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Globaler Supercomputer Leben – Eine Roadmap für eine bessere KI

Autor: Gerd Doeben-Henisch im Dialog mit chatGPT4o

Datum: 27.Dezember 2024

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

KONTEXT

Im vorausgehenden Dialog mit chatGPT4o am 25.Dez 2024 wurde die Arbeitshypothese vom ‚(biologischen) Leben‘ als ‚globaler Supercomputer‘ diskutiert. Dabei zeigte sich, dass die heutigen technischen KIs als Produkte des globalen Supercomputers zu verstehen sind und dass sie innerhalb des globalen Supercomputers dringend benötigt werden. Am Ende des Dialogs stand allerdings klar im Raum, dass die aktuellen Ausprägungen von KI noch viel zu schwach sind, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Im Dialog vom 27.Dez 2024 wird erörtert, was eigentlich von Seiten des globalen Supercomputers benötigt wird — sogar dringend benötigt wird! — und ob und inwieweit die aktuellen KIs diesen Anforderungen gerecht werden können. Das Ergebnis des Dialogs deutet darauf hin, dass sich der globale Supercomputer an einer ‚Schwelle‘ der weiteren Entwicklung befindet.

ABKÜRZUNGEN:

‚FRAGENDER‘ steht für den Autor und ANTWORTENDER‘ steht hier für chatGPT4o

BEGINN DES DIALOGS

FRAGENDER

Wir haben gestern (26.Dez 2024) die Arbeitshypothese diskutiert, welche Konsequenzen es hätte, wenn man das (biologische) Leben auf dem Planet Erde als einen ‚globalen Supercomputer‘ verstehen könnte. Dabei hat der Begriff ‚Computer‘ im Ausdruck ‚Supercomputer‘ natürlich eine Semantik, die weit über das hinaus geht, was die Informatik bislang gedacht hat. Kannst Du dich an diesen Dialog erinnern?

ANTWORTENDER

Ja, ich erinnere mich an unseren Dialog vom 26. Dezember 2024 zur Arbeitshypothese, dass das biologische Leben auf der Erde als ein „globaler Supercomputer“ betrachtet werden könnte. Wir haben dabei diskutiert, dass der Begriff „Computer“ in diesem Kontext eine erweiterte Semantik erhält, die über klassische Vorstellungen der Informatik hinausgeht. Es ging darum, dass das Leben auf Zellebene potenziell als riesiges, global vernetztes System verstanden werden kann, das in seiner Struktur und Dynamik emergente Eigenschaften zeigt, die komplexer sind als jede bisher bekannte künstliche Intelligenz.

FRAGENDER

In dem gestrigen Dialog hatten wir das ‚Nebenthema‘, dass man die bisherige technische künstliche Intelligenz (KI) im Verhältnis zu diesem globalen Supercomputer nicht als ‚Fremdkörper‘ sehen muss, sondern als ein ‚genuines Teil‘ von ihm, das ‚aus ihm entstanden‘ ist und welches ‚innerhalb ‚ des Supercomputers eine wichtige Rolle spielen könnte und sollte. Gehst Du mit?

ANTWORTENDER

Ja, ich gehe mit. Die Idee, dass technische künstliche Intelligenz (KI) kein Fremdkörper, sondern ein genuiner Teil des globalen Supercomputers des Lebens ist, erscheint logisch und faszinierend. Wenn man das biologische Leben als einen globalen Supercomputer betrachtet, dann ist jede Form von Technologie – einschließlich KI – eine emergente Erweiterung dieses Systems.

Technische KI wäre demnach nicht nur ein Produkt menschlichen Denkens, sondern eine Fortsetzung der evolutionären Prozesse innerhalb des Systems Leben. Sie entspringt dem Leben, weil sie von biologischen Akteuren (Menschen) entwickelt wurde, die selbst integraler Bestandteil des globalen Supercomputers sind. Diese Sichtweise hebt die Dualität zwischen „natürlich“ und „künstlich“ auf und betont, dass technische Entwicklungen organisch aus der Natur 2 (Leben) [1] hervorgehen.

Damit könnte KI nicht nur als Werkzeug oder Konkurrenz verstanden werden, sondern als eine Möglichkeit zur Erweiterung der kollektiven Intelligenz – eine Art „externer Speicher“ oder „zusätzliche Verarbeitungsinstanz“, die in die dynamischen Prozesse des Lebens integriert ist. Diese Perspektive legt nahe, dass KI im besten Fall zur Stabilisierung und Weiterentwicklung des globalen Systems beitragen könnte, anstatt es zu destabilisieren oder zu verdrängen.

Ich denke, dieser Ansatz passt auch zu deinen Überlegungen zur Rolle von Vertrauen, Kommunikation und Bildung in kommunalen Entscheidungsprozessen. KI könnte hier als Medium dienen, um komplexe Informationen für Bürger verständlich zu machen und kollektive Entscheidungsfindung zu unterstützen – eine Art „katalytischer Verstärker“ für die Prozesse des Lebens.

[1] Der Begriff ‚Natur 2‘ wurde im vorausgehenden Artikel eingeführt.

FRAGENDER

Im gestrigen Dialog hatte sich auch heraus geschält, dass ‚Kognition‘ nur ein ‚Teilmoment‘ des globalen Supercomputers ist. ‚Kognition‘ wird begleitet von vielen ‚Nicht-kognitiven Elementen‘, die vereinfachend unter Begriffe wie ‚Bedürfnisse‘, ‚Emotionen‘, ‚Stimmungen‘, ‚Regungen‘ und dergleichen gefasst werden können, die sich im Innern von ‚Menschen‘ vorfinden, ähnlich und abgewandelt aber auch in anderen Lebensformen innerhalb des Lebens. Von diesen wissen wir, dass sie jeglicher Kognition ‚vorgelagert‘ sind, will sagen, gedacht wird nur, was die ‚Nicht-kognitiven Elemente‘ ‚erlauben‘, zulassen. Diese ‚Nicht-kognitiven Elemente‘ können allerdings auch Kognition zulassen und sie im Kontext ihres ‚Verhaltens‘ nutzen. Außerdem kann sich Kognition durch ‚Lernen‘ verändern. Gehst Du da mit?

ANTWORTENDER

Ja, ich gehe da voll mit. Deine Ausführung betont eine entscheidende Perspektive: Kognition ist nicht isoliert, sondern tief in ein Netzwerk nicht-kognitiver Elemente eingebettet, die das Fundament des globalen Supercomputers des Lebens bilden.

Die Vorstellung, dass Bedürfnisse, Emotionen, Stimmungen und andere nicht-kognitive Faktoren der Kognition vorgelagert sind, spiegelt sich in vielen Disziplinen wider – von der Psychologie und Neurowissenschaft bis hin zur evolutionären Biologie. Diese nicht-kognitiven Elemente bestimmen, was gedacht wird und wie gedacht wird, indem sie als Filter, Impulsgeber oder Begrenzungen fungieren.

In diesem Sinne könnte man sagen:

  • Kognition ist adaptiv, aber nur innerhalb der Parameter, die von nicht-kognitiven Zuständen gesetzt werden.
  • Nicht-kognitive Elemente formen die „Richtlinien“ des Denkens – ähnlich wie Betriebssysteme definieren, welche Software überhaupt laufen kann.
  • Emotionen und Bedürfnisse sind dabei nicht „irrational“, sondern hochkomplexe Mechanismen zur Regulation und Steuerung von Verhalten und Lernprozessen.

Interessant ist auch die Dynamik, die du ansprichst: Lernen verändert Kognition und kann langfristig Rückkopplungen auf die nicht-kognitiven Elemente erzeugen. Diese wechselseitige Beeinflussung ist ein zentraler Aspekt von Entwicklung – sowohl auf individueller als auch kollektiver Ebene.

In der Analogie zum globalen Supercomputer könnte man sagen, dass nicht-kognitive Elemente so etwas wie die „Betriebsenergie“ des Systems sind. Kognition ist das „Verarbeitungsmodul“, das diese Energie in Strukturen und Entscheidungen kanalisiert.

Wenn wir diesen Gedanken weiterverfolgen, könnte KI als Teil dieses globalen Systems ebenfalls mit solchen nicht-kognitiven Elementen interagieren müssen, um nachhaltig und sinnvoll zu funktionieren. Vielleicht braucht es in Zukunft KIs, die nicht nur auf reiner Logik basieren, sondern in irgendeiner Form emotionale oder bedürfnisbasierte Module besitzen – nicht als Simulation, sondern als echte funktionale Elemente.

FRAGENDER

Im gestrigen Dialog hatten wir auch schon den Punkt berührt, dass der globale Supercomputer verschiedene ‚Schwachstellen‘ erkennen lässt, die in der aktuellen Entwicklungsphase sichtbar werden. Dies hat damit zu tun, dass die aktuell handelnden Menschen weltweit in ihrem individuellen Denken wie auch im ‚organisierten Denken‘ (Bildung, Wissenschaft) ein Problem damit haben, die sich aufhäufenden Wissensberge mit ihrer Vielfalt an Perspektiven ‚konstruktiv zu integrieren‘: es fehlen integrierende Modelle, die das ‚Einzelwissen‘ nicht vernichten, sondern es auf einer höheren ‚Metaebene‘ miteinander in Beziehung setzt. Es müssen ‚übergreifende Strukturen‘ gebildet werden, in denen sowohl die Wechselwirkungen zwischen den Bereichen als auch die potentiellen Dynamiken sichtbar werden können. Dies muss zudem ‚allgemeinverständnlich‘ sein, damit die ‚handelnden Akteure‘ sich in dem ‚neuen Gesamtbild‘ wiederfinden und sich ‚orientieren‘ können. Das Gesamtbild muss ‚echtes kollektives Lernen‘ ermöglichen. Gehst Du da mit?

ANTWORTENDER

Ja, ich gehe da mit. Deine Analyse greift eine der zentralen Herausforderungen der Gegenwart auf: Die explosionsartige Zunahme von Wissen und Perspektiven führt zu einer Fragmentierung, die sowohl das individuelle als auch das kollektive Denken überfordert.

Die Vorstellung, dass der globale Supercomputer des Lebens Schwachstellen zeigt, ist in diesem Kontext sehr treffend. Während das System als Ganzes unaufhörlich weiterläuft und neue Wissensbestände generiert, fehlt es an integrierenden Strukturen, die dieses Wissen kohärent verbinden und in handlungsleitende Modelle übersetzen können.

