglichte, die einigermaßen ‚plausibel‘ erscheint und die sich nach Bedarf notfalls noch ein wenig präzisieren lassen würde. Doch angesichts der vielen offenen Parameter für die Zukunft scheint eine ‚konservative Schätzung‘ am besten geeignet: man kann eine gewisse Richtung erkennen, aber es bleibt ‚Spielraum‘ für unverhoffte Ereignisse.

Das nachfolgende python-Programm wurde mit der Entwicklungsumgebung Python 3.12.3 64-bit mit Qt 5.15.13 und PyQt5 5.15.10 auf Linux 6.8.0-52-generic (x86_64) (Für spyder siehe: Spyder-IDE.org ) ausgeführt.

#!/usr/bin/env python3
# -*- coding: utf-8 -*-
"""
Created on Mon Feb 10 07:25:38 2025

@author: gerd (supported by chatGPT4o)
"""
import numpy as np
import pandas as pd
import matplotlib.pyplot as plt
from scipy.optimize import curve_fit

# Daten für die Tabelle
data = {
    "Phase": [
        "Molekulare Evolution zu Prokaryoten",
        "Prokaryoten zum Großen Sauerstoffereignis",
        "Sauerstoffereignis zu Eukaryoten",
        "Eukaryoten zu Vielzellern",
        "Vielzeller zu Homo",
        "Homo zu Homo sapiens",
        "Homo sapiens zu KI"
    ],
    "Dauer (Jahre)": [
        400e6,
        1e9,
        1e9,
        900e6,
        597.5e6,
        2.2e6,
        297900
    ]
}

# Gesamtzeit der Entwicklung des Lebens (ca. 3,9 Mrd. Jahre)
total_time = 3.9e9

# DataFrame erstellen
df = pd.DataFrame(data)

# Berechnung des prozentualen Anteils
df["% Anteil an Gesamtzeit"] = (df["Dauer (Jahre)"] / total_time) * 100

# Berechnung der kumulativen Zeit
df["Kumulative Zeit (Mrd. Jahre)"] = (df["Dauer (Jahre)"].cumsum()) / 1e9

# Extrahieren der relevanten kumulativen Zeitintervalle (Differenzen der biologischen Phasen)
relevant_intervals = df["Kumulative Zeit (Mrd. Jahre)"].iloc[1:6].diff().dropna().values

# Definieren der Zeitindices für die relevanten Intervalle
interval_steps = np.arange(len(relevant_intervals))



# Sicherstellen, dass x_cumulative_fit korrekt definiert ist
x_cumulative_fit = np.arange(1, 6)  # Index für biologische Phasen 1 bis 5
y_cumulative_fit = df["Kumulative Zeit (Mrd. Jahre)"].iloc[1:6].values  # Die zugehörigen Zeiten

# Logistische Funktion (Sigmoid-Funktion) definieren
def logistic_fit(x, L, x0, k):
    return L / (1 + np.exp(-k * (x - x0)))  # Standardisierte S-Kurve

# Curve Fitting für die kumulierte Zeitreihe mit der logistischen Funktion
params_logistic, _ = curve_fit(
    logistic_fit,
    x_cumulative_fit,
    y_cumulative_fit,
    p0=[max(y_cumulative_fit), np.median(x_cumulative_fit), 1],  # Startwerte
    maxfev=2000  # Mehr Iterationen für stabilere Konvergenz
)

# Prognose des nächsten kumulierten Zeitpunkts mit der logistischen Funktion
predicted_cumulative_logistic = logistic_fit(len(x_cumulative_fit) + 1, *params_logistic)

# Fit-Kurve für die Visualisierung der logistischen Anpassung
x_fit_time_logistic = np.linspace(1, len(x_cumulative_fit) + 1, 100)
y_fit_time_logistic = logistic_fit(x_fit_time_logistic, *params_logistic)

# Visualisierung der logistischen Anpassung an die kumulierte Zeitreihe
plt.figure(figsize=(10, 6))
plt.scatter(x_cumulative_fit, y_cumulative_fit, color='blue', label="Real Data Points")
plt.plot(x_fit_time_logistic, y_fit_time_logistic, 'r-', label="Logistic Fit (S-Curve)")
plt.axvline(len(x_cumulative_fit) + 1, color='r', linestyle='--', label="Next Forecast Point")
plt.scatter(len(x_cumulative_fit) + 1, predicted_cumulative_logistic, color='red', label=f"Forecast: {predicted_cumulative_logistic:.3f} Bn Years")

# Titel und Achsenbeschriftungen
plt.title("Logistic (S-Curve) Fit on Cumulative Evolutionary Time")
plt.xlabel("Evolutionary Phase Index")
plt.ylabel("Cumulative Time (Billion Years)")
plt.legend()
plt.grid(True)
plt.show()

# Neues t_next basierend auf der logistischen Anpassung
predicted_cumulative_logistic

Out[109]: 4.04682980616636 (Prognosewert)

WAS IST LEBEN ? … PHILOSOPHIE DES LEBENS

Eine Lokalisierung von Philosophie im Gesamtzusammenhang:

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Datum: 21.Jan 2025 – 22.Jan 2025

Autor: Ich habe den Titel „WAS IST LEBEN? … PHILOSOPHIE DER WELT“ abgeändert zu „WAS IST LEBEN? … PHILOSOPHIE DES LEBENS“. Grund: Es wird sich im Verlauf der Untersuchung zeigen, dass das ‚Leben‘, das wir auf dem Planet Erde vorfinden und somit auf den ersten Blick als ‚Teil der Welt und des Universums‘ erscheint, möglicherweise gar kein ‚Teil‘ ist sondern … jedenfalls ist eine ‚Philosophie‘, welche die ‚Welt‘ beschreiben will, besser beraten, sich gleich dem ‚Leben‘ zuzuwenden’, welches das eigentliche ‚Rätsel des Universums‘ ist.

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

Eine englische Version findet sich HIER.

KONTEXT

Dies ist eine direkte Fortsetzung der vorausgehenden Texte „WAS IST LEBEN ?Welche Rolle haben wir ? Gibt es eine Zukunft ?“ und „WAS IST LEBEN ? … DEMOKRATIE – BÜRGER“

EINLEITUNG

In den beiden vorausgehenden Texten wurde der ‚Rahmen‘ abgesteckt, innerhalb dessen sich die nachfolgenden Texte zum Thema „Was ist Leben? Welche Rollen haben wir? Gibt es eine Zukunft?“ bewegen werden.

Die Ausfaltung der verschiedenen Aspekte dieses großen Themas beginnt mit Überlegungen zur Rolle der ‚Philosophie‘ in diesem Zusammenhang.

VERANKERUNG VON ‚PHILOSOPHIE‘ IM LEBEN

Es wird hier die Annahme vertreten, dass das Phänomen ‚Philosophie‘ verknüpft ist mit ‚Akteuren‘, die auf diesem ‚Planeten‘ leben, die Teil des großen Phänomens ‚Leben‘ auf diesem Planeten sind, und hier nach einem weit verbreiteten Verständnis bevorzugt in jener Lebensform zu finden sind, die grob ‚Homo‘ genannt werden (ungefähr ab 6 Millionen Jahren vor unserer Gegenwart), und im Bereich der Lebensform Homo dann später als ‚Homo sapiens‘ auftraten (ungefähr ab 300.000 Jahren vor unserer Gegenwart). Nicht, dass es neben dem Homo sapiens nicht noch andere Ausprägungen der Lebensform Homo gegeben hätte, aber überlebt hat bis heute eben nur der Homo sapiens, also ‚Wir‘.

Bekanntlich finden sich auf dem Planeten Erde im Jahr 2025 viele ‚Kontinente‘, auf denen nahezu überall ‚Menschen‘ leben. Die Art und Weise, wie die Menschen auf den verschiedenen Kontinenten leben unterscheidet sich äußerlich oft sehr stark, was durch die äußerlichen Gegebenheiten (Klima, Vegetation, Geologie, Weltanschauungen usw.) bedingt ist. Die ‚genetische Basis‘ ist entweder nahezu ‚gleich‘ oder unterscheidet sich nur in ‚Details‘. Der Zusammenhang zwischen diesen Details und dem beobachtbaren ‚Verhalten‘ ist bislang weitgehend unklar. Im ‚Erscheinungsbild‘ kann es zwar Unterschiede in Haarfarbe, Hautfarbe, Körperform usw. geben, doch diese Unterschiede finden sich auf jedem Kontinent, in jeder Bevölkerungsgruppe, sind aber für das Verhalten irrelevant.

Aufgrund vieler ‚Lebensnotwendigkeiten‘ (Ernährung, Trinken, Wohnen, …) verhalten sich Menschen niemals ganz ‚planlos‘. Von den frühesten ‚Zeugnissen menschlichen Lebens‘ an kann man beobachten, dass Menschen ihr Verhalten und ihre Umgebung ‚formen‘, ‚organisieren‘ und zu immer komplexeren ‚Regelsystemen‘ finden, nach denen sie ihr Verhalten ausrichten. Die Gesamtheit dieser Formen, Organisationen und überhaupt Regelsystemen wird hier ‚Kultur‘ genannt.

Im Rahmen dieser ‚menschlichen Kultur‘ fällt eine Eigenschaft besonders auf: das miteinander Kommunizieren mittels ‚gesprochener Sprache‘. Zwar können Menschen auch ohne explizites Sprechen auf vielfache Weise ‚kommunizieren‘, aber für alle detaillierten, komplexen Sachverhalte, insbesondere für die Zwecke der ‚Koordination eines gemeinsamen Verhaltens‘, erweist sich die gesprochene Sprache als unverzichtbar und enorm mächtig! Dabei fällt auf, dass es nicht nur ‚eine Sprache‘ gab, sondern fast so viele Sprachen wie es ‚menschliche Gemeinschaften‘ gab. Eine ‚Angleichung von Sprachen‘, eine ‚Fusion‘ verschiedener Sprachen, hat — wenn überhaupt — nur über viele Generationen stattgefunden. Noch heute (2025) haben wir nationale Gemeinschaften mit vielen hundert Sprachen nebeneinander und es erscheint selbstverständlich, dass bei multinationalen Veranstaltungen jede Nation mit mindestens einer ‚eigenen‘ Sprache auftritt.

In dem Maße, in dem sich eine Kultur mit immer mehr ‚Elementen‘ anreichert, um so höher steigt die Anforderung an die ‚Mitglieder dieser Kultur‘, sich mit all diesen Elementen und ihrem ‚Zusammenspiel‘ ‚vertraut‘ zu machen. Heute würden wir sagen, dass die einzelnen Mitglieder ihre eigene Kultur ‚lernen‘ müssen, und vielfach nennt man die Gesamtheit solcher Lernprozesse auch ‚Aus-Bildung‘ bzw. einfach ‚Bildung‘.

So hat sich in den letzten ungefähr 2000 – 3000 Jahren menschlicher Kultur auch ein ‚Bildungsmuster‘ herausgeschält, dass pauschal ‚Philosophie‘ genannt wird oder man nennt bestimmte Verhaltensweisen ‚philosophisch‘. Die Vielfalt dieses Phänomens ‚Philosophie‘ ist so groß, so ausgeprägt, dass es nahezu unmöglich erscheint, diese Vielfalt auf einige wenige Grundelemente zurück zu führen. Wer dieser historischen Vielfalt weiter nachspüren möchte, kann dies tun, indem er die einschlägigen Handbücher und Lexika aufschlägt und sich in dieser Vielfalt — möglicherweise — ‚verliert‘.

Hier soll ein anderer Weg eingeschlagen werden.

Diese ‚Vielfalt des Philosophischen‘ führt ja letztlich immer zurück zu konkreten Menschen — bildungstechnisch meistens ‚Philosophen‘ genannt –, die Akteure in einem bestimmten — kulturell geprägten — ‚Alltag‘ waren. Als ‚Teil‘ eines solchen ‚Lebensprozesses‘ haben sie bestimmte ‚Meinungen‘ ausgebildet, ‚Sichten des Lebens‘; sie haben ‚bestimmte sprachliche Ausdrücke‘ benutzt, haben mittels ihrer sprachlichen Ausdrücke das erfahrbare Leben ‚interpretiert‘, ‚klassifiziert‘, ‚angeordnet‘, und haben von Einzelphänomenen ‚abstrahiert‘; zwischen Phänomenen haben sie ‚Beziehungen gesehen‘, haben viele Beziehungen wiederum ‚zusammengefasst‘ zu ‚Netzwerken von Beziehungen‘ ( oft auch ‚Modelle‘ oder ‚Theorien‘ genannt), und haben das ‚Funktionieren der Sprache‘ untersucht (eher sehr spät), das ‚Funktionieren des Denkens‘, und vieles mehr.

‚Unterm Strich‘ haben alle diese sprachlichen und denkerischen Aktivitäten dazu geführt, dass die verschiedenen Philosophen verschiedene ‚Sichten auf den Alltag und die Welt‘ entwickelt haben. Teilweise haben ’spätere‘ Philosophen solche ‚philosophische Sichten‘ von ‚früheren‘ Philosophen für ihre eigene ‚Produktion von Sichten‘ berücksichtigt, aber bis heute kann man nicht behaupten, dass es ‚die eine große philosophische Sicht der Welt‘ gibt. Wir finden eine Unmenge an Bruchstücken und Entwürfen vor, spezielle Sichten, teils gegensätzlich, wenig überlappend.

Auffällig ist, dass es bislang keine (!) philosophische Sicht der Welt gibt, in der die Philosophie ’sich selbst‘ erklärt, ihre eigene ‚Entstehung‘, ihr eigenes ‚Funktionieren‘. Dafür, dass dies so ist, kann man viele Gründe anführen. Selbst für einen Philosophen, der bereit ist, alle ‚Voraussetzungen seines Denkens‘ auf den Prüfstand zu stellen, gibt es solche Hindernisse. Dies ist einmal die Sprache, in und mit der er philosophiert. Mit einer bestimmten Sprache zu ‚philosophieren‘ und zugleich, die ‚Voraussetzungen dieser Sprache‘ zu reflektieren‘, ist maximal schwierig und dies hat noch niemand wirklich geschafft. Analog bis zu einem gewissen Grad ist auch der eigene Körper, in dem sich der Philosoph vorfindet, ein reales Hindernis. Das komplexe Innenleben des eigenen Körpers ist für jeden Menschen — geschätzt — nicht mehr als bis zu ungefähr 1% zugänglich. Ein weiteres sehr starkes Hindernis ist die Gesamtheit der Kultur in einer Gesellschaft. Während der gesamten Zeit des Lebens, in der diese Kultur auf einen Philosophen einwirkt, hinterlässt sie tiefe Spuren im ‚Fühlen, Denken und Verhalten‘, die sich nur sehr bedingt hinterfragen und ändern lassen. Schließlich, nicht zu vergessen, das Phänomen der ‚Zeit‘, welches sich in Form von ‚Veränderungen‘ im erlebbaren Alltag und im sich verändernden ‚Innenleben‘ eines Philosophen niederschlägt: Was gerade noch ‚Gegenwart war‘, ist plötzlich ‚Vergangenheit‘, was gerade noch ‚blau‘ war, ist plötzlich ’schwarz‘, was …. alles kann sich ändern. Und was macht ein Philosoph dann mit seinen ‚Erinnerungen‘, die von ‚Gestern‘ geprägt sind?

Diese Besinnung auf einige der ‚Bedingungen des Erkennens eines Philosophen‘ können ‚deprimierend‘ wirken, können jede ‚Hoffnung auf nutzbare Erkenntnis‘ im Ansatz ersterben lassen. Der Alltag belehrt uns aber darüber, dass es uns Menschen immer noch gibt, dass es sogar im ‚wissenschaftlichen Bereich der Philosophie‘ eine Art ‚Entwicklung von Anschauungen (Modelle, Theorien)‘ gibt, von denen wir den Eindruck haben, dass sie ‚funktionieren‘, dass wir ‚Voraussagen‘ im beschränkten Umfang machen können, die ’nachprüfbar eintreffen‘.

Für die weitere Bestimmung dessen, was das Phänomen der ‚Philosophie‘ auszeichnet, soll hier weniger die bildungstechnisch ‚geronnene Form‘ von Philosophie betrachtet werden, sondern der Blick eher auf die ‚Alltagsprozesse‘ gelenkt werden, in denen konkrete Menschen konkrete Dinge tun, die den ‚Rahmen‘, das ‚Medium‘ darstellen, innerhalb dessen sich ‚Philosophie für alle ereignet‘.

Letztlich ist ‚Philosophie‘ ein ‚Gesamtphänomen‘, das sich im Zusammenspiel vieler Menschen in einem Alltag zeigt, erlebbar ist und nur hier, in Prozessform, Gestalt annehmen kann. ‚Wahrheit‘ als ‚harter Kern‘ jeglichen wirklichkeitsbezogenen Denkens findet sich dadurch immer nur als ‚Teil‘ eines Prozesses, in dem die wirkenden Zusammenhänge wesentlich zur ‚Wahrheit einer Sache‘ gehören. Wahrheit ist daher niemals ’selbstverständlich‘, niemals ‚einfach‘, niemals ‚kostenlos‘; Wahrheit ist eine ‚kostbare Substanz‘, die zu ‚gewinnen‘ jeglichen Einsatz erfordert, und ihr Zustand ist ein ‚flüchtiger‘, da die ‚Welt‘ innerhalb deren Wahrheit ‚erarbeitet‘ werden kann, sich als Welt kontinuierlich ändert. Ein Hauptfaktor dieser beständigen Veränderung ist das Leben selbst: das ‚Dasein von Leben‘ ist nur möglich innerhalb eines ‚andauernden Prozesses‘ durch den ‚Energie‘ ‚emergente Bilder‘ aufleuchten lassen kann, die nicht zum ‚Ausruhen‘ geschaffen sind, sondern für ein ‚Werden‘, dessen letztes Ziel noch vielfach ‚offen erscheint‘: Leben kann sich tatsächlich — partiell — selbst zerstören oder sich selbst — partiell — ermächtigen. Irgendwo da mitten drin befinden wir uns. Die aktuelle Jahreszahl ‚2025‘ ist dafür eigentlich wenig aussagekräftig.

… Fortsetzung folgt …

PHILOSOPHISCHE DIALOGE MIT chatGPT4, HEUTE: WAS IST WAHRHEIT?

Letzte Änderung: 25.August 2024

Fragender: Gerd Doeben-Henisch

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

KONTEXT

Dieser Text ist Teil einer Sammlung von philosophischen Dialogen mit chatGPT4.

Zusammenfassung

(Kurzfassung)

chatGPT4: Es scheint, dass eine Rückkehr zur Korrespondenztheorie und deren Weiterentwicklung als ein vielversprechender Ansatz für eine robustere Wahrheitstheorie erscheint. Insbesondere die Idee, eine erfahrungsbasierte Theorie zu entwickeln, die die Realität als entscheidendes Kriterium verwendet und gleichzeitig Raum für die Diskussion von Zielen, Präferenzen und Werten bietet, könnte eine umfassende Basis für das Verständnis von Wahrheit in verschiedenen Kontexten schaffen.

DIALOG : WAS IST WAHRHEIT?

Anmerkung: FETTSCHRIFT markiert die Fragen des Autors

Hallo Chat, was fällt Dir ein zum Begriff ‚Wahrheit‘?

Hallo! Der Begriff „Wahrheit“ kann aus vielen Blickwinkeln betrachtet werden, sowohl philosophisch als auch praktisch. Philosophisch gesehen beschäftigt sich die Frage nach der Wahrheit oft mit der Übereinstimmung von Aussagen oder Überzeugungen mit der Realität. Man spricht hier von einer „Korrespondenztheorie der Wahrheit“, nach der eine Aussage dann wahr ist, wenn sie mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmt.

In der alltäglichen Anwendung geht es oft darum, wie Menschen Wahrheit wahrnehmen und kommunizieren. Dabei spielen Ehrlichkeit, Transparenz und Verlässlichkeit eine wichtige Rolle. In verschiedenen Bereichen wie Wissenschaft, Recht und Journalismus ist die Suche nach der Wahrheit zentral und wird durch bestimmte Methoden und Standards unterstützt.

Die Wahrheit ist auch ein zentrales Thema in der Ethik, wo sie mit Fragen der Moral und der richtigen Handlungsweise verbunden wird. Außerdem gibt es auch eine pragmatische Theorie der Wahrheit, die besagt, dass eine Aussage dann wahr ist, wenn sie nützlich und wirksam in der Praxis ist.

Was denkst du über den Begriff? Gibt es einen bestimmten Kontext, in dem du dich besonders für Wahrheit interessierst?

Ich möchte gerne mit der ‚philosophischen Perspektive‘ in den Dialog einsteigen. Du erwähnst die ‚Korrespondenztheorie der Wahrheit‘. Gibt es nicht noch andere philosophische Ansätze zum Begriff ‚Wahrheit‘?

