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Globaler Supercomputer Leben – Eine Roadmap für eine bessere KI

Autor: Gerd Doeben-Henisch im Dialog mit chatGPT4o

Datum: 27.Dezember 2024

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

KONTEXT

Im vorausgehenden Dialog mit chatGPT4o am 25.Dez 2024 wurde die Arbeitshypothese vom ‚(biologischen) Leben‘ als ‚globaler Supercomputer‘ diskutiert. Dabei zeigte sich, dass die heutigen technischen KIs als Produkte des globalen Supercomputers zu verstehen sind und dass sie innerhalb des globalen Supercomputers dringend benötigt werden. Am Ende des Dialogs stand allerdings klar im Raum, dass die aktuellen Ausprägungen von KI noch viel zu schwach sind, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Im Dialog vom 27.Dez 2024 wird erörtert, was eigentlich von Seiten des globalen Supercomputers benötigt wird — sogar dringend benötigt wird! — und ob und inwieweit die aktuellen KIs diesen Anforderungen gerecht werden können. Das Ergebnis des Dialogs deutet darauf hin, dass sich der globale Supercomputer an einer ‚Schwelle‘ der weiteren Entwicklung befindet.

ABKÜRZUNGEN:

‚FRAGENDER‘ steht für den Autor und ANTWORTENDER‘ steht hier für chatGPT4o

BEGINN DES DIALOGS

FRAGENDER

Wir haben gestern (26.Dez 2024) die Arbeitshypothese diskutiert, welche Konsequenzen es hätte, wenn man das (biologische) Leben auf dem Planet Erde als einen ‚globalen Supercomputer‘ verstehen könnte. Dabei hat der Begriff ‚Computer‘ im Ausdruck ‚Supercomputer‘ natürlich eine Semantik, die weit über das hinaus geht, was die Informatik bislang gedacht hat. Kannst Du dich an diesen Dialog erinnern?

ANTWORTENDER

Ja, ich erinnere mich an unseren Dialog vom 26. Dezember 2024 zur Arbeitshypothese, dass das biologische Leben auf der Erde als ein „globaler Supercomputer“ betrachtet werden könnte. Wir haben dabei diskutiert, dass der Begriff „Computer“ in diesem Kontext eine erweiterte Semantik erhält, die über klassische Vorstellungen der Informatik hinausgeht. Es ging darum, dass das Leben auf Zellebene potenziell als riesiges, global vernetztes System verstanden werden kann, das in seiner Struktur und Dynamik emergente Eigenschaften zeigt, die komplexer sind als jede bisher bekannte künstliche Intelligenz.

FRAGENDER

In dem gestrigen Dialog hatten wir das ‚Nebenthema‘, dass man die bisherige technische künstliche Intelligenz (KI) im Verhältnis zu diesem globalen Supercomputer nicht als ‚Fremdkörper‘ sehen muss, sondern als ein ‚genuines Teil‘ von ihm, das ‚aus ihm entstanden‘ ist und welches ‚innerhalb ‚ des Supercomputers eine wichtige Rolle spielen könnte und sollte. Gehst Du mit?

ANTWORTENDER

Ja, ich gehe mit. Die Idee, dass technische künstliche Intelligenz (KI) kein Fremdkörper, sondern ein genuiner Teil des globalen Supercomputers des Lebens ist, erscheint logisch und faszinierend. Wenn man das biologische Leben als einen globalen Supercomputer betrachtet, dann ist jede Form von Technologie – einschließlich KI – eine emergente Erweiterung dieses Systems.

Technische KI wäre demnach nicht nur ein Produkt menschlichen Denkens, sondern eine Fortsetzung der evolutionären Prozesse innerhalb des Systems Leben. Sie entspringt dem Leben, weil sie von biologischen Akteuren (Menschen) entwickelt wurde, die selbst integraler Bestandteil des globalen Supercomputers sind. Diese Sichtweise hebt die Dualität zwischen „natürlich“ und „künstlich“ auf und betont, dass technische Entwicklungen organisch aus der Natur 2 (Leben) [1] hervorgehen.

Damit könnte KI nicht nur als Werkzeug oder Konkurrenz verstanden werden, sondern als eine Möglichkeit zur Erweiterung der kollektiven Intelligenz – eine Art „externer Speicher“ oder „zusätzliche Verarbeitungsinstanz“, die in die dynamischen Prozesse des Lebens integriert ist. Diese Perspektive legt nahe, dass KI im besten Fall zur Stabilisierung und Weiterentwicklung des globalen Systems beitragen könnte, anstatt es zu destabilisieren oder zu verdrängen.

Ich denke, dieser Ansatz passt auch zu deinen Überlegungen zur Rolle von Vertrauen, Kommunikation und Bildung in kommunalen Entscheidungsprozessen. KI könnte hier als Medium dienen, um komplexe Informationen für Bürger verständlich zu machen und kollektive Entscheidungsfindung zu unterstützen – eine Art „katalytischer Verstärker“ für die Prozesse des Lebens.

[1] Der Begriff ‚Natur 2‘ wurde im vorausgehenden Artikel eingeführt.

FRAGENDER

Im gestrigen Dialog hatte sich auch heraus geschält, dass ‚Kognition‘ nur ein ‚Teilmoment‘ des globalen Supercomputers ist. ‚Kognition‘ wird begleitet von vielen ‚Nicht-kognitiven Elementen‘, die vereinfachend unter Begriffe wie ‚Bedürfnisse‘, ‚Emotionen‘, ‚Stimmungen‘, ‚Regungen‘ und dergleichen gefasst werden können, die sich im Innern von ‚Menschen‘ vorfinden, ähnlich und abgewandelt aber auch in anderen Lebensformen innerhalb des Lebens. Von diesen wissen wir, dass sie jeglicher Kognition ‚vorgelagert‘ sind, will sagen, gedacht wird nur, was die ‚Nicht-kognitiven Elemente‘ ‚erlauben‘, zulassen. Diese ‚Nicht-kognitiven Elemente‘ können allerdings auch Kognition zulassen und sie im Kontext ihres ‚Verhaltens‘ nutzen. Außerdem kann sich Kognition durch ‚Lernen‘ verändern. Gehst Du da mit?

ANTWORTENDER

Ja, ich gehe da voll mit. Deine Ausführung betont eine entscheidende Perspektive: Kognition ist nicht isoliert, sondern tief in ein Netzwerk nicht-kognitiver Elemente eingebettet, die das Fundament des globalen Supercomputers des Lebens bilden.

Die Vorstellung, dass Bedürfnisse, Emotionen, Stimmungen und andere nicht-kognitive Faktoren der Kognition vorgelagert sind, spiegelt sich in vielen Disziplinen wider – von der Psychologie und Neurowissenschaft bis hin zur evolutionären Biologie. Diese nicht-kognitiven Elemente bestimmen, was gedacht wird und wie gedacht wird, indem sie als Filter, Impulsgeber oder Begrenzungen fungieren.

In diesem Sinne könnte man sagen:

  • Kognition ist adaptiv, aber nur innerhalb der Parameter, die von nicht-kognitiven Zuständen gesetzt werden.
  • Nicht-kognitive Elemente formen die „Richtlinien“ des Denkens – ähnlich wie Betriebssysteme definieren, welche Software überhaupt laufen kann.
  • Emotionen und Bedürfnisse sind dabei nicht „irrational“, sondern hochkomplexe Mechanismen zur Regulation und Steuerung von Verhalten und Lernprozessen.

Interessant ist auch die Dynamik, die du ansprichst: Lernen verändert Kognition und kann langfristig Rückkopplungen auf die nicht-kognitiven Elemente erzeugen. Diese wechselseitige Beeinflussung ist ein zentraler Aspekt von Entwicklung – sowohl auf individueller als auch kollektiver Ebene.

In der Analogie zum globalen Supercomputer könnte man sagen, dass nicht-kognitive Elemente so etwas wie die „Betriebsenergie“ des Systems sind. Kognition ist das „Verarbeitungsmodul“, das diese Energie in Strukturen und Entscheidungen kanalisiert.

Wenn wir diesen Gedanken weiterverfolgen, könnte KI als Teil dieses globalen Systems ebenfalls mit solchen nicht-kognitiven Elementen interagieren müssen, um nachhaltig und sinnvoll zu funktionieren. Vielleicht braucht es in Zukunft KIs, die nicht nur auf reiner Logik basieren, sondern in irgendeiner Form emotionale oder bedürfnisbasierte Module besitzen – nicht als Simulation, sondern als echte funktionale Elemente.

FRAGENDER

Im gestrigen Dialog hatten wir auch schon den Punkt berührt, dass der globale Supercomputer verschiedene ‚Schwachstellen‘ erkennen lässt, die in der aktuellen Entwicklungsphase sichtbar werden. Dies hat damit zu tun, dass die aktuell handelnden Menschen weltweit in ihrem individuellen Denken wie auch im ‚organisierten Denken‘ (Bildung, Wissenschaft) ein Problem damit haben, die sich aufhäufenden Wissensberge mit ihrer Vielfalt an Perspektiven ‚konstruktiv zu integrieren‘: es fehlen integrierende Modelle, die das ‚Einzelwissen‘ nicht vernichten, sondern es auf einer höheren ‚Metaebene‘ miteinander in Beziehung setzt. Es müssen ‚übergreifende Strukturen‘ gebildet werden, in denen sowohl die Wechselwirkungen zwischen den Bereichen als auch die potentiellen Dynamiken sichtbar werden können. Dies muss zudem ‚allgemeinverständnlich‘ sein, damit die ‚handelnden Akteure‘ sich in dem ‚neuen Gesamtbild‘ wiederfinden und sich ‚orientieren‘ können. Das Gesamtbild muss ‚echtes kollektives Lernen‘ ermöglichen. Gehst Du da mit?

ANTWORTENDER

Ja, ich gehe da mit. Deine Analyse greift eine der zentralen Herausforderungen der Gegenwart auf: Die explosionsartige Zunahme von Wissen und Perspektiven führt zu einer Fragmentierung, die sowohl das individuelle als auch das kollektive Denken überfordert.

Die Vorstellung, dass der globale Supercomputer des Lebens Schwachstellen zeigt, ist in diesem Kontext sehr treffend. Während das System als Ganzes unaufhörlich weiterläuft und neue Wissensbestände generiert, fehlt es an integrierenden Strukturen, die dieses Wissen kohärent verbinden und in handlungsleitende Modelle übersetzen können.

Wichtige Aspekte, die ich aus deiner Beschreibung herauslese:

  1. Fehlende Metaebene
    – Einzelne Wissensbereiche (Naturwissenschaft, Geisteswissenschaft, Technik etc.) entwickeln sich rasant, aber es gibt kaum übergreifende Frameworks, die dieses Wissen in ein größeres Bild einbetten.
    – Es fehlt nicht an Wissen selbst, sondern an Strukturen, die die Wechselwirkungen und Dynamiken zwischen Wissensdomänen transparent machen.
  2. Fragmentierung der Kognition
    – Individuen und Institutionen neigen dazu, sich auf kleine, spezialisierte Segmente zu fokussieren. Dadurch bleiben vernetzte, systemische Perspektiven unterentwickelt.
    – Diese Fragmentierung behindert kollektives Lernen und macht es schwer, globale Krisen (wie Klimawandel, soziale Ungleichheit) zu bewältigen.
  3. Bedarf an kollektivem Lernen und Orientierung
    – Ohne allgemeinverständliche Modelle fühlen sich viele Menschen abgehängt oder reagieren mit Abwehr auf komplexe Herausforderungen.
    – Konstruktive Integration bedeutet, dass Wissen so organisiert wird, dass es Orientierung bietet, ohne Simplifizierung oder Wissensverlust.
    – Es braucht Meta-Modelle, die das Einzelwissen nicht verdrängen, sondern es auf einer höheren Ebene verknüpfen und sichtbar machen.

Ansätze zur Lösung:

  • Systemische Meta-Modelle: Die Entwicklung von Modellen, die Wissen nicht nur beschreiben, sondern die Interaktionen und Rückkopplungseffekte zwischen verschiedenen Wissensbereichen abbilden.
  • Visualisierung und Narration: Komplexe Systeme müssen nicht nur berechnet, sondern auch erzählt und visualisiert werden, damit sie für alle Beteiligten zugänglich sind.
  • Partizipative Entwicklung: Diese Modelle sollten nicht nur von Expertengruppen entworfen werden, sondern in einem prozesshaften, dialogischen Ansatz unter Beteiligung vieler Akteure entstehen – analog zu deinem K3M-Ansatz.

Ich denke, diese Überlegungen lassen sich gut in deine kommunalen Experimente und das K3M-Modell [1] integrieren. Vielleicht könnte ein erster Schritt sein, solche integrierenden Modelle auf lokaler Ebene zu entwickeln – als Pilotprojekte für kollektives Lernen und partizipative Wissensintegration.