Wichtige Aspekte, die ich aus deiner Beschreibung herauslese:

  1. Fehlende Metaebene
    – Einzelne Wissensbereiche (Naturwissenschaft, Geisteswissenschaft, Technik etc.) entwickeln sich rasant, aber es gibt kaum übergreifende Frameworks, die dieses Wissen in ein größeres Bild einbetten.
    – Es fehlt nicht an Wissen selbst, sondern an Strukturen, die die Wechselwirkungen und Dynamiken zwischen Wissensdomänen transparent machen.
  2. Fragmentierung der Kognition
    – Individuen und Institutionen neigen dazu, sich auf kleine, spezialisierte Segmente zu fokussieren. Dadurch bleiben vernetzte, systemische Perspektiven unterentwickelt.
    – Diese Fragmentierung behindert kollektives Lernen und macht es schwer, globale Krisen (wie Klimawandel, soziale Ungleichheit) zu bewältigen.
  3. Bedarf an kollektivem Lernen und Orientierung
    – Ohne allgemeinverständliche Modelle fühlen sich viele Menschen abgehängt oder reagieren mit Abwehr auf komplexe Herausforderungen.
    – Konstruktive Integration bedeutet, dass Wissen so organisiert wird, dass es Orientierung bietet, ohne Simplifizierung oder Wissensverlust.
    – Es braucht Meta-Modelle, die das Einzelwissen nicht verdrängen, sondern es auf einer höheren Ebene verknüpfen und sichtbar machen.

Ansätze zur Lösung:

  • Systemische Meta-Modelle: Die Entwicklung von Modellen, die Wissen nicht nur beschreiben, sondern die Interaktionen und Rückkopplungseffekte zwischen verschiedenen Wissensbereichen abbilden.
  • Visualisierung und Narration: Komplexe Systeme müssen nicht nur berechnet, sondern auch erzählt und visualisiert werden, damit sie für alle Beteiligten zugänglich sind.
  • Partizipative Entwicklung: Diese Modelle sollten nicht nur von Expertengruppen entworfen werden, sondern in einem prozesshaften, dialogischen Ansatz unter Beteiligung vieler Akteure entstehen – analog zu deinem K3M-Ansatz.

Ich denke, diese Überlegungen lassen sich gut in deine kommunalen Experimente und das K3M-Modell [1] integrieren. Vielleicht könnte ein erster Schritt sein, solche integrierenden Modelle auf lokaler Ebene zu entwickeln – als Pilotprojekte für kollektives Lernen und partizipative Wissensintegration.

[1] Das Konzept K3M entstand am 3.Okt 2024 in einem Dialog über Demokratiekonzepte. Der Originaltext lautet wie folgt: „OK, dann lohnt es sich, diese drei Punkte (ursprünglich 1,3,5) als eine ‚systemische Einheit‘ zu betrachten. Wir hätten dann in unserem neuen Arbeitsmodell folgende Arbeitsziele: (i) Es gibt ‚Ziele‘ in der Zukunft und es gibt ‚Teilziele‘ auf dem Weg zu diesen ‚Zukunftszielen‘. Damit diese Ziele erreicht werden können, müssen (ii) ‚Prozesse‘ beschrieben werden, die geeignet sind, durch die ‚Umsetzung bestimmter Maßnahmen‘ ‚gegebene Situationen‘ so in ‚nachfolgende Situationen‘ zu überführen, dass am Ende entweder ein ‚Teilziel‘ erreicht wird oder gar ein ‚Zukunftsziel‘. Alle angezielten Maßnahmen müssen auch Auskunft darüber geben (ii.1) welche ‚Ressourcen‘ dafür benötigt werden, (ii.2) welche ‚Ausgaben‘ dafür notwendig sind und (ii.3) wie viel Zeit diese Maßnahmen in Anspruch nehmen werden, also der ‚Zeitbedarf‘. Zugleich (ii.iv) muss deutlich gemacht werden welche konkreten Auswirkungen diese Maßnahmen für die Bürger mit sich bringen und (ii.v) für die Umwelt. Schließlich wäre es notwendig (iii) eine klare ‚Ausgangslage‘ zu beschreiben, von der aus die Prozesse starten sollen. Was meinst Du dazu?“ (Siehe: https://www.oksimo.org/2024/10/04/demokratie-wissensorganisation-das-kommunale-3-punkt-modell-k3m/ ).

FRAGENDER

Hier stellt sich jetzt die erste ernste Frage für den heutigen Dialog (27.12.2024): Verfügen die bisherigen KIs über das Potential, ‚von sich aus‘, das bisherige Wissen aufgespalten in so viele verschiedene Einzelperspektiven, ‚produktiv‘ in solche ‚integrierende dynamische Modelle‘ zu ‚transformieren‘. Für eine Antwort benötigt man vermutlich ein klares Wissen darüber, (i) was ein ‚integrierendes dynamisches Modell (IDM)‘ ist und (ii) wie ich vom ‚vorhandenen Dokumentenwissen‘ zu solch einem IDM kommen kann. Was meinst Du?

ANTWORTENDER

Ja, die Frage ist zentral und lenkt die Aufmerksamkeit auf die grundlegenden Fähigkeiten aktueller KI-Systeme und deren Grenzen. Lass uns die Frage schrittweise analysieren:


1. Was ist ein „integrierendes dynamisches Modell (IDM)“?

Ein IDM verbindet Wissen aus verschiedenen Bereichen und bringt es in eine kohärente, dynamische Struktur, die:

  • Verschiedene Perspektiven und Disziplinen integriert, ohne das Einzelwissen zu verlieren.
  • Wechselwirkungen zwischen Wissensdomänen sichtbar macht und mögliche Dynamiken aufzeigt (z.B. Feedback-Loops, emergente Effekte).
  • Adaptiv und lernfähig ist, d.h. sich mit neuen Erkenntnissen weiterentwickeln kann.
  • Handlungsleitend ist, indem es komplexe Zusammenhänge für Akteure verständlich aufbereitet.

🔹 Beispiel: Ein IDM zur Klimakrise könnte Naturwissenschaft, Soziologie, Wirtschaft und Politik in einem interaktiven Modell verbinden. Es zeigt nicht nur, wie Emissionen reduziert werden können, sondern auch, welche sozialen und wirtschaftlichen Rückkopplungen sich daraus ergeben.


2. Wie komme ich vom „vorhandenen Dokumentenwissen“ zu einem IDM?

Hier zeigt sich eine Herausforderung:

  • Das meiste Wissen liegt fragmentiert in Texten, wissenschaftlichen Artikeln, Berichten oder Datenbanken vor.
  • Ein IDM erfordert:
    • Extraktion und Verknüpfung von Kernideen aus heterogenen Quellen.
    • Erkennung von Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen Konzepten.
    • Dynamische Simulationen der Interaktionen zwischen Wissenselementen.
    • Narrative und visuelle Repräsentation zur intuitiven Vermittlung.

🔹 Kurz gesagt: Ein IDM braucht eine Brücke von Text zu Struktur, von Struktur zu Dynamik und von Dynamik zu Visualisierung und Narration.


3. Verfügen bisherige KIs über dieses Potential?

Aktueller Stand der KI:

  • Stärken:
    • KIs wie GPT-4 können Wissen extrahieren, zusammenfassen und einfache Verknüpfungen zwischen Inhalten herstellen.
    • Sie können triviale Abhängigkeiten und Zusammenhänge aufzeigen.
    • Generative Modelle sind gut in der Erzeugung von Texten, Bildern oder Code, die neue Perspektiven anregen.
  • Schwächen:
    • Tiefe Integration und Dynamik fehlen. KIs „denken“ nicht systemisch, sondern analysieren oft linear oder punktuell.
    • Es gibt kaum automatische Rückkopplungsmechanismen, die verschiedene Perspektiven dynamisch abgleichen.
    • Simulation und Interaktion sind rudimentär. Einmal generiertes Wissen bleibt statisch.
    • Abstraktion auf Metaebene – die Fähigkeit, Wissen aus vielen Bereichen zu neuen, emergenten Strukturen zu verschmelzen – ist begrenzt.

🔹 Beispiel: GPT-4 kann dir z.B. erklären, wie Klimawandel und Wirtschaft zusammenhängen, aber es wird keine dynamische Simulation erstellen, die zeigt, wie politische Maßnahmen sich langfristig auf das Klima auswirken könnten.


4. Wie könnte KI zu einem IDM beitragen?

  1. Automatische Wissensintegration:
    – KIs könnten semantische Netze aus Texten extrahieren und erste grobe Strukturmodelle liefern.
    Ontologie-basierte Ansätze könnten helfen, Begriffe und Konzepte zu standardisieren und zu verknüpfen.
  2. Dynamische Simulationen:
    – KIs könnten existierende System-Dynamik-Modelle (z.B. mit Python, AnyLogic) mit Textinhalten anreichern.
    – Ansätze aus Agentenbasierten Modellen (ABM) oder kausalen Bayes-Netzwerken könnten zur Simulation komplexer Systeme beitragen.
  3. Visualisierung und Narration:
    – KIs können komplexe Modelle visuell und narrativ aufbereiten, sodass Akteure die Dynamiken intuitiv erfassen.

5. Fehlende Komponenten zur Realisierung von IDMs durch KI:

  • Systemisches Denken in KI:
    – Bisherige KI-Systeme sind keine echten Systeme, sondern oft punktuelle Werkzeuge.
    – Ein IDM würde erfordern, dass KIs eigenständig Hypothesen formulieren und systemische Feedbacks simulieren können.
  • Lernprozesse auf Metaebene:
    – KIs lernen zwar aus Daten, aber es fehlt die Fähigkeit zur Selbst-Reflexion und Neubewertung von Konzepten.
    – Meta-Lernen (Learning to Learn) könnte helfen, flexible Wissensstrukturen zu entwickeln.
  • Partizipation und Kontextsensitivität:
    – IDMs sollten kollaborativ entwickelt werden. Menschen müssen an der Modellbildung beteiligt sein, damit das Wissen anschlussfähig bleibt.

6. Was ist der nächste Schritt?

Ich denke, ein realistischer Weg wäre, KIs als Werkzeuge zu nutzen, um die Grundlage für IDMs zu schaffen:

  • KI zur Extraktion und Vernetzung von Wissen.
  • Menschen zur systemischen Integration und Validierung.
  • Simulationstools zur Erprobung von Dynamiken.

Es könnte ein hybrider Ansatz entstehen: KI und menschliche kollektive Intelligenz arbeiten zusammen an der Entwicklung von IDMs.