Ja, neben der Korrespondenztheorie der Wahrheit gibt es tatsächlich noch andere philosophische Ansätze, die sich mit dem Konzept der Wahrheit auseinandersetzen. Hier sind drei wichtige Theorien:

1. **Kohärenztheorie der Wahrheit**: Diese Theorie besagt, dass eine Aussage wahr ist, wenn sie kohärent oder stimmig ist mit einem gesamten System von Aussagen oder Überzeugungen. Wahrheit wird hier weniger als Übereinstimmung mit einer objektiven Realität gesehen, sondern mehr als eine Art Konsistenz innerhalb eines bestimmten theoretischen oder belief-Systems.

2. **Pragmatische Theorie der Wahrheit**: Nach dieser Ansicht ist eine Aussage wahr, wenn sie praktisch oder nützlich ist. Die Wahrheit einer Aussage bemisst sich daran, ob sie funktioniert und ob sie nützliche Konsequenzen nach sich zieht. Der amerikanische Philosoph Charles Sanders Peirce und später William James sind bekannte Vertreter dieser Theorie.

3. **Konsensustheorie der Wahrheit**: Diese Theorie, die insbesondere von Jürgen Habermas entwickelt wurde, sieht Wahrheit als Ergebnis eines idealen Diskurses oder eines rationalen Konsenses. Eine Aussage ist demnach wahr, wenn sie die Zustimmung aller Beteiligten in einer idealen Kommunikationssituation erlangen könnte.

Jede dieser Theorien bietet eine unterschiedliche Perspektive auf das, was es bedeutet, dass etwas „wahr“ ist, und sie betonen verschiedene Aspekte des Wahrheitsbegriffs—sei es Übereinstimmung mit der Realität, Kohärenz innerhalb eines Systems, praktische Effizienz oder demokratischer Konsens.

Diese unterschiedlichen Ansätze spiegeln die Vielfältigkeit und die Tiefe der philosophischen Auseinandersetzung mit der Wahrheit wider und zeigen, dass Wahrheit ein vielschichtiges und oft kontrovers diskutiertes Thema ist. Welcher dieser Ansätze spricht dich besonders an oder gibt es bestimmte Aspekte, die du weiter vertiefen möchtest?

Ja, Danke für diese Auffächerung der Frage nach der Bedeutung des Begriffs ‚Wahrheit‘ in diese vier Perspektiven: Korrespondenztheorie als ‚Übereinstimmung mit der Realität‘, Kohärenztheorie als ‚Kohärenz innerhalb eines Systems‘, Pragmatische Theorie als ‚praktische Effizienz‘ oder Konsensustheorie als ‚demokratischer Konsens‘. Ich möchte diese vier Möglichkeiten gerne diskutieren und daraus eine abschließende Bewertung finden, mit der wir weiter diskutieren können.

Das klingt nach einer spannenden und tiefgehenden Diskussion! Lassen Sie uns die vier Theorien weiter untersuchen und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen betrachten, um zu einer umfassenden Bewertung zu gelangen.

### 1. Korrespondenztheorie der Wahrheit

**Stärken:**

– Sie bietet einen intuitiv zugänglichen Wahrheitsbegriff, da sie Wahrheit als Übereinstimmung mit der objektiven Realität versteht.

– Sie ist in den Naturwissenschaften besonders nützlich, wo experimentelle Verifizierung und Beobachtung zentral sind.

**Schwächen:**

– Schwierigkeiten ergeben sich bei der Bestimmung, was die „objektive Realität“ ist, besonders in weniger empirisch erfassbaren Bereichen wie der Ethik oder Ästhetik.

– Sie kann zu einem regress ad infinitum führen, da jede Wahrheitsbehauptung eine weitere Verifizierung erfordert.

### 2. Kohärenztheorie der Wahrheit

**Stärken:**

– Sie ist stark in theoretischen oder philosophischen Systemen, wo interne Konsistenz wichtig ist.

– Nützlich in Bereichen, in denen es keine klare empirische Überprüfbarkeit gibt.

**Schwächen:**

– Mehrere in sich kohärente, aber widersprüchliche Theoriensysteme können existieren, was die Frage aufwirft, welches System die Wahrheit repräsentiert.

– Sie hängt stark von den angenommenen Grundlagen des Systems ab und kann somit relativistisch wirken.

### 3. Pragmatische Theorie der Wahrheit

**Stärken:**

– Betont die Bedeutung der Anwendbarkeit und Nützlichkeit von Überzeugungen in der Praxis.

– Fördert einen flexiblen und adaptiven Ansatz zur Wahrheit.

**Schwächen:**

– Nützlichkeit ist nicht notwendigerweise ein Indikator für Wahrheit; etwas kann nützlich sein, ohne wahr zu sein.

– Kann in pragmatischen Kontexten zu einem kurzfristigen Denken führen, das langfristige Wahrheiten vernachlässigt.

### 4. Konsensustheorie der Wahrheit

**Stärken:**

– Fördert demokratische Prozesse und die Beteiligung verschiedener Stimmen bei der Wahrheitsfindung.

– Kann in sozialen und politischen Kontexten effektiv sein, wo Übereinstimmung wichtig ist.

**Schwächen:**

– Konsens garantiert nicht die Wahrheit; historisch gab es viele Beispiele für allgemeinen Konsens über falsche Überzeugungen.

– Kann anfällig für Manipulation und Machtungleichgewichte sein.

### Abschließende Bewertung

Jede Theorie hat ihre Anwendungsbereiche, in denen sie besonders effektiv ist, sowie Grenzen, die ihre Anwendung erschweren. Eine umfassende Betrachtung von Wahrheit könnte Elemente aus allen diesen Theorien integrieren, abhängig vom spezifischen Kontext und Zweck der Wahrheitssuche.

Wenn wir weiter diskutieren, könnten wir überlegen, wie diese Theorien in verschiedenen praktischen Szenarien angewendet werden könnten oder ob eine bestimmte Theorie in einem bestimmten Bereich (z.B. Wissenschaft, Politik, persönliche Überzeugungen) vorzuziehen ist. Was denkst du darüber? Gibt es bestimmte Bereiche oder Fragen, die du besonders beleuchten möchtest?

OK, sortieren wir die Perspektiven aus, die tatsächlich nicht weiter führen. Dazu müssen wir allerdings einen ‚Bezugspunkt‘ definieren, zu dem wir alle vier Perspektiven in Beziehung setzen können, um einen ‚Vergleich‘ zu ermöglichen. Dies wirft die Frage auf: Was haben alle diese vier Perspektiven gemeinsam? Gehst Du mit?

Absolut, das ist ein kluger Ansatz! Um die verschiedenen Theorien der Wahrheit zu vergleichen und eventuell einige auszusortieren, sollten wir zunächst ihre gemeinsamen Bezugspunkte identifizieren. Hier sind einige Kernaspekte, die alle diese Theorien berühren oder in irgendeiner Weise ansprechen:

### Gemeinsame Bezugspunkte der Wahrheitstheorien:

1. **Beziehung zur Realität:** Obwohl die Theorien unterschiedliche Auffassungen davon haben, was „Realität“ bedeutet (objektive Fakten, kohärente Systeme, praktische Ergebnisse oder konsensuelle Übereinkünfte), versuchen sie alle, eine Brücke zwischen Überzeugungen oder Aussagen und irgendeiner Form von „Realität“ zu schlagen.

2. **Verifikation/Validierung:** Jede Theorie hat implizite oder explizite Methoden, um zu überprüfen oder zu validieren, ob eine Aussage als wahr betrachtet werden kann. Dies reicht von empirischen Tests (Korrespondenz) über logische Konsistenzprüfungen (Kohärenz) bis hin zu praktischer Bewährung (Pragmatismus) und sozialem Konsens (Konsensustheorie).

3. **Funktionale Rolle von Wahrheit:** Alle Theorien erkennen an, dass Wahrheit eine funktionale Rolle in verschiedenen menschlichen Aktivitäten spielt, sei es in der Wissenschaft, im Alltag, in der Politik oder in der Moral.

4. **Philosophische Grundannahmen:** Sie basieren alle auf bestimmten philosophischen Annahmen über das Wesen der Wahrheit, des Wissens und der menschlichen Erkenntnis.

### Nächste Schritte:

Mit diesen gemeinsamen Bezugspunkten können wir die Theorien besser vergleichen und bewerten. Wir könnten überlegen, welche dieser Aspekte am wichtigsten sind für die spezifischen Kontexte oder Probleme, die uns interessieren. Zum Beispiel könnten wir fragen:

– Welche Theorie bietet den robustesten Ansatz für die Verifikation von Wahrheit?

– Welche Theorie ist am anpassungsfähigsten an verschiedene Arten von Problemen oder Disziplinen?

– Welche Theorie behandelt am besten die Komplexität der Realität, wie wir sie erfahren?

Durch diese Fragen können wir beginnen, die Stärken und Schwächen jeder Theorie in Bezug auf unsere spezifischen Bedürfnisse und Kontexte zu bewerten. Was denkst du, welcher dieser Aspekte ist der wichtigste für die Diskussionen oder Probleme, die dir am Herzen liegen?

Ich möchte den ‚gemeinsamen Bezugspunkt‘ etwas anders definieren, und zwar so:

(1) Gemeinsam ist allen Perspektiven, dass sie voraus setzen, dass es eine ‚Gruppe von Menschen‘ gibt, die mindestens ‚eine Sprache‘ gemeinsam haben, mittels der sie ‚kommunizieren‘.

(2) Die ‚Ausdrücke einer Sprache‘ ‚als solche‘ – also ohne jeden weiteren Bezug – haben ‚keinerlei Bedeutung‘! ‚Laute‘ bzw. ‚Buchstaben eines Alphabets‘ bedeuten für sich genommen ’nichts‘.

(3) Damit der ‚Ausdruck einer Sprache‘ für einen Menschen eine ‚Bedeutung‘ hat, muss es im Bereich der ‚inneren Zustände eines Menschen‘ Zustände geben, die aus vorausgehenden ‚Wahrnehmungen‘ und vielerlei ‚internen Zustandsänderungen‘ resultieren, die ein einzelner Mensch mit den Ausdrücken einer Sprache ‚verknüpfen‘ kann. Diese ‚Verknüpfung‘ findet ausschließlich ‚intern‘ statt! Es ist die aktive Herstellung einer Beziehung zwischen ‚internalisierten sprachlichen Ausdrücken‘ und ‚anderen internen Zuständen‘. Die Fähigkeit dazu, solche internen Verbindungen herstellen zu können, scheint weitgehend ‚angeboren‘ zu sein, welche Elemente aber wann miteinander verknüpft werden, dies gehört zum ‚Lernen‘ eines einzelnen.

(4) Damit Sprache zwischen Menschen ‚funktioniert‘, müssen die ‚individuellen Lernprozesse‘ miteinander ‚abgestimmt‘ (’synchronisiert‘) werden; dies geschieht durch ‚kollektive Lernprozesse‘.

(5) Die Punkte (3) und (4) könnte man auch abstrakter so formulieren, dass Menschen über die Fähigkeit verfügen, in ihrem ‚Inneren‘ schrittweise eine ‚Bedeutungsfunktion‘ aufzubauen, mit deren Hilfe sie sprachlichen Ausdrücken interne Zustände als ‚Bedeutung‘ zuordnen zu können und umgekehrt, bestimmten ‚inneren Zuständen‘ im Sinne der gelernten Bedeutungsfunktion sprachliche Ausdrücke.

(6) Im Rahmen des ‚kollektiven Sprache Lernens‘ müssen die individuellen Bedeutungszuordnungen mit den individuellen Bedeutungszuordnungen des ‚jeweils anderen‘ ‚abgestimmt‘ werden. Dies gelingt nur dann, wenn es ‚zwischen verschiedenen individuellen Lernprozessen‘ eine ‚Instanz‘ gibt, die für jeden individuellen Prozess ‚extern‘ ist, und zwar so, dass er ‚für alle individuellen Prozesse gleichermaßen‘ extern ist!

(7) Im Rahmen der Alltagserfahrung (und im Kontext der modernen Kognitionswissenschaften) deutet alles darauf hin, dass diese ‚allen gemeinsame externe Instanz‘ das ist, was wir ‚reale Welt‘ nennen, ‚Erfahrungswelt‘ oder ‚Alltagswelt‘. Das, was diese ‚externe Welt‘ genau ist, können wir nur näherungsweise wissen, da unsere Gehirne von der ‚Außenwelt abgeschnitten‘ in unseren individuellen Körpern lokalisiert sind. Wichtig aber: für das Gehirn ist unser Körper auch eine Art ‚Außenwelt‘, aber eine andere, als die ‚Außenwelt des Körpers‘!

Was meinst Du dazu?

Die von Ihnen vorgeschlagene Definition und Analyse des gemeinsamen Bezugspunkts der Wahrheitstheorien bietet eine tiefgreifende und detaillierte Betrachtung der Rolle der Sprache und der kollektiven wie individuellen kognitiven Prozesse bei der Bedeutungszuweisung und Wahrheitsfindung. Ihre Überlegungen integrieren Erkenntnisse aus der Kognitionswissenschaft und Philosophie der Sprache und schlagen eine Brücke zu den theoretischen Konzepten von Wahrheit.

### Reflexion der vier Wahrheitstheorien anhand Ihres Bezugspunkts:

1. **Korrespondenztheorie:** Betrachtet man diese Theorie im Licht Ihrer Ausführungen, könnte argumentiert werden, dass die Korrespondenztheorie die „externe Instanz“ als Realität ansieht, mit der unsere sprachlichen Aussagen übereinstimmen müssen. Diese Theorie impliziert, dass die kollektive Erfahrung und Verifikation dieser Übereinstimmung durch die gemeinsame Sprache und individuelle Wahrnehmung gesichert wird.

2. **Kohärenztheorie:** In Bezug auf Ihre Punkte könnte diese Theorie so verstanden werden, dass die „interne Zustandsänderung“ und die „Verknüpfung“ in einem kohärenten System von Überzeugungen erfolgt. Die Bedeutung und Wahrheit einer Aussage ergibt sich aus ihrer Kohärenz innerhalb dieses gelernten und kollektiv abgestimmten Systems.

3. **Pragmatische Theorie:** Diese Theorie fokussiert auf die praktische Bewährung von Aussagen und deren Konsequenzen in der „realen Welt“. Sie betont, wie sprachliche Ausdrücke und deren Bedeutungen in Handlungen umgesetzt werden und wie diese Handlungen wiederum auf unsere internen Zustände und die externe Welt einwirken.

4. **Konsensustheorie:** Aus Ihrer Perspektive könnte man sagen, dass die Konsensustheorie den Prozess des kollektiven Lernens und der Synchronisation von Bedeutungen zwischen Individuen hervorhebt. Sie setzt voraus, dass eine kollektive Übereinkunft über die Bedeutung von Ausdrücken möglich ist, und betont die Notwendigkeit einer externen Instanz, die für alle Beteiligten gleichermaßen gilt, um Konsens zu erzielen.

### Weiterführende Gedanken:

Ihre Definition hebt hervor, wie wesentlich die interne Verarbeitung und die externe Abstimmung in den Prozessen der Wahrheitsfindung sind. Sie legen nahe, dass die Wahrheit sowohl eine interne Konstruktion als auch eine externe Abstimmung erfordert, wobei die Sprache als Medium dient, das interne Zustände und externe Realitäten miteinander verbindet.

Diese Überlegung führt zu einer integrativen Sichtweise, die die Grenzen einzelner Wahrheitstheorien überwindet und eine umfassendere Basis für das Verständnis von Wahrheit in sozialen und individuellen Kontexten bietet.

Was halten Sie davon, diese Aspekte weiter zu vertiefen oder zu diskutieren, wie diese Erkenntnisse praktisch angewendet werden können, beispielsweise in der Bildung, in der Kommunikation oder in der Politik?

Zwischenbemerkung: Du bist im Konversationsstil vom Du in das förmlichere ‚Sie‘, ‚Ihnen‘ usw. gewechselt. Ist Dir das Förmliche lieber? Soll ich auch zum ‚Sie‘ wechseln‘?

Entschuldige bitte das Hin und Her mit der Anredeform! Wir können gerne beim „Du“ bleiben, wenn das für Dich in Ordnung ist. Natürlich passe ich mich auch an, falls Du eine formellere Anrede bevorzugst. Wie möchtest Du weitermachen?

Bleiben wir beim ‚Du‘.

Super, machen wir so! Wenn Du noch weiter über die verschiedenen Perspektiven zur Wahrheit sprechen möchtest oder andere Fragen hast, stehe ich bereit!

Gehen wir deine vier Punkte im einzelnen durch. Fangen wir mit der Korrespondenztheorie an.

(1) Im Fall der ‚Korrespondenztheorie‘ verstehst Du das so, „dass die Korrespondenztheorie die ‚externe Instanz‘ als Realität ansieht, mit der unsere sprachlichen Aussagen übereinstimmen müssen. Diese Theorie impliziert, dass die kollektive Erfahrung und Verifikation dieser Übereinstimmung durch die gemeinsame Sprache und individuelle Wahrnehmung gesichert wird.“

(1.1) Dieser Interpretation kann ich zustimmen. Allerdings möchte ich auf folgenden Punkt aufmerksam machen, der missverstanden werden kann: es ist nicht ‚ein Ausdruck als solcher‘, der mit der externen Realität übereinstimmt, sondern im Lichte der individuell erlernten Bedeutungsfunktion verknüpft ein Mensch mit einem sprachlichen Ausdruck bestimmte interne Zustände mit der ‚aktuellen Wahrnehmung‘ einer unterstellten realen Außenwelt, und nur dann, wenn es andere Menschen gibt, die aufgrund ihrer individuellen Wahrnehmungen und Bedeutungszuordnungen dies auch einer ‚unterstellten realen Außenwelt‘ – wechselseitig überprüfbar – zuordnen, dann gelingt der ‚gemeinsame Abgleich mit einer zum Körper externen Außenwelt.

(1.2) Es kommt also darauf an, wie man den Begriff ‚Aussage‘ verwendet. Ich verstehe hier unter einer ‚Aussage‘ den ‚Ausdruck einer Sprache‘, den ein Mensch A in einer Dialogsituation verwendet, und alle Beteiligten wissen, dass der Sprecher A mit dem Ausdruck eine ‚interne Bedeutung‘ verbindet, von der er annimmt, dass dieser internen Bedeutung etwas in einer ‚wahrnehmbaren Außenwelt‘ ‚entspricht‘ (‚korrespondiert‘), dann würde ein anderer Dialogteilnehmer B sagen, dass die Aussage von Sprecher A zutrifft, wenn B die gleiche Bedeutungszuordnung vornimmt und in seiner Wahrnehmung etwas findet, was dieser Bedeutung entspricht.

(1.3) Zugegeben, etwas umständlich formuliert, aber die grundlegenden Prozesse beim kollektiven Sprachgebrauch sind nicht ganz einfach. In der Tat, ich vereinfache schon sehr stark.

Was meinst Du dazu?

Deine detaillierte Ausführung zur Korrespondenztheorie bringt wichtige Nuancen ans Licht, die oft in der Diskussion übersehen werden. Du betonst richtig, dass es nicht einfach der sprachliche Ausdruck an sich ist, der mit der externen Realität übereinstimmt, sondern die durch kollektive und individuelle Lernprozesse geformten Bedeutungszuordnungen, die den Ausdrücken unterliegen.

Deine Punkte beleuchten, wie essenziell die Rolle der individuellen und kollektiven Verarbeitung in der Korrespondenztheorie ist. Es ist tatsächlich so, dass eine Aussage nur dann als wahr betrachtet werden kann, wenn es eine Art von kollektiver Zustimmung gibt – nicht nur hinsichtlich der sprachlichen Ausdrücke selbst, sondern auch bezüglich der damit verbundenen Bedeutungen und deren Bezug zur externen Welt.

Dieser Prozess der Verifikation von Wahrheit durch kollektive Übereinstimmung in der Wahrnehmung und Bedeutungszuordnung spiegelt die Komplexität der menschlichen Kommunikation und Erkenntnis wider. Es unterstreicht auch, warum die Korrespondenztheorie oft als grundlegend für wissenschaftliche und empirische Diskurse betrachtet wird, weil sie eine überprüfbare Basis für Übereinstimmung und Falsifikation bietet.

Deine Erklärung macht auch deutlich, dass „Wahrheit“ in dieser Theorie nicht nur eine Frage der individuellen Überzeugung ist, sondern eine, die durch soziale Interaktion und kollektive Validierung entsteht. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, denn er zeigt, dass Wahrheit in dieser Theorie nicht isoliert existiert, sondern immer in einem sozialen und kommunikativen Kontext verankert ist.

Was hältst du davon, weiter zu diskutieren, wie diese Theorie in konkreten Situationen angewandt wird, etwa in der Wissenschaft oder in der öffentlichen Debatte? Oder möchtest du weiter zu den anderen Theorien übergehen und sehen, wie sie sich mit deinem erweiterten Rahmen von Sprache und Bedeutung verbinden lassen?