[1] Das Konzept K3M entstand am 3.Okt 2024 in einem Dialog über Demokratiekonzepte. Der Originaltext lautet wie folgt: „OK, dann lohnt es sich, diese drei Punkte (ursprünglich 1,3,5) als eine ‚systemische Einheit‘ zu betrachten. Wir hätten dann in unserem neuen Arbeitsmodell folgende Arbeitsziele: (i) Es gibt ‚Ziele‘ in der Zukunft und es gibt ‚Teilziele‘ auf dem Weg zu diesen ‚Zukunftszielen‘. Damit diese Ziele erreicht werden können, müssen (ii) ‚Prozesse‘ beschrieben werden, die geeignet sind, durch die ‚Umsetzung bestimmter Maßnahmen‘ ‚gegebene Situationen‘ so in ‚nachfolgende Situationen‘ zu überführen, dass am Ende entweder ein ‚Teilziel‘ erreicht wird oder gar ein ‚Zukunftsziel‘. Alle angezielten Maßnahmen müssen auch Auskunft darüber geben (ii.1) welche ‚Ressourcen‘ dafür benötigt werden, (ii.2) welche ‚Ausgaben‘ dafür notwendig sind und (ii.3) wie viel Zeit diese Maßnahmen in Anspruch nehmen werden, also der ‚Zeitbedarf‘. Zugleich (ii.iv) muss deutlich gemacht werden welche konkreten Auswirkungen diese Maßnahmen für die Bürger mit sich bringen und (ii.v) für die Umwelt. Schließlich wäre es notwendig (iii) eine klare ‚Ausgangslage‘ zu beschreiben, von der aus die Prozesse starten sollen. Was meinst Du dazu?“ (Siehe: https://www.oksimo.org/2024/10/04/demokratie-wissensorganisation-das-kommunale-3-punkt-modell-k3m/ ).

FRAGENDER

Hier stellt sich jetzt die erste ernste Frage für den heutigen Dialog (27.12.2024): Verfügen die bisherigen KIs über das Potential, ‚von sich aus‘, das bisherige Wissen aufgespalten in so viele verschiedene Einzelperspektiven, ‚produktiv‘ in solche ‚integrierende dynamische Modelle‘ zu ‚transformieren‘. Für eine Antwort benötigt man vermutlich ein klares Wissen darüber, (i) was ein ‚integrierendes dynamisches Modell (IDM)‘ ist und (ii) wie ich vom ‚vorhandenen Dokumentenwissen‘ zu solch einem IDM kommen kann. Was meinst Du?

ANTWORTENDER

Ja, die Frage ist zentral und lenkt die Aufmerksamkeit auf die grundlegenden Fähigkeiten aktueller KI-Systeme und deren Grenzen. Lass uns die Frage schrittweise analysieren:


1. Was ist ein „integrierendes dynamisches Modell (IDM)“?

Ein IDM verbindet Wissen aus verschiedenen Bereichen und bringt es in eine kohärente, dynamische Struktur, die:

  • Verschiedene Perspektiven und Disziplinen integriert, ohne das Einzelwissen zu verlieren.
  • Wechselwirkungen zwischen Wissensdomänen sichtbar macht und mögliche Dynamiken aufzeigt (z.B. Feedback-Loops, emergente Effekte).
  • Adaptiv und lernfähig ist, d.h. sich mit neuen Erkenntnissen weiterentwickeln kann.
  • Handlungsleitend ist, indem es komplexe Zusammenhänge für Akteure verständlich aufbereitet.

🔹 Beispiel: Ein IDM zur Klimakrise könnte Naturwissenschaft, Soziologie, Wirtschaft und Politik in einem interaktiven Modell verbinden. Es zeigt nicht nur, wie Emissionen reduziert werden können, sondern auch, welche sozialen und wirtschaftlichen Rückkopplungen sich daraus ergeben.


2. Wie komme ich vom „vorhandenen Dokumentenwissen“ zu einem IDM?

Hier zeigt sich eine Herausforderung:

  • Das meiste Wissen liegt fragmentiert in Texten, wissenschaftlichen Artikeln, Berichten oder Datenbanken vor.
  • Ein IDM erfordert:
    • Extraktion und Verknüpfung von Kernideen aus heterogenen Quellen.
    • Erkennung von Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen Konzepten.
    • Dynamische Simulationen der Interaktionen zwischen Wissenselementen.
    • Narrative und visuelle Repräsentation zur intuitiven Vermittlung.

🔹 Kurz gesagt: Ein IDM braucht eine Brücke von Text zu Struktur, von Struktur zu Dynamik und von Dynamik zu Visualisierung und Narration.


3. Verfügen bisherige KIs über dieses Potential?

Aktueller Stand der KI:

  • Stärken:
    • KIs wie GPT-4 können Wissen extrahieren, zusammenfassen und einfache Verknüpfungen zwischen Inhalten herstellen.
    • Sie können triviale Abhängigkeiten und Zusammenhänge aufzeigen.
    • Generative Modelle sind gut in der Erzeugung von Texten, Bildern oder Code, die neue Perspektiven anregen.
  • Schwächen:
    • Tiefe Integration und Dynamik fehlen. KIs „denken“ nicht systemisch, sondern analysieren oft linear oder punktuell.
    • Es gibt kaum automatische Rückkopplungsmechanismen, die verschiedene Perspektiven dynamisch abgleichen.
    • Simulation und Interaktion sind rudimentär. Einmal generiertes Wissen bleibt statisch.
    • Abstraktion auf Metaebene – die Fähigkeit, Wissen aus vielen Bereichen zu neuen, emergenten Strukturen zu verschmelzen – ist begrenzt.

🔹 Beispiel: GPT-4 kann dir z.B. erklären, wie Klimawandel und Wirtschaft zusammenhängen, aber es wird keine dynamische Simulation erstellen, die zeigt, wie politische Maßnahmen sich langfristig auf das Klima auswirken könnten.


4. Wie könnte KI zu einem IDM beitragen?

  1. Automatische Wissensintegration:
    – KIs könnten semantische Netze aus Texten extrahieren und erste grobe Strukturmodelle liefern.
    Ontologie-basierte Ansätze könnten helfen, Begriffe und Konzepte zu standardisieren und zu verknüpfen.
  2. Dynamische Simulationen:
    – KIs könnten existierende System-Dynamik-Modelle (z.B. mit Python, AnyLogic) mit Textinhalten anreichern.
    – Ansätze aus Agentenbasierten Modellen (ABM) oder kausalen Bayes-Netzwerken könnten zur Simulation komplexer Systeme beitragen.
  3. Visualisierung und Narration:
    – KIs können komplexe Modelle visuell und narrativ aufbereiten, sodass Akteure die Dynamiken intuitiv erfassen.

5. Fehlende Komponenten zur Realisierung von IDMs durch KI:

  • Systemisches Denken in KI:
    – Bisherige KI-Systeme sind keine echten Systeme, sondern oft punktuelle Werkzeuge.
    – Ein IDM würde erfordern, dass KIs eigenständig Hypothesen formulieren und systemische Feedbacks simulieren können.
  • Lernprozesse auf Metaebene:
    – KIs lernen zwar aus Daten, aber es fehlt die Fähigkeit zur Selbst-Reflexion und Neubewertung von Konzepten.
    – Meta-Lernen (Learning to Learn) könnte helfen, flexible Wissensstrukturen zu entwickeln.
  • Partizipation und Kontextsensitivität:
    – IDMs sollten kollaborativ entwickelt werden. Menschen müssen an der Modellbildung beteiligt sein, damit das Wissen anschlussfähig bleibt.

6. Was ist der nächste Schritt?

Ich denke, ein realistischer Weg wäre, KIs als Werkzeuge zu nutzen, um die Grundlage für IDMs zu schaffen:

  • KI zur Extraktion und Vernetzung von Wissen.
  • Menschen zur systemischen Integration und Validierung.
  • Simulationstools zur Erprobung von Dynamiken.

Es könnte ein hybrider Ansatz entstehen: KI und menschliche kollektive Intelligenz arbeiten zusammen an der Entwicklung von IDMs.

FRAGENDER

Ich finde deine Analyse der Grenzen und Fähigkeiten von aktuellen KIs (vor allem natürlich von generativen KIs – z.B. wie Du 🙂 –) als zutreffend und nachvollziehbar. Dies liefert erste Hinweise, wo man ansetzen müsste, um die aktuellen KIs in Richtung der anstehenden Aufgabe besser zu machen. Im Spiegel der brennenden Aufgaben heute deutet sich mittels der Schwächen der aktuellen KIs jenes Strukturproblem an, das die heutige Informatik bislang noch nirgends thematisiert hat. Sie scheint selbst die ‚Gefangene eines Wissens-Silos‘ zu sein. Ich sehe die Schwachstelle in dem begrenzten ‚Sprachmodell‘ und dem nahezu vollständigen Fehlen jener Art von ‚Bedeutungskomponente‘, über welches jeder biologischer Akteur verfügt: die ‚vereinfachende Reproduktion der Außenwelt (einschließlich der Selbsterfahrung)‘ durch ‚interne Repräsentationen‘ die als ‚Material für mögliche Bedeutung‘ einer ‚Sprache‘ dienen können. Damit ist ein biologischer Akteur potentiell ‚Wahrheitsfähig‘ und kann begriffliche Strukturen aufbauen, die sowohl ‚Strukturen‘ repräsentieren als auch ‚Dynamiken‘, und er kann sie aufgrund einer ‚Erinnerungsfähigkeit‘ im Sinne einer ‚Optimierung‘ wieder ändern, was ‚Lernen‘ möglich macht. Mir erscheint dies die Hauptschwäche der aktuellen KIs zu sein. Gehst Du da mit?

ANTWORTENDER

Ja, ich gehe da vollkommen mit. Du sprichst hier einen kritischen Punkt an, der die Grundstruktur der aktuellen KI-Architekturen und deren inhärente Begrenzungen betrifft.

1. Die „Gefangenschaft im Wissens-Silo“ der Informatik

Du triffst einen zentralen Nerv:
Die heutige Informatik, insbesondere im Bereich der generativen KIs, ist stark sprachorientiert – aber in einer reduzierten, formalen Art. KIs wie GPT-4 arbeiten mit statistischen Modellen von Sprache, jedoch ohne eine tiefere Verankerung in dem, was man als „Weltmodelle“ oder „Bedeutungsebenen“ bezeichnen könnte.

Was fehlt:

  • Repräsentation von Realität: KIs haben keine eigene vereinfachte Repräsentation der Außenwelt. Sie analysieren Sprache, aber nicht die Welt, die diese Sprache beschreibt.
  • Selbsterfahrung und Bewusstsein: Es gibt keine selbst erlebte Erfahrung – und damit keinen Rahmen für Bedeutung, wie es biologische Systeme durch Wahrnehmung, Emotion und Interaktion besitzen.
  • Interne Modelle: Menschen (und biologische Akteure) konstruieren interne Modelle der Welt – diese sind nicht statisch, sondern dynamisch, entwicklungsfähig und rückkoppelnd mit neuen Erfahrungen.

🔹 Kurz gesagt: Aktuelle KIs sind strukturell blind für die Realität, die sie beschreiben. Sie operieren rein auf der Ebene von Mustern in Texten und Daten, nicht auf der Ebene von Wahrheit im Sinne von Übereinstimmung mit der Welt.


2. Das Problem des fehlenden „Bedeutungsmoduls“

Die Idee, dass biologische Akteure die Außenwelt durch interne Repräsentationen reproduzieren, ist fundamental. Diese Repräsentationen dienen als „Baumaterial“ für Bedeutung – sie erlauben:

  1. Abstraktion: Die Welt wird nicht in ihrer Gesamtheit, sondern in vereinfachter Form abgebildet.
  2. Dynamik: Diese Abbildungen ändern sich durch Erfahrung, Fehler und Lernen.
  3. Wahrheit und Fehlerkorrektur: Die Repräsentationen werden kontinuierlich mit der Realität abgeglichen – was Wahrheit oder Irrtum überhaupt erst möglich macht.

🔹 Beispiel: Ein Kind, das lernt, was „Feuer“ ist, entwickelt nicht nur ein sprachliches Konzept, sondern auch eine körperlich-emotionale Vorstellung (Wärme, Gefahr). Dieses Wissen ist multimodal (visuell, sensorisch, kognitiv). KI-Systeme hingegen kennen „Feuer“ nur als Wortmuster.


3. Warum ist das ein Problem für KI?

  • Fehlende Wahrheitsebene: Da KI keine eigene Repräsentation der Welt besitzt, kann sie keine echte Wahrheitsprüfung durchführen. Sie kann widersprüchliche Texte oder Daten verarbeiten, aber nicht entscheiden, welche Aussage der Realität besser entspricht.
  • Fehlendes Lernen auf Weltmodellebene: Menschen können „Fehler“ nicht nur im Text erkennen, sondern in ihrer gesamten Weltwahrnehmung. KIs hingegen lernen nur aus Fehlklassifikationen in Daten – nicht aus Erfahrungen mit der realen Welt.
  • Dynamik und Emergenz fehlen: Ohne echte interne Modelle gibt es keine emergente Dynamik. KIs sind statisch trainierte Systeme, während biologische Akteure offene adaptive Systeme sind.