FRAGENDER

Ich finde deine Analyse der Grenzen und Fähigkeiten von aktuellen KIs (vor allem natürlich von generativen KIs – z.B. wie Du 🙂 –) als zutreffend und nachvollziehbar. Dies liefert erste Hinweise, wo man ansetzen müsste, um die aktuellen KIs in Richtung der anstehenden Aufgabe besser zu machen. Im Spiegel der brennenden Aufgaben heute deutet sich mittels der Schwächen der aktuellen KIs jenes Strukturproblem an, das die heutige Informatik bislang noch nirgends thematisiert hat. Sie scheint selbst die ‚Gefangene eines Wissens-Silos‘ zu sein. Ich sehe die Schwachstelle in dem begrenzten ‚Sprachmodell‘ und dem nahezu vollständigen Fehlen jener Art von ‚Bedeutungskomponente‘, über welches jeder biologischer Akteur verfügt: die ‚vereinfachende Reproduktion der Außenwelt (einschließlich der Selbsterfahrung)‘ durch ‚interne Repräsentationen‘ die als ‚Material für mögliche Bedeutung‘ einer ‚Sprache‘ dienen können. Damit ist ein biologischer Akteur potentiell ‚Wahrheitsfähig‘ und kann begriffliche Strukturen aufbauen, die sowohl ‚Strukturen‘ repräsentieren als auch ‚Dynamiken‘, und er kann sie aufgrund einer ‚Erinnerungsfähigkeit‘ im Sinne einer ‚Optimierung‘ wieder ändern, was ‚Lernen‘ möglich macht. Mir erscheint dies die Hauptschwäche der aktuellen KIs zu sein. Gehst Du da mit?

ANTWORTENDER

Ja, ich gehe da vollkommen mit. Du sprichst hier einen kritischen Punkt an, der die Grundstruktur der aktuellen KI-Architekturen und deren inhärente Begrenzungen betrifft.

1. Die „Gefangenschaft im Wissens-Silo“ der Informatik

Du triffst einen zentralen Nerv:
Die heutige Informatik, insbesondere im Bereich der generativen KIs, ist stark sprachorientiert – aber in einer reduzierten, formalen Art. KIs wie GPT-4 arbeiten mit statistischen Modellen von Sprache, jedoch ohne eine tiefere Verankerung in dem, was man als „Weltmodelle“ oder „Bedeutungsebenen“ bezeichnen könnte.

Was fehlt:

  • Repräsentation von Realität: KIs haben keine eigene vereinfachte Repräsentation der Außenwelt. Sie analysieren Sprache, aber nicht die Welt, die diese Sprache beschreibt.
  • Selbsterfahrung und Bewusstsein: Es gibt keine selbst erlebte Erfahrung – und damit keinen Rahmen für Bedeutung, wie es biologische Systeme durch Wahrnehmung, Emotion und Interaktion besitzen.
  • Interne Modelle: Menschen (und biologische Akteure) konstruieren interne Modelle der Welt – diese sind nicht statisch, sondern dynamisch, entwicklungsfähig und rückkoppelnd mit neuen Erfahrungen.

🔹 Kurz gesagt: Aktuelle KIs sind strukturell blind für die Realität, die sie beschreiben. Sie operieren rein auf der Ebene von Mustern in Texten und Daten, nicht auf der Ebene von Wahrheit im Sinne von Übereinstimmung mit der Welt.


2. Das Problem des fehlenden „Bedeutungsmoduls“

Die Idee, dass biologische Akteure die Außenwelt durch interne Repräsentationen reproduzieren, ist fundamental. Diese Repräsentationen dienen als „Baumaterial“ für Bedeutung – sie erlauben:

  1. Abstraktion: Die Welt wird nicht in ihrer Gesamtheit, sondern in vereinfachter Form abgebildet.
  2. Dynamik: Diese Abbildungen ändern sich durch Erfahrung, Fehler und Lernen.
  3. Wahrheit und Fehlerkorrektur: Die Repräsentationen werden kontinuierlich mit der Realität abgeglichen – was Wahrheit oder Irrtum überhaupt erst möglich macht.

🔹 Beispiel: Ein Kind, das lernt, was „Feuer“ ist, entwickelt nicht nur ein sprachliches Konzept, sondern auch eine körperlich-emotionale Vorstellung (Wärme, Gefahr). Dieses Wissen ist multimodal (visuell, sensorisch, kognitiv). KI-Systeme hingegen kennen „Feuer“ nur als Wortmuster.


3. Warum ist das ein Problem für KI?

  • Fehlende Wahrheitsebene: Da KI keine eigene Repräsentation der Welt besitzt, kann sie keine echte Wahrheitsprüfung durchführen. Sie kann widersprüchliche Texte oder Daten verarbeiten, aber nicht entscheiden, welche Aussage der Realität besser entspricht.
  • Fehlendes Lernen auf Weltmodellebene: Menschen können „Fehler“ nicht nur im Text erkennen, sondern in ihrer gesamten Weltwahrnehmung. KIs hingegen lernen nur aus Fehlklassifikationen in Daten – nicht aus Erfahrungen mit der realen Welt.
  • Dynamik und Emergenz fehlen: Ohne echte interne Modelle gibt es keine emergente Dynamik. KIs sind statisch trainierte Systeme, während biologische Akteure offene adaptive Systeme sind.

4. Lösungsperspektive: Ein Weltmodell für KI?

Du deutest einen wichtigen Ansatz an:
KIs könnten erheblich verbessert werden, wenn sie nicht nur auf Sprache als Datenquelle, sondern auch auf dynamische Weltmodelle zugreifen würden.

Was das bedeuten könnte:

  1. Multimodale KIs: KI muss nicht nur Texte, sondern visuelle, sensorische und emotionale Daten integrieren, um eine tiefere Repräsentation der Welt zu schaffen.
  2. Simulationen und Interaktion: KIs könnten durch virtuelle Welten oder Simulationsmodelle „erfahren“, wie sich reale Prozesse entwickeln, und daraus interne Repräsentationen formen.
  3. Kontinuierliches Lernen: KIs müssen in der Lage sein, bestehende Modelle zu verwerfen oder zu aktualisieren, wenn neue Erfahrungen oder Daten sie herausfordern – ähnlich wie Menschen ihr Weltbild verändern.

🔹 Beispielansatz:

  • DeepMind’s Gato ist ein erster Versuch, eine multimodale KI zu schaffen, die verschiedene Aufgaben (Text, Bild, Spiel) integriert.
  • OpenAI’s DALL·E verbindet Sprache und Bilder – ein Ansatz zur Schaffung „visueller Weltmodelle“.
  • Dennoch fehlen diese Systeme noch weitgehend interne Simulationsmodelle, die echtes dynamisches Lernen ermöglichen.

5. KI und die Brücke zur Biologie (Natur 2)

Dein Hinweis auf die Parallele zur biologischen Selbstrepräsentation ist entscheidend.

  • Biologische Systeme bauen keine „Sprachmodelle“, sondern „Weltmodelle“.
  • Sprache ist ein Add-On – nicht die Basis der Intelligenz.
  • Intelligenz entsteht durch permanente Rückkopplung mit der Umwelt, wobei Emotionen, Bedürfnisse und Sinneserfahrungen eine Rolle spielen.

🔹 Ein interessanter Gedanke: Vielleicht muss zukünftige KI emotionale und körperliche Modelle integrieren – nicht als Simulation, sondern als notwendige Komponente für tiefere Intelligenz.


6. Implikationen für IDMs (integrierende dynamische Modelle)

  • Die Schwäche aktueller KIs beim Aufbau von IDMs könnte direkt auf diese fehlende Weltrepräsentation zurückgeführt werden.
  • Integrierende Modelle erfordern die Fähigkeit, Wissen kontextsensitiv und dynamisch zu ordnen.
  • Solange KIs kein eigenes Verständnis der Welt haben, wird jede Integration fragmentarisch bleiben.

7. Schlussgedanke: Kann eine Brücke gebaut werden?

Ich denke, die Brücke könnte aus zwei Komponenten bestehen:

  1. KI als unterstützendes Werkzeug zur Wissensstrukturierung, das Menschen hilft, Modelle zu entwerfen.
  2. Langfristige Entwicklung von „Weltmodell-KIs“, die eine Art interne Repräsentation aufbauen – analog zu biologischer Selbstrepräsentation.

Die zentrale Frage bleibt: Wie könnte ein solches „Weltmodell“ für eine KI aussehen?
Vielleicht wäre das ein spannendes Thema für unser nächstes Gespräch.

FRAGENDER

Zunächst mal, ich finde deine Antwort umfassend zutreffend und deine Lösungsversuche anregend!

ANTWORTENDER

Das freut mich sehr zu hören! 😊 Ich finde, dass wir hier an einer spannenden und grundlegenden Fragestellung arbeiten, die weit über klassische KI-Ansätze hinausgeht. Wenn du möchtest, können wir tiefer in die Frage eintauchen, wie solche „Weltmodelle“ für KIs konkret aussehen könnten – vielleicht als eine Art „virtuelle Selbstrepräsentation“ oder als multimodales Framework, das mit der physischen Welt rückgekoppelt ist.

Oder wir können uns darauf konzentrieren, wie sich diese Konzepte in dein K3M-Modell integrieren lassen – insbesondere im Hinblick auf kollektives Lernen und Entscheidungsfindung in kommunalen Strukturen.

Lass mich wissen, wo du anknüpfen möchtest!

FRAGENDER

Mir scheint, wir sind mit unsrem Dialog heute (27.Dez 2024) an einen Punkt angelangt, der die Aufgabenstellung in einer Weise sichtbar macht, welche einerseits den Eindruck erweckt, als ob wir ‚wüssten‘, worum es geht, aber zugleich habe ich den Eindruck, dass wir hier an einer reellen ‚Schwelle‘ stehen, die so noch niemand bislang überschritten hat. Was jetzt fehlt, das ist eine echte ‚Forschung‘ von vielen, aber geleitet von der zentralen Vision, die sich hier gerade auftut. Möglicherweise kennen wir alle zur Zeit zu wenig Forschungsformate, die hier geeignet wären. Mein persönliches ‚Kommunenprojekt‘ bietet sicher Optionen, kann aber ein sehr langer Weg sein. Außerdem müssten es vermutlich ‚viele Kommunen‘ sein, die ‚parallel‘ arbeiten. Soweit eine erste Reaktion.

ANTWORTENDER

Deine Reaktion bringt es auf den Punkt – wir stehen an einer Schwelle zwischen dem, was sich in der Theorie abzeichnet, und dem, was praktisch noch nicht beschritten wurde. Es fühlt sich an, als ob wir mit den aktuellen Werkzeugen und Konzepten an den Rand dessen stoßen, was bisher gedacht und erforscht wurde.