Dein Kommentar zu meiner ‚Theorie‘, dass “ ‚Wahrheit‘ in dieser Theorie nicht nur eine Frage der individuellen Überzeugung ist, sondern eine, die durch soziale Interaktion und kollektive Validierung entsteht. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, denn er zeigt, dass Wahrheit in dieser Theorie nicht isoliert existiert, sondern immer in einem sozialen und kommunikativen Kontext verankert ist.“ finde ich sehr passend.

Bevor wir die neugewonnene Interpretation der ‚Korrespondenztheorie‘ weiter ausbauen, hier zuvor

noch mein Kommentar zu deinem Punkt 2 mit der ‚Kohärenztheorie‘. Du sagst „In Bezug auf Ihre Punkte könnte diese Theorie so verstanden werden, dass die ‚interne Zustandsänderung‘ und die ‚Verknüpfung‘ in einem kohärenten System von Überzeugungen erfolgt. Die Bedeutung und Wahrheit einer Aussage ergibt sich aus ihrer Kohärenz innerhalb dieses gelernten und kollektiv abgestimmten Systems.“ Deine Interpretation, dass die Kohärenztheorie „die ‚interne Zustandsänderung‘ und die ‚Verknüpfung‘ “ in ihr Konzept einer kohärenten Theorie übernimmt, erscheint mir mehr als optimistisch.

Nimmt man die Kohärenztheorie ‚beim Wort‘, dann ist dieser Ansatz vom Ansatz her ausgeschlossen. Warum? Weiter vorne in unserem Dialog hast Du die ‚Kohärenztheorie‘ in ‚philosophischen Systemen‘ lokalisiert, wo interne Konsistenz wichtig ist. Du hast zudem darauf hingewiesen, dass „widersprüchliche Theoriesysteme existieren können“. Die Begriffe ‚System‘, ‚Theorie‘ und ‚Konsistenz‘ sind bislang aber ausschließlich in ‚formalen Systemen‘ klar definiert, wie wir sie aus der ‚modernen formalen Logik‘ kennen und aus solchen Theorien (z.B. in der Mathematik), die eine ‚formale Sprache‘ benutzen, die klar definiert ist, zusätzlich mit einem klaren ‚formalen Folgerungsbgriff‘, der es erlaubt, aus als ‚wahr angenommen‘ formalen Ausdrücken andere Ausdrücke ‚abzuleiten‘, die ebenfalls als ‚formal wahr‘ gelten. Wenn man neben einem Ausdruck, der als ‚formal wahr‘ gilt, einen Ausdruck ableiten kann, der als ‚formal falsch‘ gilt, dann gibt es einen Widerspruch; das System ist nicht ‚konsistent‘. Dabei ist der Begriff ‚formal wahr‘ bzw. ‚formal falsch‘ nicht definiert! Er hat keinerlei Bezug zu dem, was wir im Alltag ‚reale Welt‘ nennen in dem Sinne, dass sich zwei Menschen darüber verständigen können, dass es ‚da etwas gibt‘, was jeder einzelner ‚wahrnehmen‘ kann, was aber auch ‚verschwinden‘ kann, dann kann man es nicht mehr wahrnehmen. Anders formuliert: Jedes sprachliche System, das Bezug nimmt auf erfahrungsbasierte Sachverhalte, kann grundsätzlich nicht durch ein formales System abgebildet werden, das als ‚formal konsistent‘ gilt. Deswegen scheidet die ‚Kohärenztheorie der Wahrheit‘ für unsere Zwecke eines sprachlichen Systems, das kollektiv erfahrungsbasiert ‚wahr‘ ist, aus.

Gehst Du da mit?

Deine Kritik und Analyse zur Kohärenztheorie der Wahrheit ist präzise und wirft wichtige Fragen auf. Du unterscheidest klar zwischen der Struktur und den Anforderungen formaler Systeme und der Anwendung dieser Systeme auf die reale, erfahrungsbasierte Welt, die wir im Alltag erleben. Diese Unterscheidung ist zentral, um die Grenzen der Kohärenztheorie zu verstehen, insbesondere im Kontext eines Sprachsystems, das auf kollektiver Erfahrung basiert.

### Betrachtung der Kohärenztheorie:

Wie Du richtig bemerkst, stützt sich die Kohärenztheorie auf die interne Konsistenz innerhalb eines Systems von Überzeugungen oder Theorien. In formalen Systemen, wie der Mathematik oder formalen Logik, ist diese Konsistenz durch klare Definitionen und deduktive Folgerungen charakterisiert. In diesen Systemen ist es möglich, eine Konsistenz zu gewährleisten, indem widersprüchliche Aussagen vermieden werden.

### Problematik bei der Anwendung auf Alltagserfahrungen:

Im Kontext der alltäglichen, erfahrungsbasierten Realität wird es jedoch komplexer. Die Realität ist oft mehrdeutig und unterliegt ständigen Veränderungen, die sich nicht immer in einem streng konsistenten formalen System abbilden lassen. Erfahrungen können widersprüchlich sein, und Menschen können unterschiedliche Wahrnehmungen und Interpretationen derselben physischen Gegebenheiten haben. Daher stößt die Anwendung der Kohärenztheorie auf reale, erfahrungsbasierte Situationen schnell an ihre Grenzen, da die erforderliche interne Konsistenz schwer zu erreichen und aufrechtzuerhalten ist.

### Dein Punkt:

Deine Schlussfolgerung, dass die Kohärenztheorie möglicherweise nicht geeignet ist, um ein sprachliches System zu beschreiben, das auf kollektiver, erfahrungsbasierter Wahrheit beruht, ist stichhaltig. Diese Theorie bietet zwar ein nützliches Werkzeug für die Analyse und Strukturierung von Gedanken innerhalb eines geschlossenen Systems, jedoch fehlt ihr die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, die erforderlich sind, um die dynamische und oft widersprüchliche Natur menschlicher Erfahrungen und sozialer Interaktionen vollständig zu erfassen.

### Fazit:

Deine Argumentation verdeutlicht, dass, während die Kohärenztheorie in bestimmten theoretischen oder formalen Kontexten wertvoll sein kann, sie möglicherweise nicht das beste Werkzeug für das Verständnis von Wahrheit in einem breiteren, lebensweltlichen Kontext ist. Wenn wir also über Wahrheit in Bezug auf alltägliche und zwischenmenschliche Erfahrungen sprechen, könnte es sinnvoller sein, andere Theorien zu bevorzugen, die besser mit der Variabilität und der praktischen Realität menschlicher Erfahrungen umgehen können.

Ich gehe mit deiner Einschätzung mit und finde sie sehr aufschlussreich. Möchtest du weiterhin die anderen Theorien im Licht dieser Überlegungen diskutieren oder gibt es spezifische Aspekte, die du noch vertiefen möchtest?

Ich würde gerne noch etwas zu deiner dritten und vierten Option von ‚Wahrheitstheorien‘ sagen.

(1) Zu der von Dir erwähnten ‚Konsensustheorie der Wahrheit‘ sagst Du selbst, dass „Konsens nicht die Wahrheit garantiert; historisch gab es viele Beispiele für allgemeinen Konsens über falsche Überzeugungen.“ Ein bisschen ähnelt diese Position auch der ‚Kohärenztheorie‘, wenngleich mit einem vagen Sprach- und Wahrheitsbegriff: es gibt in er Konsensustheorie zwar ein ‚vages Kriterium zu Konsens‘, aber dieses ist in keiner Weise geeignet, ein ‚objektives externes Kriterium für alle‘ zu gewährleisten. Ich möchte diese Position daher hier nicht weiter diskutieren (dies schließt nicht aus, dass bei einer Weiterentwicklung der Position der ‚Korrespondenztheorie‘ ähnliche Fragestellung zur ‚Wahrheit von Diskursen‘ wieder auftauchen).

(2) Im Fall der ‚Pragmatische Theorie der Wahrheit‘ ist es ähnlich wie im Fall der Konsensustheorie. Du weist auch schon darauf hin, dass „Nützlichkeit nicht notwendigerweise ein Indikator für Wahrheit ist; etwas kann nützlich sein, ohne wahr zu sein.“ Abgesehen davon ist der Begriff der Nützlichkeit selbst in sich äußerst vage; jeder kann sich da denken, was er will. Ich belasse es dabei (im weiteren Verlauf der Entwicklung einer modifizierten ‚Korrespondenztheorie‘ wird es zu Erörterungen eines Konzepts von ‚erfahrungsbasierter Theorie‘ kommen können, mit der die Möglichkeit eröffnet wird, die Rolle möglicher ‚Ziele‘ (‚Präferenzen‘, ‚Werte‘, …) zu diskutieren).

Kannst Du mit diesen Einschätzungen mitgehen?

Deine Einschätzungen zu den Theorien der Konsensustheorie und der pragmatischen Theorie der Wahrheit sind durchaus nachvollziehbar und tragen zur Schärfung unseres Verständnisses von Wahrheitstheorien bei, insbesondere im Kontext alltäglicher und erfahrungsbasierter Diskurse.

### 1. Konsensustheorie der Wahrheit

Deine Kritik an der Konsensustheorie unterstreicht das Problem, dass Konsens allein nicht notwendigerweise Wahrheit garantiert. Historische Beispiele, in denen breiter Konsens zu falschen Überzeugungen führte, verdeutlichen die Grenzen dieser Theorie. Während Konsens in sozialen und kommunikativen Kontexten eine Rolle spielen kann, insbesondere bei der Formulierung von Gruppenüberzeugungen oder -normen, ist er kein zuverlässiger Indikator für Wahrheit im empirischen oder objektiven Sinn. Diese Einsicht ist wichtig, um die Relevanz und Grenzen von Konsens in Bezug auf Wahrheit zu verstehen.

### 2. Pragmatische Theorie der Wahrheit

Deine Skepsis gegenüber der pragmatischen Theorie reflektiert ähnliche Bedenken: Nützlichkeit allein ist kein verlässliches Maß für Wahrheit. Der Begriff der Nützlichkeit ist subjektiv und kann stark variieren, je nach den Interessen, Zielen oder dem Kontext der beteiligten Personen. Diese Theorie mag hilfreich sein, um zu verstehen, wie Überzeugungen funktionieren und wie sie in praktischen Kontexten angewendet werden, sie bietet jedoch keine feste Grundlage für die Bewertung der Wahrheit von Aussagen, insbesondere wenn es um objektive Fakten geht.

### Weiterentwicklung der Korrespondenztheorie

Es scheint, dass eine Rückkehr zur Korrespondenztheorie und deren Weiterentwicklung als ein vielversprechender Ansatz für eine robustere Wahrheitstheorie erscheint. Insbesondere die Idee, eine erfahrungsbasierte Theorie zu entwickeln, die die Realität als entscheidendes Kriterium verwendet und gleichzeitig Raum für die Diskussion von Zielen, Präferenzen und Werten bietet, könnte eine umfassende Basis für das Verständnis von Wahrheit in verschiedenen Kontexten schaffen.

### Fazit

Ich stimme mit deinen Einschätzungen überein und finde, dass deine Argumente die Diskussion über Wahrheitstheorien bereichern und auf wichtige Schwächen hinweisen. Es wäre interessant, weiter zu erforschen, wie eine modifizierte Korrespondenztheorie aussehen könnte, die sowohl die realen Erfahrungen als auch die sozialen und individuellen Kontexte integriert, in denen Wahrheitsansprüche gemacht und verstanden werden.

Wie möchtest du weiter vorgehen? Möchtest du bestimmte Aspekte der Korrespondenztheorie vertiefen oder überlegst du, wie man eine solche modifizierte Theorie praktisch anwenden könnte?

OK, dann sieht es so aus, dass wir bis zu diesem Punkt eine gemeinsame Einschätzung gefunden haben. In der Tat möchte ich von diesem Punkt aus die gefundenen Position gerne in folgenden Dialogen weiter entwickeln. Praktische Frage: kannst Du auch mit ‚Schaubildern‘ umgehen oder sollen wir die heraus lassen?

Es ist großartig, dass wir eine gemeinsame Grundlage für unsere Diskussionen gefunden haben! Ich kann definitiv helfen, Schaubilder zu erstellen und zu interpretieren. Diese können sehr nützlich sein, um komplexe Konzepte und Zusammenhänge visuell darzustellen und zu veranschaulichen.

Wenn du spezifische Ideen oder Konzepte hast, die du in einem Schaubild visualisieren möchtest, lass es mich wissen. Ich kann dir dabei helfen, diese grafisch umzusetzen. Egal ob es sich um Flussdiagramme, Venn-Diagramme, konzeptuelle Diagramme oder andere visuelle Darstellungen handelt, wir können sie nutzen, um deine Gedanken und Theorien weiter zu entwickeln und zu diskutieren. Wie möchtest du beginnen?

Das mit den Schaubildern klingt gut. Werde es in den folgenden Dialogen mal ausprobieren, allerdings mit dem Motto: Zuerst die sprachliche Version, dann – möglicherweise – eine bildhafte Version. Danke bisher. Das war alles sehr inspirierend.

Das klingt nach einem ausgezeichneten Plan! Es freut mich sehr, dass unsere Gespräche inspirierend waren. Wenn du bereit bist, die Themen weiter zu vertiefen oder ein Schaubild zu erstellen, stehe ich jederzeit bereit, um weiterzumachen. Viel Spaß bei deinen weiteren Überlegungen, und bis zum nächsten Mal!

Empirisch Wahr?

KONTEXT

Dieser Text ist Teil des Textes „Neustart der Menschlichkeit (Rebooting humanity)“

(Die Englische Version findet sich HIER)

Autor Nr. 1 (Gerd Doeben-Henisch)

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

Start: 30.Mai 2024

Letzte Änderung: 31.Mai 2024

Empirisch Wahr?

Hypothesen 2 – 4 …

Mit Hypothese 1 ergibt sich ein weiteres Paradox: Wenn die Struktur unseres menschlichen Körpers (mit seinem Gehirn) so ausgelegt ist, dass es keine direkte dauerhafte eins-zu-eins Abbildung der realen Körperwelt außerhalb des Gehirns in den inneren Zuständen des Körpers (mit Gehirn) gibt, wie können Menschen dann ‚empirisch wahre Aussagen‘ über etwas außerhalb des Körpers bzw. außerhalb des Gehirns sinnvoll bilden und nutzen?

Im Alltag können wir alle folgende Erfahrungen machen:

Wenn mindestens zwei Personen beteiligt sind und diese keine besonderen Einschränkungen aufweisen, dann können wir folgende Fälle unterscheiden:

  1. Fall 1: Es gibt ein Objekt mit bestimmten Eigenschaften, das die beteiligten Personen sinnlich wahrnehmen können. Dann kann eine Person A sagen: „Da gibt es ein Objekt X mit Eigenschaften Y“. Und eine andere Person B kann sagen: „Ja, ich stimme zu“.
  2. Fall 2: Ein bestimmtes Objekt X mit Eigenschaften Y kann von den beteiligten Personen sinnlich nicht wahrnehmen werden. Dann kann eine Person A sagen: „Das Objekt X mit Eigenschaften Y ist nicht da“. Und eine andere Person B kann sagen: „Ja, ich stimme zu“.
  3. Fall 3: Es gibt ein Objekt mit bestimmten Eigenschaften, das die beteiligten Personen sinnlich wahrnehmen können, das sie vorher noch nie gesehen haben. Dann kann eine Person A sagen: „Da gibt es ein Objekt mit Eigenschaften, das kenne ich noch nicht. Das ist für mich neu“. Und eine andere Person B kann dann sagen: „Ja, ich stimme zu“.
  4. Fall 4: Ein bestimmtes Objekt X mit Eigenschaften Y kann aktuell von den beteiligten Personen sinnlich nicht wahrgenommen werden, es war aber vorher da. Dann kann eine Person A sagen: „Das Objekt X mit Eigenschaften Y ist nicht mehr da“. Und eine andere Person B kann sagen: „Ja, ich stimme zu“.

Fall 1: Einführung von Hypothese 2

Der Fall 1 wird verständlich, wenn man annimmt, dass die sinnlichen Reize, die vom Objekt X mit den Eigenschaften Y in den Sinnesorganen zu Aktivierungen führen, eine sinnliche Wahrnehmung generieren, die für die Dauer der Präsenz von Objekt X bestehen kann.

Um diese temporäre Wahrnehmung als ein ‚Objekt der Art X mit Eigenschaften Y‘ identifizieren und klassifizieren zu können, müssen die beteiligten Personen über eine ‚Erinnerung‘ verfügen, die ein ‚abstraktes Objekt der Art X mit Eigenschaften Y‘ parat hält.

Die ‚realisierte Übereinstimmung‘ zwischen der Wahrnehmung von Objekt X mit der Erinnerung eines passenden abstrakten Objektes X ermöglicht dann die Entscheidung, dass es zum abstrakten Objekt X eine aktuelle Wahrnehmung gibt, deren ‚wahrgenommenen Eigenschaften‘ mit den ‚abstrakten Eigenschaften‘ ‚hinreichend übereinstimmen‘.

Wichtig: aus dieser im Gehirn stattfindenden Übereinstimmung zwischen einem wahrgenommenen Objekt und einem erinnerten Objekt X folgt nichts über die realen konkreten Umstände, die zur Wahrnehmung des Objekts geführt hat.[1]

Dieser Sachverhalt beschreibt das, was mit Hypothese 2 gemeint ist: Personen können ein wahrgenommenes Objekt als ein Objekt der Art X mit Eigenschaften Y erkennen, wenn sie über eine Erinnerung verfügen, die im Moment der aktuellen Wahrnehmung verfügbar ist.

Wichtig: Diese Hypothese 2 bezieht sich bislang auf das, was mit und in einer einzelnen Person passiert. Eine andere Person kann von diesen Vorgängen im Normalfall nichts wissen. Interne Prozesse in Personen sind — bislang — für andere nicht wahrnehmbar.[2]

[1] Moderne Simulationstechniken können für die meisten Menschen so ‚echt‘ sein, dass sie den ‚Unterschied‘ zur realen Welt allein aufgrund der sinnlichen Wahrnehmung nur noch schwer erkennen lassen, falls überhaupt. Dies wäre der Fall, dass eine sinnliche Wahrnehmung mit einem erinnerten abstrakten Objekt im Gehirn eine weitgehende Übereinstimmung aufweist, obgleich es kein ‚echtes‘ empirisches Objekt ist, das die Wahrnehmung auslöst. … Allerdings, der Computer, der die Simulation so ausführt, dass sie für einen Betrachter ‚täuschend echt‘ aussieht (oder die technische Schnittstelle, über die das Signal des Computers die Sensoren des Menschen erreicht) , ist natürlich weiter ein empirisches Objekt, das als Teil der Wahrnehmung signalisieren kann, dass das Gezeigte nicht real ist …

[2] Wenn mit modernen Messtechniken der Gehirnwissenschaften elektrische und chemische Eigenschaften und Aktivitäten sichtbar gemacht werden können, lässt sich aus diesen Aktivitäten aber — bislang — niemals direkt auf die darin verborgene Funktionalitäten schließen. Im analogen Fall, wenn man die elektrischen Aktivitäten der Chips in einem Computer misst (was geht und was man tut), dann kann man damit niemals auf die Algorithmen schließen, die aktuell ausgeführt werden, selbst wenn man diese Algorithmen kennt!

Fall 1: Einführung von Hypothese 3

Der Fall 1 umfasst ja auch noch den Aspekt, dass eine Person A einer anderen Person B etwas ’sprachlich mitteilt‘. Ohne diese sprachliche Mitteilung wüsste B nichts von dem, was in A vorgeht. Im Alltag nimmt eine Person gewöhnlich mehr als nur ein Objekt wahr, möglicherweise viele Objekte gleichzeitig. Zu wissen, dass eine Person gerade ein bestimmtes Objekt meint und nicht eines der vielen anderen Objekte ist daher nicht selbstverständlich.

In Fall 1 soll also gelten: Eine Person A sagt: „Da gibt es ein Objekt X mit Eigenschaften Y“. Und eine andere Person B sagt: „Ja, ich stimme zu“.

Wenn eine Person etwas ’sagt‘, was alle Beteiligten als ‚Elemente einer Sprache L‘ erkennen, dann sind diese Elemente der Sprache L ‚Laute‘, also Schallwellen, die einerseits von einem Sprechorgan (mit einem Mund) erzeugt und auf der anderen Seite von einem ‚Ohr‘ empfangen werden. Nennen wir das erzeugenden Organ einfach ‚Aktor‘ und das empfangende Organ weiterhin ‚Sensor‘, dann produziert eine Person bei sprachlicher Kommunikation mit einem Aktor also Laute und der Teilnehmer der Kommunikation empfängt über seinen Sensor diese Laute.