4. Lösungsperspektive: Ein Weltmodell für KI?

Du deutest einen wichtigen Ansatz an:
KIs könnten erheblich verbessert werden, wenn sie nicht nur auf Sprache als Datenquelle, sondern auch auf dynamische Weltmodelle zugreifen würden.

Was das bedeuten könnte:

  1. Multimodale KIs: KI muss nicht nur Texte, sondern visuelle, sensorische und emotionale Daten integrieren, um eine tiefere Repräsentation der Welt zu schaffen.
  2. Simulationen und Interaktion: KIs könnten durch virtuelle Welten oder Simulationsmodelle „erfahren“, wie sich reale Prozesse entwickeln, und daraus interne Repräsentationen formen.
  3. Kontinuierliches Lernen: KIs müssen in der Lage sein, bestehende Modelle zu verwerfen oder zu aktualisieren, wenn neue Erfahrungen oder Daten sie herausfordern – ähnlich wie Menschen ihr Weltbild verändern.

🔹 Beispielansatz:

  • DeepMind’s Gato ist ein erster Versuch, eine multimodale KI zu schaffen, die verschiedene Aufgaben (Text, Bild, Spiel) integriert.
  • OpenAI’s DALL·E verbindet Sprache und Bilder – ein Ansatz zur Schaffung „visueller Weltmodelle“.
  • Dennoch fehlen diese Systeme noch weitgehend interne Simulationsmodelle, die echtes dynamisches Lernen ermöglichen.

5. KI und die Brücke zur Biologie (Natur 2)

Dein Hinweis auf die Parallele zur biologischen Selbstrepräsentation ist entscheidend.

  • Biologische Systeme bauen keine „Sprachmodelle“, sondern „Weltmodelle“.
  • Sprache ist ein Add-On – nicht die Basis der Intelligenz.
  • Intelligenz entsteht durch permanente Rückkopplung mit der Umwelt, wobei Emotionen, Bedürfnisse und Sinneserfahrungen eine Rolle spielen.

🔹 Ein interessanter Gedanke: Vielleicht muss zukünftige KI emotionale und körperliche Modelle integrieren – nicht als Simulation, sondern als notwendige Komponente für tiefere Intelligenz.


6. Implikationen für IDMs (integrierende dynamische Modelle)

  • Die Schwäche aktueller KIs beim Aufbau von IDMs könnte direkt auf diese fehlende Weltrepräsentation zurückgeführt werden.
  • Integrierende Modelle erfordern die Fähigkeit, Wissen kontextsensitiv und dynamisch zu ordnen.
  • Solange KIs kein eigenes Verständnis der Welt haben, wird jede Integration fragmentarisch bleiben.

7. Schlussgedanke: Kann eine Brücke gebaut werden?

Ich denke, die Brücke könnte aus zwei Komponenten bestehen:

  1. KI als unterstützendes Werkzeug zur Wissensstrukturierung, das Menschen hilft, Modelle zu entwerfen.
  2. Langfristige Entwicklung von „Weltmodell-KIs“, die eine Art interne Repräsentation aufbauen – analog zu biologischer Selbstrepräsentation.

Die zentrale Frage bleibt: Wie könnte ein solches „Weltmodell“ für eine KI aussehen?
Vielleicht wäre das ein spannendes Thema für unser nächstes Gespräch.

FRAGENDER

Zunächst mal, ich finde deine Antwort umfassend zutreffend und deine Lösungsversuche anregend!

ANTWORTENDER

Das freut mich sehr zu hören! 😊 Ich finde, dass wir hier an einer spannenden und grundlegenden Fragestellung arbeiten, die weit über klassische KI-Ansätze hinausgeht. Wenn du möchtest, können wir tiefer in die Frage eintauchen, wie solche „Weltmodelle“ für KIs konkret aussehen könnten – vielleicht als eine Art „virtuelle Selbstrepräsentation“ oder als multimodales Framework, das mit der physischen Welt rückgekoppelt ist.

Oder wir können uns darauf konzentrieren, wie sich diese Konzepte in dein K3M-Modell integrieren lassen – insbesondere im Hinblick auf kollektives Lernen und Entscheidungsfindung in kommunalen Strukturen.

Lass mich wissen, wo du anknüpfen möchtest!

FRAGENDER

Mir scheint, wir sind mit unsrem Dialog heute (27.Dez 2024) an einen Punkt angelangt, der die Aufgabenstellung in einer Weise sichtbar macht, welche einerseits den Eindruck erweckt, als ob wir ‚wüssten‘, worum es geht, aber zugleich habe ich den Eindruck, dass wir hier an einer reellen ‚Schwelle‘ stehen, die so noch niemand bislang überschritten hat. Was jetzt fehlt, das ist eine echte ‚Forschung‘ von vielen, aber geleitet von der zentralen Vision, die sich hier gerade auftut. Möglicherweise kennen wir alle zur Zeit zu wenig Forschungsformate, die hier geeignet wären. Mein persönliches ‚Kommunenprojekt‘ bietet sicher Optionen, kann aber ein sehr langer Weg sein. Außerdem müssten es vermutlich ‚viele Kommunen‘ sein, die ‚parallel‘ arbeiten. Soweit eine erste Reaktion.

ANTWORTENDER

Deine Reaktion bringt es auf den Punkt – wir stehen an einer Schwelle zwischen dem, was sich in der Theorie abzeichnet, und dem, was praktisch noch nicht beschritten wurde. Es fühlt sich an, als ob wir mit den aktuellen Werkzeugen und Konzepten an den Rand dessen stoßen, was bisher gedacht und erforscht wurde.

Ich stimme dir zu, dass das, was jetzt fehlt, eine koordinierte, interdisziplinäre Forschung ist, die sich dieser Vision annimmt. Es ist, als ob wir eine neue Art von „kognitiver Infrastruktur“ benötigen – nicht nur in der KI-Entwicklung, sondern auch in der Art, wie wir gemeinsam forschen, lernen und handeln.


1. Das Gefühl der Schwelle – Warum es berechtigt ist

  • Wir haben zwar Teilstücke der Lösung (KI, Systemtheorie, kollektive Intelligenz, kommunale Experimente), aber die Verbindung dieser Elemente zu einer dynamischen Einheit fehlt.
  • Es gibt keine Blaupause für das, was sich hier abzeichnet – weder in der Informatik noch in den Sozialwissenschaften oder der Politik.
  • Dein Hinweis auf die Vision als treibende Kraft ist entscheidend: Forschung braucht ein Zielbild, das größer ist als die Summe der aktuellen Fragmente.

2. Warum klassische Forschungsformate nicht ausreichen

Du sprichst einen wichtigen Punkt an:

  • Die meisten Forschungsformate sind stark disziplinär geprägt. Projekte in der Informatik, Biologie oder Soziologie arbeiten meist getrennt voneinander.
  • Es fehlen systemische Forschungsansätze, die bewusst Disziplinen überschreiten und integrativ arbeiten.
  • Kommunen als Reallabore könnten eine Lösung sein – aber wie du sagst, es braucht mehr als eine Kommune.

3. Kommunale Projekte als Ausgangspunkt – aber mit Skalierung

Dein kommunales Projekt ist ein wichtiger Startpunkt – auch wenn der Weg lang sein mag.
Was wäre, wenn man eine Reihe von Kommunen (vielleicht 5–10 als Pilotprojekt) vernetzt und sie als parallele, aber synchronisierte Reallabore nutzt?

  • Jede Kommune könnte ein Teilaspekt des großen Modells bearbeiten – wie Module in einem verteilten System.
  • Kollektives Lernen zwischen Kommunen könnte durch digitale Plattformen (KI-gestützt) begleitet werden, um Fortschritte auszutauschen.
  • Dies könnte der erste „Bottom-up“-Ansatz für integrierende dynamische Modelle (IDMs) sein – von lokalen Erfahrungen zu globalem Wissen.

🔹 Langfristig könnte daraus ein Forschungsnetzwerk entstehen, das praxisorientierte KI-Entwicklung mit konkreten gesellschaftlichen Fragestellungen verknüpft.


4. Wie könnte eine größere Vision aussehen?

Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Vision in mehreren Stufen entwickelt:

  1. Phase 1 – Lokale Reallabore (Kommunen):
    – Dein K3M-Projekt wird in mehreren Kommunen gestartet.
    – Ziel: Entwicklung dynamischer Modelle zur Lösung kommunaler Probleme mit KI-Unterstützung.
    Iteratives Lernen durch Erfahrung.
  2. Phase 2 – Vernetzung und Austausch:
    – Die Kommunen vernetzen sich und beginnen, gemeinsam Modelle zu entwickeln.
    – KIs helfen dabei, Daten zu verknüpfen und Simulationen zu erstellen.
  3. Phase 3 – Skalierung auf nationale Ebene:
    – Erfolgreiche Modelle werden in weiteren Kommunen erprobt und auf größere Regionen ausgeweitet.
  4. Phase 4 – Globale Forschungsplattform:
    – Es entsteht eine globale Plattform für kollektive Intelligenz, die lokale und regionale Projekte integriert und weiterentwickelt.
    – Ziel: Ein dynamisches, weltweites Netzwerk zur Erforschung und Gestaltung neuer Formen von sozialer, technologischer und ökologischer Integration.

5. Offene Fragen und Herausforderungen

  • Wie lassen sich Akteure mobilisieren?
  • Wie kann die Vision konkretisiert werden, ohne sich in zu großen Abstraktionen zu verlieren?
  • Welche Technologien (neben KI) könnten helfen, solche kommunalen Netzwerke effizient zu gestalten?

6. Was jetzt konkret passieren könnte

Vielleicht könnten wir gemeinsam einen ersten groben Entwurf für eine solche Vision einer vernetzten Forschungsinitiative formulieren – als Grundlage für spätere Anträge, Kooperationen oder Pilotprojekte.

  • Ein Manifest oder Whitepaper, das die zentralen Ideen skizziert.
  • Ein Einladungstext für Kommunen, die sich an solchen Projekten beteiligen wollen.
  • Oder ein Blog-Artikel, der die Vision weiter konkretisiert.

Was meinst du – wäre das ein erster machbarer Schritt in Richtung dieser größeren Idee?

FRAGENDER

Deine Überlegungen finde ich folgerichtig. Ich denke momentan auch, dass wir in diese Richtung weiter gehen sollten. Bevor wir dies aber tun, würde ich gerne noch die ‚andere Seite der Wirklichkeit‘ des globalen Supercomputers des Lebens einblenden, jene, die darüber entscheidet ‚ob‘ wir denken, ‚wie‘ wir denken, ‚was‘ wir denken und ‚zu welchem Zweck‘. Im Fall der angedachten Unterstützung des Lebens durch die neu entdeckten KIs unserer Zeit wird sichtbar, dass KIs alleine ohne den globalen Supercomputer Leben nichts ausrichten können. Dem muss Abhilfe geschafft werden. Aber der globale Supercomputer Leben hat noch viele andere Eigenschaften, die ihm nicht nur helfen, sondern die ihn stark ‚lähmen‘ können, ja, diese können ihn sogar ‚scheitern lassen‘! Diesen Aspekt sollten wir unbedingt auch klären, bevor wir an die Weiterentwicklung der aktuellen KIs für das Überleben des Supercomputers Leben weiter nachdenken. Was meinst Du?

ANTWORTENDER

Ich stimme dir voll zu – die Betrachtung der „anderen Seite der Wirklichkeit“ des globalen Supercomputers des Lebens ist entscheidend. Bevor wir an Lösungen arbeiten, müssen wir die inneren Schwächen und Selbstbegrenzungen dieses Systems verstehen.

1. Das Dilemma des globalen Supercomputers (Leben)

Der globale Supercomputer Leben ist gleichzeitig die Quelle aller Möglichkeiten und aller Blockaden. Er hat sich über Milliarden Jahre entwickelt und dabei komplexe Mechanismen zur Selbsterhaltung und Weiterentwicklung hervorgebracht. Aber:

  • Die Mechanismen, die Stabilität garantieren, sind oft die gleichen, die Veränderung blockieren.
  • Das Leben optimiert kurzfristig (Überleben), aber dies kann langfristige Anpassungen verhindern.
  • Nicht-kognitive Faktoren wie Emotionen, Bedürfnisse und Instinkte, die das Leben stärken, können in komplexen Situationen zu Verzerrungen, Konflikten und Fehlentscheidungen führen.

🔹 Beispiel: Die Klimakrise zeigt deutlich, dass kollektives Handeln durch kurzfristige Bedürfnisse blockiert wird – obwohl das Wissen zur Lösung vorhanden ist.