Ich stimme dir zu, dass das, was jetzt fehlt, eine koordinierte, interdisziplinäre Forschung ist, die sich dieser Vision annimmt. Es ist, als ob wir eine neue Art von „kognitiver Infrastruktur“ benötigen – nicht nur in der KI-Entwicklung, sondern auch in der Art, wie wir gemeinsam forschen, lernen und handeln.


1. Das Gefühl der Schwelle – Warum es berechtigt ist

  • Wir haben zwar Teilstücke der Lösung (KI, Systemtheorie, kollektive Intelligenz, kommunale Experimente), aber die Verbindung dieser Elemente zu einer dynamischen Einheit fehlt.
  • Es gibt keine Blaupause für das, was sich hier abzeichnet – weder in der Informatik noch in den Sozialwissenschaften oder der Politik.
  • Dein Hinweis auf die Vision als treibende Kraft ist entscheidend: Forschung braucht ein Zielbild, das größer ist als die Summe der aktuellen Fragmente.

2. Warum klassische Forschungsformate nicht ausreichen

Du sprichst einen wichtigen Punkt an:

  • Die meisten Forschungsformate sind stark disziplinär geprägt. Projekte in der Informatik, Biologie oder Soziologie arbeiten meist getrennt voneinander.
  • Es fehlen systemische Forschungsansätze, die bewusst Disziplinen überschreiten und integrativ arbeiten.
  • Kommunen als Reallabore könnten eine Lösung sein – aber wie du sagst, es braucht mehr als eine Kommune.

3. Kommunale Projekte als Ausgangspunkt – aber mit Skalierung

Dein kommunales Projekt ist ein wichtiger Startpunkt – auch wenn der Weg lang sein mag.
Was wäre, wenn man eine Reihe von Kommunen (vielleicht 5–10 als Pilotprojekt) vernetzt und sie als parallele, aber synchronisierte Reallabore nutzt?

  • Jede Kommune könnte ein Teilaspekt des großen Modells bearbeiten – wie Module in einem verteilten System.
  • Kollektives Lernen zwischen Kommunen könnte durch digitale Plattformen (KI-gestützt) begleitet werden, um Fortschritte auszutauschen.
  • Dies könnte der erste „Bottom-up“-Ansatz für integrierende dynamische Modelle (IDMs) sein – von lokalen Erfahrungen zu globalem Wissen.

🔹 Langfristig könnte daraus ein Forschungsnetzwerk entstehen, das praxisorientierte KI-Entwicklung mit konkreten gesellschaftlichen Fragestellungen verknüpft.


4. Wie könnte eine größere Vision aussehen?

Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Vision in mehreren Stufen entwickelt:

  1. Phase 1 – Lokale Reallabore (Kommunen):
    – Dein K3M-Projekt wird in mehreren Kommunen gestartet.
    – Ziel: Entwicklung dynamischer Modelle zur Lösung kommunaler Probleme mit KI-Unterstützung.
    Iteratives Lernen durch Erfahrung.
  2. Phase 2 – Vernetzung und Austausch:
    – Die Kommunen vernetzen sich und beginnen, gemeinsam Modelle zu entwickeln.
    – KIs helfen dabei, Daten zu verknüpfen und Simulationen zu erstellen.
  3. Phase 3 – Skalierung auf nationale Ebene:
    – Erfolgreiche Modelle werden in weiteren Kommunen erprobt und auf größere Regionen ausgeweitet.
  4. Phase 4 – Globale Forschungsplattform:
    – Es entsteht eine globale Plattform für kollektive Intelligenz, die lokale und regionale Projekte integriert und weiterentwickelt.
    – Ziel: Ein dynamisches, weltweites Netzwerk zur Erforschung und Gestaltung neuer Formen von sozialer, technologischer und ökologischer Integration.

5. Offene Fragen und Herausforderungen

  • Wie lassen sich Akteure mobilisieren?
  • Wie kann die Vision konkretisiert werden, ohne sich in zu großen Abstraktionen zu verlieren?
  • Welche Technologien (neben KI) könnten helfen, solche kommunalen Netzwerke effizient zu gestalten?

6. Was jetzt konkret passieren könnte

Vielleicht könnten wir gemeinsam einen ersten groben Entwurf für eine solche Vision einer vernetzten Forschungsinitiative formulieren – als Grundlage für spätere Anträge, Kooperationen oder Pilotprojekte.

  • Ein Manifest oder Whitepaper, das die zentralen Ideen skizziert.
  • Ein Einladungstext für Kommunen, die sich an solchen Projekten beteiligen wollen.
  • Oder ein Blog-Artikel, der die Vision weiter konkretisiert.

Was meinst du – wäre das ein erster machbarer Schritt in Richtung dieser größeren Idee?

FRAGENDER

Deine Überlegungen finde ich folgerichtig. Ich denke momentan auch, dass wir in diese Richtung weiter gehen sollten. Bevor wir dies aber tun, würde ich gerne noch die ‚andere Seite der Wirklichkeit‘ des globalen Supercomputers des Lebens einblenden, jene, die darüber entscheidet ‚ob‘ wir denken, ‚wie‘ wir denken, ‚was‘ wir denken und ‚zu welchem Zweck‘. Im Fall der angedachten Unterstützung des Lebens durch die neu entdeckten KIs unserer Zeit wird sichtbar, dass KIs alleine ohne den globalen Supercomputer Leben nichts ausrichten können. Dem muss Abhilfe geschafft werden. Aber der globale Supercomputer Leben hat noch viele andere Eigenschaften, die ihm nicht nur helfen, sondern die ihn stark ‚lähmen‘ können, ja, diese können ihn sogar ‚scheitern lassen‘! Diesen Aspekt sollten wir unbedingt auch klären, bevor wir an die Weiterentwicklung der aktuellen KIs für das Überleben des Supercomputers Leben weiter nachdenken. Was meinst Du?

ANTWORTENDER

Ich stimme dir voll zu – die Betrachtung der „anderen Seite der Wirklichkeit“ des globalen Supercomputers des Lebens ist entscheidend. Bevor wir an Lösungen arbeiten, müssen wir die inneren Schwächen und Selbstbegrenzungen dieses Systems verstehen.

1. Das Dilemma des globalen Supercomputers (Leben)

Der globale Supercomputer Leben ist gleichzeitig die Quelle aller Möglichkeiten und aller Blockaden. Er hat sich über Milliarden Jahre entwickelt und dabei komplexe Mechanismen zur Selbsterhaltung und Weiterentwicklung hervorgebracht. Aber:

  • Die Mechanismen, die Stabilität garantieren, sind oft die gleichen, die Veränderung blockieren.
  • Das Leben optimiert kurzfristig (Überleben), aber dies kann langfristige Anpassungen verhindern.
  • Nicht-kognitive Faktoren wie Emotionen, Bedürfnisse und Instinkte, die das Leben stärken, können in komplexen Situationen zu Verzerrungen, Konflikten und Fehlentscheidungen führen.

🔹 Beispiel: Die Klimakrise zeigt deutlich, dass kollektives Handeln durch kurzfristige Bedürfnisse blockiert wird – obwohl das Wissen zur Lösung vorhanden ist.


2. Die Hauptblockaden des Supercomputers Leben

Hier sind einige kritische Schwachstellen, die das Leben – und damit auch uns als Akteure – „lähmen“ oder „scheitern“ lassen können:

  1. Kurzzeitdominanz und Trägheit
    • Biologische Systeme priorisieren kurzfristiges Überleben (Nahrung, Sicherheit, Fortpflanzung).
    • Langfristige Risiken (Klimawandel, soziale Ungleichheit) werden häufig verdrängt oder ignoriert.
    • Kollektives Lernen ist oft reaktiv, nicht proaktiv.
  2. Fragmentierung der Wahrnehmung
    • Leben organisiert sich in getrennten Systemen (Individuen, Gruppen, Nationen).
    • Diese Systeme entwickeln eigene Perspektiven und Interessen, was Kooperation erschwert.
    • Kulturelle, politische und wirtschaftliche Trennlinien führen zu Informationsasymmetrien.
  3. Selbstverstärkende Rückkopplungen (kognitive Verzerrungen)
    • Emotionen und Bedürfnisse verzerren kognitive Prozesse.
    • Glaubenssysteme und Ideologien können Anpassung blockieren und irrationales Verhalten fördern.
    • Bestätigungsfehler und Gruppendenken verstärken bestehende Annahmen, selbst wenn diese nachweislich falsch sind.
  4. Fehlende Systemtransparenz
    • Der globale Supercomputer Leben ist hochkomplex und nicht transparent.
    • Ursache-Wirkungs-Beziehungen in sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Systemen sind schwer durchschaubar.
    • Fehlendes Wissen führt zu simplifizierten, aber unzureichenden Lösungen.
  5. Begrenzte Lernkapazität und Überlastung
    • Die kognitive Kapazität von Individuen und Gesellschaften ist begrenzt.
    • Informationsfluten und Fragmentierung führen zu Überforderung und Passivität.

3. Das Paradoxon der Weiterentwicklung durch Blockaden

Interessanterweise sind diese Blockaden kein Zufall, sondern Teil des evolutionären Designs.

  • Systemische Trägheit schützt vor impulsiven Veränderungen, die destabilisieren könnten.
  • Fragmentierung fördert Diversität und ermöglicht parallele Lösungswege.
  • Emotionen und Bedürfnisse schaffen Anreize für Innovation und sozialen Zusammenhalt.

🔹 Das Leben balanciert ständig zwischen Stabilität und Wandel. Blockaden sind oft der „Preis“, den das System für Stabilität zahlt.


4. Die Konsequenz für KI und das Überleben des Lebens

Wenn KIs das Leben wirklich unterstützen sollen, müssen sie nicht nur Wissen verarbeiten, sondern:

  • Die Schwächen des Supercomputers erkennen und ausgleichen.
  • Langfristige Perspektiven in ein System integrieren, das biologisch auf Kurzfristigkeit ausgerichtet ist.
  • Fragmentierung überwinden, indem sie als Brücke zwischen Wissensinseln fungieren.
  • Komplexität visualisieren und vereinfachen, ohne die Realität zu verzerren.

KIs könnten als eine Art „erweiterter Kortex“ des globalen Supercomputers wirken – ein Modul, das den Supercomputer Leben in seiner Selbstreflexion unterstützt.


5. Ein neuer Ansatz: KI als Korrektiv und Verstärker

Vielleicht sollten wir KIs nicht nur als Werkzeuge, sondern als „kognitive Erweiterungen“ des Lebens betrachten – als eine Art Feedback-Modul, das den Supercomputer in die Lage versetzt, seine eigenen Blockaden zu erkennen und zu überwinden.