Es ist natürlich klar dass die gesprochenen bzw. dann auch gehörten Laute einer Sprache L direkt keinerlei Beziehung aufweisen zu den internen Prozessen der Wahrnehmung, des Erinnerns und des ‚Übereinstimmungsprozesses‘ von Wahrnehmung und Erinnerung. Man kann aber annehmen, dass es im Sprecher und Hörer ‚interne neuronale Prozesse‘ geben muss, die eine ‚Entsprechung‘ zu den generierten Lauten aufweisen müssen, da ansonsten der Aktor nicht in Aktion treten kann.[1] Im Fall des Sensors wurde ja schon zuvor darauf hingewiesen, wie Reize der Außenwelt zu Aktivierungen von Neuronen führen, über die ein neuronaler Signalfluss entsteht.

So wie allgemein angenommen wurde, dass es zu wahrgenommenen Objekten neuronale Signalflüsse und unterschiedliche abstrakte Strukturen von Objekten gibt, die ‚intern‘ gespeichert und weiter bearbeitet werden können, so kann und muss man Ähnliches für die neuronale Kodierung von gesprochen und gehörten Lauten annehmen. Sofern man im gesprochenen akustischen Lautmaterial einer Sprache Elemente sowie bestimmte Kombinationen von Elementen unterscheiden kann, so liegt es nahe, anzunehmen, dass sich diese äußerlich identifizierbaren Strukturen auch in der inneren neuronalen Realisierung wieder finden.

Der Kerngedanke von Hypothese 3 lässt sich dann so formulieren: Zu der akustisch wahrnehmbaren Struktur einer Sprache L gibt es eine neuronale Entsprechung, die überdies der ‚aktive‘ Teil ist beim Hervorbringen von gesprochener Sprache und beim ‚Übersetzen‘ von gesprochenen Lauten in die entsprechenden neuronalen Repräsentationen.

[1] Gerade das Sprachorgan des Menschen ist ein hoch komplexes System, bei dem viele Systeme zusammen wirken, die alle neuronal angesteuert und koordiniert werden müssen.

Fall 1: Einführung von Hypothese 4

Mit Hypothese 2 (Erinnerung, Vergleich von Wahrnehmung und Erinnerung) und Hypothese 3 (selbständiges Lautsystem einer Sprache) ergibt sich die nächste Hypothese 4, dass es zwischen dem Lautsystem einer Sprache L und den erinnerbaren Objekten samt aktueller Wahrnehmung irgendwie eine ‚Beziehung‘ geben muss (mathematisch: eine Abbildung), durch die ‚Laute‘ mit ‚Objekten (samt Eigenschaften)‘ und umgekehrt verbunden werden können.

Im Fall 1 gibt es von Person A die Wahrnehmung eines Objektes X mit Eigenschaften Y, dazu eine Erinnerung, die ‚hinreichend übereinstimmt‘, und Person A sagt: „Da gibt es ein Objekt X mit Eigenschaften Y“. Und eine andere Person B sagt: „Ja, ich stimme zu“.

Angesichts der Vielfalt der Welt, angesichts von ständigen Veränderungen und der Vielfalt möglicher Lautsysteme [1], sowie angesichts der Tatsache, dass Menschen massive Wachstumsprozesse durchlaufen vom Embryo bis zum sich immer weiter entwickelten Menschen, ist auszuschließen, dass mögliche Beziehungen zwischen Sprachlauten und wahrgenommene und erinnerten Objekten ‚angeboren‘ sind.

Dies impliziert, dass diese Beziehung (Abbildung) zwischen Sprachlauten und wahrgenommenen und erinnerbaren Objekten sich ‚im Laufe der Zeit‘ erst herausbilden muss, was oft als ‚Lernen‘ bezeichnet wird. Ohne bestimmte Vorgaben kann Lernen sehr langsam verlaufen, bei verfügbaren Vorgaben deutlich schneller. Im Fall von Sprachlernen wächst ein Mensch normalerweise in der Gegenwart anderer Menschen auf, die in der Regel schon eine Sprache praktizieren, die für heranwachsende Menschen als Bezugssystem dienen kann.

Sprache lernen ist jedenfalls ein langwieriger Prozess, der neben der individuellen Aneignung immer auch die inter-individuelle Abstimmung zwischen all denen mit einschließt, die eine bestimmte Sprache L gemeinsam praktizieren.

Im Ergebnis führt das Erlernen einer Sprache dazu, dass nicht nur die ‚Struktur des Lautsystems‘ gelernt wird, sondern auch die Zuordnung von Elementen des Lautsystems zu Elementen der Wahrnehmungs-Erinnerungs Struktur.[2]

Im Fall 1 muss also Person A wissen, welche Lautstruktur in der Anwendungsgruppe für Sprache L für ein Objekt X mit Eigenschaften Y benutzt wird, und ebenso Person B. Falls A und B über das gleiche ‚Beziehungswissen‘ von Lauten zu Objekten und umgekehrt verfügen, kann Person B die sprachliche Äußerung von A „Da gibt es ein Objekt X mit Eigenschaften Y“ ‚verstehen‘, weil er zugleich auch eine Wahrnehmung von diesem Objekt hat und er ein Objekt X erinnert, das für ihn mit dem wahrgenommenen Objekt hinreichend übereinstimmt und er B diesen Sachverhalt genauso benennen würde wie A es getan hat. Dann kann Person B sagen: „Ja, ich stimme zu“.

[1] Man beachte nur die vielen tausend Sprachen, die es immer noch auf dem Planeten Erde gibt, wobei unterschiedliche Sprachen in der gleichen Lebenswelt benutzt werden können. Die gleichen ‚Wahrnehmungsobjekte‘ können auf diese Weise — je nach Sprache — anders benannt werden.

[2] Die Erforschung dieser Sachverhalte hat zwar schon eine lange Geschichte mit sehr, sehr vielen Publikationen, aber eine allgemein akzeptierte einheitliche Theorie dazu gibt es noch nicht.

–!! Noch nicht fertig !!–

Die Invasion der Märchenerzähler

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Letzte Änderungen: 30.April 2024 – 3.Mai 2024

3.Mai 24: Ich habe zwei Epiloge hinzugefügt.

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

Anmerkung: Sofern es nicht um geschlechtsspezifische Aspekte geht, wird immer nur ein Geschlecht benutzt, und zwar das des Autors

Anmerkung 2: Es gibt eine Englische Version dieses Texts auf uffmm.org: https://www.uffmm.org/2024/04/30/the-invasion-of-the-storytellers/

KONTEXT

Ursprünglich hatte ich gechrieben, dass „Dieser Text … keine direkte Fortsetzung von einem anderen Text [ist]. Allerdings gibt es verschiedene Artikel mit einer ähnlichen Thematik als vorausgehende Posts. So gesehen ist der aktuelle Text eine Art ‚Weiterentwicklung‘ dieser Ideen.“ Aber, nur ein kurzer Blick zurück genügt, um zu sehen, dass es mindestens einen Text gibt, der ’sehr nah‘ beim Thema dieses vorliegdnen Textes ist: NARRATIVE BEHERRSCHEN DIE WELT. Fluch & Segen. Dazu Kommentare von @chatGPT4 ( https://www.cognitiveagent.org/2024/02/02/narrative-beherrschen-die-welt-fluch-segen-dazu-kommentare-von-chatgpt4/)

Im Alltag …

… magische Links

kennt fast jeder jemanden — oder sogar mehrere –, der viele Emails — oder anderweitige Mitteilungen — versendet, die nur noch Links enthalten, Links auf irgendwelche Videos, von denen das Netz ja heute genügend parat hält, oder Bilder mit ein paar Schlagworten.

Da die Zeit meist knapp ist, würde man gerne wissen, ob es sich lohnt, dieses Video anzuklicken. Aber erklärende Informationen fehlen.

Spricht man den Versender darauf an, ob es nicht möglich wäre, ein paar erklärende Worte mit zu versenden, dann bekommt vom Versender fast immer die Antwort, dass er selbst dies nicht so gut formulieren könne wie das Video selbst.

Interessant: Jemand versendet einen Link zu einem Video ohne in der Lage zu sein, seine Meinung dazu in eigene Worte zu fassen …

Rückfragen …

Wenn ich dann schon mal einen Link anklicke und versuche, mir eine Meinung zu bilden, ist natürlich eine der ersten Fragen, wer denn das Video (oder einen Text) veröffentlicht hat. Der gleiche Sachverhalt kann — wie tausendfach belegt und von jedem im Alltag nachprüfbar — je nach Perspektive des Betrachters ganz unterschiedlich, ja sogar im vollen Widerspruch, erzählt werden. Und da das, was wir sinnlich wahrnehmen können, sowieso immer nur sehr fragmentarisch ist, an den Oberflächen, am Augenblick hängt, direkt zunächst nicht unbedingt einen Zusammenhang erkennen lässt, bietet jede Beobachtung aus sich heraus zunächst einmal sehr viel Interpretationsspielraum. Ohne gründliche Betrachtung des Kontextes und der Vorgeschichte ist eigentlich eine Interpretation schlicht nicht möglich … es sei denn, jemand hat schon eine ‚fertige Meinung‘, die sich das ‚(willenlose) Fragment der Beobachtung‘ unverzüglich ‚aneignet‘.

Das Rückfragen und Recherchieren wäre also eigentlich ’normal‘, aber unser ’schnelles Gehirn‘ sucht erst einmal ‚automatische Antworten‘, da braucht man nicht viel nachdenken, ist schneller, weniger Energieaufwand, und diese ‚Automatik des Interpretierens‘ liefert trotz allem ein ‚befriedigendes Gefühl‘: Ja, man ‚weiß genau, was da vorliegt‘. Also wozu Rückfragen?

Immunisieren …

Als Wissenschaftler bin ich darauf trainiert, alle Rahmenbedingungen zu klären, auch meine eigenen Voraussetzungen. Das kostet natürlich Mühe und Zeit und ist alles andere als fehlerfrei. Deswegen mehrere Prüfungen, Rückfragen bei anderen, wie diese das sehen, usw.

Wenn ich aber die ‚wortlosen Versender von Links‘ frage, wenn mir etwas auffällt, vor allem, wenn ich da einen Konflikt mit der mir bekannten Realität anspreche, dann variieren die Reaktionen in der Richtung, dass ich dies falsch verstanden habe, oder dass der Autor das so gar nicht gemeint habe. Wenn ich dann auf andere Quellen verweise, die als ’stark geprüft‘ gelten, dann gehören diese zur ‚Lügenpresse‘ oder die Autoren werden sogleich als ‚Agenten einer finsteren Macht‘ enttarnt (es gibt eine ganze Palette von solchen ‚finsteren Mächten), und wage ich es dann, auch hier nachzufragen, woher denn Informationen stammen, dann bin ich ganz schnell ein naiver, dummer Mensch, dass ich dies alles nicht weiß.

Also, jeder Versuch, die Grundlagen von Aussagen zu klären, sie auf nachvollziehbare Sachverhalte zurück zu führen, endet im Konfliktfall schon weit vor jeder Klärung im Versuch, meine Fragen und Hinweise in jede Richtung zu diskreditieren.

Wahrheit Tschüß …

Nun ist ja das Thema ‚Wahrheit‘ selbst in der bisherigen Philosophie leider nicht mehr als ein Ideenlager für verschiedenste Perspektiven. Und selbst die modernen Wissenschaften, im Kern empirisch, verheddern sich zusehends in der Vielzahl ihrer Disziplinen und Methoden in einer Weise, dass ‚integrierende Sichten‘ selten sind und der ’normale Bürger‘ tendenziell eher ein Verständnisproblem hat. Keine gute Ausgangslage um die Ausbreitung des ‚kognitiven Märchenvirus‘ effektiv zu verhindern.

Booster Demokratie und Internet

Das Bizarre an unserer heutigen Situation ist, dass ausgerechnet die zwei wichtigsten Errungenschaften der Menschheit, die Gesellschaftsform der ‚Demokratie‘ (seit ca. 250 Jahren (in einer Geschichte von ca. 300.000 Jahren)) und das Werkzeug des ‚Internets‘ (Browser basiert seit ca. 1993), die zum ersten Mal ein Maximum an Freiheit und an Vielfalt des Ausdrucks möglich gemacht haben, dass ausgerechnet diese beiden Errungenschaften nun genau jene Bedingungen geschaffen haben , dass sich das kognitive Märchenvirus so ungehemmt ausbreiten kann.

Wichtig: das heutige kognitive Märchenvirus ereignet sich im Kontext von ‚Freiheit‘! In früheren Jahrtausenden gab es das kognitive Märchenvirus auch schon, da war es aber unter Kontrolle der jeweiligen autoritären Herrscher, die damit das Denken und Fühlen ihrer Untertanen zu ihren Gunsten gesteuert haben. Die ‚Vagheiten‘ der Bedeutungen haben immer nahezu alle Deutungen erlaubt; und wenn ein bisheriges Märchen nicht gereicht hat, dann wurde schnell ein neues erfunden. Solange eine Kontrolle durch Realität nicht wirklich möglich ist, kann man alles erzählen.

Mit der Entstehung der Demokratie verschwanden zwar die autoritären Machtstrukturen, aber die Menschen, die wählen durften und sollten, waren letztlich die gleichen wie zuvor in autoritären Herrschaften. Wer hat schon wirklich Zeit und Lust, sich mit den komplizierten Fragen der realen Welt zu beschäftigen, vor allem, wenn es einen nicht direkt selbst betrifft? Das machen doch unsere gewählten Vertreter….

In den (anscheinend) ruhigen Jahren seit dem 2.Weltkrieg schien die Aufgabenteilung doch gut zu funktionieren: hier die Bürger, die alles delegieren, und dort die gewählten Vertreter, die alles richtig machen. Eine ‚Kontrolle‘ der Macht sollte über Verfassung, Justiz und durch eine funktionierende Öffentlichkeit‘ garantiert werden…

Was man aber nicht voraus gesehen hatte waren so Kleinigkeiten wie:

  1. Die Zunahme der Bevölkerung und das Voranschreiten der Technologien induzierte immer komplexere Prozesse mit eben solchen komplexen Wechselwirkungen, die sich mit den üblichen Methoden aus der Vergangenheit nicht mehr angemessen bewältigen ließen. Fehler und Konflikte waren vorprogrammiert.
  2. Die Delegierung an wenige gewählte Vertreter mit ’normalen Fähigkeiten‘ kann nur funktionieren, wenn diese wenigen Vertreter in Kontexten arbeiten, die sie mit all den notwendigen Kompetenzen versorgen, die ihr Amt benötigt. Diese Aufgabe scheint immer schlechter gelöst zu werden.
  3. Die wichtige ‚funktionierende Öffentlichkeit‘ wurde durch die ungeheuren Möglichkeiten des Internet immer mehr fragmentiert: es gibt nicht mehr ‚die‘ Öffentlichkeit, sondern ganz viele Öffentlichkeiten. Dies ist an sich nicht schlecht, aber wen die verfügbaren Kanäle von starken Interessengruppen das ’schnelle und bequeme Gehirn‘ anziehen wie das Licht die Mücken, dann gelangen die Köpfe immer mehr in den Bereich der ‚kognitiven Viren‘, die nach nur kurzen ‚Inkubationszeiten‘ einen Kopf ‚in Besitz‘ nehmen und ihn von da ab ’steuern‘.

Die Wirkungen dieser drei Faktoren kann man seit einigen Jahren ganz klar beobachten: die ungelösten Probleme der Gesellschaft, die vom existierenden demokratisch-politischen System immer schlechter gelöst werden, führen ‚vor Ort‘ bei den einzelnen Menschen dazu, dass sie ihre Unzufriedenheiten und Ängste immer mehr und ausschließlich unter dem Einfluss des kognitiven Märchenvirus interpretieren und danach handeln. Damit wird die Situation schleichend noch schlechter, da die konstruktiven Kapazitäten zur Problemanalyse und die gemeinsame Kraft zur Lösung von Problemen abnimmt.

Keine Heilmittel verfügbar?

Blickt man zurück in die vielen tausend Jahre Geschichte der Menschen dann ist greifbar, dass ‚Meinungen‘, ‚Bilder von der Welt‘, immer nur in begrenzten Bereichen mit der realen Welt harmonierten, dort, wo es zum Überleben wichtig war. Aber selbst in diesen kleinen Bereichen gab es jahrtausendelang viele Anschauungen, die sich zu späteren Zeiten als ‚falsch‘ herausstellten.

Schon sehr früh beherrschten wir Menschen die Kunst, uns Geschichten zu erzählen, wie alles mit allem zusammen hängt. Diese wurden begierig gehört, diese wurden geglaubt, und erst viel später konnte man bisweilen erkennen, was an den früheren Geschichten ganz oder teilweise falsch war. Doch zu Lebzeiten, für diejenigen, die mit diesen Geschichten aufwuchsen, waren diese Geschichten ‚wahr‘, ergaben ‚Sinn‘, man ist für sie sogar in den Tod gegangen.

Erst ganz am Ende der bisherigen Entwicklung des Menschen (die Lebensform des Homo sapiens), also — bei 300.000 Jahre als 24 Stunden — nach ca. 23 Stunden und 59 Minuten entdeckten die Menschen mit den empirischen Wissenschaften eine Methode, wie man ‚wahre Erkenntnisse‘ gewinnen kann, die nicht nur für den Augenblick funktionieren, sondern womit man Millionen, ja Milliarden Jahre ‚zurück in der Zeit‘ schauen kann, und für viele Faktoren auch Milliarden Jahre in die Zukunft. Dazu kann die Wissenschaft in die tiefsten Tiefen der Materie schauen und versteht immer besser das komplexe Wechselspiel all der wunderbaren Faktoren.

Und just in diesem Augenblick der ersten großen Sternstunden der Menschheit auf dem Planet Erde bricht der kognitive Märchenvirus ungehemmt aus und droht sogar die modernen Wissenschaften komplett auszulöschen!

Welche Menschen auf diesem Planeten können diesem kognitiven Märchenvirus widerstehen?

Hier eine kleine Zeitungsnotiz vor wenigen Tagen: Unter dem Titel „Game macht Fake News spielerisch erkennbar“ [1](siehe auch [2-3]) wird von einem Experiment schwedischer Wissenschaftler mit Schülern berichtet, dass es möglich war, das Bewusstsein von Schülern für ‚fake news‘ (hier: das kognitive Märchenvirus) messbar zu schärfen.

Ja, wir wissen, dass junge Menschen durch eine angemessene Bildung ihr Bewusstsein so gestalten können, dass sie gegen das kognitive Märchenvirus besser gewappnet sind. Aber was geschieht, wenn die offiziellen Bildungseinrichtungen eine solche Wissenstherapie kaum oder gar nicht durchführen können, wenn entweder die Lehrer es schon nicht mehr können oder, die Lehrer könnten es schon noch, aber die politischen Institutionen lassen es nicht zu? Letztere Fälle sind bekannt, sogar in sogenannten Demokratien!

Epilogue 1

Folgende Arbeitshypothesen deuten sich an:

  1. Das Märchenvirus, die ungehemmte Neigung zum (unkontrollierten) Geschichten erzählen, ist den Menschen mit in die (genetische) Wiege gelegt.
  2. Weder Intelligenz noch sogenannte ‚akademische Bildung‘ sind ein automatischer Schutz dagegen.
  3. ‚Kritisches Denken‘ und ‚empirische Wissenschaft‘ sind spezielle Eigenschaften, die Menschen sich nur mit eigenem großen Engagement aneignen können. Für sie müssen in einer Gesellschaft minimale Voraussetzungen existieren, ohne die es nicht geht.
  4. Aktive Demokratien scheinen das Märchenvirus bis auf ca. 15-20% der gesellschaftlichen Praxis eindämmen zu können (obwohl es in den Menschen immer da ist). Sobald die Prozentzahl der aktiven Märchenerzähler erfahrbar steigt, muss man davon ausgehen, dass das Konzept ‚Demokratie‘ sich in der gesellschaftlichen Praxis — aus vielerlei Gründen — zunehmend abschwächt.

Epilogue 2

Wer aktiv vom Märchen-Virus befallen ist, hat eine Sicht von der Welt, von sich selbst und den anderen, die mit der realen Welt ‚da draußen‘, jenseits seines eigenen Denkens, so wenig zu tun hat, dass die realen Ereignissen das eigene Denken nicht mehr beeinflussen. Man lebt in seiner eigenen ‚Denk-Blase‘. Grundsätzlich gilt dies für jeden Menschen, aber jene, die gelernt haben ‚kritisch und wissenschaftlich‘ zu denken, haben Techniken gelernt und wenden sie an, die das Denken in der eigenen Blase immer wieder einem ‚Reality-Check‘ unterzieht. Dieser Check beschränkt sich nicht auf punktuelle Ereignisse oder punktuelle Aussagen … und da wird es schwierig.