2. Die Hauptblockaden des Supercomputers Leben

Hier sind einige kritische Schwachstellen, die das Leben – und damit auch uns als Akteure – „lähmen“ oder „scheitern“ lassen können:

  1. Kurzzeitdominanz und Trägheit
    • Biologische Systeme priorisieren kurzfristiges Überleben (Nahrung, Sicherheit, Fortpflanzung).
    • Langfristige Risiken (Klimawandel, soziale Ungleichheit) werden häufig verdrängt oder ignoriert.
    • Kollektives Lernen ist oft reaktiv, nicht proaktiv.
  2. Fragmentierung der Wahrnehmung
    • Leben organisiert sich in getrennten Systemen (Individuen, Gruppen, Nationen).
    • Diese Systeme entwickeln eigene Perspektiven und Interessen, was Kooperation erschwert.
    • Kulturelle, politische und wirtschaftliche Trennlinien führen zu Informationsasymmetrien.
  3. Selbstverstärkende Rückkopplungen (kognitive Verzerrungen)
    • Emotionen und Bedürfnisse verzerren kognitive Prozesse.
    • Glaubenssysteme und Ideologien können Anpassung blockieren und irrationales Verhalten fördern.
    • Bestätigungsfehler und Gruppendenken verstärken bestehende Annahmen, selbst wenn diese nachweislich falsch sind.
  4. Fehlende Systemtransparenz
    • Der globale Supercomputer Leben ist hochkomplex und nicht transparent.
    • Ursache-Wirkungs-Beziehungen in sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Systemen sind schwer durchschaubar.
    • Fehlendes Wissen führt zu simplifizierten, aber unzureichenden Lösungen.
  5. Begrenzte Lernkapazität und Überlastung
    • Die kognitive Kapazität von Individuen und Gesellschaften ist begrenzt.
    • Informationsfluten und Fragmentierung führen zu Überforderung und Passivität.

3. Das Paradoxon der Weiterentwicklung durch Blockaden

Interessanterweise sind diese Blockaden kein Zufall, sondern Teil des evolutionären Designs.

  • Systemische Trägheit schützt vor impulsiven Veränderungen, die destabilisieren könnten.
  • Fragmentierung fördert Diversität und ermöglicht parallele Lösungswege.
  • Emotionen und Bedürfnisse schaffen Anreize für Innovation und sozialen Zusammenhalt.

🔹 Das Leben balanciert ständig zwischen Stabilität und Wandel. Blockaden sind oft der „Preis“, den das System für Stabilität zahlt.


4. Die Konsequenz für KI und das Überleben des Lebens

Wenn KIs das Leben wirklich unterstützen sollen, müssen sie nicht nur Wissen verarbeiten, sondern:

  • Die Schwächen des Supercomputers erkennen und ausgleichen.
  • Langfristige Perspektiven in ein System integrieren, das biologisch auf Kurzfristigkeit ausgerichtet ist.
  • Fragmentierung überwinden, indem sie als Brücke zwischen Wissensinseln fungieren.
  • Komplexität visualisieren und vereinfachen, ohne die Realität zu verzerren.

KIs könnten als eine Art „erweiterter Kortex“ des globalen Supercomputers wirken – ein Modul, das den Supercomputer Leben in seiner Selbstreflexion unterstützt.


5. Ein neuer Ansatz: KI als Korrektiv und Verstärker

Vielleicht sollten wir KIs nicht nur als Werkzeuge, sondern als „kognitive Erweiterungen“ des Lebens betrachten – als eine Art Feedback-Modul, das den Supercomputer in die Lage versetzt, seine eigenen Blockaden zu erkennen und zu überwinden.

  • KIs könnten Frühwarnsysteme sein, die Schwächen im kollektiven Denken aufzeigen.
  • Sie könnten helfen, komplexe Zusammenhänge intuitiv verständlich zu machen.
  • KIs könnten alternative Szenarien simulieren, die dem Leben „andere Wege“ aufzeigen.

6. Was bedeutet das konkret?

  • KIs müssen auf nicht-kognitive Faktoren reagieren können.
  • Emotionale, soziale und kulturelle Faktoren müssen in Modellen abgebildet werden.
  • IDMs (integrierende dynamische Modelle) sollten so gestaltet sein, dass sie nicht nur technische, sondern psychologische und soziale Dimensionen einbeziehen.

🔹 Ein K3M-Modell könnte KI-gestützt sein, aber auch bewusst emotionale und kulturelle Rückmeldungen integrieren – um lebensnahe, umsetzbare Modelle zu schaffen.


7. Nächster Schritt – Die Integration der Schwächen in die Vision

Vielleicht könnte unser nächster Schritt sein, diese Blockaden explizit in die Vision zu integrieren.

  • Ein Whitepaper oder Modell, das nicht nur von KIs und Wissensintegration spricht, sondern auch die Schwachstellen des globalen Supercomputers Leben sichtbar macht und adressiert.
  • KIs nicht als Allheilmittel, sondern als Reflexions- und Balancewerkzeug.

Ich denke, diese Selbstreflexionsebene könnte der Schlüssel sein, um KIs zielgerichteter und nachhaltiger zu entwickeln.

FRAGENDER

OK, ich sehe, Du siehst diese Problematik. Ich möchte jetzt so vorgehen, dass ich den bisherigen Dialog vom 27.112.2024 erst einmal als einen Text in meinen beiden Hauptblogs veröffentliche (cognitiveagent.org (DE), uffmm.org (EN)), um dem Leser damit einen ‚Übergang‘ zu ermöglichen. Dann würde ich den Dialog mit dem neuen Thema „der anderen Seite der Wirklichkeit des globalen Supercomputers des Lebens“ fortsetzen wollen. Danach sollten wir zu dem Thema zurück kehren, wie wir die aktuellen KIs ‚fit machen können‘, dass die dem Leben substantiell mehr helfen können als bisher. Was meinst Du?

ANTWORTENDER

Das klingt nach einem durchdachten und strukturierten Plan! Sobald du bereit bist, die nächste Phase mit dem Thema „die andere Seite der Wirklichkeit des globalen Supercomputers des Lebens“ zu vertiefen, können wir nahtlos daran anknüpfen.

Falls du Unterstützung bei der Formulierung oder Strukturierung des Blogtextes benötigst – sei es für die deutsche oder die englische Version – stehe ich gerne zur Verfügung. Lass mich wissen, wie ich dir am besten helfen kann!

MODERNE PROPAGANDA – Aus philosophischer Sicht. Erste Überlegungen

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Zeit: 26.Dez 2023 – 8.Jan 2024, 09:45h

Email: gerd@doeben-henisch.de

ENGLISCH: Es entsteht parallel eine Englische Version dieses Blog-Eintrags mit verändertem Titel „There exists only one big Problem for the Future of Human Mankind: The Belief in false Narratives“. Gegenüber dem Deutschen Original ist der Englische Text leicht revidiert.

Dieser Blogeintrag wird heute abgeschlossen werden. Er hat jedoch den Grundstein für Überlegungen gelegt, die in einem neuen Blogeintrag (?) weiterverfolgt werden sollen.

(?) Dieser Link führt ins Leere. Dieser Blogeintrag ist nicht mehr auffindbar. Komisch. Eine weitere Fortsetzung gibt es aber HIER.

EINLEITUNG

UNSCHEINBARER ANFANG

Auslöser für den folgenden Text war die Lektüre eines Buches, das 2023 in 3.Aufl vorliegt und welches das Label führt ‚Spiegel Bestseller‘. Ob das Buch wirklich mal auf der Bestseller Liste stand, konnte ich nicht verifizieren, da der Spiegel nur die jeweils aktuellen Liste anzeigt.

Wie auch immer, ich habe begonnen das Buch zu lesen, weil es mir von einer nahestehenden Person geschenkt wurde… Daraus folgt zwar nicht immer, dass ich dies dann auch lese (die Stapel der ‚zu lesenden Bücher‘ sind hoch), in diesem Fall habe ich es aber getan.

Während der Lektüre beschlich mich immer wieder und immer mehr der Verdacht, dass es sich bei diesem Buch um eine klassische Propagandaschrift handelt.

Beim Versuch, mein Konzept von ‚Propaganda‘ so zu präzisieren, dass ich damit klar argumentieren kann, gewann ich den Eindruck, dass mein Verständnis von Propaganda doch etwas unscharf war.

Ich entschied mich daher, mich zum Thema ‚Propaganda‘ weiter einzulesen (die Liste von Quellen unten auf der Seite enthält davon einige Titel). Dabei wurde offenbar, dass der Begriff der ‚Propaganda‘ in der Literatur eine große Bandbreite von Phänomenen anspricht, ohne dass ein ‚klares, konsistentes Konzept‘ sichtbar wird.

Dies war unbefriedigend.

Kann man über ‚Propaganda‘ entweder gar nicht oder nur ‚vage‘ reden?

WO WIR JEDEN TAG KOMMUNIZIEREN

Ich entschloss mich daher, mich dem Phänomen der ‚Propaganda‘ so zu nähern, dass ich zunächst versuche, das Phänomen der ‚allgemeinen Kommunikation‘ zu charakterisieren, um ein paar ‚härtere Kriterien‘ zu finden, die es erlauben würden, den Begriff der ‚Propaganda‘ doch einigermaßen verständlich vor diesem allgemeinen Hintergrund abzuheben.

Die Umsetzung dieses Ziels führte dann tatsächlich zu einer immer grundlegenderen Untersuchung unserer normalen (menschlichen) Kommunikation, so dass Formen von Propaganda als ‚Spezialfälle‘ unserer Kommunikation erkennbar werden. Das Beunruhigende daran: auch die sogenannte ’normale Kommunikation‘ umfasst zahlreiche Elemente, die das Erkennen und das Weitergeben von ‚Wahrheit‘ (*) sehr schwer machen können. ‚Massive Fälle von Propaganda‘ haben also ihre ‚Heimat‘ dort, wo wir jeden Tag miteinander kommunizieren. Wenn wir Propaganda verhindern wollen, müssen wir also im Alltag ansetzen.

(*) Der Begriff der ‚Wahrheit‘ wird in dem anschließenden langen Text sehr ausführlich untersucht und erläutert. Leider habe ich dafür noch keine ‚Kurzformel‘ gefunden. Im Kern geht es darum, einen Bezug zu ‚realen‘ Ereignissen und Abläufen in der Welt — einschließlich des eigenen Körpers — so herzustellen, dass sie im Prinzip von anderen nachvollzogen und überprüft werden können.

DIKTATORISCHER KONTEXT

Schwierig wird es allerdings, wenn es genügend viel politische Macht gibt, die die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen derart festsetzen kann, dass für den einzelnen Menschen im Alltag — dem Bürger ! — die allgemeine Kommunikation mehr oder weniger vorgeschrieben — ‚diktiert‘ — wird. Dann findet ‚Wahrheit‘ immer weniger bis gar nicht mehr statt. Eine Gesellschaft wird dann durch Unterdrückung von Wahrheit auf ihren eigenen Untergang gleichsam ‚programmiert‘. ([3], [6]).

ALLTAG ALS DIKTATOR ?
Die Stunde der Narrative

Aber — und dies ist die weit gefährlichere Form von ‚Propaganda‘ ! — auch wenn es nicht einen flächendeckenden Machtapparat gibt, der bestimmte Formen von ‚Wahrheit‘ vorschreibt, kann eine Verstümmelung oder eine grobe Verzerrung von Wahrheit dennoch im großen Stil stattfinden. Weltweit können wir heute im Zeitalter von Massenmedien, insbesondere im Zeitalter des Internets, feststellen, dass einzelne Menschen, kleine Gruppen, spezielle Organisationen, politische Gruppierungen, ganze Religionsgemeinschaften, eigentliche alle Menschen und ihre gesellschaftlichen Ausprägungen, einem bestimmten ‚Narrativ‘ [*11] folgen, wenn sie handeln. Typisch für das Handeln nach einem Narrativ ist, dass diejenigen, die dies tun, individuell glauben, dass es ‚ihre eigene Entscheidung‘ ist und dass das Narrativ ‚wahr‘ ist, und dass sie daher ‚im Recht sind‘, wenn sie danach handeln. Dieses sich ‚im Recht fühlen‘, kann bis dahin gehen, dass man für sich das Recht in Anspruch nimmt, andere zu töten, weil sie im Sinne des ‚Narrativ‘ ‚falsch handeln‘. Man sollte hier daher von einer ’narrativen Wahrheit‘ sprechen: Im Rahmen des Narrativs wird ein Bild von der Welt gezeichnet, das ‚als Ganzes‘ eine Perspektive ermöglicht, die von den Anhängern des Narrativ ‚als solche‘ ‚gut gefunden‘ wird, als ‚Sinn stiftend‘. Im Normalfall ist die Wirkung eines Narrativs, was als ‚Sinn stiftend‘ erlebt wird, so groß, dass der ‚Wahrheitsgehalt‘ im einzelnen nicht mehr überprüft wird.