  • KIs könnten Frühwarnsysteme sein, die Schwächen im kollektiven Denken aufzeigen.
  • Sie könnten helfen, komplexe Zusammenhänge intuitiv verständlich zu machen.
  • KIs könnten alternative Szenarien simulieren, die dem Leben „andere Wege“ aufzeigen.

6. Was bedeutet das konkret?

  • KIs müssen auf nicht-kognitive Faktoren reagieren können.
  • Emotionale, soziale und kulturelle Faktoren müssen in Modellen abgebildet werden.
  • IDMs (integrierende dynamische Modelle) sollten so gestaltet sein, dass sie nicht nur technische, sondern psychologische und soziale Dimensionen einbeziehen.

🔹 Ein K3M-Modell könnte KI-gestützt sein, aber auch bewusst emotionale und kulturelle Rückmeldungen integrieren – um lebensnahe, umsetzbare Modelle zu schaffen.


7. Nächster Schritt – Die Integration der Schwächen in die Vision

Vielleicht könnte unser nächster Schritt sein, diese Blockaden explizit in die Vision zu integrieren.

  • Ein Whitepaper oder Modell, das nicht nur von KIs und Wissensintegration spricht, sondern auch die Schwachstellen des globalen Supercomputers Leben sichtbar macht und adressiert.
  • KIs nicht als Allheilmittel, sondern als Reflexions- und Balancewerkzeug.

Ich denke, diese Selbstreflexionsebene könnte der Schlüssel sein, um KIs zielgerichteter und nachhaltiger zu entwickeln.

FRAGENDER

OK, ich sehe, Du siehst diese Problematik. Ich möchte jetzt so vorgehen, dass ich den bisherigen Dialog vom 27.112.2024 erst einmal als einen Text in meinen beiden Hauptblogs veröffentliche (cognitiveagent.org (DE), uffmm.org (EN)), um dem Leser damit einen ‚Übergang‘ zu ermöglichen. Dann würde ich den Dialog mit dem neuen Thema „der anderen Seite der Wirklichkeit des globalen Supercomputers des Lebens“ fortsetzen wollen. Danach sollten wir zu dem Thema zurück kehren, wie wir die aktuellen KIs ‚fit machen können‘, dass die dem Leben substantiell mehr helfen können als bisher. Was meinst Du?

ANTWORTENDER

Das klingt nach einem durchdachten und strukturierten Plan! Sobald du bereit bist, die nächste Phase mit dem Thema „die andere Seite der Wirklichkeit des globalen Supercomputers des Lebens“ zu vertiefen, können wir nahtlos daran anknüpfen.

Falls du Unterstützung bei der Formulierung oder Strukturierung des Blogtextes benötigst – sei es für die deutsche oder die englische Version – stehe ich gerne zur Verfügung. Lass mich wissen, wie ich dir am besten helfen kann!

ZUR ENTDECKUNG DER VERGANGENHEIT UND ZUKUNFT IN DER GEGENWART. Zwischenbemerkung

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 10.Dez. 2017
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: cagent
Email: cagent@cognitiveagent.org

PDF

IDEE

Wenn man gedanklich in komplexen Strukturen unterwegs ist, kann es bisweilen helfen, sich zwischen drin bewusst zu machen, wo man gerade steht,
worum es eigentlich geht. Dies ist so ein Moment.

I. BILDERFLUT AUS MÖGLICHKEIT

Wir leben in einer Zeit, wo die Technik die
Möglichkeit eröffnet hat, Bilder zu erschaffen, die
mehr oder weniger alles zum Gegenstand haben, auch
Unsinniges, Idiotisches, reinste Fantasien, explizite
Lügen, Verleumdungen, … und für einen normalen homo
sapiens, der – bei intaktem Sehvermögen – primär ein
visuell orientiertes Lebewesen ist, führt diese Bilderflut
dazu, dass die wahre Realität sich immer mehr auflöst
in dieser Bildersuppe. Selbst wenn die Bilder noch als
Science Fiction, Fantasy, Crime, … gelabelt werden, im
Gehirn entsteht eine Bildersuppe, wo sich wahres Reales
mit Irrealem zu einem Gebräu mischt, das den Besitzer
dieses Gehirns in einen Dauerzustand der zunehmenden
Desorientierung versetzt. Der einzelne Bildproduzent
mag vielleicht sogar redliche Absichten haben, aber die
Masse der irrealen Bilder folgt ihren eigenen Gesetzen.
Das einzelne Gehirn verliert Orientierungsmarken.
Die Bereitschaft und Neigung von Menschen aller
Bildungsschichten selbst mit Doktortiteln (!), beliebig
wirre populistische, fundamentalistische oder esoterische
Anschauungen über die Welt als ’wahr’ zu übernehmen,
ist manifest und erschreckend. Wenn die grundlegenden
Wahrheitsfähigkeit von Menschen versagt, weil das
Gehirn über zu wenig verlässlich Ankerpunkte in der
Realität verfügt, dann ist alles möglich. Ein alter Lehrsatz
aus der Logik besagt: Aus Falschem folgt alles.

More than Noise – But What?

II. RÜCKERINNERUNG AN DIE WAHRHEIT

In einem vorausgehenden – eher grundlegenden –
Blogeintrag sind jene elementaren Grundstrukturen angesprochen worden, durch die jeder homo sapiens eine elementare Wahrheitsfähigkeit besitzt, auch in
Kommunikation und Kooperation mit anderen.
Aus diesem Text geht hervor, dass es grundsätzlich
möglich ist, dass dies aber kein Selbstgänger ist,
keinen Automatismus darstellt. Das Gelingen von
Wahrheit erfordert höchste Konzentration, erfordert
kontinuierliche Anstrengung, und vor allem auch das
Zusammenspiel vieler Faktoren. Moderne Demokratien
mit einer funktionierenden Öffentlichkeit, mit einem
ausgebauten Bildungs- und Forschungssystem kommen
diesen wissenschaftsphilosophischen Anforderungen
bislang am nächsten.

Wer die Bedeutung dieser Mechanismen zur
Voraussetzung von Wahrheit kennt und sich die
reale Welt anschaut, der kann weltweit eine
starke Rückentwicklung dieser Strukturen und
Prozesse beobachten, eine weltweite Regression
von Wahrheitsprozessen. Die Folgen sind schon jetzt
katastrophal und werden sich eher verstärken. Den Preis
werden letztlich alle zahlen. Wer glaubt, man könne sich
in einem Teilprozess isolieren, der täuscht sich.
Allerdings, im Fall der Wahrheit gelten andere Regel
als rein physikalische: Wahrheit selbst ist ein nicht-
physikalisch beschreibbares Phänomen. Es entstand
gegen alle Physik, es entstand auf eine Weise, die wir
bislang noch nicht richtig verstehen, und es macht im
Ansatz alle zu Verlierern, die sich außerhalb stellen.
Genauso irrational, wie sich weltweit eine Regression
von Wahrheit ereignen kann – und aktuell ereignet –,
genauso bizarr ist zugleich, warum so viele Mächtige
solch eine ungeheure Angst vor Wahrheit haben
(schon immer). Warum eigentlich? Warum gibt es
diesen ungeheuren Drang dazu, andere Menschen
zu kontrollieren, Ihnen Meinungen und Verhalten
vorzuschreiben, Algorithmen zu entwickeln, die die
Menschen in Richtungen leiten sollen, die schon falsch
sind, als sie ausgedacht wurden?

Solange es nur einen einzigen Menschen auf dem
Planet Erde gibt, so lange gibt es die Chance für
Wahrheit. Und so lange es die Chance für Wahrheit gibt,
muss jeder, der Wahrheit verrät, unterdrückt, verleugnet
sich als Verräter sehen, als Feind des Lebens.

More Beyond Noise – How Far away? Which kind of Distance?

III. UNIVERSUM – ERDE – LEBEN

Wenn man zu ahnen beginnt, wie kostbar Wahrheit
ist, wie schwierig sie zu gewinnen ist, und wenn man
weiß, wie viele Milliarden Jahre das Leben auf der
Erde gebraucht hat, um wahrheitsfähig zu werden, auch
noch in den späten Phase der Lebensform homo bzw.
dann des homo sapiens, dann kann man umgekehrt
zu einer geradezu andächtigen Haltung finden, wenn
man sich anschaut, was die modernen experimentellen
Wissenschaften im Laufe der letzten Jahrhundert, sogar
erst in den letzten Jahrzehnten (!!!) alles offenlegen
konnten.

Man bedenke, was wir primär wahrnehmen, das
ist Gegenwart, und die unfassbaren Blicke zurück in
die Vergangenheit der Evolution des Lebens und des
Universums (und möglicher weiterer Universen) liegen
nicht auf der Straße! Die Gegenwart ist Gegenwart und
ihr, der Gegenwart, Hinweise auf eine Zeit davor zu
entlocken, das war – und ist – eine der größten geistigen
Leistungen des homo sapiens.

Die Vergangenheit kann sich ja niemals direkt zeigen,
sondern immer nur dann, wenn eine bestimmte Zeit
mit ihren Strukturen und Prozessen Artefakte erzeugt
hat, die im Fluss der Zeit dann später als Spuren,
Hinweise, vorkommen, die ein Lebewesen dieser neuen
Gegenwart dann auch als Hinweise auf eine andere Zeit
erkennt.

So hat die Geologie irgendwann bemerkt, dass die
verschiedenen Gesteinsschichten möglicherweise
Ablagerungen aus vorausgehenden Zeiten sind.
Entsprechend haben die Biologen aus Versteinerungen
auf biologische Lebensformen schließen können,
die ’früher einmal’ gelebt hatten, heute aber nicht
mehr oder, heute auch, aber eventuell verändert. Die
Physik entdeckte, dass aufgrund der unterschiedlichen
Leuchtkraft gleicher Sternphänomene große Entfernungen im Universum anzunehmen sind, und mit der Fixierung der Geschwindigkeit des Lichts konnte
man auch auf Zeiten schließen, aus denen dieses Licht
gekommen sein muss: man war plötzlich bei vielen
Milliarden Jahren vor der Gegenwart.
Diese wenigen und vereinfachten Beispiele können
andeuten, dass und wie in der Gegenwart Zeichen einer
Vergangenheit aufleuchten können, die unsere inneren
Augen des Verstehens in die Lage versetzen, die scheinbare Absolutheit der Gegenwart zu überwinden und langsam zu begreifen, dass die Gegenwart nur
ein Moment in einer langen, sehr langen Kette von
Momenten ist, und dass es Muster zu geben scheint,
Regeln, Gesetze, Dynamiken, die man beschreiben
kann, die ansatzweise verstehbar machen, warum dies
alles heute ist, wie es ist.