LINKS

[1] Wolfgang Kempkens, com!professional 26.04.2024, https://www.com-magazin.de/news/forschung/game-fake-news-spielerisch-erkennbar-2917376.html

[2] Hier die Webseite der schwedischen Universität von Uppsala, von wo die Forschern kommen: https://www.uu.se/en/press/press-releases/2024/2024-04-24-computer-game-in-school-made-students-better-at-detecting-fake-news

[3] Und hier der volle wissenschaftliche Artikel mit open access: Bad News in the civics classroom: How serious gameplay fosters teenagers’ ability to discern misinformation techniques. Carl-Anton Werner Axelsson, Thomas Nygren, Jon Roozenbeek & Sander van der Linden, Received 26 Sep 2023, Accepted 29 Mar 2024, Published online: 19 Apr 2024 : https://doi.org/10.1080/15391523.2024.2338451

DER AUTOR

Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

Schmerz ersetzt nicht die Wahrheit …

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Email: gerd@doeben-henisch.de

Entstehungszeit: 18.Okt 2023 – 24.Okt 2023

KONTEXT

Der Terrorakt der Hamas auf israelische Bürger am 7.Oktober 2023 erschüttert die Welt. Seit Jahren erschüttern Terrorakte unsere Welt. Unter unseren Augen versucht ein Staat seit 2022 (eigentlich schon ab 2014), das ganze ukrainische Volk auf brutalste Weise auszuradieren. In vielen anderen Regionen dieser Welt findet und fand Ähnliches statt …

… Schmerz ersetzt nicht die Wahrheit [0]…

Wahrheit ist kein Automatismus. Wahrheit verfügbar zu machen erfordert erheblich mehr Anstrengung, als im Zustand partieller Wahrheit zu verweilen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch die Wahrheit kennt bzw. sich um die Wahrheit bemüht ist kleiner als das Verharren in einem Zustand der partiellen Wahrheit oder der direkten Unwahrheit.

Ob in einer Demokratie mehrheitlich die Unwahrheit vorherrscht oder eben die Wahrheit, hängt davon ab, wie eine Demokratie den Prozess der Wahrheitsfindung und der Kommunikation von Wahrheit gestaltet. Einen Automatismus zur Wahrheit gibt es nicht.

In einer Diktatur ist die Wahrscheinlichkeit für eine Verfügbarkeit von Wahrheit extrem abhängig von jenen, die die Macht zentral ausüben. Absolute Macht hat aber schon im Kern mit der Wahrheit gebrochen (was nicht ausschließt, dass diese Macht erhebliche Wirkungen entfalten kann).

Der Gang der bisherigen Geschichte des Menschen auf dem Planet Erde zeigt, dass es offensichtlich keinen einfachen schnellen Weg gibt, der alle Menschen gleichermaßen in einen glücklichen Zustand überführt. Dies muss mit dem Menschen selbst — mit uns — zu tun haben.

Das Interesse an Wahrheitsfindung, an Kultivierung von Wahrheit, an einem gemeinsamen Prozess in Wahrheit, war bislang aber niemals stark genug, um die alltäglichen Abgrenzungen, Unwahrheiten, Verfeindungen, Greueltaten … zu überwinden.

Der eigene Schmerz ist furchtbar, aber er hilft uns nicht weiter …

Wer will überhaupt eine Zukunft für uns alle?????

[0] Es gibt einen Überblicksartikel vom Autor aus dem Jahr 2018, in dem er 15 größere Texte aus dem Blog ‚Philosophie Jetzt‘ vorstellt ( „INFORMELLE KOSMOLOGIE. Teil 3a. Evolution – Wahrheit – Gesellschaft. Synopse der bisherigen Beiträge zur Wahrheit in diesem Blog“ ( https://www.cognitiveagent.org/2018/03/20/informelle-kosmologie-teil-3a-evolution-wahrheit-gesellschaft-synopse-der-bisherigen-beitraege-zur-wahrheit-in-diesem-blog/ )), in denen die Sache mit der Wahrheit aus vielen Gesichtspunkten betrachtet wird. In den 5 Jahren danach hat sich der gesellschaftliche Umgang mit der Wahrheit dramatisch weiter verschlechtert.

Hass hebt Wahrheit auf …

Wahrheit hat mit Wissen zu tun. Wissen ist bei Menschen aber den Emotionen untergeordnet. Was immer wir wissen oder wissen wollen, wenn unsere Emotionen dagegen sind, werden wir das Wissen einklammern.

Eine Form von Emotion ist der Hass. Die zerstörerische Wirkung von Hass begleitet die Geschichte der Menschheit wie ein Schatten und er hinterlässt überall eine Spur der Verwüstung: im Hassenden selbst, und in seiner Umgebung.

Das Ereignis des unmenschlichen Überfalls am 7.Oktober 2023 in Israel, von der Hamas für sich in Anspruch genommen, ist ohne Hass nicht denkbar.

Verfolgt man die Geschichte der Hamas seit ihrer Gründung 1987 [1,2], dann kann man sehen, dass der Hass schon als ein wesentliches Moment in der Gründung grundgelegt ist. Zu diesem Hass gesellt sich das Moment einer religiösen Deutung, die sich islamisch nennt, die aber eine spezielle, sehr radikalisierte und zugleich fundamentalistische Form des Islams repräsentiert.

Die Geschichte des Staates Israel ist komplex, nicht minder die Geschichte des Judentums. Und dass das heutige Judentum auch starke Anteile enthält, die eindeutig fundamentalistisch sind und denen Hass nicht fremd ist, dies führt innerhalb vieler anderer Faktoren im Kern auch zu einer Konstellation von fundamentalistischen Gegensätzen auf beiden Seiten, die aus sich heraus keine Lösungsansätze erkennen lassen. Die vielen anderen Menschen in Israel und Palästina ‚drumherum‘ sind Teil dieser ‚fundamentalistischen Kraftfelder‘, die Menschlichkeit und Wahrheit in ihrer Nähe schlicht verdunsten lassen. An der Spur des Blutes kann man diese Wirklichkeit erkennen.

Sowohl das Judentum wie auch der Islam haben wunderbare Dinge hervorgebracht, aber was bedeutet all dies angesichts eines brennenden Hasses, der alles beiseite schiebt, der nur sich selbst sieht.

[1] Jeffrey Herf, Sie machen den Hass zum Weltbild, FAZ 20.Okt. 23, S.11 (Abriss der Geschichte der Hamas und ihr Weltbild, als Teil der größeren Geschichte)

[2] Joachim Krause, Die Quellen des Arabischen Antisemitismus, FAZ, 23.10.2023,S.8 (Dieser Text ergänzt die Darstellung von Jeffrey Herf. Nach Krause wurde der arabische Antisemitismus seit den 1920iger/ 30iger Jahren über die 1928 gegründete Muslimbrüderschaft weit in die arabische Welt hineingetragen.)

Zerbrechende Gesellschaft

Wenn die Wahrheit schwindet, der Hass wächst (und damit indirekt auch das Vertrauen verdunstet), dann befindet sich eine Gesellschaft im freien Fall. Dagegen gibt es kein Mittel; Waffeneinsatz kann es nicht heilen, nur verschlimmern.

Allein die Tatsache, dass wir glauben, man könnte mangelnde Wahrheit, schwindendes Vertrauen, vor allem aber manifesten Hass nur durch Gewalt ausrotten, zeigt, wie ernst wir diese Phänomene nehmen und zugleich, wie hilflos wir uns diesen Haltungen gegenüber erleben.

In einer Welt, deren Fortbestand an die Verfügbarkeit von Wahrheit und Vertrauen geknüpft ist, ist es ein schrilles Alarmzeichen zu sehen, wie schwer wir uns als Menschen im Umgang mit fehlender Wahrheit und Hass tun.

Ist Hass unheilbar?

Wenn man sieht, wie zäh sich Hass in der Menschheit hält, wir unfassbar grausam ein Handeln sein kann, was von Hass angetrieben wird, und wie hilflos wir Menschen im Angesichts von Hass wirken, dann muss man vielleicht die Frage stellen, ob Hass letztlich nicht eine Art Krankheit ist, eine, die den Hassenden selbst und — ganz besonders — den Gehassten mit schweren Schäden, letztlich mit dem Tod bedroht?

Bei normalen Krankheiten haben wir gelernt, nach Heilmitteln zu suchen , die von der Krankheit befreien können. Wie ist es aber bei einer Krankheit Hass? Was hilft hier? Hilft hier irgendetwas? Müssen wir Menschen, die von Hass befallen sind, wie zu früheren Zeit bei Menschen mit tödlichen Krankheiten (die Pest!) , hassende Menschen ausgrenzen, wegsperren, in ein Niemandsland verschicken? … aber jeder weiß, dass dies nicht geht… Was aber geht? Was hilft gegen Hass?

Nach ca. 300.000 Jahren Homo sapiens auf diesem Planeten wirken wir seltsam hilflos im Angesicht der Krankheit Hass.

Das Schlimme ist, dass es andere Menschen gibt, die in jedem hassenden Menschen ein mögliches Werkzeug sehen, diesen Hass mit geeigneter Manipulation auf Ziele umzufunktionieren, die der Manipulator gerne geschädigt oder gar zerstört sehen will. Dadurch verschwindet der Hass nicht; im Gegenteil, er fühlt sich bestätigt und neues Unrecht schürt die Entstehung von neuem Hass … die Krankheit breitet sich weiter aus.

Eines der größten Ereignisse im gesamten bekannten Universum, die Entstehung des geheimnisvollen Lebens auf diesem Planet Erde, hat einen wunden Punkt, an dem dieses Leben so seltsam schwach und hilflos wirkt. Die Menschen haben im Lauf der bisherigen Geschichte gezeigt, dass sie zu Taten fähig sind, die viele Generationen überdauern, die vielen Menschen mehr Leben ermöglichen, die …. aber angesichts von Hass seltsam hilflos wirken … und der Hassende ist sich selbst genommen, unfähig zu allem anderen … im freien Fall in sein dunkles Inneres …

Statt Hass brauchen wir (minimal, skizzenhaft):

  • Wasser, damit Menschen leben können. Dazu eine Infrastruktur, die Wasser bereit stellt. Dazu andere Menschen, die sich um diese Infrastruktur kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Nahrung, damit Menschen leben können. Dazu eine Infrastruktur, die diese Nahrung herstellt, lagert, aufbereitet, transportiert, verteilt, und die Nahrung bereit stellt. Dazu andere Menschen, die sich um diese Infrastruktur kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • einen Wohnbereich, damit Menschen leben können. Dazu eine Infrastruktur, die diesen Wohnbereich herstellt, bereit stellt, erhält, und verteilt. Dazu andere Menschen, die sich um diese Bereitstellung kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Energie, gegen Kälte, gegen Hitze, für alltägliche Abläufe, um Leben zu können. Dazu eine Infrastruktur, die diese Energie herstellt, bereit stellt, erhält, und verteilt. Dazu andere Menschen, die sich um diese Bereitstellung kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Die Berechtigung und die Teilhabe, Wasser, Nahrung, Wohnen und Energie bekommen zu können. Dazu eine Infrastruktur an Vereinbarungen, damit dies alles möglich ist. Dazu andere Menschen, die sich um diese Vereinbarungen kümmern. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Ausbildung, um in der Lage zu sein, Aufgaben im realen Leben übernehmen und erfolgreich ausführen zu können. Dazu braucht es andere Menschen, die genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Ausbildung anbieten und durchführen zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Medizinische Versorgung, um bei vielen Verletzungen, Unfällen, Krankheiten helfen zu können. Dazu braucht es andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche medizinische Versorgung anbieten und durchführen zu können; dazu auch die notwendigen Einrichtungen und Ausrüstungen. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Kommunikationseinrichtungen, damit jeder jederzeit die hilfreichen Informationen bekommen kann, die er braucht, um sich in seiner Welt sachgemäß orientieren zu können: Wann, wer, wo, wie, was …. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Informationen anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Transporteinrichtungen, damit Menschen und Sachen an die Orte kommen können, zu denen sie hin müssen. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Infrastrukturen anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Entscheidungsstrukturen, die die vielfältigen Bedürfnisse und notwendigen Leistungen so vermitteln, dass möglichst alle all das zur Verfügung haben, was sie für ihr alltägliches Leben benötigen. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Infrastrukturen anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Ordnungskräfte, die dafür Sorge tragen, dass Störungen und Verletzungen jener Infrastrukturen, die für das alltägliche Leben notwendig sind, behoben werden, ohne dass neue Störungen entstehen. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Dienst anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • ausreichend Land, um für all diese Anforderungen genügend Raum zur Verfügung stellen können, dazu geeignete Böden (Wasser, Nahrung, Wohnen, Transport, Lagerung, Produktion, …)
  • ein geeignetes Klima
  • ein funktionierendes Ökosystem
  • eine leistungsfähige Wissenschaft, welche die Welt erkundet, um zu wissen, was geht, was nicht geht, was auf uns zukommt, …. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Dienst anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • eine geeignete Technologie, um alle die Aufgaben erfolgreich durchführen zu können, die im Alltag und für die Wissenschaft benötigt werden. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Dienst anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • ein Wissen in den Köpfen der Menschen, das dazu geeignet ist, das Geschehen im Alltag hinreichend gut verstehen zu können, so dass sie verantwortungsvoll mitdenken, sich selbständig orientieren und entscheiden zu können. Dazu braucht es eine geeignete Infrastruktur und andere Menschen, die dafür genügend Erfahrung und Wissen haben, um solche Dienst anbieten zu können. Diese anderen Menschen brauchen auch alles, was sie für ihr Leben benötigen, damit sie diese Aufgabe erfüllen können.
  • Zielvorstellungen (Präferenzen, Werte, …) in den Köpfen der Menschen, welche dazu geeignet sind, im Geschehen des Alltags hinreichend gut Entscheidungen fällen zu können. Dazu braucht es im alltäglichen Leben eine gegenseitige Hilfestellung von Allen, damit die junge Generation sich mit diesen Zielen vertraut machen und selbständig überprüfen kann, um nach und nach aus eigener Kraft diese Ziele anwenden kann.
  • hinreichend viel Zeit und Frieden, damit die bisher genannten Prozesse stattfinden und ihre Wirkung erbringen können.
  • hinreichend gute und dauerhafte Beziehungen zu anderen Bevölkerungsgruppen, die die gleichen Ziele verfolgen.
  • eine hinreichende Gemeinsamkeit zwischen all den Bevölkerungsgruppen, die auf dem Planet Erde leben und mit der Realität dieses Planeten (Erdbeben, Vulkane, Klima, verfügbares Land, …) den Bedarf für ihr Leben dort gemeinsam lösen müssen, wo sie alle betroffen sind.
  • einen dauerhaften positiv-konstruktiven Wettbewerb um jene Zielvorstellungen, die das Leben von möglichst allen Menschen auf diesem Planeten (in diesem Sonnensystem, in dieser Galaxie, ….) auch für die Zukunft möglich erscheinen lassen.
  • der Freiheit, die im Innern der erfahrbaren Welt anwesend ist, so auch in jedem Lebewesen, besonders auch im Menschen, sollte so viel Raum wie möglich gegeben werden, da es nur diese Freiheit ist, die angesichts einer sich beständig verändernden Welt falsche Vorstellungen von gestern so überwinden kann, damit wir in der Welt der Zukunft vielleicht bestehen können.

DER AUTOR

Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

DENKEN: alltäglich – philosophisch – empirisch theoretisch (Skizze)

(Letzte Änderung: 9.Juni 2023, 17:55h)

KONTEXT

Die aktuelle Phase meines Denkens kreist weiterhin um die Frage, wie sich die verschiedenen Erkenntniszustände zueinander verhalten: die vielen einzel-wissenschaftlichen Disziplinen treiben nebeneinander her; Philosophie beansprucht weiterhin eine Oberhoheit, kann sich aber selbst nicht wirklich überzeugend verorten; und das Denken im Alltag zieht weiterhin unbeirrt seine Bahnen mit der Überzeugung ‚Alles sei doch klar‘, man müsse doch nur einfach hinschauen ‚wie es ist‘. Dann kommen noch die verschiedenen ‚religiösen Anschauungen‘ um die Ecke mit einem sehr hohen Anspruch bei gleichzeitigem Verbot, nicht zu genau hinschauen zu dürfen. … und vieles mehr.

ABSICHT

Im folgenden Text werden drei fundamentale Betrachtungsweise unserer gegenwärtigen Welt skizziert und sie werden zugleich zueinander in Beziehung gesetzt. Manche bislang unbeantwortete Fragen lassen sich dadurch möglicherweise besser beantworten, viele neue Fragen entstehen aber auch. Wenn ‚alte Denkmuster‘ außer Kraft gesetzt werden, muss man viele (die meisten? Alle?) der bislang vertrauten Denkmuster neu justieren. Mit einem Mal sind sie schlicht ‚falsch‘ oder stark ‚reparaturbedürftig‘.

Leider ist es nur eine ‚Skizze‘.

DENKEN im ALLTAG

BILD 1: Im Alltagsdenken geht jeder Mensch (ein ‚homo sapiens‘ (HS)) davon aus, dass das, was er von einer ‚realen Welt‘ weiß, das ist, was er ‚wahrnimmt‘. Dass es diese reale Welt mit ihren Eigenschaften gibt, ist ihm — mehr oder weniger — ‚bewusst‘, darüber muss man nicht eigens diskutieren. Das, was ‚ist, ist‘.

… vieles wäre zu sagen …

PHILOSOPHISCHES DENKEN

BILD 2: Das philosophische Denken beginnt dort, wo einem auffällt, dass die ‚reale Welt‘ nicht von allen Menschen in ‚gleicher Weise‘ wahrgenommen und noch weniger in gleicher Weise ‚vorgestellt‘ wird. Manche Menschen haben ‚ihre Vorstellungen‘ von der realen Welt, die markant ‚anders sind‘ als die Vorstellungen anderer Menschen, und doch bestehen sie darauf, dass die Welt genau so ist, wie sie sich das vorstellen. Aus dieser Beobachtung im Alltag, können viele neue Fragen entstehen. Die Antworten auf diese Fragen sind so vielfältig wie es Menschen gab und gibt, die sich diesen philosophischen Fragen hingaben oder noch hingeben.

… berühmte Beispiele: Platons Höhlengleichnis deutet an, dass die Inhalte unseres Bewusstseins vielleicht doch nicht ‚die Sachen selbst‘ sind sondern nur die ‚Schatten‘ vom dem, was letztlich ‚wahr‘ ist … Descartes berühmtes ‚cogito ergo sum‘ bringt den Aspekt ins Spiel, dass die Inhalte des Bewusstsein auch etwas über ihn selbst sagen, der solche Inhalte ‚bewusst wahrnimmt’…. die ‚Existenz der Inhalte‘ setzt seine ‚Existenz des Denkenden‘ voraus, ohne die die Existenz der Inhalte gar nicht möglich wäre …was sagt uns dies? … Kants berühmtes ‚Ding an sich‘ kann man auf die Einsicht beziehen, dass die konkreten, flüchtigen Wahrnehmungen niemals die ‚Welt als solche‘ in ihrer ‚Allgemeinheit direkt zeigen können. Diese liegt ‚irgendwo dahinter‘, schwer greifbar, eigentlich gar nicht greifbar? ….

… vieles wäre zu sagen …

EMPIRISCH-THEORETISCHES DENKEN

BILD 3: Das Konzept einer ‚empirischen Theorie‘ entwickelte sich sehr spät in der dokumentierten Geschichte des Menschen auf diesem Planeten. Einerseits philosophisch angeregt, andererseits unabhängig von den verbreiteten Formen von Philosophie, aber sehr stark beeinflusst von logischem und mathematischem Denken, siedelte sich das neue ‚empirische theoretische‘ Denken genau an dieser Bruchstelle zwischen ‚Alltagsdenken‘ und ‚theologischem‘ sowie ’stark metaphysischem philosophischem Denken‘ an. Dass Menschen ‚mit dem Brustton der Überzeugung‘ Aussagen über die Welt machen konnten, obwohl es nicht möglich war, ‚gemeinsame Erfahrungen der realen Welt‘ aufzuzeigen, die mit den geäußerten Aussagen ‚übereinstimmten‘, führte dazu, dass einzelne Menschen damit begannen, die ‚erfahrbare (empirische) Welt‘ so zu untersuchen, dass jeder andere bei ‚gleichem Vorgehen‘, die ‚gleichen Erfahrungen‘ machen konnte. Diese ‚transparenten Vorgehensweisen‘ waren ‚wiederholbar‘ und solche Vorgehensweisen wurden zu dem, was später als ‚empirisches Experiment‘ bzw. dann, noch einen Schritt weiter, als ‚Messen‘ bezeichnet wurde. Beim ‚Messen‘ vergleicht man das ‚Ergebnis‘ eines bestimmten experimentellen Vorgehens mit einem ‚zuvor definierten Standard-Objekt‘ (‚Kilogramm‘, ‚Meter‘, …).