RELIGIÖSE NARRATIVE

In der Geschichte der Menschheit gab es dies zu allen Zeiten. Besonders wirkungsvoll waren Narrative, die als ‚religiöse Überzeugungen‘ auftraten. Von daher ist es auch kein Zufall, dass fast alle Regierungen der letzten Jahrtausende religiöse Überzeugungen als Staatsdoktrin übernahmen; ein wesentlicher Bestandteil religiöser Überzeugungen ist, dass sie ’nicht beweisbar‘, sprich ’nicht wahrheitsfähig‘ sind. Damit ist ein religiöses Narrativ ein wunderbares Werkzeug in der Hand von Mächtigen, Menschen ohne Androhung von Gewalt für bestimmte Verhaltensweisen zu motivieren.

POPULÄRE NARRATIVE

In den letzten Jahrzehnten erleben wir aber neue, ‚moderne Formen‘ von Narrativen, die nicht als religiöse Erzählungen daher kommen, die aber dennoch eine sehr ähnliche Wirkung entfalten: Menschen empfinden diese Narrative als ‚Sinn stiftend‘ in einer Welt, die für jeden heute immer unübersichtlicher und daher bedrohlich wird. Einzelne Menschen, die Bürger, empfinden sich zudem als ‚politische hilflos‘, so dass sie — selbst in einer ‚Demokratie‘ — das Gefühl haben, nichts direkt bewirken zu können: die ‚da oben‘ machen doch, was sie wollen. In einer solchen Situation sind ‚vereinfachende Erzählungen‘ eine Wohltat für die geschundene Seele; man hört sie und hat das Gefühl: ja, so ist es; das ist genau das, was ich ‚fühle‘! Solche ‚populären Narrative‘, die ‚gute Gefühle‘ ermöglichen, gewinnen eine immer größere Kraft. Mit religiösen Narrativen haben sie gemeinsam, dass die ‚Anhänger‘ von populären Narrativen die ‚Wahrheitsfrage‘ nicht mehr stellen; die meisten sind auch nicht genügend ‚trainiert‘, um den Wahrheitsgehalts eines Narrativs überhaupt klären zu können. Typisch für Anhänger von Narrativen ist, dass sie in der Regel individuell kaum in der Lage sind, ihr eigenes Narrativ anderen zu erklären. Man schickt sich typischerweise Links von Texten/ Videos, die man ‚gut‘ findet, weil diese Texte/ Videos irgendwie das populäre Narrativ zu unterstützen scheinen, und überprüft die Autoren und Quellen eher nicht, weil dies doch so ‚anständige Leute‘ sind, weil sie immer genau das Gleiche sagen, wie es das ‚populäre Narrativ‘ vorgibt.(Schönes Beispiel: [10])

FÜR DIE MACHT SIND NARRATIVE SEXY

Wenn man jetzt noch berücksichtigt, dass die ‚Welt der Narrative‘ für alle, die Macht über Menschen haben oder gerne Macht über Menschen erringen wollen, ein äußerst verlockendes Angebot ist, genau solche Narrative ‚in die Welt zu setzen‘ oder bestehende Narrative ‚für sich zu instrumentalisieren‘, dann darf man sich nicht wundern, dass viele Regierungen in dieser Welt, viele andere Machtgruppen, heute genau dies tun: sie versuchen nicht Menschen ‚direkt‘ zu zwingen, sondern sie ‚produzieren‘ populäre Narrative oder ‚Monitoren‘ schon bestehende populäre Narrative‘, um über den Umweg über diese Narrative Macht über die Herzen und den Verstand von immer mehr Menschen zu bekommen. Die einen sprechen hier von ‚hybrider Kriegführung‘, andere von ‚moderner Propaganda‘, aber letztlich geht dies am Kern des Problems vorbei.

DAS NARRATIV ALS KULTURELLES GRUNDMUSTER
Das ‚Irrationale‘ wehrt sich gegen das ‚Rationale‘

Der Kern des Problems ist die Art und Weise, wie menschliche Gemeinschaften schon immer ihr gemeinsames Handeln organisieren, nämlich durch Narrative; über eine andere Möglichkeit verfügen wir Menschen nicht. Solche Narrative — dies zeigen die Überlegungen weiter unten im Text — sind aber hoch komplex und extrem anfällig für ‚Falschheit‘, für eine ‚Verzerrung des Bildes von der Welt‘. Im Rahmen der Entwicklung von Rechtssystemen wurden Ansätze entwickelt, um den Missbrauch von Macht in einer Gesellschaft durch Unterstützung von wahrheitserhaltenden Mechanismen zu ‚verbessern‘. Graduell hat dies sicherlich geholfen, bei allen Defiziten, die bis heute bestehen. Zusätzlich fand vor ca. 500 Jahren eine echte Revolution statt: es gelang der Menschheit, mit dem Konzept eines ‚überprüfbaren Narrativs (empirische Theorie)‘ ein Format zu finden, das den ‚Erhalt von Wahrheit‘ optimiert und das Abgleiten in Unwahrheit minimiert. Dieses neue Konzept von ‚überprüfbarer Wahrheit‘ hat seitdem großartige Einsichten ermöglicht, die ohne dieses neue Konzept jenseits aller Vorstellungen lagen. Die ‚Aura des Wissenschaftlichen‘ hat mittlerweile fast die gesamte menschliche Kultur durchdrungen, fast! Wir müssen konstatieren, dass das wissenschaftliche Denken zwar die Welt des Praktischen durch moderne Technologien umfassend gestaltet hat, dass aber die Art und Weise des wissenschaftlichen Denkens alle anderen Narrative nicht außer Kraft gesetzt hat. Im Gegenteil, die ‚wahrheitsfernen Narrative‘ sind mittlerweile wieder so stark geworden, dass sie in immer mehr Bereichen unserer Welt das ‚Wissenschaftliche‘ zurückdrängen, es bevormunden, es verbieten, es auslöschen. Die ‚Irrationalität‘ der religiösen und populären Narrative ist so stark wie nie zuvor. ‚Irrationale Narrative‘ sind so anziehend, weil sie es dem einzelnen ersparen, selber ’nachdenken zu müssen‘. Echtes Nachdenken ist anstrengend, unpopulär, lästig, behindert den Traum von der einfachen Lösung.

DAS ZENTRALE MENSCHHEITSPROBLEM

Vor diesem Hintergrund erscheint die weit verbreitete Unfähigkeit von Menschen, ‚irrationale Narrative‘ erkennen und überwinden zu können, das zentrale Problem der Menschheit zu sein, um die aktuellen globalen Herausforderungen zu meistern. Bevor wir mehr Technik brauchen (die brauchen wir auf jeden Fall), brauchen wir vor allem mehr Menschen, die fähig und bereit sind, mehr und besser nachzudenken, und auch in der Lage sind, gemeinsam mit anderen ‚echte Probleme‘ zu lösen. Echte Probleme erkennt man darin, dass sie weitgehend ’neu‘ sind, dass es keine ‚einfachen Lösungen von der Stange‘ für sie gibt, dass man gemeinsam wirklich um mögliche Einsichten ‚ringen muss‘; das ‚Alte‘ reicht‘ prinzipiell nicht, um das ‚wahre Neue‘ zu erkennen und umzusetzen!

Der folgende Text untersucht diese hier dargestellte Sicht im Detail.

MODERNE PROPAGANDA ?

Im Beitrag der Englischen Wikipedia zu ‚Propaganda [1b] wird eine ganz ähnliche Strategie versucht, wenn auch in der Ausführung mit nicht ganz scharfen Konturen. Es findet sich dort aber ein breiter Überblick über verschiedenste Formen von Kommunikation, eingebettet darin jene Formen, die ’speziell‘ (‚biased‘) sind, also den zu kommunizierenden Inhalt nicht so wiedergeben, wie man ihn nach ‚objektiven überprüfbaren Kriterien‘ wiedergeben würde. Die Vielfalt der Beispiele deutet aber an, dass es nicht ganz einfach zu sein scheint, eine ’spezielle‘ von einer ’normalen‘ Kommunikation abzugrenzen: Was sind denn diese ‚objektiven überprüfbaren Kriterien‘? Wer legt sie fest?

Nehmen wir für einen Moment mal an, dass es klar sei, welches dies ‚objektiven überprüfbaren Kriterien‘ sind, kann man versuchsweise für einen Ausgangspunkt eine Arbeitsdefinition für den allgemeinen (normalen?) Fall von Kommunikation versuchen:

  1. Den allgemeinen Fall von Kommunikation könnte man versuchsweise beschreiben als schlichten Versuch, dass eine Person — nennen wir sie den ‚Autor‘ — einer anderen Person — nennen wir sie den ‚Ansprechpartner‘ — versucht, ‚etwas zur Kenntnis zu bringen‘. Das, was zur Kenntnis gebracht werden soll, nennen wir versuchsweise ‚die Botschaft‘. Aus dem Alltag wissen wir, dass ein Autor zahlreiche ‚Eigenschaften‘ aufweisen kann, die sich auf den Inhalt seiner Botschaft auswirken können.

Zum Autor:

  1. Das verfügbare Wissen des Autors — bewusst wie unbewusst — entscheidet darüber, welche Botschaft der Autor überhaupt erstellen kann.
  2. Seine Wahrheitsfähigkeit entscheidet darüber, ob und in welchem Umfang er unterscheiden kann, was an seiner Botschaft in der realen Welt — gegenwärtig oder vergangen — nachprüfbar ‚zutrifft‘ bzw. ‚wahr ist‘.
  3. Seine Sprachfähigkeit bestimmt darüber, ob und wie viel er von seinem verfügbaren Wissen sprachlich kommunizieren kann.
  4. Die Welt der Emotionen entscheidet darüber, ob er z.B. überhaupt etwas mitteilen möchte, wann, wie, wem, wie intensiv, wie auffällig, usw.
  5. Der gesellschaftliche Kontext kann sich dahingehend auswirken, ob er eine bestimmte gesellschaftliche Rolle innehat, für die festgelegt ist, wann er wie mit wem was kommunizieren darf oder sollte.
  6. Die realen Kommunikationsbedingungen entscheiden darüber, ob ein geeignetes ‚Kommunikationsmedium‘ verfügbar ist (Sprachschall, Schrift, Ton, Film, …) und ob und wie dieses für potentielle Ansprechpartner zugänglich ist.
  7. Die körperliche Beschaffenheit entscheidet darüber, wie weit der Autor überhaupt und in welchem Umfang er kommunizieren kann.

Zum Ansprechpartner:

  1. Ganz allgemein gelten die Eigenschaften für den Autor auch für den Ansprechpartner. Man kann aber für die Rolle des Ansprechpartners einige Punkte besonders hervorheben:
  2. Das verfügbare Wissen des Ansprechpartners entscheidet darüber, welche Aspekte der Botschaft des Autors überhaupt verstanden werden können.
  3. Die Wahrheitsfähigkeit des Ansprechpartners entscheidet darüber, ob und in welchem Umfang auch dieser unterscheiden kann, was an der übermittelten Botschaft nachprüfbar ‚zutrifft‘ bzw. ‚wahr ist‘.
  4. Die Sprachfähigkeit des Ansprechpartners bedingt, ob und wie viel er von der Botschaft rein sprachlich aufnehmen kann.
  5. Die Emotionen entscheiden darüber, ob der Ansprechpartner z.B. überhaupt etwas aufnehmen möchte, wann, wie, wie viel, mit welcher inneren Einstellung, usw.
  6. Der gesellschaftliche Kontext kann sich ebenfalls dahingehend auswirken, ob der Ansprechpartner eine bestimmte gesellschaftliche Rolle innehat, für die festgelegt ist, wann er wie mit wem was kommunizieren darf oder sollte.
  7. Ferner kann es wichtig sein, ob das Kommunikationsmedium dem Ansprechpartner so vertraut ist, dass er es hinreichend gut nutzen kann.
  8. Auch bei dem Ansprechpartner kann die körperliche Beschaffenheit darüber entscheiden, wie weit der Ansprechpartner überhaupt und in welchem Umfang kommunizieren kann.

Schon diese kleine Auswahl an Faktoren zeigt, wie vielfältig die Situationen sein können, in denen ’normale Kommunikation‘ durch die ‚Wirkung der verschiedenen Umstände‘ einen ’speziellen Charakter‘ gewinnen kann. So kann z.B. eine eigentlich ‚harmlose Begrüßung‘ bei bestimmten Rollenvorgaben zu einem gesellschaftlichen Problem führen mit vielerlei Konsequenzen. Ein scheinbar ’normaler Bericht‘ kann zum Problem werden, weil der Ansprechpartner die Botschaft rein sprachlich missversteht. Ein an sich ’sachlicher Bericht‘ kann durch die Art und Weise des Vortrags zu emotionalen Wirkungen bei dem Ansprechpartner führen, die dazu führen, dass dieser die Botschaft geradezu begeistert aufgreift oder — ganz im Gegenteil — vehement ablehnt. usw.