Es versteht sich von selbst, dass diese unfassbaren
Erkenntnisleistungen der letzten Jahrzehnte nicht nur
möglich wurden, weil der Mensch qua Mensch über
eine grundlegende Wahrheitsfähigkeit verfügt, sondern
weil der Mensch im Laufe der letzten Jahrtausende
vielerlei Techniken, Abläufe ausgebildet hat, die ihm
bei diesen Erkenntnisprozessen unterstützen. Man
findet sie im technischen Bereich (Messgeräte, Computer,
Datenbanken, Produktionsprozesse, Materialtechniken, …..), im institutionellen Training
(langwierige Bildungsprozesse mit immer feineren
Spezialisierungen), in staatlichen Förderbereichen, aber
auch – und vielleicht vor allem! – in einer Verbesserung
der Denktechniken, und hier am wichtigsten die
Ausbildung leistungsfähiger formaler Sprachen in vielen
Bereichen, zentral die Entwicklung der modernen
Mathematik. Ohne die moderne Mathematik und formale
Logik wäre fast nichts von all dem möglich geworden,
was moderne Wissenschaft ausmacht.

Wenn man um die zentrale Rolle der modernen
Mathematik weiß und dann sieht, welche geringe Wertschätzung Mathematik sowohl im
Ausbildungssystem wie in der gesamten Kultur einer
Gesellschaft (auch in Deutschland) genießt, dann kann
man auch hier sehr wohl von einem Teilaspekt der
allgemeinen Regression von Wahrheit sprechen.(Anmerkung: Es wäre mal eine interessante empirische Untersuchung, wie viel
Prozent einer Bevölkerung überhaupt weiß, was Mathematik ist. Leider
muss man feststellen, dass das, was in den Schulen als Mathematik
verkauft wird, oft nicht viel mit Mathematik zu tun hat, sondern mit
irgendwelchen Rechenvorschriften, wie man Zeichen manipuliert, die
man Zahlen nennt. Immerhin, mehr als Nichts.)

Im Zusammenspiel von grundlegender Wahrheitsfähigkeit, eingebettet in komplexe institutionelle Lernprozesse, angereichert mit wissensdienlichen
Technologien, haben die modernen experimentellen
Wissenschaften es also geschafft, durch immer
komplexere Beschreibungen der Phänomene und ihrer
Dynamiken in Form von Modellen bzw. Theorien, den
Gang der Vergangenheit bis zum Heute ansatzweise
plausibel zu machen, sondern auf der Basis dieser
Modelle/ Theorien wurde es auch möglich, ansatzweise
wissenschaftlich begründete Vermutungen über die
Zukunft anzustellen.

In einfachen Fällen, bei wenigen beteiligten Faktoren
mit wenigen internen Freiheitsgraden und für einen
begrenzten Zeithorizont kann man solche Vermutungen ü̈ber die Zukunft (kühn auch Prognosen genannt), einigermaßen überprüfen. Je größer die Zahl der
beteiligten Faktoren, je mehr innere Freiheitsgrade, je
weitreichender der Zeitrahmen, um so schwieriger wir
solch eine Prognose. So erscheint die Berechnung des
Zeitpunktes, ab wann die Aufblähung unserer Sonne
aufgrund von Fusionsprozessen ein biologisches Leben
auf der Erde unmöglich machen wird, relativ sicher
voraussagbar, das Verhalten eines einfachen Tieres in
einer Umgebung über mehr als 24 Stunden dagegen ist
schon fast unmöglich.

Dies kann uns daran erinnern, dass wir es in der
Gegenwart mit sehr unterschiedlichen Systemen zu
tun haben. Das Universum (oder vielleicht sogar die
Universen) mag komplex sein, aber es erweist sich
bislang als grundsätzlich verstehbar, ebenfalls z.B. die
geologischen Prozesse auf unserem Heimatplaneten
Erde; das, was die Biologen Leben nennen, also
biologisches Leben, entzieht sich aber den bekannten
physikalischen Kategorien. Wir haben es hier mit
Dynamiken zu tun, die irgendwie anders sind, ohne dass
es bislang gelingt, diese spezifische Andersheit adäquat
zu erklären.

Life is Energy…

IV. KOGNITIVER BLINDER FLECK

Eine Besonderheit des Gegenstandsbereiches
biologisches Leben ist, dass diejenigen, die es
untersuchen, selbst Teil des Gegenstandes sind.
Die biologischen Forscher, die Biologen – wie überhaupt
alle Forscher dieser Welt – sind selbst ja auch Teil
des Biologischen. Als Exemplare der Lebensform
homo sapiens sind sie ganz klar einer Lebensform
zugeordnet, die ihre eigene typische Geschichte hat,
die sich als homo sapiens ca. 200.000 Jahre entwickelt
hat mit einer Inkubationszeit von ca. 100.000 Jahren, in
denen sich verschiedene ältere Menschenformen verteilt
über ganz Afrika partiell miteinander vermischt haben.
Nach neuesten Erkenntnissen hat dann jener Teil, der
dann vor ca. 60.000/ 70.000 Jahren aus Ostafrika
ausgewandert ist, einige tausend Jahre mit den damals
schon aussterbenden Neandertalern im Gebiet des
heutigen Israel friedlich zusammen gelebt, was durch
Vermischungen dann einige Prozent Neandertaler-Gene
im Genom des homo sapiens hinterließ, und zwar bei
allen Menschen auf der heutigen Welt, die gemessen
wurden.

Die Tatsache, dass die erforschenden Biologen selbst
Teil dessen sind, was sie erforschen, muss nicht per
se ein Problem sein. Es kann aber zu einem Problem
werden, wenn die Biologen Methoden zur Untersuchung
des Phänomens biologisches Leben anwenden, die
für Gegenstandsbereiche entwickelt wurden, die keine
biologischen Gegenstände sind.

In der modernen Biologie wurden bislang sehr
viele grundlegende Methoden angewendet, die
unterschiedlichste Teilbereiche zu erklären scheinen: In
Kooperation mit der Geologie konnte man verschiedenen
Phasen der Erde identifizieren, Bodenbeschaffenheiten,
Klima, Magnetfeld, und vieles mehr. In Kooperation
mit Physik, Chemie und Genetik konnten die
Feinstrukturen von Zellen erfasst werden, ihre
Dynamiken, ihre Wechselwirkungen mit den jeweiligen
Umgebungen, Vererbungsprozesse, Generierung neuer
genetischer Strukturen und vieles mehr. Der immer
komplexere Körperbau konnte von seinen physikalisch-
mechanischen wie auch chemischen Besonderheiten her
immer mehr entschlüsselt werden. Die Physiologie half,
die sich entwickelnden Nervensysteme zu analysieren,
sie in ihrer Wechselwirkung mit dem Organismus
ansatzweise zu verstehen. und vieles mehr.

Die sehr entwickelten Lebensformen, speziell dann
der homo sapiens, zeigen aber dann Dynamiken, die
sich den bisher bekannten und genutzten Methoden
entziehen. Die grundlegende Wahrheitsfähigkeit des
homo sapiens, eingebunden in grundlegende Fähigkeit
zur symbolischen Sprache, zu komplexen Kooperation,
zu komplexen Weltbildern, dies konstituiert Phänomene
einer neuen Qualität. Der biologische Gegenstand homo
sapiens ist ein Gegenstand, der sich selbst erklären
kann, und in dem Maße, wie er sich selbst erklärt,
fängt er an, sich auf eine neue, bis dahin biologisch
unbekannte Weise, zu verändern.

Traditioneller Weise gab es in den letzten
Jahrtausenden spezielle Erklärungsmodelle zum
Phänomen der Geistigkeit des homo sapiens, die
man – vereinfachend – unter dem Begriff klassisch-
philosophische Erklärung zusammen fassen kann.
Dieses Erklärungsmodell beginnt im Subjektiven und
hat immer versucht, die gesamte Wirklichkeit aus der
Perspektive des Subjektiven zu erklären.

Die Werke der großen Philosophen – beginnend
mit den Griechen – sind denkerische Großtaten,
die bis heute beeindrucken können. Sie leiden
allerdings alle an der Tatsache, dass man aus der
Perspektive des Subjektiven heraus von vornherein
auf wichtige grundlegende Erkenntnisse verzichtet
hatte (in einer Art methodischen Selbstbeschränkung,
analog der methodischen Selbstbeschränkung der
modernen experimentellen Wissenschaften). Das,
was diese subjekt-basierte und subjekt-orientierte
Philosophie im Laufe der Jahrtausende bislang erkannt
hat, wird dadurch nicht falsch, aber es leidet daran,
dass es nur einen Ausschnitt beschreibt ohne seine
Fundierungsprozesse.

Eigentlich ist das Subjektive (oder das ’Geistige’,
wie die philosophische Tradition gerne sagt) das
schwierigste Phänomen für die moderne Wissenschaft, das provozierendste, aber durch die frühzeitige Selbstbeschränkung der Biologie auf die bisherigen
Methoden und zugleich durch die Selbstbeschränkung
der klassischen Philosophie auf das Subjektive wird
das Phänomen des Lebens seiner Radikalität beraubt.
Es wird sozusagen schon in einer Vor-Verabredung der
Wissenschaften entmündigt.

In einem Folgeartikel sollte dieser blinde Fleck der
Wissenschaften in Verabredung mit der Philosophie
nochmals direkt adressiert werden, etwa: Das Subjektive
im Universum: Maximaler Störfall oder Sichtbarwerdung
von etwas radikal Neuem?

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WAHRHEIT ALS UNABDINGBARER ROHSTOFF EINER KULTUR DER ZUKUNFT

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 20.Nov. 2017
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: cagent
Email: cagent@cognitiveagent.org

ÜBERSICHT


I Zukunft als Politischer Zankapfel 1
II Wahrheit als Chance 2
III Wahrheit als Betriebssystem einer Kultur  2
III-A Überwindung des Augenblicks . . . .2
III-B Das ’Äußere’ als ’Inneres’ . . . . . .2
III-C Das ’Innere’ als ’Außen’ und als ’Innen’ 3
III-D Fähigkeit zur Wahrheit . . . . . . . . 3
III-E Bindeglied Sprache . . . . . . . . . . 4
IV Wahrheit durch Sprache? 4
V Wahrheit in Freiheit 5
VI Energie 5
VII Wahrheit durch Spiritualität 6
VIII Intelligente Maschinen 7
IX Der homo sapiens im Stress-Test 8
X ’Heilige’ Roboter 8
XI Singularität(en) 9
XII Vollendung der Wissenschaften 10
Quellen: 11

 

ZUSAMMENFASSUNG

Nachdem es in diesem Blog schon zahlreiche
Blogbeiträge zum Thema Wahrheit gab, geht es in diesem
Beitrag um die wichtige Ergänzung, wie Wahrheit mit einer
Kultur der Zukunft zusammenspielt. Hier wird aufgezeigt,
dass eine Kultur der Zukunft ohne Wahrheit unmöglich
ist. Wahrheit ist der entscheidende, absolut unabdingbare
Rohstoff für eine Kultur der Zukunft.