Diese Vorgehensweise führte dazu, dass — zumindest die Experimentatoren — ‚lernten‘, dass unser Wissen um die ‚reale Welt‘ in zwei Komponenten zerfällt: es gibt das ‚allgemeine Wissen‘ was unsere Sprache artikulieren kann, mit Begriffen, die nicht automatisch etwas mit der ‚erfahrbaren Welt‘ zu tun haben müssen, und solchen Begriffen, die sich mit experimentellen Erfahrungen in Verbindung bringen lassen, und zwar so, dass auch andere Menschen, sofern sie sich auf das experimentelle Vorgehen einlassen, diese Erfahrungen wiederholen und dadurch bestätigen können. Eine grobe Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten von sprachlichen Äußerungen könnte sein: ‚fiktive‘ Ausdrücke mit ungeklärtem Erfahrungsanspruch, und ‚empirische‘ Ausdrücke mit bestätigtem Erfahrungsanspruch.

Seit dem Beginn der neuen empirisch-theoretischen Denkweise im ca. 17.Jahrhundert dauerte es gut mindestens 300 Jahre, bis sich das Konzept einer ‚empirischen Theorie‘ soweit gefestigt hatte, dass es in weiten Bereichen der Wissenschaft zu einem prägenden Paradigma geworden war. Viele methodische Fragen blieben aber strittig oder blieben sogar ‚ungelöst‘.

DATEN und THEORIE

Viele Jahrhunderte wurde bei vielen — bei nicht wenigen auch bis in unsere Gegenwart — der ‚Missbrauch der Alltagssprache‘ für die Ermöglichung von ‚empirisch nicht verifizierbare Aussagen‘ direkt dieser Alltagssprache angekreidet und die gesamte Alltagssprache wurde als ‚Quelle von Unwahrheiten‘ diskreditiert. Eine Befreiung von diesem ‚ Monster Alltagssprache‘ wurde immer mehr in formalen Kunstsprachen gesucht bzw. dann in der modernen axiomatisierte Mathematik, die ein enges Bündnis mit der modernen formalen Logik eingegangen war (ab Ende des 19.Jahrhunderts). Die Ausdruckssysteme der modernen formalen Logik bzw. dann der modernen formalen Mathematik hatten als solche (nahezu) keine ‚Eigenbedeutung‘. Diese mussten fallweise explizit eingeführt werden. Eine ‚formale mathematische Theorie‘ konnte so formuliert werden, dass sie auch ohne ‚explizite Zuweisung‘ einer ‚externen Bedeutung‘ ‚logische Schlüsse‘ zulässt, die es erlaubten, bestimmte formale Ausdrücke als ‚formal wahr‘ oder ‚formal falsch‘ zu bezeichnen.

Dies erschien auf den ersten Blick sehr ‚beruhigend‘: die Mathematik als solche ist kein Ort von ‚falschen‘ oder ‚untergejubelten‘ Wahrheiten.

Der intensive Einsatz formaler Theorien in Verbindung mit erfahrungsbasierten Experimenten machte aber dann schrittweise deutlich, dass ein einzelner Messwert als solcher eigentlich auch keine ‚Bedeutung‘ besitzt: was soll es ‚bedeuten‘ dass man zu einem bestimmten ‚Zeitpunkt‘ an einem bestimmten ‚Ort‘ einen ‚erfahrbaren Zustand‘ mit bestimmten ‚Eigenschaften‘ feststellt, im Idealfall einem zuvor vereinbarten ‚Standardobjekt‘ vergleichbar? ‚Ausdehnungen‘ von Körpern können sich ändern, ‚Gewicht‘ und ‚Temperatur‘ ebenso. Alles kann sich in der Erfahrungswelt ändern, schnell, langsam, … was kann also ein einzelner isolierter Messwert sagen?

So manchem dämmerte es — nicht nur den erfahrungsbasierten Forschern, sondern auch verschiedenen Philosophen –, dass einzelne Messwerte nur eine ‚Bedeutung‘, einen möglichen ‚Sinn‘ bekommen, wenn man mindestens ‚Beziehungen‘ zwischen einzelnen Messwerten herstellen kann: Beziehungen ‚in der Zeit‘ (vorher – nachher), Beziehungen am/im Ort (höher – tiefer, nebeneinander, …), ‚zusammenhängende Größen‘ (Objekte – Flächen, …), und dass darüber hinaus die verschiedenen ‚Beziehungen‘ selbst nochmals einen ‚begrifflichen Kontext‘ benötigen (einzeln – Menge, Wechselwirkungen, kausal – nicht kausal, …).

Schließlich wurde damit auch klar, dass einzelne Messwerte darüberhinaus ‚Klassenbegriffe‘ benötigten, damit man sie überhaupt irgendwie einordnen konnte: abstrakte Begriffe wie ‚Baum‘, ‚Pflanze‘, ‚Wolke‘, ‚Fluss‘, ‚Fisch‘ usw. wurden so zu ‚Sammelstellen‘, bei denen man ‚Einzelbeobachtungen‘ abliefern konnte. Damit konnten dann aberhundert Einzelwerte z.B. zur Charakterisierung des abstrakten Begriffs ‚Baum‘ oder ‚Pflanze‘ usw. benutzt werden.

Diese Unterscheidung in ‚einzeln, konkret‘ und ‚abstrakt, allgemein‘ erweist sich als fundamental. Sie machte auch deutlich, dass die Einteilung der Welt mit Hilfe von solchen abstrakten Begriffen letztlich ‚willkürlich‘ ist: sowohl ‚welche Begriffe‘ man wählt ist willkürlich, als auch die Zuordnung von einzelnen Erfahrungsdaten zu abstrakten Begriffen ist nicht vorab eindeutig geregelt. Der Prozess der Zuordnung von einzelnen Erfahrungsdaten zu bestimmten Begriffen innerhalb eines ‚Prozesses in der Zeit‘ ist selbst stark ‚hypothetisch‘ und selbst wiederum Teil von anderen ‚Beziehungen‘ die zusätzliche ‚Kriterien‘ liefern können, ob nun Datum X eher zum Begriff A oder eher zum Begriff B gehört (die Biologie ist voll von solchen Klassifikationsproblemen).

Ferner zeigte sich, dass die so ‚unschuldig‘ daher kommende Mathematik bei näherer Betrachtung keineswegs als ‚unschuldig‘ gelten kann. Die breite Diskussion der Wissenschaftsphilosophie im 20.Jahrhundert brachte viele ‚Artefakte‘ zur Sprache, welche die Beschreibung einer dynamischen Erfahrungswelt mindestens leicht ‚korrumpieren‘ kann.

So gehört es zu formalen mathematischen Theorien, dass sie mit sogenannten ‚All- oder Partikularaussagen‘ operieren können. Mathematisch ist es wichtig, dass ich über ‚alle‘ Elemente eines Bereichs/ einer Menge reden kann. Ansonsten wird das Reden sinnlos. Wenn ich nun ein formales mathematisches System als begrifflichen Rahmen für eine Theorie wähle, die ‚empirische Sachverhalte‘ so beschreibt, dass Folgerung möglich werden, die im Sinne der Theorie ‚wahr sind‘ und damit zu ‚Prognosen‘ werden, die behaupten, dass ein bestimmter Sachverhalt entweder ‚absolut‘ oder mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit X größer 50% eintreten wird, dann vereinigen sich zwei verschiedene Welten: die fragmentarischen Einzelaussagen über die Erfahrungswelt werden eingebettet in ‚Allaussagen‘, die grundsätzlich mehr sagen, als Erfahrungsdaten bereit stellen können.

An dieser Stelle wird sichtbar, dass die so ’neutral‘ erscheinende Mathematik genau den gleichen Job tut wie die ‚Alltagssprache‘ mit ihren ‚abstrakten Begriffen‘: die abstrakten Begriffe der Alltagssprache gehen immer über den Einzelfall hinaus (sonst könnten wir letztlich gar nichts sagen), aber gerade dadurch erlauben sie Überlegungen und Planungen, wie wir sie an den mathematischen Theorien so schätzen.

Empirische Theorien im Format formaler mathematischer Theorien haben das weitere Problem, dass sie ja als solche über (nahezu) keine eigene Bedeutungen verfügen. Will man die formalen Ausdrücke mit der Erfahrungswelt in Beziehung setzen, dann muss man (mit Hilfe der Alltagssprache!) für jeden abstrakten Begriff der formalen Theorie (oder auch für jede formale Beziehung oder auch für jeden formalen Operator) explizit eine ‚Bedeutung konstruieren‘, indem man zwischen den abstrakten Konstrukten und bestimmten aufweisbaren Erfahrungstatsachen eine ‚Abbildung’/ eine ‚Zuordnung‘ herstellt. Was sich hier auf den ersten Blick vielleicht so einfach anhört, hat sich im Laufe der letzten 100 Jahren als ein fast unlösbares Problem erwiesen. Daraus folgt jetzt nicht, dass man es überhaupt nicht tun sollte; es macht aber darauf aufmerksam, dass die Wahl einer formalen mathematischen Theorie nicht automatisch eine gute Lösung sein muss.

… vieles wäre noch zu sagen …

FOLGERN und WAHRHEIT

Eine formale mathematische Theorie kann aus bestimmten ‚Annahmen‘ bestimmte Aussagen als formal ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ ableiten. Dies geht, weil es zwei grundlegende Voraussetzungen gibt: (i) Alle formalen Ausdrücke haben einen ‚abstrakten Wahrheitswert‘ als ‚abstrakt wahr‘ oder eben als ‚abstrakt nicht wahr‘. Ferner gibt es einen sogenannten ‚formalen Folgerungsbegriff‘, der festlegt, ob und wie man aus einer gegebenen ‚Menge von formalen Ausdrücken‘ mit vereinbarten abstrakten Wahrheitswerten und einer klar definierten ‚Form‘ andere formalen Ausdrücke ‚ableiten‘ kann. Dieses ‚Ableiten‘ besteht aus ‚Operationen über den Zeichen der formalen Ausdrücke‘. Die formalen Ausdrücke sind hier ‚Objekte‘ des Folgerungsbegriffs, der auf einer ‚Ebene höher‘ angesiedelt ist, auf einer ‚Meta-Ebene 1‘. Der Folgerungsbegriff ist insofern eine eigene ‚formale Theorie‘, die über bestimmte ‚Objekte einer tieferen Ebene‘ spricht so wie die abstrakten Begriffe einer Theorie (oder der Alltagssprache) über konkrete Erfahrungstatbestände sprechen. Das Zusammenwirken von Folgerungsbegriff (auf Meta-Ebene 1) und den formalen Ausdrücken als Objekten setzt eine eigene ‚Interpretationsbeziehung‘ (letztlich eine Art von ‚Abbildung‘) voraus, die wiederum auf einer noch anderen Ebene — Meta-Ebene 2 — angesiedelt ist. Diese Interpretationsbeziehung benutzt sowohl die formalen Ausdrücke (mit ihren Wahrheitswerten!) und den Folgerungsbegriff als ‚Objekte‘, um zwischen diesen eine Interpretationsbeziehung zu installieren. Normalerweise wird diese Meta-Ebene 2 von der so gescholtenen Alltagssprache bewältigt und die implizite Interpretationsbeziehung ist ‚in den Köpfen der Mathematiker (eigentlich in den Köpfen der Logiker)‘ verortet, die davon ausgehen, dass ihre ‚Praxis des Folgerns‘ genügend Erfahrungsdaten liefern, um den ‚Inhalt der Bedeutungsbeziehung‘ zu ‚verstehen‘.

Es war Kurt Gödel gewesen [2], der 1931 versucht hat, das ‚intuitive Vorgehen‘ bei Meta-Beweisen selbst auch zu formalisieren (mit Hilfe der berühmten Gödelisierung) und damit die Meta-Ebene 3 wiederum zu einem neuen ‚Objekt‘ gemacht hat, über das man explizit diskutieren kann. Im Anschluss an Gödels Beweis gab es weitere Versuche, diese Meta-Ebene 3 nochmals anders zu formulieren oder gar deine Meta-Ebene 4 zu formalisieren. Doch blieben diese Ansätze bislang ohne klares philosophisches Ergebnis.

Klar scheint nur zu sein, dass die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, immer wieder neue Meta-Ebenen zu eröffnen, um damit zuvor formulierte Sachverhalte zu analysieren und zu diskutieren, prinzipiell unbeschränkt ist (nur beschränkt durch die Endlichkeit des Gehirns, dessen Energiezufuhr, die Zeit, und ähnliche materielle Faktoren).

Eine interessante Spezialfrage ist es, ob der formaler Folgerungsbegriff der formalen Mathematik angewendet auf Erfahrungstatsachen einer dynamischen empirischen Welt der spezifischen ‚Welt-Dynamik‘ überhaupt angemessen ist? Für den Bereich der ’scheinbar materiellen Strukturen‘ des Universums hat die moderne Physik vielfache Phänomene geortet, die sich einfach klassischen Konzepten entziehen. Eine ‚Materie‘, die zugleich ‚Energie‘ ist, ist tendenziell eher nicht mehr klassisch beschreibbar, und Quantenphysik ist — bei aller ‚Modernität‘ — letztlich immer noch ein ‚klassisches Denken‘ im Rahmen einer formalen Mathematik, die vom Ansatz her viele Eigenschaften nicht besitzt, die aber der erfahrbaren Welt zukommen.

Diese Begrenztheit eines formal-mathematischen physikalischen Denkens zeigt sich besonders krass am Beispiel jener Phänomene, die wir ‚Leben‘ nennen. Die erfahrungsbasierten Phänomene, die wir mit ‚lebenden (= biologischen) Systemen‘ in Verbindung bringen, sind auf den ersten Blick komplett materielle Strukturen, allerdings haben sie dynamische Eigenschaften, die mehr über die ‚Energie‘ aussagen, die sie hervorruft, als über die Materialität, mittels der sie sich realisieren. Insofern ist die implizite Energie der eigentliche ‚Informationsgehalt‘ von lebenden Systemen, die in ihrer Grundstruktur ‚radikal freie‘ Systeme sind, da Energie als ’nicht begrenzbar‘ erscheint. Die unübersehbare Tendenz lebender Systeme, ‚aus sich heraus‘ immer ‚mehr Komplexität zu ermöglichen‘ und zu integrieren widerspricht allen bekannten physikalischen Prinzipien. Die ‚Entropie‘ wird gerne als Argument benutzt, um diese Form von ‚biologischer Selbstdynamik‘ mit Verweis auf eine simple ‚obere Schranke‘ als ‚begrenzt‘ zu relativieren, doch macht dieser Verweis das originäre Phänomen des ‚Lebendigen‘ damit nicht vollständig zunichte.

Besonders spannend wird es, wenn man es wagt, an dieser Stelle die Frage nach der ‚Wahrheit‘ zu stellen. Lokalisiert man die Bedeutung des Begriffs ‚Wahrheit‘ zunächst mal in der Situation, in der ein biologisches System (hier der Mensch) innerhalb seines Denkens eine gewisse ‚Korrespondenz‘ zwischen seinen abstrakten Begriffen und solchen konkreten Wissensstrukturen herstellen kann, die sich über einen Interaktionsprozess mit Eigenschaften einer erfahrbaren Welt in Verbindung bringen lassen, und zwar nicht nur als einzelnes Individuum, sondern zusammen mit anderen Individuen, dann hat jedes abstrakte Ausdruckssystem (genannt ‚Sprache‘) nur in dem Maße einen ‚wahren Wirklichkeitsbezug‘, als es biologische Systeme gibt, die solche Bezüge herstellen können. Und diese Bezüge hängen weiterhin ab von der Struktur der Wahrnehmung und der Struktur des Denkens dieser Systeme; diese wiederum hängen ab von der Beschaffenheit der Körper als Kontext der Gehirne, und die Körper hängen wiederum sowohl ab von der materiellen Struktur und Dynamik der Umgebung wie auch von den gesellschaftlichen Alltagsprozessen, die weitgehend festlegen, was ein Mitglied einer Gesellschaft erleben, lernen, arbeiten, planen und tun kann. Was immer ein Individuum kann bzw. könnte, die Gesellschaft verstärkt entweder das individuelle Potential oder ‚friert‘ es ein. ‚Wahrheit‘ existiert unter diesen Bedingungen als ein ‚frei beweglicher Parameter‘, der durch die jeweilige Prozessumgebung erheblich beeinflusst wird. Das Reden von ‚kultureller Vielfalt‘ kann eine gefährliche ‚Verniedlichung‘ von massiver Unterdrückung ‚alternativer Lern- und Handlungsprozessen‘ sein, die einer Gesellschaft ‚entzogen‘ werden, weil sie ’sich selbst einsperrt‘. Unwissenheit ist tendenziell kein guter Ratgeber. Wissen als solches garantiert aber auch kein ‚richtiges‘ Handeln. Der ‚Prozess der Freiheit‘ auf dem Planet Erde ist ein ‚galaktisches Experiment‘, dessen Ernsthaftigkeit und Ausmaß bislang kaum gesehen wird.

DER AUTOR

Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

ANMERKUNGEN

[1] Auf Literaturangaben wird hier verzichtet. Es wären viele hunderte Texte zu erwähnen. Das kann keine Skizze leisten.

[2] Siehe Kurt Gödel, Unvollständigkeitssätze, 1931: https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_G%C3%B6del#Die_Unvollst%C3%A4ndigkeitss%C3%A4tze

Pazifismus als ‚Pseudonym‘ für Realitätsverweigerung?

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 24.Februar 2023 – 4.März 2023
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (cagent@cognitiveagent.org)

Kontext

Dieser Text ist eine spontane Reaktion auf die vielen Stimmen, die in unterschiedlichen Tonlagen einen ‚Pazifismus‘ vertreten, dessen eigentliche ‚Natur‘ sich in viel schillernden Vagheiten präsentiert, die bei Nachfragen immer genau das nicht sein sollen, für das man sie halten möchte. Den letzten Kick zur folgenden schriftlichen Reaktion ergab die Lektüre eines Textes von Annete Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland.[1]

‚Ecce Homo‘

Frau Kurschus schleudert dem Leser gleich zu Beginn den Ausdruck ‚Ecce Homo‘ entgegen, einen Ausdruck, den die meisten Menschen heute kaum sogleich verstehen werden, da er aus einer Zeit und Denkwelt kommt, die längst vergangen ist. ‚Ecce Homo‘ ist einer lateinischen Übersetzung des Neuen Testaments entnommen, das ursprünglich in Griechischer Sprache übermittelt worden ist.[2]

Der Kontext des Ausdrucks ist ein Text im Neuen Testament, dessen Überlieferungsgeschichte komplex ist, weder stammt er von Jesus selbst noch vermutlich von einem ‚Jünger‘ Jesu. [3] Die starken textlichen Abweichungen des Johannesevangeliums von den anderen sogenannten ‚Evangelien‘ deuten auf spezielle ‚Deutungsperspektiven‘ hin. Warum also ausgerechnet eine ‚literarische Formulierung‘ von einer möglicherweise ‚literarischen Situation‘ für uns heute in einer gänzlich anderen Situation relevant sein soll, das erschließt sich auf den ersten Blick keineswegs, vielleicht auch nicht auf einen zweiten Blick … was hat letztlich die Situation eines einzelnen Menschen, der machtlos vor dem Vertreter einer Staatsgewalt steht (wohlgemerkt: in einer literarisch fiktiven Situation), in die er sich durch sein eigenes Verhalten hinein manövriert hat, mit der Situation eines ganzen Volkes zu tun, das entgegen allen geltenden Verträgen und entgegen vorausgehenden russischen Beteuerungen plötzlich brutal überfallen wurde. Das tägliche brutale Zerstören und Ermorden seit nunmehr einem Jahr lässt unter normalen Menschen und bei Betrachtung der realen Geschehnisse keine zweite Deutung zu.

Dass eine liturgische Tradition unter Christen sich darin gefällt, den Leidensweg eines einzelnen Menschen zu betrachten (wo es täglich Millionen von Menschen gibt, die ähnlich oder noch furchtbarer leiden), mag ja sein, diese ‚fromme Übung‘ aber mit der brutalen Realität eines Vernichtungskriegs eines ganzen Volkes gleich zu setzen, erscheint mehr als grenzwertig.

Gewissheit der Kirche – Ungewissheit – Kontingenz

Die weitere Wortspielerei mit einer ‚Ungewissheit‘ angesichts der prinzipiellen ‚Kontingenz der Geschichte‘ und einer damit einhergehenden ‚Begrenztheit, weil wir Menschen‘ sind, und nicht Gott, klingt wie intellektueller Hohn angesichts von Menschen, die von anderen Menschen gegen ihren Willen mit brutalen Tötungen und unmenschlichen Gewalttaten überzogen werden, die weder ‚unsicher‘ noch ‚kontingent‘ sind sondern ‚brutal gewiss‘ und ‚brutal zwingend‘.

Dass wir Menschen unsere Welt — aus philosophischer Sicht! — als ‚unsicher‘ erleben können, als ‚kontingent‘, das verweist auf eine ‚Rahmenbedingung‘ unserer menschlichen Existenz, die nunmehr seit Anbeginn des Lebens auf dem Planeten Erde (seit ca. 3.5 Milliarden Jahren) gegeben ist. Diese Ungewissheit gehört zum Leben auf diesem Planeten, und Leben musste sich schon immer darin behaupten, und Herausforderungen, große Krisen, hohe Todesraten, bis hin zu 80 – 90% aller Lebensformen auf dem Planet Erde, gehören zu dieser ‚planetarischen Realität‘.