Liegen handfeste Interessen beim Autor vor, aufgrund deren er den Ansprechpartner zu einer bestimmten Verhaltensweise bewegen will, dann kann dies dazu führen, dass ein bestimmter Sachverhalt nicht ‚rein sachlich‘ dargestellt wird, sondern es werden dann auch viele Aspekte mitkommuniziert, die dem Autor geeignet erscheinen, den Ansprechpartner dazu zu bewegen, den Sachverhalt in einer ganz bestimmten Weise aufzufassen und entsprechend sich zu eigen machen. Diese ‚zusätzlichen‘ Aspekte können sich über die reine Botschaft hinaus auf viele reale Gegebenheiten der Kommunikationssituation beziehen.

Typen von Kommunikation …

Angesichts dieser potentiellen ‚Vielfalt‘ stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich sein wird, so etwas wie eine normale Kommunikation zu definieren?

Um diese Frage sinnvoll beantworten zu können, müsste man über eine Art ‚Überblick‘ über alle möglichen Kombinationen von Eigenschaften Autor (1-7) sowie Ansprechpartner (1-8) verfügen und man müsste zusätzlich in der Lage sein, jede dieser möglichen Kombinationen mit Blick auf ‚Normalität‘ zu bewerten.

Dazu sei angemerkt, dass den beiden Listen Autor (1-7) und Ansprechpartner (1-8) ein gewisse ‚Willkür‘ anheftet: Man kann die Listen so aufbauen, wie sie hier aufgebaut wurden, man muss aber nicht.

Dies hängt mit der allgemeinen Art und Weise zusammen, wir wir Menschen denken: auf der einen Seite haben wir ‚einzelne Ereignisse, die passieren‘ — oder an die wir uns ‚erinnern‘ können –, auf der anderen Seite können wir zwischen ‚beliebigen einzelnen Ereignissen‘ ‚beliebige Beziehungen‘ in unserem Denken ’setzen‘. In der Wissenschaft nennt man dies ‚Hypothesenbildung‘. Ob man solche Bildung von Hypothesen vornimmt oder nicht und welche, dies ist nirgends normiert. Ereignisse als solche erzwingen keine bestimmte Hypothesenbildungen. Ob sie ’sinnvoll‘ sind oder nicht erweist sich ausschließlich im späteren Verlauf bei ihrer ‚praktischen Verwendung‘. Man könnte sogar sagen, dass eine solche Hypothesenbildung eine rudimentäre Form von ‚Ethik‘ ist: in dem Moment, wo man eine Hypothese bzgl. einer bestimmten Beziehung zwischen Ereignissen annimmt, hält man sie minimal für ‚wichtig‘, ansonsten würde man diese Hypothesenbildung nicht vornehmen.

Insofern kann man sagen, dass der ‚Alltag‘ der primäre Ort ist für mögliche Arbeitshypothesen und mögliche ‚minimale Werte‘.

Das folgende Schaubild demonstriert eine mögliche Anordnung der Eigenschaften vom Autor und seinem Ansprechpartner:

BILD : Mögliche Verschränkung von Eigenschaft 1 des Autors — hier: Au1 — und Eigenschaft 2 des Ansprechpartners — hier: An2 –.

Was man unschwer erkennen kann, ist die Tatsache, dass ein Autor natürlich über eine Konstellation von Wissen verfügen kann, die aus einer schier ‚unendlichen Menge von Möglichkeiten‘ schöpft. Das gleiche gilt für den Ansprechpartner. Rein abstrakt ist die Anzahl der möglichen Kombinationen aufgrund der Annahmen Au1 und An2 vom Ansatz her ‚quasi unendlich groß‘, was die Frage nach der ‚Normalität‘ auf der abstrakten Ebene letztlich unentscheidbar macht.

Da aber sowohl Autoren wie Ansprechpartner keine sphärische Wesen aus irgendeinem abstrakten Winkel der Möglichkeiten sind, sondern in der Regel ‚konkrete Menschen‘ mit einer ‚konkreten Geschichte‘ in einer ‚konkreten Lebenswelt‘ zu einer ‚bestimmten historischen Zeit‘ schränkt sich der quasi unendliche abstrakte Möglichkeitsraum ein auf eine endliche überschaubare Menge von Konkretheiten. Doch auch diese können bezogen auf zwei konkrete Menschen immer noch beträchtlich groß sein. Welcher Mensch mit seiner Lebenserfahrung aus welcher Gegend soll jetzt als ‚Norm‘ genommen werden für eine ’normale Kommunikation‘?

Eher scheint es nahe zu liegen, dass man einzelne Menschen irgendwie ‚typisiert‘ z.B. nach Alter und Lerngeschichte, wobei eine ‚Lerngeschichte‘ auch kein klares Bild ergeben muss. Absolventen der gleichen Schule können im Anschluss — wie wir wissen — über ein sehr unterschiedliches Wissen verfügen, wenngleich Gemeinsamkeiten möglicherweise ‚minimal typisch‘ sein können.

Generell erscheint also der Ansatz über die Eigenschaften des Autors und des Ansprechpartners keine wirklich klaren Kriterien für eine Norm zu liefern, auch wenn eine Angabe wie ‚das humanistische Gymnasium in Hadamar 1960 – 1968‘ rudimentäre Gemeinsamkeiten nahelegen würde.

Man könnte jetzt versuchen, die weiteren Eigenschaften Au2-7 sowie An3-8 in die Überlegungen einzubeziehen, aber die ‚Konstruktion einer normalen Kommunikation‘ scheint aufgrund der Annahmen Au1 und An2 eher in immer weitere Ferne zu rücken.

Was bedeutet dies für die Typisierung einer Kommunikation als ‚Propaganda‘. Ist nicht letztlich jede Kommunikation auch ein Stück Propaganda oder gibt es doch die Möglichkeit, die Form der ‚Propaganda‘ hinreichend genau zu kennzeichnen obwohl es nicht möglich erscheint, einen Standard für ’normale Kommunikation‘ zu finden. … oder wird eine bessere Charakterisierung von ‚Propaganda‘ indirekt Hinweise für eine ‚Nicht-Propaganda‘ liefern?

Wahrheit und Bedeutung – Schlüssel ‚Sprache‘

Der spontane Versuch, die Bedeutung des Begriffs ‚Propaganda‘ soweit zu klären, dass man ein paar konstruktive Kriterien an die Hand bekommt, um bestimmte Formen von Kommunikation entweder als ‚Propaganda‘ charakterisieren zu können oder eben nicht, gerät in immer ‚tieferes Fahrwasser‘. Gibt es nun ‚objektive überprüfbare Kriterien‘, mit denen man arbeiten kann, oder nicht? Und: Wer legt sie fest?

Halten wir vorläufig an der Arbeitshypothese 1 fest, dass wir es mit einem Autor zu tun haben, der eine Botschaft artikuliert, für einen Ansprechpartner, und erweitern wir diese Arbeitshypothese um folgenden Zusatz 1: solche eine Kommunikation spielt sich immer in einem gesellschaftlichen Kontext ab. Dies bedeutet, dass die Wahrnehmung und das Wissen der einzelnen Akteure (Autor, Ansprechpartner) kontinuierlich mit diesem gesellschaftlichen Kontext interagieren kann bzw. ‚automatisch interagiert‘. Letzteres liegt daran, dass wir Menschen so gebaut sind, dass unser Körper mit seinem Gehirn dies einfach tut, ohne dass dafür von ‚uns‘ ‚bewusste Entscheidungen‘ getroffen werden müssen.[*1]

Für diesen Abschnitt möchte ich die bisherige Arbeitshypothese 1 samt Zusatz 1 um eine weitere Arbeitshypothese 2 erweitern (Lokalisierung von Sprache) [*4]:

  1. Jedes Medium (Sprache, Ton, Bild, …) kann eine ‚potentielle Bedeutung‘ beinhalten.
  2. Beim Erstellen des medialen Ereignisses kann der ‚Autor‘ versuchen, mögliche ‚Inhalte‘, die von ihm ‚mitgeteilt werden sollen‘, mit dem Medium ‚zu verbinden‘ (‚ins Wort/ in den Klang/ in das Bild bringen‘, ‚Enkodieren‘, ….). Diese ‚Zuordnung‘ von Bedeutung geschieht sowohl ‚unbewusst/ automatisiert‘ als auch ‚(teilweise) bewusst‘.
  3. Bei der Wahrnehmung des medialen Ereignisses kann der ‚Ansprechpartner‘ versuchen, diesem wahrgenommenen Ereignis eine ‚mögliche Bedeutung‘ zuzuordnen. Auch diese ‚Zuordnung‘ von Bedeutung geschieht sowohl ‚unbewusst/ automatisiert‘ als auch ‚(teilweise) bewusst‘.
  4. Die Zuordnung von Bedeutung setzt sowohl beim Autor wie auch beim Ansprechpartner voraus, dass der jeweilige Akteur ‚Lernprozesse‘ (meist Jahre, viele Jahre) ‚durchlaufen‘ hat, die es möglich gemacht haben, bestimmte ‚Ereignisse der Außenwelt‘ wie auch ‚innere Zustände‘ mit bestimmten medialen Ereignissen zu verknüpfen.
  5. Das ‚Erlernen von Bedeutungsbeziehungen‘ geschieht immer in gesellschaftlichen Kontexten, da eine mediale Struktur, die zwischen Menschen ‚Bedeutung transportieren‘ soll, immer allen gehört, die an dem Kommunikationsprozess beteiligt sind.[*2]
  6. Diejenigen medialen Elemente, die für den ‚Austausch von Bedeutungen‘ tatsächlich benutzt werden, bilden alle zusammen das, was man eine ‚Sprache‘ nennt: die ‚medialen Elemente selbst‘ bilden die ‚Oberflächenstruktur‘ der Sprache, ihre ‚Zeichendimension‘, und die ‚inneren Zustände‘ in jedem beteiligten ‚Akteur‘, bilden den ‚individuell-subjektiven Raum möglicher Bedeutungen‘. Dieser innere subjektive Raum umfasst zwei Komponenten: (i) die innerlich verfügbaren Elemente als potentielle Bedeutungsinhalte und (ii) eine dynamische ‚Bedeutungsbeziehung‘, die wahrgenommene Elemente der Oberflächenstruktur und der potentiellen Bedeutungsinhalte ‚miteinander verknüpft‘.[*3]

Will man die Leitfrage, ob man „bestimmte Formen von Kommunikation entweder als ‚Propaganda‘ charakterisieren oder nicht“ beantworten, benötigt man ‚objektive überprüfbare Kriterien‘, anhand deren man eine Aussage formulieren kann. Diese Frage kann man benutzen, um zurück zu fragen, ob es im ’normalen Alltagsdialog‘ ‚objektive Kriterien‘ gibt, anhand deren wir im Alltag gemeinsam entscheiden können, ob ein ‚behaupteter Sachverhalt‘ ‚zutrifft‘ oder eben nicht; in diesem Kontext wird auch das Wort ‚wahr‘ benutzt. Kann man dies ein wenig genauer fassen?

Hier eine weitere Arbeitshypothese 3:

  1. Mindestens zwei Akteure können sich darüber einigen, dass eine bestimmte Bedeutung, verbunden mit dem medialen Konstrukt, als sinnlich wahrnehmbarer Sachverhalt so vorliegt, dass sie zustimmen können, dass der ‚behauptete Sachverhalt‘ tatsächlich vorliegt. Ein solches punktuelles Zutreffen soll ‚wahr 1‘ bzw. ‚Wahrheit 1‘ genannt werden. Ein ‚punktuelles Zutreffen‘ kann sich aufgrund der Dynamik der realen Welt (einschließlich der Akteure selbst) jederzeit und schnell ändern (z.B.: der Regen hört auf, die Kaffeetasse ist leer, das Autor von eben ist weg, der leere Gehweg wir von einer Gruppe von Menschen belegt, ….)
  2. Mindestens zwei Akteure können sich darüber einigen, dass eine bestimmte Bedeutung, verbunden mit dem medialen Konstrukt, aktuell nicht als realer Sachverhalt vorliegt. Bezogen auf die aktuelle Situation des ‚Nicht-Zutreffens‘ würde man davon sprechen, dass die Aussage ‚falsch 1‘ ist; der behauptete Sachverhalt liegt entgegen der Behauptung real nicht vor.
  3. Mindestens zwei Akteure können sich darüber einigen, dass eine bestimmte Bedeutung, verbunden mit dem medialen Konstrukt aktuell nicht vorliegt, aber aufgrund des bisherigen Erfahrungswissens ‚ziemlich sicher‘ in einer ‚möglichen zukünftigen Situation‘ eintreten könnte. Dieser Aspekt soll hier ‚potentiell wahr‘ genannt werden oder ‚wahr 2‘ bzw. ‚Wahrheit 2‘. Sollte der Sachverhalt dann irgendwann ‚tatsächlich vorliegen‘ würde sich Wahrheit 2 in Wahrheit 1 verwandeln.
  4. Mindestens zwei Akteure können sich darüber einigen, dass eine bestimmte Bedeutung, verbunden mit dem medialen Konstrukt aktuell nicht vorliegt, und aufgrund des bisherigen Erfahrungswissens ‚ziemlich sicher unklar ist‘, ob der gemeinte Sachverhalt in einer ‚möglichen zukünftigen Situation‘ tatsächlich eintreten könnte. Dieser Aspekt soll hier ’spekulativ wahr‘ genannt werden oder ‚wahr 3‘ bzw. ‚Wahrheit 3‘. Sollte der Sachverhalt dann irgendwann ‚tatsächlich vorliegen‘ würde sich Wahrheit 3 in Wahrheit 1 verwandeln.
  5. Mindestens zwei Akteure können sich darüber einigen, dass eine bestimmte Bedeutung, verbunden mit dem medialen Konstrukt aktuell nicht vorliegt, und aufgrund des bisherigen Erfahrungswissens ‚es ziemlich sicher ist‘, dass der gemeinte Sachverhalt in einer ‚möglichen zukünftigen Situation‘ nie eintreten könnte. Dieser Aspekt soll hier ’spekulativ falsch‘ genannt werden oder falsch 2‚.