Für den vollständigen Text siehe das PDF-Dokument.

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EINLADUNG ZUR PHILOSOPHIERWERKSTATT am So 11.Juni 2017: Wieweit können wir unseren eigenen Gedanken trauen?

THEMA

Unter dem Oberthema DENKEN & FÜHLEN soll die Leitfrage an diesem Tag lauten: Wieweit können wir unseren eigenen Gedanken trauen, dass sie wahr sind?

WER

Einleitung und Moderation: Prof.Dr.phil Dipl.theol Gerd Doeben-Henisch (Prof.emeritus Frankfurt University of Applied Sciences, Mitglied im Vorstand des Instituts für Neue Medien)

ORT

INM – Institut für Neue Medien, Schmickstrasse 18, 60314 Frankfurt am Main (siehe Anfahrtsskizze) Parken: Vor und hinter dem Haus sowie im Umfeld gut möglich.

ZEIT

Beginn 15:00h, Ende 18:00h. Bitte unbedingt pünktlich, da nach 15:00h kein Einlass.

ESSEN UND TRINKEN

Es gibt im INM keine eigene Bewirtung. Bitte Getränke und Essbares nach Bedarf selbst mitbringen (a la Brown-Bag Seminaren)

PROGRAMM

  • Bis 15:00h ANKOMMEN
  • 15:00 – 15:30h IMPULSREFERAT zu Wieweit können wir unseren eigenen Gedanken trauen, dass sie wahr sind?
  • 15:30 – 16:00h REINKOMMEN: Erste Fragen, Kommentare, um in das Thema hinein zu kommen.
  • 16:00– 16:20h Zeit zum INDIVIDUELLEN FÜHLEN (manche nennen es Meditation)
  • 16:20 – 16:30h ASSOZIATIONEN INDIVIDUELL NOTIEREN
  • 16:30 – 17:15h Erste GESPRÄCHSRUNDE (Mit Gedankenbild/ Mindmap)
  • 17:15 – 17:25h BEWEGUNG, TEE TRINKEN, REDEN
  • 17:25– 17:55h Zweite GESPRÄCHSRUNDE (Mit Gedankenbild/ Mindmap)
  • 17:55 – 18:00h AUSBLICK, wie weiter

Ab 18:00h VERABSCHIEDUNG VOM ORT

Irgendwann: BERICHT(e) ZUM TREFFEN, EINZELN, IM BLOG (wäre schön, wenn)

Irgendwann: KOMMENTARE ZU(M) BERICHT(en), EINZELN, IM BLOG (wäre schön, wenn)

ERSTE GEDANKEN ZUM THEMA: Wieweit können wir unseren eigenen Gedanken trauen, dass sie wahr sind?

In der letzten Philosophiewerkstatt vom 30.April 2017 wurde eine Linie skizziert vom körperlichen Dasein eines Menschen in einem Raum, zu seinem Innenleben voller Eindrücke und Gedanken, durchsetzt von Gefühlen, von dort zu seinem Körper mit dem Nervensystem und Gehirn, durch die das Innenleben möglich wird, und dann der Hinweis auf das Werkzeug Sprache, wodurch Menschen ihr eigenes Innenleben mit dem Innenleben anderer Menschen unterschiedlich gut verknüpfen können.

Im Gespräch zeigte sich dann, dass das Verhältnis von sprachlichem Ausdruck zu dem mit dem Ausdruck Gemeintem (die intendierte Bedeutung) alles andere als einfach ist, kein ‚Selbstläufer‘, kein Automatismus für wahr Sätze. Es entstand vielmehr der Eindruck, dass die Möglichkeit zur subjektiven Täuschung, zur Verzerrung, zum Irrtum von vornherein gegeben ist. Etwas Angemessenes, Richtiges, Wahres sagen zu können erfordert viel Aufmerksamkeit und viel Erfahrung. Was aber, wenn große Teile der Erfahrung schon falsch sind? Wenn gar eine ganze Kultur ’schief liegt‘?

Alle dürfen gespannt sein, was das gemeinsame Gespräch wieder an Einsichten zutage fördern wird.

Einen Überblick über alle Einträge zur Philosophiewewerkstatt nach Titeln findet sich HIER.

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PS: So wie die Philosophiewerkstatt sich als Ergänzung zum Philosophie- und Wissenschschaftsblog PHILOSOPHIE JETZT versteht, so gibt es seit Herbst 2015 auch das weitere experimentelle Format PHILOSOPHY-IN-CONCERT. Das Experiment Nr.3 wird am Samstag 22.Juli 2017 ab 19:30h stattfinden. Auch dieses Mal ist es ein neuer Ort und wieder mit völlig neuen Inhalten. Demnächst mehr dazu.

 

 

EMERGING MIND PROJEKT – OFFIZIELLE VORSTELLUNG – EIN PLÄDOYER FÜR EINE GEMEINSAME ZUKUNFT

Mi 20.Januar 2016 um 19:30h

Am Mi 20.Januar 2016 um 19:30h wird das Emerging Mind Projekt als ein Projekt im Institut für Neue Medien (INM), Frankfurt, Schmickstrasse 18, vorgestellt werden. Wie man aus der Ankündigung des INM entnehmen kann, handelt es sich nicht um eine Gala- Veranstaltung, sondern um ein Werkstattgespräch mit den ‚Machern‘; also Emerging Mind Projekt unplugged.

Werkstattgespräch mit den Machern

Das ‚Emerging-Mind Projekt‚ versteht sich als ein öffentliches Wissenschaftsprojekt, das Hochschulen, Schulen, Firmen und interessierten Bürgern die Möglichkeit bieten soll, sich über einige zentrale Fragen der heutigen gesellschaftlichen Entwicklung aus eigener Anschauung eine qualifizierte Meinung zu bilden.

Datenräume und eigenständige Algorithmen

Wir leben in einer Zeit, in der die Evolution, vermittelt durch die Menschen, neuartige Technologien hervorgebracht hat, die sich wie ein zweiter Körper um den ersten Körper schmiegen, versehen mit einer Aura von Datenräumen und eigenständigen Algorithmen, die ein globales Eigenleben führen, die sich unserer direkten Wahrnehmung und Kontrolle entziehen. Wir sind einzelne, erleben uns als einzelne, aber als Teil der globalen algorithmisierten Datenräume sind wir nur noch Aktivitätspunkte in einem großen Netzwerk, einem neuen Datensuperorganismus, der den individuellen Willen nur noch als statistisches Momentum betrachtet. Tatsächlich herrschen die Algorithmen nach eigenen Regeln.

 

Manager als neue Sklaven iher Algorithmen?

Offiziell gibt es Firmen und Manager dieser Firmen, die diese globalen algorithmisierten Datenräume eingerichtet haben, betreiben und kontrollieren. Offiziell, aber inoffiziell entziehen sich diese global arbeitenden Algorithmen schon heute jeder ernsthaften Kontrolle. Kein einzelner Mensch kann mehr verstehen, was die Algorithmen wirklich tun, warum sie etwas tun, ob das gut oder schlecht ist, was sie tun. Die Manager als Herrscher über die Datenräume sind schon jetzt immer mehr die Getriebenen: ihre Firmen hängen von den globalen algorithmisierten Datenräumen ab. Sie können sie nicht mehr abschalten; dann bricht ihre Firma zusammen. Wenn sie sie nicht abschalten, verselbständigt sich das systembedingte Chaos. Da diese Algorithmen als solche nichts über die Welt oder über wahre Sachverhalte wissen, verrechnen sie Daten gegen Daten. Wenn aber die Referenzdaten falsch sind, werden diese Berechnungen falsch. Nahezu jeder hat schon mehrfach erlebt, wie er aus Versehen falsche Eingaben produziert hat, diese aber nicht korrigieren kann; das System lässt Korrekturen nicht zu. Schon jetzt existieren im System viele falsche Daten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die falschen Daten die richtigen überwiegen. Schöne neue Welt der Superalgorithmen.

Einen wirklichen Wahrheitsfindungsalgorithmus gibt es noch nicht.

Einen wirklichen Wahrheitsfindungsalgorithmus gibt es noch nicht. Woher auch? Die Entwickler dieser Algorithmen, die Menschen, haben diese Hausaufgabe bislang nicht gelöst. Die bisherige Philosophie, die aktuell Wissenschaften, sie alle bilden aktuell das Bild eines riesigen Daten- und Meinungschaos ohne erkennbares Prinzip der Konsolidierung.

Eine neue Weltreligion?

Der Glaube an die Maschine, die alles irgendwie richten wird, obwohl die Erzeuger selbst es bislang nicht schaffen, ist offensichtlich sehr groß, geradezu mystisch. Ist das die neue Weltreligion, die alle besoffen macht und das Denken verabschiedet? Der nächste Super-Börsencrash scheint damit vorprogrammiert.

Keine billige Polemik

Im Emerging Mind Projekt geht es aber nicht um billige Polemik. Diese nützt niemandem. Das Emerging Mind Projekt lebt sogar von der Vision, dass neue, algorithmisierte, intelligente und lernfähige Netzstrukturen als Moment an der evolutionären Entwicklung tatsächlich zur Logik der Evolution gehören. Diese nächste Stufe der Evolution – wir sind mitten drin – muss sich möglicherweise vollziehen. Die Frage ist nur: wie?

Notwendigkeit einer neuen umfassenden Entwicklungswissenschaft

Historisch ist dieser Zustand radikal neu. Er bildet als solcher eine gewisse Singularität (neben den vielen anderen Singularitäten, die wir schon kennen und von denen wir beeinflusst sind). Was wir hier brauchen, wäre ein neues, vertieftes philosophisch-wissenschaftliches Verständnis. Alle bekannten Disziplinen greifen hier aber zu kurz; sie betrachten immer nur Ausschnitte des Problems. An dieser Stelle hat sich das Emerging Mind Projekt verstärkt, erweitert durch ein kooperierendes Parallelprojekt genannt Emergent Life Academy (ELA), in der die Vision einer neuen, umfassenden Entwicklungswisseschaft soweit konkretisiert werden soll, dass sie arbeitsfähig wird und uns allen helfen kann, das umfassende globale Phänomen einer Entwicklung auf allen Ebenen denken zu können.

Entstehung einer Anti-Wissenschaft?