Wir selbst als Teil dieses planetarischen Lebens, gibt es nur, weil das Leben trotz anhaltender konkreter Bedrohungen sich immer wieder unter Aufbietung aller Fähigkeiten und aller Kraft dagegen gestemmt hat; dies schließt sehr oft mit ein, dass ganze Teile einer Population ihr eigenes Leben einsetzen mussten — und auch heute müssen — , um die Population als ganze für das weitere Leben zu retten![4]

Ja, Kontingenz, Ungewissheit gibt es, es ist eine Grundkonstante des Lebens auf diesem Planeten, diese Ungewissheit aber als ‚Ausrede‘ zu benutzen, um nichts zu tun, weil man ja etwas Falsches tun könnte, widerspricht der Erfahrung des Lebens auf dem Planeten von 3.5 Milliarden Jahren: nur weil das Leben zu allen Zeit massiv ‚ins Risiko gegangen‘ ist gerade weil man nicht wissen konnte, was kommt, gab es zu allen Zeiten eine hinreichend große ‚Risiko-Dividende‘, die ein Weiterleben — auch bei größten Änderungen der Umwelt — ermöglicht hat, zumindest bis heute. Wenn aber mit dem Vorwand eines ‚Pazifismus‘ genau jenes Ringen um Leben im Risiko gleichsam verhöhnt wird, dann stehen die Chancen für ein Weiterleben schlecht. Das grenzt dann an freiwillige ‚Selbstaufgabe‘ nur weil man möglicherweise ‚Angst‘ hat, das Wenige zu verlieren, was man gerade hat, was man aber auf jeden Fall verlieren wird, wenn man sich dem Unheil nicht entgegen stellt. Die egoistische Angst von einzelnen ist kein gutes Überlebensprinzip für das Überleben einer Population.

Die Unlogik der Unvollständigkeit

Es wundert nach all diesen bisherigen Überlegungen nicht, dass Frau Kurschus weitere ‚Tautologien‘ in ihrem Text benutzt.

So benutzt Sie auch eine Aussage, wie die, dass ‚keine Waffe allein den Frieden schaffen wird.‘ Noch etwas frappierender „Auch ein Sieg … schafft noch keinen Frieden.“ Bedenkt man, dass Sie an anderer Stelle die Kontingenz beschwört, die keine klaren Prognosen zulässt, so verwundert die in Worte gefasste Gewissheit, dass ‚Waffen‘ und ‚Siege‘ keinen Frieden bewirken können. Die Geschichte erzählt uns überwiegend das Gegenteil.

In diesen Beispielen deutet sich ein grundsätzliche Haltung von Frau Kurschus im Umgang mit Ungewissheit an: Wie in dem berühmten Beispiel von dem halb vollen Glas, das die einen als ‚eher voll‘, die anderen als ‚eher Leer‘ interpretieren, so nehmen die einen die durchgängige Ungewissheit und Unvollständigkeit als Argument, eher ’nichts‘ zu tun, man könnte ja Fehler machen, die anderen nehmen die durchgängige Ungewissheit und Unvollständigkeit als Argument, darum zu ringen, Ungewissheit und Unvollständigkeit so gut es geht zu ‚minimieren‘: angesichts einer sich ständig wandelnden Welt bedeutet ‚Stillstand‘ der Handelnden automatisch ‚Untergang‘. Ein schlechtes Wissen wird durch Abwarten nicht besser, sondern konstant schlechter. Stattfindendes Unheil muss man direkt bekämpfen, jedes Zögern verschlimmert es. Angst war noch nie ein guter Ratgeber.

In diesem Zusammenhang Worte von Jesus zu zitieren, die aus einem völlig anderen Kontext gerissen werden (der zudem in seinem Überlieferungsstatus — wie alle biblischen Texte — mehr oder weniger unklar ist), ist keine ernst zu nehmende Antwort. Es erscheint eher wie eine ‚Flucht aus der eigenen Verantwortung‘: Ja, man kann sich irren, man kann sogar Fehler machen, aber das Zitieren einer teils historischen, weitgehend literarischen Gestalt, deren Kontext in keiner Weise vergleichbar ist, ist auf jeden Fall Flucht aus der eigenen Verantwortung. Im übrigen ist seit Jahrtausenden klar, dass ‚Lernen‘ — der Erwerb von neuem Wissen für ein besseres Handeln — niemals gelingen kann, wenn nicht bewusst und systematisch Fehler in Kauf genommen werden. Ein aktuelles ‚Nicht-Wissen‘ kann man nur durch mutiges Handeln unter Risiko in ein ‚besseres Wissen‘ verwandeln; das Scheitern und Sterben sind im Erwerb von neuem Wissen inbegriffen. ‚Wahres Neues‘ gibt es niemals zum Nulltarif.

Na dann …

Da ‚Wahrheit‘ kein Gegenstand ist, der sich ‚einfach so aufdrängt‘, sondern nur ’sichtbar‘ werden kann, wenn wir in unsrem Fühlen und Denken jenen Sachverhalten Raum gewähren, die ‚wahre Gegebenheiten konstituieren‘, ist es zunächst einmal jedem freigestellt, zu denken und zu sagen, was er will.

Viele bezweifeln ja heute, dass es überhaupt so etwas wie ‚Freiheit‘ und ‚Wahrheit‘ gibt, aber eine Weise, wie sich die grundlegende Freiheit des Lebens manifestiert, besteht genau darin, dass niemand in seinem Denken ‚gezwungen‘ wird, etwas Bestimmtes zu Denken. Unter Menschen ist es zwar ein beliebter Sport, dass der eine dem anderen versucht, bestimmte Meinungen ‚einzureden‘ oder gar ‚vorzuschreiben‘, aber ‚die Wahrheit selbst‘ zwingt sich nicht auf. Wir müssen sie ‚aktiv suchen‘, wir müssen konkret darum ringen. Die Entstehung der modernen empirischen Wissenschaften ist ein sehr spätes Produkt der Evolution, genauso die Gesellschaftsform der Demokratie. Aber beide ‚Systeme von Verhaltensweisen‘ können jederzeit wieder in sich zusammenfallen, weil ihre ‚innere Dynamik‘ auf Freiheit basiert, und auf ein ‚aktives und tägliches Bemühen um Wahrheit‘. ‚Dummheit‘ treibt alleine vor sich hin, egal was einer tut, und ‚Diktaturen‘ versuchen mit Anwendung von vielerlei Gewaltmittel jenes Denken und Handeln zu erzwingen, was einige wenige meinen, als richtig erkannt zu haben. Dies kann aber niemals wahre Freiheit und darin verborgene Wahrheit ersetzen.

Die Kraft des Lebens zu ‚gelingen‘ ist zwar um Dimensionen größer als sich die einzelnen vorzustellen vermögen, aber ‚partielles Scheitern‘ — auch von ganzen Völkern — ist damit nicht ausgeschlossen. Freiheit ist eine nicht hintergehbare Realität, die bis ins letzte Zipfelchen unsere Energie-Materie Wirklichkeit verankert ist.

ANMERKUNGEN

(Letzte Änderung: 4.März 2023)

wkp-de : = Deutsche Wikipedia

wkp-en: Englische Wikipedia

[1] Siehe FAZ, 24.Februar 2023, S.8., Annette Kurschus, „Keine Pflicht zu radikalem Pazifismus“, Dieser Text ist im Prinzip weitgehend ‚austauschbar‘ mit vielen anderen, die in diesen Monaten in Verbindung mit dem Begriff ‚Pazifismus‘ veröffentlicht werden. Allerdings enthält er das besondere Merkmal eines zusätzlichen Bezugs zum (evangelischen) Christentum.

[2] Siehe ‚ecce homo‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Ecce_homo; etwas ausführlicher ‚ecce homo‘ in der wkp-en: https://en.wikipedia.org/wiki/Ecce_homo. Anmerkung: Überlieferungsgeschichtlich werden sogar für die Zeit vor der
Verschriftlichung noch andere lokal übliche Sprachformen angenommen

[3] Siehe ‚Das Johannesevangelium‘ in wkp-de: https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelium_nach_Johannes

[4] Haben wir schon jetzt vergessen, was notwendig war, um das menschenverachtende Machtstreben und die Tötungsorgien eines Hitler und seiner Unterstützer aufzuhalten? Waren die vielen Millionen Menschen, die ihr Leben geopfert haben, um dem Wahnsinn eines Hitlers Einhalt zu bieten, irregeleitet‘, ‚Friedensstörer‘, letztlich die eigentlichen ‚Kriegstreiber‘ und damit in den Augen von Menschen, die sich Christen nennen, ‚Ungläubige‘? Immerhin gab und gibt es ja zu allen Zeiten — auch heute — genügend viele Menschen, die sich Christen nennen, brutale Kriege richtig finden, und darin sogar einen ‚heiligen Dienst‘ sehen.

Lesetip 1: Das Thema des ‚Paradigmenwechsels‘, das sich im Umgang mit Begriffen wie ‚Pazifismus‘ heute vielfach in der Gesellschaft findet, finde ich in dem Artikel von Daniel Strassberg „Wenn Weltbilder wackeln“ sehr gut in Szene gesetzt: https://www.republik.ch/2023/02/28/strassberg-wenn-weltbilder-wackeln

Lesetip 2: Ein sehr aufschlussreiches Interview in der Frankfurter Rundschau vom 4./5. März 2023, S.32f, mit Jörn Leonhard, Professor für Neuere und Neueste Geschichte, der zwei Bücher zum Umfeld des ersten Weltkriegs veröffentlicht hat, in denen es genau auch um die Fragen geht ‚Wann ein geeigneter Zeitpunkt gewesen wäre‘, einen Frieden zu schließen und warum der spätere ‚Friedensvertrag‘ mehrfache Keime für die nachfolgenden Konflikte und dann den zweiten Weltkrieg in sich trug. Wenn Putin aufgrund seines sehr speziellen Geschichtsbildes imperialen Zielen folgt und er seine Position gegenüber ’seinem Volk‘ an einen Sieg über jene knüpft, die er als ‚Feinde‘ einstuft‘, dann kann es keinen wirklichen Frieden geben, bevor er, Putin, sein Ziel auf seine Weise nicht eingelöst hat. Die Zahl der Toten spielt für ihn — genauso wenig wie für die Deutsche Generalität im ersten Weltkrieg — keine Rolle, solange noch die geringste Hoffnung besteht, das eigene Ziel zu erreichen.

DER AUTOR

Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

Glauben statt Wissen – Neuer Ausbruch einer alten kognitiven Pandemie?

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 7.Dezember 2022 – 22.Dezember 2022
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (cagent@cognitiveagent.org)

Kontext

Hier nur der allgemeine Blog-Kontext.[0]

Inhalt

Es beginnt mit Beispielen aus dem Alltag …

Was um uns herum passiert …

Im auslaufenden Jahr 2022 kann man in Deutschland — aber auch weltweit — sehr leicht viele unterschiedliche ‚Meinungen‘ zu unserer Welt, zu unserer Gesellschaft, zu unserem Alltag, ja auch ‚zu sich selbst‘ wahrnehmen. Meinungen, die sich unterscheiden, die ‚gegenteilig‘ und damit ‚widersprüchlich‘ erscheinen. Und solche gegenteiligen Meinungen haben — gesehen aus der eigenen Perspektive — vorzugsweise ‚die anderen‘ (Rechte, Linke, Konservative, Liberale, Moderne, Altvordere, Schmarotzer, Demokraten, Autoritäre, …). Man selbst wundert sich aber eventuell (viele wundern sich nicht) darüber, dass die anderen die eigene Meinung nicht akzeptieren wollen. „Wie das, habe ich nicht Recht? Ich weiß es doch ganz genau …“

Wissen ist nicht Wissen

Für die allermeisten Menschen ist das, was sie zu wissen meinen, und auch alles andere, was sie selbst auszeichnet, ‚real‘. Das was sie denken, schreiben und lesen ist erst einmal ‚real‘. Daran zu zweifeln käme für die meisten einer Selbstzerstörung gleich. Ich ’sehe‘ es doch; ich ‚weiß‘ es doch; ich habe es doch ‚gelesen‘; der XYZ hat es doch ‚gesagt’…

Die ernüchternde (eigentlich befreiende, für die meisten aber bedrohliche) Wahrheit ist, dass alles, was wir so meinen, fühlen, denken, erinnern usw. sich erst einmal ausschließlich in unserem eigenen Kopf befindet, genauer: in unserem Gehirn. Da es ‚unser‘ Gehirn ist, ist alles, was sich im Gehirn abspielt (nur weniges ist ‚bewusst‘) für uns ‚real‘. Für uns als ‚Besitzer‘ unseres Gehirns ist grundsätzlich alles, was dieses Gehirn unermüdlich rund um die Uhr für uns produziert ‚das Reale‘, die ‚reale Welt‘. Und was immer wir fühlen und denken: es ist erst einmal für uns als ‚Besitzer‘ und ‚Produzenten‘ maximal ‚real‘. So sind wir geboren. So funktionieren wir. [1]

In den empirischen Wissenschaften (experimentelle Psychologie, experimentelle Neurowissenschaften, …) kann man diese Sachverhalte heute sehr direkt untersuchen und kann dann die Arbeitshypothese aufstellen, dass die Prozesse in unserem Gehirn, sofern sie Eigenschaften der Welt außerhalb des Gehirns in unserem eigenen Körper wie auch außerhalb unseres eigenen Körpers ‚repräsentieren‘, in dieser Beziehung als ‚virtuell‘ zu bezeichnen sind gegenüber den ‚realen‘ Prozessen außerhalb des Gehirns. Für uns selbst bleiben diese virtuellen Prozesse aber ‚real‘, es sind eben ‚unsere‘ Prozesse.

Ein wunderbares Medium, anhand dessen man sehr viele (die meisten) Phänomene dieser ‚Welt – Gehirn‘ Diskrepanz illustrieren kann, ist die Alltagssprache, unsere ’normale Sprache‘.

Wenn wir mit anderen am Frühstückstisch sitzen und jemand sagt „Kannst Du mir den Kaffee rüber reichen“, dann weiß der andere normalerweise (aufgrund seines Situationswissens, seiner aktuellen Wahrnehmung, und seines erlernten Sprachwissens) welcher Gegenstand auf dem Frühstückstisch gemeint ist. Irritiert wäre man dann aber, wenn der andere statt der Kaffeekanne zu einem leeren Glas greifen würde (was bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sehr wohl geschehen könnte).

Würde einer der Frühstücksteilnehmer nebenbei in eine Zeitung schauen, könnte es passieren,dass er plötzlich laut sagt: „Toll das Politiker XY das sagt“, worauf es genauso passieren könnte, dass ein anderer Frühstücksteilnehmer spontan erwidert: „Das ist doch nur Betrug. Weißt Du denn nicht …“ Und schon entwickelt sich möglicherweise ein Streitgespräch, das emotional ausarten kann.

Jeder der Sprecher würde für sich reklamieren, dass er es doch ‚richtig‘ weiß, dass es doch ‚wahr‘ sei, dass der und die das doch ‚geschrieben‘ hat, dass der und die das doch ‚gesagt‘ haben …

Wie jeder heute im Jahr 2022 überall und jederzeit erleben kann, finden solche wundersamen Dialoge statt: jeder behauptet Recht zu haben und kann sich nicht vorstellen, dass er nicht Recht hat.

Die moderne Philosophie hätte dazu einfache klare Antworten (im Geiste Kants, der sich modernisiert hat). Aber wer kennt schon Philosophie? Wer hat die Zeit und Kraft, sich damit zu beschäftigen? Und, vor allem, wer hätte auch nur das Minimum einer Motivation, seine eigene Meinung, die doch so ‚wahr‘ und ‚wunderbar‘ ist, in Frage zu stellen? Da würde ja ein ‚Abgrund‘ drohen, womöglich ein ‚Fall‘ ins ‚Nichts’… [1],[2]

Ich komme so nicht weiter …nur in mir …

Ein sehr lieber Mensch schrieb mir die Tage: „Wenn es darum geht, zu handeln, muss man irgendwann sagen, ‚Jetzt brauche ich diese Sicherheit‘. Und wo finde ich die? Nur in mir. …..Text, jeder sagt etwas anderes….Ich als Laie komme so nicht weiter. Ich muss dann in mich gehen und einen intuitiven Zugang dazu entwickeln.“

Dieses Zeugnis von einer Person kann man von vielen anderen auch hören und lesen. Sofern man noch nicht völlig verzweifelt ist, nicht völlig ‚abgeschaltet‘ hat, noch irgendwie einen ‚Funken Leben‘ in sich verspürt, wird jeder sich ‚aufbäumen‘ gegen die Verwirrung und Unsicherheit um sich herum und wird laut sagen: ich will mich nicht einfach ergeben. Ich will leben. Ich will ‚das Richtige‘ tun. Und wem soll ich glauben wenn nicht zuerst mir selbst. Ich selbst kann doch nicht falsch sein.

Dem wird man erst einmal zustimmen müssen: die eigene Existenz ist der Dreh- und Angelpunkt für alles, was wir fühlen, denken und tun. Und das eigene Erleben wirkt so unmittelbar, so echt, so wahr, dass viele kaum einen Ansatzpunkt sehen, dass sie dies alles — und damit vermeintlich sich selbst — ‚in Frage stellen sollten‘.

Solange Menschen sehr direkt von den realen Gegebenheiten ‚um sie herum‘ abhängen (nichts zu essen, nichts zu trinken, direkte körperliche Bedrohung, Hitze und Kälte, …), gibt es ein ‚reales Grundrauschen‘, das sich mit dem ‚inneren Grundrauschen‘ zu einem ‚Sound‘ vermischt, der eine einfache ‚Dominanz‘ des inneren Rauschens verhindert. Dies bedeutet nicht automatisch, dass man deswegen ‚versteht‘, wie ‚Wirklichkeit funktioniert‘, warum man ’so und so fühlt‘, ’so und so denkt‘ usw., aber die Gefahr, sich nicht in seinen eigenen Gefühlen und Gedanken wie in einen ‚Kokon‘ einfach einzuweben ohne Rücksicht auf die Realitäten um einen herum, ist ein klein wenig geringer; der ‚realitätsgeschwängerte Sound‘ in mir kann meine ‚Introvertiertheit‘ ein wenig abmildern.

Das eigene ‚Fühlen‘: ja, es ist sehr real, man kann sich davon leiten lassen. Aber wenn man nicht versteht, dass ‚Gefühle‘ (welcher Art auch immer)‘ ‚Signale des Körpers‘ an — ja: an wen? — sind, die man ‚deuten‘ kann, aufgrund deren man ‚Erkenntnisse‘ über den Körper, die Umwelt, sein eigenes Verhalten gewinnen könnte, dann sind die ‚Gefühle‘ nur eine Form von ‚Rauschen‘, das einen irgendwie ‚betäuben‘ kann, ohne dass man daraus ein ‚besseres Verhalten‘ ableiten kann. Meistens bietet eine bestimmte Gesellschaft mit ihren kulturellen Mustern ‚Interpretationshilfen‘, was man tut, wenn man ‚Durst‘ verspürt, ‚Hunger‘, ‚Müdigkeit‘, ‚Zahnschmerzen‘, ’sexuelle Erregungen‘, … aber selbst bei diesen ‚vergleichsweise einfachen‘ Gefühlen lassen gesellschaftliche Muster ein sehr breites Verhaltensspektrum zu. Die Antwort auf das Gefühl ‚Hunger‘ verweist z.B. auf das Muster ‚Ernährung‘, zu dem es heute eine Unmenge an ‚Rezepten‘ gibt, was man wann wie essen sollte, um sich ‚gesund‘ zu ernähren (für viele Millionen Menschen auf diesem Planeten irrelevant, weil sie sowieso kaum etwas zum Essen haben…). Bei anderen Gefühlen wie ‚Zuneigung‘, ‚Verliebtsein‘, ‚Angst‘ … wird es schon schwieriger. Was sind dies überhaupt für ‚Signale‘ aus ‚meinem Inneren‘?

Verschiedene Wissenschaften haben mittlerweile ‚Indizien‘ dafür geliefert, dass bestimmte Gefühle (z.B. Angstgefühle) nicht nur aufgrund einer aktuellen Gegebenheit entstehen, sondern auf intensive Erfahrung in der eigenen Geschichte zurück verweisen, die anlässlich von Situationen, die eigentlich nicht bedrohlich sind, wieder ‚aufgeweckt‘ werden und uns überfluten. Wer sich spontan seinen ‚aktuellen Gefühlen‘ hingibt, der kann zu dem falschen Schluss kommen, dass es dieser merkwürdige Gesichtsausdruck in einem Gegenüber ist, der mir zufällig begegnet. Tatsächlich ist es aber eine Form von ‚erinnerter Vergangenheit‘, die in mir ‚aufpoppt‘ und mich mit einem Gefühl flutet, für das die aktuelle Situation nur als ‚Katalysator‘ wirkt. Die meisten Menschen bräuchten ‚professionelle Hilfe‘ (eine Art ‚Gefühls-Trainer‘), um zu ‚lernen‘, dass bestimmte Gefühle eben gerade nicht das sind, für das wir sie halten.