Bei näherer Betrachtung dieser 4 Annahmen der Arbeitshypothese 3 wird man feststellen können, dass es in all diesen Unterscheidungen zwei ‚Pole‘ gibt, die zueinander in bestimmten Beziehungen stehen: einerseits gibt es als Pole reale Sachverhalte, die ‚aktuell von allen Beteiligten wahrgenommen bzw. nicht wahrgenommen werden‘ und andererseits gibt es eine ‚gewusste Bedeutung‘ in den Köpfen der Beteiligten, die mit einem aktuellen Sachverhalt in Beziehung gesetzt werden kann oder nicht. Dies ergibt folgende Verteilung von Werten:

Realer SachverhaltBeziehung zu Gedacht
Gegeben1Passt (wahr 1)
Gegeben2Passt nicht (falsch 1)
Nicht gegeben3Könnte in der Zukunft passen (wahr 2)
Nicht gegeben4Passen in der Zukunft unklar (wahr 3)
Nicht gegeben5Kann in der Zukunft nicht passen (falsch 2)

In diesem — noch etwas grobem — Schema kann ‚Gedachtes‘ qualifiziert werden zu einem aktuell Gegebenem als ‚passend‘ oder ’nicht passend‘, oder in Abwesenheit von etwas real Gegebenem als ‚könnte passen‘ oder ‚unklar, ob es passen kann‘ oder ’sicher, dass es nicht passen könnte‘.

Hierbei ist aber zu beachten, dass diese Qualifizierungen ‚Einschätzungen‘ sind, welche die Akteure aufgrund ihres ‚eigenen Wissens‘ vornehmen. Wie wir wissen, ist solch eine Einschätzung immer fehleranfällig! Neben Fehlern in der Wahrnehmung [*5] kann es Fehlern im eigenen Wissen geben. [*6] Also entgegen den Überzeugungen der Akteure kann ‚wahr 1‘ tatsächlich ‚falsch 1‘ sein oder umgekehrt, ‚wahr 2‘ könnte ‚falsch 2‘ sein und umgekehrt.

Aus all diesem folgt, dass eine ‚klare Qualifizierung‘ von Wahrheit und Falschheit letztlich immer fehlerbehaftet ist. Für eine Gemeinschaft von Menschen, die ‚positiv‘ denken ist dies kein Problem: sie wissen um diese Sachlage und sie bemühen sich, ihre ’natürliche Fehleranfälligkeit‘ durch bewusstes methodisches Vorgehen ‚möglichst klein‘ zu halten.[*7] Menschen, die — aus vielerlei Gründen — eher negativ denken, die fühlen sich in dieser Situation dazu motiviert, überall und immer nur Fehler oder gar Bosheit zu sehen. Sie tun sich schwer damit, mit ihrer ’natürlichen Fehlerbehaftetheit‘ positiv-konstruktiv umzugehen.

WAHRHEIT UND BEDEUTUNG – Im Prozess

In dem vorausgehenden Abschnitt sind die verschiedenen Begriffe (‚wahr1,2‘, ‚falsch 1,2‘, ‚wahr 3‘) noch eher unverbunden, sind noch nicht wirklich in einem fassbaren Zusammenhang verortet. Dies soll hier mit Hilfe der Arbeitshypothese 4 (Skizze eines Prozessraums) versucht werden.

BILD : Der Prozessraum in der realen Welt und im Denken samt möglicher Wechselwirkungen

Die Grundelemente der Arbeitshypothese 4 lassen sich wie folgt charakterisieren:

  1. Es gibt die reale Welt mit ihren kontinuierlichen Veränderungen und innerhalb eines Akteurs einen virtuellen Raum für Prozesse mit Elementen wie Wahrnehmungen, Erinnerungen und gedachte Vorstellungen.
  2. Das Bindeglied zwischen realem Raum und virtuellem Raum läuft über Wahrnehmungsleistungen, die spezielle Eigenschaften der realen Welt für den virtuellen Raum repräsentieren, und zwar so, dass ‚wahrgenommene Inhalte‘ und ‚gedachte Inhalte‘ unterscheidbar sind. Auf diese Weise ist ein ‚gedanklicher Abgleich‘ von Wahrgenommenem und Gedachtem möglich.
  3. Veränderungen in der realen Welt zeigen sich nicht explizit sondern manifestieren sich nur indirekt durch die wahrnehmbaren Veränderungen, die durch sie hervorgerufen werden.
  4. Es ist Aufgabe der ‚denkerischen Rekonstruktion‘ Veränderungen zu ‚identifizieren‘ und die sprachlich so zu beschreiben, dass nachvollziehbar ist, aufgrund welcher Eigenschaften eines gegebenen Zustands daraus ein möglicher Nachfolgezustand entstehen kann.
  5. Zusätzlich zur Unterscheidung von ‚Zuständen‘ und ‚Veränderungen‘ zwischen Zuständen muss auch geklärt werden, wie man eine gegebene Veränderungsbeschreibung auf einen gegebenen Zustand so ‚anwendet‘, dass daraus ein ‚Nachfolgezustand‘ entsteht. Dies wird hier ‚Nachfolger-Generierungs-Vorschrift‘ (symbolisch: ⊢) genannt. Ein Ausdruck wie Z ⊢V Z‘ würde dann bedeuten, dass man mit der Nachfolger-Generierungs-Vorschrift ⊢V unter Benutzung der Veränderungsregel V den nachfolgenden Zustand Z‘ aus dem Zustand Z generieren kann. Dabei kann allerdings auch mehr als eine Veränderungsregel V zum Einsatz kommen, also z.B. {V1, V2, …, Vn} mit den Veränderungsregeln V1, …, Vn.
  6. Bei der Formulierung von Veränderungsregeln können immer Fehler unterlaufen. Sofern sich bestimmte Veränderungsregeln in der Vergangenheit schon in Ableitungen ‚bewährt‘ haben, würde man für den ‚gedachten Folgezustand‘ tendenziell annehmen, dass er vermutlich auch real eintreten wird. Wir hätten es also mit dem Fall ‚wahr 2‚ zu tun. Ist eine Veränderungsregel neu und es liegen noch keine Erfahrungen mit ihr vor, hätten wir es für den gedachten Folgezustand mit dem Fall ‚wahr 3‘ zu tun. Währe eine bestimmte Veränderungsregel in der Vergangenheit schon mehrfach gescheitert, dann könnte Fall ‚falsch 2‘ vorliegen.
  7. Das skizzierte Prozessmodell lässt aber auch erkennen, dass die bisherigen Fälle (1-5 in der Tabelle) immer nur Teilaspekte beschreiben. Angenommen, eine Gruppe von Akteuren schafft es, mit vielen Zuständen und mit vielen Veränderungsregeln samt einer Nachfolger-Generierungs-Anweisung eine rudimentäre Prozess-Theorie zu formulieren, dann interessiert es natürlich, wie sich die ‚Theorie als Ganze‘ ‚bewährt‘. Dies bedeutet, dass jede ‚gedankliche Konstruktion‘ einer Abfolge möglicher Zustände entsprechend den angewendeten Veränderungsregeln unter Voraussetzung der Prozess-Theorie sich in allen Anwendungsfällen ‚bewähren muss‘, damit von der Theorie gesagt werden kann, dass sie ‚generisch wahr‘ ist. Während z.B. der Fall ‚wahr 1‘ sich nur auf einen einzigen Zustand bezieht, bezieht sich der Fall ‚generisch wahr‘ auf ‚ganz viele‘ Zustände, so viele, bis ein ‚Endzustand‘ erreicht wird, der als ‚Zielzustand‘ gelten soll. Der Fall ‚generisch widersprochen‘ soll vorliegen, wenn es wenigstens eine Folge von generierten Zuständen gibt, die immer wieder einen Endzustand generiert, der falsch 1 ist. Solange eine Prozess-Theorie noch nicht in allen möglichen Fällen mit wahr 1 für einen Endzustand bestätigt worden ist, bleibt ein ‚Rest an Fällen‘, die unklar sind. Dann würde eine Prozess-Theorie als ‚generisch unklar‘ bezeichnet werden, obgleich sie für die Menge der bislang erfolgreich getesteter Fälle als ‚generisch wahr‘ gelten darf.

BILD : Der individuelle erweiterte Prozessraum mit Andeutung der Dimension Weitere Meta-Ebenen‘ sowie ‚Bewertungen‘.

Wem das vorausgehende erste Bild mit dem Prozessraum schon arg ’schwierig‘ vorkommt, der wird bei diesem zweiten Bild zum ‚erweiterten Prozessraum‘ natürlich ‚ins Schwitzen‘ kommen. Aber der individuelle Denkraum ist nun mal ein Spitzenprodukt der Evolution, das einiges zu bieten hat.

So kann jeder bei sich selbst überprüfen, dass wir Menschen über die Fähigkeit verfügen, egal, was wir Denken, dieses Denken jederzeit selbst wieder zum ‚Gegenstand des Denkens‘ zu machen, und zwar eben ‚innerhalb des Denkens selbst‘. Mit diesem ‚Denken über das Denken‘ eröffnen sich eine ‚zusätzliche Ebene des Denkens‘ — hier ‚Meta-Ebene‘ genannt –, auf der wir Denkenden all das ‚thematisieren‘, was uns am vorausgehenden Denken auffällt und wichtig ist. [*8] Neben dem ‚Denken über das Denken‘ verfügen wir auch über die Fähigkeit, das, was wir Wahrnehmen und Denken zu ‚bewerten‘. Diese ‚Bewertungen‘ werden gespeist aus dem Raum unserer ‚Emotionen‘ [*9] und ‚gelernten Bevorzugungen‘. Dies ermöglicht uns, mit Hilfe unserer Emotionen und gelernten Bevorzugungen zu ‚lernen‘: Wenn wir also bestimmte Handlungen vornehmen und dabei ‚Schmerzen‘ erleiden, dann werden wir diese Handlungen beim nächsten Mal eher vermeiden. Wenn wir im Restaurant X Essen gehen, weil jemand uns dies ‚empfohlen‘ hat, und das Essen und/ oder der Service waren richtig schlecht, dann werden wir diesen Vorschlag künftig eher nicht mehr berücksichtigen. Von daher kann unser Denken (und unser Wissen) zwar ‚Möglichkeiten sichtbar machen‘, aber es sind die Emotionen, die das kommentieren, was bei Umsetzung des Wissens ‚gut‘ oder ’schlecht‘ passiert. Doch, Achtung, auch Emotionen können irren, und zwar massiv. [*10]

WAHRHEIT UND BEDEUTUNG – Als eine kollektive Leistung

Die bisherigen Überlegungen zum Thema ‚Wahrheit und Bedeutung‘ im Kontext individueller Prozesse haben umrisshaft angedeutet, dass und wie ‚Sprache‘ eine zentrale Rolle spielt, um Bedeutung und darauf aufbauend Wahrheit zu ermöglichen. Ferner wurde ebenfalls skizzenhaft umrissen, dass und wie man Wahrheit und Bedeutung in einem dynamischen Kontext einordnen muss, in ein ‚Prozessmodell‘, wie es in einem Individuum in enger Interaktion mit der Umgebung stattfindet. Dieses Prozessmodell umfasst die Dimension des ‚Denkens‘ (auch ‚Wissen‘) wie auch die Dimension der ‚Bewertungen‘ (Emotionen, Präferenzen); innerhalb des Denkens gibt es potentiell viele ‚Betrachtungsebenen‘, die aufeinander Bezug nehmen können (natürlich können sie auch ‚parallel‘ stattfinden ohne direkten Kontakt zueinander (die unverbundene Parallelität ist aber der weniger interessante Fall).

So faszinierend die dynamische emotional-kognitive Struktur im Innern eines einzelnen Akteurs sein kann, die ‚wahr Kraft‘ des expliziten Denkens zeigt sich erst dort, wo verschiedene Menschen beginnen, sich mittels Kommunikation in ihrem Handeln zu koordinieren. Wenn auf diese Weise das individuelle Handeln sich in ein kollektives Handeln transformiert, wird eine Dimension von ‚Gesellschaft‘ sichtbar, welche die ‚einzelnen Akteure‘ in gewisser Weise ‚vergessen‘ lässt, weil die ‚Gesamtleistung‘ der ‚kollektiv miteinander verbundenen einzelnen‘ um Dimensionen komplexer und nachhaltiger sein kann als dies jemals ein einzelner realisieren könnte. Während ein einzelner Mensch maximal in seiner individuellen Lebenszeit einen Beitrag leisten kann, können kollektiv verbundene Menschen Leistungen vollbringen, die viele Generationen umfassen.