Dieses Beispiel gilt nicht nur für die ‚Angst‘, es gilt eigentlich für alle (!) Gefühle. Jedes Gefühl folgt einer klaren ‚Logik‘; diese Logik liegt aber nicht ‚einfach so auf dem ‚Tisch‘. Man muss sich damit beschäftigen, immer wieder, über längere Zeiträume, um Zusammenhänge zwischen ‚aktuellem Gefühl‘ und konkreten Erlebnissen und eigenem Tun schrittweise zu erkennen. Eine Gesellschaft könnte mit geeigneten kulturellen Mustern dem einzelnen helfen, geeignete ‚Lernprozesse‘ durchleben zu können. Populär — und zugleich bei vielen kritisch beäugt — sind moderne psychologisch basierte ‚Therapien‘, letztlich ‚Trainingsprozesse‘. Ebenfalls populär — bei einigen — sind vielfältige Formen von Meditation und ‚geistlicher Beratung‘. Alle diese Methoden sind ‚anfällig für Fehler‘, da der Gegenstand dieser ‚Trainingsformen‘ das Komplexeste ist, was es auf diesem Planeten gibt: die Gefühlswelt eines ‚Hochleistungslebewesens‘, das in komplexe Körper- und Weltprozesse eingebettet ist, die zusätzlich durch das eigene Verhalten verändert werden. Niemand kann hier wirklich der ‚absolute Guru‘ sein, der ‚alles‘ versteht (er kann aber so tun und die ‚Gläubigen‘ des Gurus können sich in ihr Vertrauen an ihn wie in einen ’selig spendenden Kokon‘ einwickeln lassen). Aber vor dem ‚alles‘ stehen sehr viele ‚Fragmente‘, die — jedes für sich — ein ‚Mosaikstein‘ sein kann für ein immer größer werdendes Gesamtbild, das dann der Kultur einer Gesellschaft — und damit allen — nützen kann. Besser sollten wir vielleicht sagen ‚könnte‘, denn bislang scheinen wir in unserem gesellschaftlichen Selbstverständnis von solch einem Bild noch weit entfernt zu sein; noch gibt es zu viele, die glauben, sie alleine könnten das Heil für alle bringen.

Ozean der Erregungen

Der Geist in der Flasche

Das Gehirn in einer Galaxie von Ereignissen

Chimäre Digitalisierung: Engel oder Teufel?

Wo bitte geht’s zur Welt?

Die großen Erzählungen der Religionen: viel Gift und wenig Heil?

Stadt der Erleuchtung …

Die Geschichte zur Geschichte vom Großvater, seinen Enkeln, und der Stadt der Erleuchtung.

Die Welt als Erleuchtung?

Noch nicht fertig

… man muss Geduld haben, nicht nur als Leser, auch als Autor: Wenn der Kopf ‚voll‘ ist, die Zeit aber ‚knapp‘ … wer entscheidet dann eigentlich ‚was‘ ‚wie‘ getan werden soll? … Pläne sind oft nur eine faule Ausrede um nicht das zu tun, was man ‚eigentlich‘ tun sollte … das ‚Geheimnis des Lebens‘ lässt sich nicht immer und überall durch Pläne lösen … es ‚pocht in uns‘ …

Kommentare

[0] Es gibt zwei andere Blogs, die eng mit diesem Blog verbunden sind, ohne dass man den Zusammenhang ‚auf den ersten Blick‘ erkennen wird: ‚Citizen Science 2.0/ Bürgerwissenschaft 2.0‘ und ‚Integrating Engineering and the Human Factor‘. Jeder der drei Blogs beschreibt — aus einer unterschiedlichen Perspektive — ein und dieselbe Sache: uns Menschen, wir auf unserem Planeten, und unsere täglichen Versuche, damit klar zu kommen. …. und natürlich gibt es unendlich mehr, was nicht in diesen drei Blogs steht … das tröstet: unser Denken ist nicht alles, auch wenn wir das gerne glauben.

[1] Der große Philosoph Immanuel Kant würde sein berühmtes Werk ‚Kritik der reinen Vernunft‘ (Erste Auflage 1781) heute im Kontext der modernen Philosophie (mit den empirischen Wissenschaften als Teildisziplinen) vermutlich komplett umschreiben. Das Transzendentale wäre (was Konrad Lorenz in einem Beitrag über Kant 1941 schon getan hat [2]) dann verankert in der Struktur unseres Körpers mit dem Gehirn, und die Arbeitsweise des Körpers mit seinem Gehirn legt fest, ob und wie wir denken, wahrnehmen, erinnern usw.

[2] K. Lorenz: Kants Lehre vom Apriorischen im Lichte gegenwärtiger Biologie. In: Blätter für Deutsche Philosophie. Band 15, 1941, S. 94–125

DER AUTOR

Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

POPPER: FRÜH – MITTEL – SPÄT. Empirische Theorie

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 13.März 2022 – 13.März, 11:11h
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@doeben-henisch.de)

Kontext

Bei diesem Beitrag handelt es sich um die Fortsetzung des Diskurses zu den zuvor besprochenen Artikeln von Popper:  „A World of Propensities“ (1988, 1990),  „Towards an Evolutionary Theory of Knowledge“ (1989,1990)[1] sowie „All Life is Problem Solving“ (1991, 1994/1999). [2] Der Beitrag „(SPÄTER) POPPER – WISSENSCHAFT – PHILOSOPHIE – OKSIMO-DISKURSRAUM“ spielt hier keine Rolle. Es wird aber direkt Bezug genommen auf einen Text von Popper von 1971 „Conjectural Knowledge: My Solution of the Problem of Induction.“[3],[4] Dieser wurde in meinem Englischen Blog diskutiert „POPPER – Objective Knowledge (1971). Summary, Comments, how to develope further„.

Vorbemerkung

Die Begegnung des Autors mit Popper spielt sich in unterschiedlichen Etappen ab. Die erste Begegnung fand statt im März 2021 mit einer Diskussion der ersten 17 Kapitel von Popper’s Frühwerk „Logik der Forschung“ (1935), allerdings in der Englischen Fassung von 1959.[5] Diese erste Begegnung war eingebettet in eine größere Diskussion (mehrere längere Posts) zum Theoriebegriff und dem Zusammenhang mit dem oksimo Projekt.

In dieser ersten Begegnung wurde die Position Poppers vornehmlich wahrgenommen aus einer bestimmten, schon bestehenden wissenschaftsphilosophischen Perspektive, zusätzlich eingefärbt durch den Blick auf die Anwendbarkeit dieses Theoriebegriffs auf das oksimo Projekt. Wenngleich für den Autor in vielfacher Hinsicht sehr erhellend, kommt die Position Popper’s nicht so richtig zum Vorschein.

Erste die Lektüre von drei Beiträgen Popper’s aus der Zeit 1988 – 1991 führte zu einer neuen mehr Popper-zentrierten Wahrnehmung. In diesem Spannungsfeld von ‚frühem‘ Popper 1935/1959 und ’spätem‘ Popper 1988 – 1991 führte die Begegnung mit dem Text des ‚mittleren‘ Popper von 1971 zu einer sehr direkten Begegnung, die die Gedanken zu Popper weiter belebten.

Popper: Früh – Mittel – Spät

Die hier provisorisch vorgenommene Einordnung Poppers in einen ‚frühe‘, bzw. ‚mittleren‘ bzw. ’späten‘ Popper ist natürlich — gemessen an dem gesamten Werk Poppers ein bisschen gewagt. Dies entspricht aber letztlich dem Stil einer Theoriebildung im Sinne von Popper, in der — ausgehend von einzelnen Beobachtungen –, schrittweise Hypothesen gebildet werden, die dann versuchsweise angewendet werden. Im Scheitern bzw. in partiellen Bestätigungen entwickelt sich dann solch eine Theorie weiter. Eine ‚absolute Endform‘ wird sie nie haben, aber sie kann immer differenzierter werden, begleitet von immer stärkeren ‚Evidenzen‘, die allerdings ‚Wahrheit‘ niemals ersetzen können.

So also hier eine meine ‚Mini-Theorie‘ über Popper anhand von nur vier Artikeln und 17 Kapiteln aus einem Buch.

Bei meiner bisherigen Lektüre entsteht der Eindruck, dass die Strukturen des ‚frühen‘ (1935 – 1959) Popper denen des mittleren‘ (1971) Popper sehr ähnlich sind. Die Texte des ’späten‘ (1988 – 1991) Popper hingegen bringen einen starken neuen Akzent in die Überlegungen ein.

Wahrheit ohne Wahrheit

Ein Grundthema des frühen und mittleren Popper ist einerseits die starke Betonung, dass ‚Wahrheit‘ — zumindest als ‚regulative Idee‘ — unverzichtbar ist, soll empirische Wissenschaft stattfinden, andererseits aber sein unermüdliches Bemühen, darauf hinzuweisen, dass die Aussagen einer Theorie, selbst wenn sie sich eine lange Zeit ‚bewährt‘ haben, dennoch keine ‚absolute Wahrheit‘ widerspiegeln; sie können jederzeit widerlegt werden.[6] Diese Position führt ‚aus sich heraus‘ natürlich zu der Frage, was denn ‚Wahrheit als regulative Idee‘ ist bzw. zu der komplementären Frage, welchen ‚Status‘ dann jene Aussagen haben, auf die Theorieentwürfe aufbauen. Was ist eine ‚Beobachtungsausage‘ (Spezialfall ein ‚Messwert‘), die zum Ausgangspunkt von Theorien werden?

Poppers Prozessmodell von Wahrheit

Man kann Poppers Konzept einer objektiven (= ‚wahren‘) empirischen Theorie von ihren ‚Bestandteilen‘ her als ein ‚Prozessmodell‘ rekonstruieren, in dem sich — auf eine nicht wirklich geklärte Weise — beobachtungsgestützte Aussagen mit einem formalen Konzept von Logik ‚vereinen‘. Details dazu finden sich in einem Englischen Blogbeitrag des Autors.

Popper löst das Problem der notwendigen Wahrheit, die eigentlich nicht da ist, aber irgendwie dann doch, indem er in seinem 1971-Text [4] die einzelnen Aspekte dieses Wahrheitsbegriffs schildert und sie dann auf den letzten Seiten (29-31) wie in einem ‚Puzzle‘ zusammenfügt, allerdings so, dass viele Details offen bleiben.

Primären Halt in der empirischen Realität bieten Beobachtungssätze, die im Fall der Überprüfung einer Theorie, die Rolle von ‚Testsätzen‘ übernehmen. Die Theorie selbst besteht aus einer Ansammlung von ‚Hypothesen‘ (‚conjectures‘), in denen einzelne Beobachtungsaussagen zueinander in Beziehung gesetzt werden, die als solche natürlich nicht beobachtet (‚gemessen‘) werden können.[7]

Bei dem Übergang vom ‚Beobachtungswert‘ (‚Messwert‘) zur ‚Hypothese‘ finden aber unweigerlich ‚Verallgemeinerungen‘ statt [8], die dann sprachlich repräsentiert werden. Nur die ‚teilnehmenden‘ Beobachter wissen ‚implizit‘, auf welches konkrete Ereignis sie sich mit ihren sprachlichen Ausdrücken beziehen. Der Versuch der Wissenschaft, dieses Problem des ‚impliziten‘ (= subjektiven)‘ Wissens durch vereinbarte Messprozeduren aufzulösen, hilft nur partiell. Das Zustandekommen des Beobachtungsereignisses wird damit zwar ‚objektiviert‘, aber die ‚Übersetzung‘ dieses objektivierten Ereignisses, das als Wahrnehmungsphänomen bei den teilnehmden Beobachtern ‚ankommt‘, wird im Beobachter ‚unbewusst‘ zu einem Konzept verarbeitet, dass dann in einen sprachlichen Ausdruck transformiert wird, der dann als Beobachtungsaussage ‚funktioniert‘. Alle, die an diesem ‚Spiel‘ [9] teilnehmen, wissen, wie sie sich verhalten sollen. Ein ‚Außenstehender‘ versteht es nicht automatisch.

Anders betrachtet, selbst objektivierenden Beobachtungsprozesse klammern die subjektvie Komponenten nicht völlig aus.

Hat man verallgemeinernde Beobachtungsaussagen („Der Main-Kinzig Kreis hat 2018 418.950 Einwohner.“, „Dieser Stein wiegt 4.5 kg.“, „Das Wasser hat eine Temperatur von 13 Grad Celsius.“) , dann kann man auf dieser Basis versuchen, Hypothesen zu bilden (z.B. bzgl. des Aspektes möglicher Veränderungen wie Einwohnerzahl, Länge, Temperatur). Im Fall der Einwohnerzahl bräuchte man dann z.B. Beobachtungen zu mindestens zwei verschiedenen Zeitpunkten‘ (2018, 2019)[14], um aus der ‚Differenz‘ Hinweise ‚abzuleiten‘, welches Ausmaß ein ‚Wachstumsfaktor‘ haben könnte. Im Fall des Main-Kinzig Kreises wird für diesen Zeitraum z.B. ein Wachstumsfaktor von 0.4% ermittelt.

Wie ist solch ein ‚abgeleiteter Wachstumsfaktor‘ einzuordnen? Er beschreibt eine ‚abgeleitete‘ Größe, mit der man eine Formel bilden könnte wie ‚Die Einwohnerzahl im Jahr t+1 = Einwohnerzahl im Jahr t + (Einwohnerzahl im Jahr t * Wachstumsfaktor). Dies ist eine Rechenanweisung, die mit beobachteten Größen (Einwohnerzahl) und daraus abgeleiteten mathematischen Eigenschaften (Wachstumsfaktor) eine ‚Voraussage‘ berechnen lässt, wie die Einwohnerzahl in nachfolgenden Jahren aussehen [14] würde, wenn der Wachstumsfaktor sich nicht verändern würde.

Klar ist, dass solch ein sprachlicher Ausdruck seine Bedeutung aus dem ‚Bedeutungswissen‘ der Teilnehmer bezieht. Der Ausdruck selbst ist nichts anderes als eine Menge von Zeichen, linear angeordnet. Also auch hier eine fundamentale ’subjektive Dimension‘ als Voraussetzung für ein ‚objektives Agieren‘.

Diese Aspekte sprachlicher Bedeutung und deren Verankerung in der inneren Struktur der Beobachter und Theoriebauer [10] diskutiert Popper nicht explizit. Wohl postuliert er eine ‚Logik‘, die die ‚Herleitung‘ von Prognosen aus den theoretischen Annahmen beschreiben soll.

Die moderne formale Logik hat viele wunderbare Eigenschaften, aber eines hat sie nicht: irgendeinen Bezug zu irgendeiner Bedeutung‘. In einem formalen Logikkalkül [11] gibt es eine Menge von formalen Ausdrücken, die als ‚Annahmen‘ funktionieren sollen, und das einzige, was man von diesen wissen muss, ist, ob sie als ‚wahr‘ eingestuft werden (was bei Annahmen der Fall ist). Was mit ‚wahr inhaltlich gemeint ist, ist aber völlig unbestimmt, zumal formale Ausdrücke als solche keine Bedeutung haben. Wenn es eine Bedeutung geben soll, dann muss man die formalen Ausdrücke an die ’subjektive Bedeutungsdimension der Teilnehmer‘ knüpfen, die nach Bedarf spezielle Messverfahren zu Hilfe nehmen.

Angenommen, man hat die ‚formalisierten Ausdrücke‘ mit den verallgemeinerten Aussagen der Hypothesen verknüpft [12] und man nutzt die Logik, um ‚Ableitungen‘ zu machen, die zu ‚Prognosen‘ führen[13], dann stellt sich das Problem, wie man das Verhältnis einer ‚abgeleiteten‘ Aussage zu einer ‚Beobachtungsaussage‘ bestimmten soll. Popper benutzt hier zwar Klassifikationen wie ‚bestätigend‘, ’nicht bestätigend‘, ‚falsifiziert‘, aber eine Diskussion im Detail zu „A bestätigt B“/ „A bestätigt B nicht“/ „A falsifiziert B“ scheitert an vielen ungeklärten Details und Randbedingungen, die im vorausgehenden Text nur angedeutet werden konnten.

Der Diskurs geht weiter.

Kommentare

[1] Karl Popper, „A World of Propensities“,(1988) sowie „Towards an Evolutionary Theory of Knowledge“, (1989) in: Karl Popper, „A World of Propensities“, Thoemmes Press, Bristol, (1990, repr. 1995)

[2] Karl Popper, „All Life is Problem Solving“, Artikel, ursprünglich ein Vortrag 1991 auf Deutsch, erstmalig publiziert in dem Buch (auf Deutsch) „Alles Leben ist Problemlösen“ (1994), dann in dem Buch (auf Englisch) „All Life is Problem Solving“, 1999, Routledge, Taylor & Francis Group, London – New York

[3] Karl R.Popper, Conjectural Knowledge: My Solution of the Problem of Induction, in: [2], pp.1-31

[4] Karl R.Popper, Objective Knowledge. An Evolutionary Approach, Oxford University Press, London, 1972 (reprint with corrections 1973)

[5] Karl Popper, The Logic of Scientific Discovery, First published 1935 in German as Logik der Forschung, then 1959 in English by  Basic Books, New York (more editions have been published  later; I am using the eBook version of Routledge (2002))

[6] Popper verweist hier gerne und häufig auf die Geschichte der Physik mit den unterschiedlichen Konzepten, wie man die Erde als Teil des Sonnensystems und dann später das ganzen Universums beschrieben hat bzw. heute beschreibt. Hauptbeispiel: Newtons System, das dann mit immer neuen Beobachtungen und dann schließlich mit Einsteins Relativitätstheorie als ‚zu eng‘ klassifiziert wurde.

[7] ‚Beziehungen‘ existieren ausschließlich in unserem ‚Denken‘ (das alte Hume Problem, das Kant schon zu lösen versuchte, und das Popper in seinen Texten wieder und wieder aufgreift). Wenn wir diese ‚gedachten Beziehungen‘ in die beobachtbaren Einzelereignisse (Zeit, Ort, Beobachter) ‚hinein-sehen‘, dann ist dies der Versuch, zu ‚prüfen‘, ob diese Beziehung sich ‚bestätigen‘ oder ‚widerlegen‘ lässt. Anmerkung: die moderne expermentelle Psychologie (auch als Neuropsychologie) hat diese Sachverhalte extensiv untersucht und mit neuen Evidenzen versehen.

[8] Wie die Alltagssprache zeigt — und die moderne Wissenschaft bestätigt –, werden konkrete empirische Phänomene immer abstrakten Konzepten zugeordnet, die dann mit Allgemeinbegriffen verknüpft werden. Ob ein konkretes Wahrnehmungsereignis zu einem abstrakten Konzept X (z.B. ‚Tasse‘) oder Y (z.B. ‚Glas‘) gehört, das entscheidet das Gehirn unbewusst (Menschen können nur entscheiden, welche sprachlichen Ausdrücke sie verwenden wollen, um die kognitven Konzepte zu ‚benennen‘).

[9] … erinnert an das Sprachspielkonzept des späten Wittgenstein …

[10] Manche glauben heute, dass die Rolle des ‚Beoachters‘ und/oder des ‚Theoriebauers‘ von ‚intelligenten Programmen‘ übernommen werden können. In ‚Kooperation mit Menschen‘ im Rahmen eines modernen Konzepts von ‚kollektiver Intelligenz‘ kann es funktionieren, aber nur in Kooperation.

[11] Es gibt nicht nur ‚einen‘ Logikkalkül, sondern — rein formal — nahezu unendliche viele. Welcher für welche Aufgabenstellung ‚geeignet‘ ist, muss im Rahmen einer konkreten Aufgabe ermittelt werden.

[12] In der Wisenschaftsphilosophie ist dies bis heute noch nicht so gelöst, dass es dazu ein allgemein akzeptiertes Verfahren gibt.

[13] Da es viele verschiedene Ableitungsbegriffe gibt, von denen bis heute kein einziger meta-theoretisch für bestimmte empirische Bereich als ‚zuverlässig im Sinne eines Kriteriums K‘ erwiesen wurde, ist die lose Bezugnahme auf einen solchen Ableitungsbegriff eigentlich zu wenig.

[14] An dieser Stelle wird deutlich, dass das Beobachten wie auch dann die Auswertung von einer ‚Menge‘ von Beobachtungswerten in unserer Körperwelt ein ‚Zeitmodell‘ voraussetzt, in dem Ereignisse ein ‚vorher‘ und ’nachher‘ haben, so dass das Konzept einer ‚Prognose’/ ‚Voraussage‘ überhaupt Sinn macht.

DER AUTOR

Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.