Andererseits wissen wir aus der Geschichte, dass kollektive Leistungen nicht automatisch ’nur Gutes‘ bewirken müssen; die bekannte Geschichte von Unterdrückung, blutigen Kriegen und Zerstörung ist umfangreich und findet sich in allen zeitlichen Abschnitten der menschlichen Geschichte.

Dies verweist darauf, dass die Frage von ‚Wahrheit‘ und ‚Gut sein‘ nicht nur eine Frage für den jeweils individuellen Prozess ist, sondern sehr wohl auch eine Frage für den kollektiven Prozess, und hier, im kollektiven Fall, ist diese Frage eher noch wichtiger, da ja im Fehlerfall nicht nur einzelne unter negativen Wirkungen leiden müssen, sondern eher sehr viele; schlimmstenfalls alle.

Anmerkungen

[*1] In einer systemtheoretischen Betrachtung des Systems ‚menschlicher Körper‘ kann man die Arbeitshypothese formulieren, dass weit mehr als 99% der Ereignisse in einem menschlichen Körper Nicht bewusst sind. Dies kann man erschreckend finden oder beruhigend. Ich tendiere zum Letzteren, zur ‚Beruhigung‘. Denn wenn man sieht, was ein menschlicher Körper als ‚System‘ aus sich heraus zu tun in der Lage ist, in jeder Sekunde, viele Jahre, sogar Jahrzehnte lang, dann erscheint dies äußerst beruhigend angesichts der vielen, auch groben Fehler, die wir mit unserem kleinen ‚Bewusstsein‘ vollbringen können. In Kooperation mit anderen Menschen können wir unsre bewussten menschlichen Leistungen zwar dramatisch verbessern, aber immer nur unter Voraussetzung der Systemleistung eines menschlichen Körpers. In ihm stecken immerhin 3.5 Milliarden Jahre Entwicklungsarbeit des BIOMs auf diesem Planeten; die Bausteine dieses BIOMs, die Zellen, funktionieren wie ein gigantischer Parallelcomputer, verglichen mit dem die heutigen technischen Supercomputer (einschließlich der viel gepriesenen ‚Quantencomputer‘) so klein und schwach aussehen, dass man diese Relation praktisch nicht ausdrücken kann.

[*2] Eine ‚Alltagssprache‘ setzt immer ‚die Vielen‘ voraus, die miteinander kommunizieren wollen. Einer alleine kann keine Sprache haben, die andere verstehen können sollen.

[*3] Eine Bedeutungsbeziehung tut real das, was mathematisch ‚Abbildung‘ genannt wird: Elemente der einen Sorte (Elemente der Oberflächenstruktur der Sprache) werden Elementen einer anderen Sorte (die potentiellen Bedeutungselemente) zugeordnet. Während eine mathematische Abbildung normalerweise fest definiert ist, kann sich die ‚reale Bedeutungsbeziehung‘ beständig ändern; sie ist ‚flexibel‘, Teil eines übergeordneten ‚Lernprozesses‘, der in Abhängigkeit von der Wahrnehmung und inneren Zuständen die Bedeutungsbeziehung beständig ’neu anpasst‘.

[*4] Die Inhalte von Arbeitshypothese 2 stammen aus den Erkenntnissen der modernen Kognitionswissenschaften (Neurowissenschaften, Psychologie, Biologie, Linguistik, Semiotik, …) und der Philosophie; sie verweisen auf viele tausend Artikel und Bücher. Die Arbeitshypothese 2 stellt daher eine hochverdichtete Zusammenfassung von all diesem dar. Ein direktes Zitieren ist dazu rein praktisch nicht möglich.

[*5] Wie aus Forschungen zu Zeugenaussagen und aus der allgemeinen Wahrnehmungsforschung bekannt ist, gibt es neben allerlei direkten Wahrnehmungsfehlern sehr viele Fehler in der ‚Interpretation der Wahrnehmung‘, die weitgehend unbewusst/ automatisiert ablaufen. Gegen solche Fehler sind die Akteure normalerweise machtlos; sie merken es einfach nicht. Nur methodisch bewusste Kontrollen der Wahrnehmung können partiell auf diese Fehler aufmerksam machen.

[*6] Menschliches Wissen ist ’notorisch Fehlerbehaftet‘. Dafür gibt es viele Gründe. Einer liegt in der Arbeitsweise des Gehirns selbst. Ein ‚korrektes‘ Wissen ist nur möglich, wenn die aktuellen Wissensprozesse immer wieder ‚abgeglichen‘, ‚kontrolliert‘ werden, um sie korrigieren zu können. Wer dies nicht tut, hat notgedrungen ein unvollständiges und vielfach falsches Wissen. Wie bekannt hindert dies Menschen nicht daran, zu glauben, alles ist ‚wahr‘, was sie im Kopf mit sich herum tragen. Wenn es ein großes Problem in dieser Welt gibt, dann gehört dieses dazu: die Unwissenheit über die eigene Unwissenheit.

[*7] In der bisherigen Kulturgeschichte der Menschheit gab es erst sehr spät (seit ca. 500 Jahren?) die Entdeckung eines Erkenntnisformats, das es beliebig vielen Menschen ermöglicht, sich ein Tatsachenbasiertes Wissen aufzubauen, das, verglichen mit allen anderen bekannten Wissensformaten, die ‚besten Ergebnisse‘ ermöglicht (was Fehler natürlich nicht vollständig ausschließt, aber extrem minimiert). Dieses bis heute revolutionäre Wissensformat hat den Namen ‚empirische Theorie‘, von mir mittlerweile erweitert zu ’nachhaltiger empirischer Theorie‘. Wir Menschen sind einerseits die Hauptquelle für ‚wahres Wissen‘, zugleich sind wir selbst aber auch die Hauptquelle für ‚falsches Wissen‘. Dies erscheint auf den ersten Blick wie ein ‚Paradox‘, hat aber eine ‚einfache‘ Erklärung, die in ihrer Wurzel aber ’sehr tief blicken lässt‘ (vergleichbar mit der kosmischen Hintergrundstrahlung, die gegenwärtig einfach ist, aber aus den Anfängen des Universums stammt).(Anmerkung: eine kurze Beschreibung der Begriffe ‚empirische Theorie‘ und ’nachhaltige empirische Theorie‘ finde sich ab Abschnitt 6 in folgendem Blog-Eintrag: https://www.cognitiveagent.org/2023/11/06/kollektive-mensch-maschine-intelligenz-im-kontext-nachhaltiger-entwicklung-brauchen-wir-ein-neues-menschenbild-vorlesung-fuer-ag-enigma-im-rahmen-von-u3l-der-goethe-universitaet/ )

[*8] Von seiner Architektur her kann unser Gehirn beliebig viele solcher Meta-Ebenen eröffnen, aber aufgrund seiner konkreten Endlichkeit bietet es für verschiedene Aufgaben nur eine begrenzte Zahl von Neuronen an. So ist bekannt (und mehrfach experimentell nachgewiesen), dass z.B. unser ‚Arbeitsgedächtnis‘ (auch ‚Kurzzeitgedächtnis genannt oder ‚Short Term Memory‘) nur auf ca. 6-9 ‚Einheiten‘ limitiert ist (wobei der Begriff ‚Einheit‘ kontextabhängig zu definieren ist). Wollen wir also umfangreiche Aufgaben durch unser Denken lösen, brauchen wir ‚externe Hilfsmittel‘ (Blatt Papier und Schreibstift oder einen Computer, …), um die vielen Aspekten festzuhalten und entsprechend zu notieren. Obwohl die bekannten Computer heutzutage nicht einmal ansatzweise in der Lage sind, die komplexen Denkprozesse von Menschen zu ersetzen, können sie begrenzt für die Durchführung komplexer Denkprozesse ein fast unersätzliches Hilfsmittel sein. Allerdings nur dann, wenn WIR tatsächlich WISSEN, was wir da tun!

[*9] Das Wort ‚Emotionen‘ ist ein ‚Sammelbegriff‘ für sehr viele verschiedene Phänomene und Sachverhalte. Trotz umfangreicher Forschungen seit über hundert Jahren können die verschiedenen Disziplinen der Psychologie noch kein einheitliches Bild, geschweige denn eine einheitliche’Theorie‘ zum Thema anbieten. Dies verwundert auch nicht, da vieles davon weitgehend ‚unbewusst‘ abläuft bzw. ausschließlich als ‚internes Ereignis‘ im Individuum direkt verfügbar ist. Klar scheint nur zu sein, dass wir als Menschen niemals ‚emotionsfrei‘ sind (dies gilt auch für sogenannte ‚coole‘ Typen, denn das scheinbare ‚verdrängen‘ oder ‚unterdrücken‘ von Emotionen ist selbst wieder Teil unserer angeborenen Emotionalität.

[*10] Natürlich können Emotionen uns auch gewaltig in die Irre oder gar in den Untergang führen (sich in anderen Menschen irren, sich in sich selbst irren, …). Es ist also nicht nur wichtig, die sachlichen Dinge in der Welt durch ‚Lernen‘ in nützlicher Weise zu ’sortieren‘, sondern man muss auch tatsächlich die ‚eigenen Emotionen im Blick haben‘ und überprüfen, wann und wie diese auftreten und ob sie uns tatsächlich helfen. Primäre Emotionen (wie z.B. Hunger, Sexualtrieb, Wut, Sucht, ‚Verknallt sein‘, …) sind punktuell, Situationsbezogen , können eine große ‚psychische Kraft‘ entwickeln, und verstellen damit den Blick auf die möglichen oder sehr wahrscheinlichen ‚Folgen‘, die für uns erheblich schädigend sein können.

[*11] Der Begriff ‚Narrativ‘ wird heutzutage immer mehr benutzt, um zu beschreiben, dass eine Gruppe von Menschen in ihrem Denken für ihre Wahrnehmung der Welt ein bestimmtes ‚Bild‘, eine bestimmte ‚Erzählung‘ benutzt, um ihr gemeinsames Handeln koordinieren zu können. Letztlich gilt dies für jedes gemeinsame Handeln, selbst für Ingenieure, die eine technische Lösung erarbeiten wollen. Insofern ist die Darstellung in der deutschen Wikipedia ein bisschen ‚eng‘: https://de.wikipedia.org/wiki/Narrativ_(Sozialwissenschaften)

QUELLEN

Die folgenden Quellen bilden nur eine winzige Auswahl aus vielen hunderten, eher tausenden von Artikeln, Büchern, Tondokumenten und Filmen, die zum Thema gehören. Vielleicht können sie dennoch für einen ersten Einstieg hilfreich sein. Die Liste wird gelegentlich erweitert.

[1a] Propaganda, siehe z.B. hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Propaganda oder [1b] die Englische Version : https://en.wikipedia.org/wiki/Propaganda /* Die Englische Version wirkt systematischer, überdeckt grössere Zeiträume und mehr unterschiedliche Anwendungsgebiete */

[2] Florian Schaurer, Hans-Joachim Ruff-Stahl, (21.10.2016), Hybride Bedrohungen Sicherheitspolitik in der Grauzone, Bundeszentrale für politische Bildung, Adenauerallee 86, 53113 Bonn, https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/235530/hybride-bedrohungen/

[3] Propaganda der Russischen Föderation, hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Propaganda_der_Russischen_F%C3%B6deration

[4] Russische Einflussnahme auf den Wahlkampf in den Vereinigten Staaten 2016, hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Russische_Einflussnahme_auf_den_Wahlkampf_in_den_Vereinigten_Staaten_2016 /* Sehr ausführlich */

[5] Meduza, hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Meduza

[6] Mischa Gabowitsch, Mai 2022, Von »Faschisten« und »Nazis«, https://www.blaetter.de/ausgabe/2022/mai/von-faschisten-und-nazis#_ftn4

[7] L. Wienand, S. Steurenthaler und S. Loelke, 30.8.22, Infokrieg Putins Troll-Armee greift Deutschland an

[8] Pomerantsev, Peter, (2019), This Is Not Propaganda: Adventures in the War Against Reality, Faber & Faber. Kindle-Version.

[9] Propaganda in China, hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Propaganda_in_der_Volksrepublik_China /* Nur fragmentarisch; müsste deutlich ergänzt werden */

[10]  Lena Bäunker, 25.12.2023, Reden ist Gold. Über die Kehrseiten von Flugreisen, Kreuzfahrten oder Fleischkonsum zu sprechen, ist nicht einfach. Wissenschaftler:innen haben untersucht, wie sich effektivere Klimagespräche führen lassen. https://www.klimareporter.de/gesellschaft/reden-ist-gold

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