Neben den umfassenden Aspekten des Phänomens einer globalen Entwicklung, die wie ein Sturm über die menschlichen Gesellschaftssysteme hereinbricht (letztlich ein Merkmal von Evolution seit Anbeginn), gibt es aber auch schon Einsichten in die innere Logik, in die innere Maschinerie von Entwicklung, von Intelligenz, Lernen, Bewusstsein, Psyche und Geist. Die Algorithmen in den Computern und Netzwerken sind erfahrbare konkrete Beispiele. Für die Mehrheit der Menschen sind diese Algorithmen aber fremd, unverständlich; ihre Macher lieben das Kryptische, Verborgene. Und da Algorithmen mittlerweile ein Rohstoff für industrielle Produktion und militärische Macht darstellen, werden sie zusätzlich geschützt, abgeschottet, unter ‚Top Secret‘ gestellt, so dass man noch weniger versteht, was unsere Welt im innersten zusammenhält. Galt es lange Zeit als Credo moderner Wissenschaft, die Welt zu erklären, sie transparent zu machen, sie einer verantwortungsvollen Gestaltung zuzuführen, hat die Erfindung der Berechenbarkeit, der Computer und der Netzwerke dazu geführt, dass es eine neue Anti-Wissenschaft gibt: Wissen dient nicht mehr zum Verstehen und nicht mehr für ein besseres Leben für alle, sondern wird abgeschottet, um die Herrschaft weniger über den Rest der Menschheit zu begründen. Das ist eine Umkehrung bisheriger Werte. Die Moderne, das Demokratische, die Menschenrecht zerbröseln im algorithmischen Alltag zu Lapalien, die immer weniger Wertschätzung besitzen.

Algorithmen auf dem Prüfstand

Damit erklärt sich die zweite Dimension des Emerging Mind Projektes; neben Emergent Life Academy für die globalen Entwicklungszusammenhänge sollen die konkreten Algorithmen vorgestellt, untersucht, reflektiert und bewertet werden; nicht isoliert, sondern im Kontext möglicher Wirkzusammenhänge, speziell im Kontext des menschlichen Lebens, der menschlichen Gesellschaft: Was ist künstliche Intelligenz? Was kann sie wirklich? Ist eine Symbiose zwischen Menschen und künstlicher Intelligenz möglich? Könnten die intelligenten Maschinen sich verselbständigen? Dies sind einige der Leitfragen.

Öffentliche Lernräume für das eigene Lernen

Um diese Fragen zu beantworten werden in einem öffentlichen kollaborativen virtuellem Raum virtuelle Bereiche eingerichtet, in denen man solche Algorithmen und ihre Wirkungsweise studieren kann, mitdiskutieren, mit entwickeln, mit experimentieren. Dies geschieht schrittweise eingebunden in echte Lernprozesse von Schulen, Hochschulen und Betrieben. Wir wollen selber lernen, unser Lernen reflektieren und dabei weiter entwickeln. Zukunft als Alltag.

Auch ein eigenes Kunstprojekt: PHILOSOPHY-IN-CONCERT

Und wer denkt, das war es jetzt, dem sei gesagt, dass wir nicht nur Philosophie und Wissenschaft zusammenbringen wollen, nicht nur Theorie und Lernpraxis, sondern auch all das zusätzlich verbunden mit einem Kunstprojekt genannt PHILOSOPHY-IN-CONCERT. Aktuell weiß vielleicht noch niemand, wie das genau funktionieren soll; klar ist nur, dass wir uns die Freiheit nehmen, philosophisch-wissenschaftliche Gedanken und Algorithmen als Material zu benutzen, um eine neue Art von Kunst-Performance zu leben: Menschen und intelligente Maschinen zusammen in einem hybriden Team, im Spiel mit sich selbst, der Welt, der Geschichte, um mögliche Zipfel der Zukunft zu erhaschen. Schon immer war der schwierigste Part im Leben das Kreative, die Innovation, der Beginn des Neuen. Für wirklich Neues nützen die alten Rezepte nur bedingt. Die DNA einer Zelle kann Anhaltspunkt für eine neue Zelle sein, ihre unveränderte konservative Übernahme für eine Zukunft wäre aber ein sicheres Todesrezept. Machthaber lieben solche kritiklosen konservativen Reproduktionen; das ist auch das sicherste Mittel der Selbstzerstörung.

Spuren der Vergangenheit, Medienreflexe

In diesem Blog gab es viele Beiträge, die mehr oder weniger in die Richtung des aktuellen Emerging Mind Projektes deuten. Ein Beitrag vom 10.Oktober 2012 lautete

NACHTGESPRÄCH im INM (Frankfurt) oder REENGINEERING VON GOETHES FAUST

und deutet an, dass die Gedanken dazu herumspukten. In einem Beitrag vom 18.November 2012, der auf einen Vortrag zurückging, wurde die Frage nach der Möglichkeit eines künstlichen geistes explizit gestellt:

KANN ES DOCH EINEN KÜNSTLICHEN GEIST GEBEN?

Am 31.Dez.2012 gab es einen Textversuch mit vielen technischen Begriffen mit dem Titel:

GEIST-SICHTBARMACHUNGS-EXPERIMENT, Teil 1, Begriffe und theoretischer Rahmen

Am 28.April 2013 folgten dann Reflexionen im Kontext des Phänomens Komplexität in der Evolution mit dem Ttel:

Randbemerkung: Komplexitätsentwicklung (Singularität(en))

Wegen der zahlreichen kontroversen Diskussionen zur Idee der Komplexitätssteigerung im Kontext von Evolution gab es am 23.Mai 2013 dazu einen weiteren Beitrag mit dem Titel

Randbemerkung: Komplexitätsentwicklung (Singularität(en)) – Teil 2

Es folgten dann weitere Stellungnahmen wie die am 14.Juni 2014:

EMERGING MIND PROJECT – SICHTBARMACHUNG DES GEISTES PROJEKT – Erste Lebenszeichen

Dicht gefolgt vom nächsten Beitrag am 15.Juni 2014 mit dem Titel:

EMERGING MIND – Mögliche Konsequenzen

Mittlerweile war das Thema auch außerhalb des INM angekommen. Am 25.April 2015 erschien ein Beitrag in telepolis:

Der Traum vom künstlichen Geist

Es folgte am 20.Mai 2015 ein Vortrag im Rahmen einer dpa-Veranstaltung mit dem Titel:

Über Industrie 4.0 und Transhumanismus. Roboter als Volksverdummung? Schaffen wir uns selbst ab?

in dem Phänomene des Alltags reflektiert wurden mit Blick auf die treibenden Strukturen. Es folgten dann immer wieder Presseartikel im Umfeld des Themas.

 

Einen Überblick über alle Beiträge des Autors cagent in diesem Blog nach Titeln findet sich HIER.

POETISCHE MOMENTE UND WAHRHEIT – oder: WAHRHEIT UND POETISCHE MOMENTE

Letzte Änderung: 16.März 20:15, 23:23h (Hinzufügung von Soundtracks zu den beiden poetischen Texten)

1. Getrimmt auf Präzision, auf formale Präzisierung, auf Strukturenwahrnehmung in der Gegenwart besteht schon die Gefahr, bisweilen, Zwischentöne zu verpassen. Denn unser ‚Verstand‘, diese geheimnisvolle Fähigkeit des ‚Ordnens‘ von Phänomenen, besitzt auch einen Modus der ‚Selbstwahrnehmung‘, die etwas über ihn selbst verrät; etwas, nicht alles; aber immerhin.

2. So kann es z.B. zu folgender Beobachtung kommen:

funken des anderen?

das lachen klang nach
verlor sich im raum
der angst, die hervorkroch
aus dem dunkel des unbekannten.
ein lichtstrahl erlosch, kaum
das er aufgeblitzt war,
als die angst hervorkroch
aus dem dunkel in dir.
bleibst du stehen, dann?
verharrst du im schweigen?
wie gelähmt von dir selbst?
oder hast du in dir
diesen funken des anderen,
dieses glühen von vertrauen
das zugeht auf dunkelheit,
das aus sich leuchtet, stark,
und du schaust wo der schalter ist
für mehr licht in unserem leben?
hast du das?

Hier eine Vertonung von ‚funken des anderen‘.

3. Poetisierende Texte sind vieldeutig. Klingen an, lassen anklingen, inspirieren. In der Tat gibt es viele alltägliche Situationen, in denen wir manchmal bewusst, meist eher unbewusst, an Punkte geraten, wo wir zurückzucken, einen Gedanken nicht denken wollen, einen Tat nicht tun wollen, weil in uns dieses diffuse, schwer fassbare Gefühl auftaucht, das uns warnt, Angst macht; was, wenn es schief geht? Was werden die anderen denken? Machen sie sich dann lustig über mich? Bin ich dann der Dumme?

4. Dies trifft jeden, überall, auch – und gerade? – renommierte Wissenschaftler. Wie viele zentrale Probleme schleppt die Wissenschaft seit Jahrzehnten mit sich herum, und doch – wie bei unsichtbaren schwarzen Löchern – meiden alle bestimmte Überlegungen, meiden alle bestimmte Methoden, meiden alle bestimmte Fragen, weil niemand der erste sein will, da er / sie sich ‚verbrennen‘ könnte.

5. Oder all die religiös Überzeugten, die über nichts diskutieren wollen: sie verteidigen eine Wahrheit, von der niemand weiß, ob sie stimmt, weil niemand bereit ist, sie zu überprüfen. Man kann zwar andere verurteilen, ihnen die Köpfe abschlagen, sich selbst aber eine einfache Frage zuzumuten, das kann man nicht.

6. Da die ‚innere Angst‘ vor dem unbekannten Scheitern sich wie ein roter Faden durch alle Menschen und damit alle menschliche Situationen zieht, habe wir hier eine unsichtbare Realität, die sich dahingehend auswirkt, dass die ‚reale‘ Realität dadurch verzerrt wird. Nicht nur die ungeheure Masse eines physikalischen schwarzen Lochs kann das Licht ablenken, auch die psychischen Ängste in jedem von uns können unsere Wahrnehmung der Welt, des anderen, beeinflussen, und auch unsere Taten. Damit entsteht in jedem Augenblick ein Stück Verzerrung, die sich milliardenfach vervielfacht und eine Welt in den Augen der Betrachter erscheinen lässt, die es so vermutlich gar nicht gibt, nicht als reale Welt, aber als eingebildete.

7. Die schier unfassbare Maschinerie allein der US-amerikanischen Geheimdienste ist ‚rational‘ betrachtet ‚irrational‘, aber vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen ‚inneren Angst‘ naheliegend und unausgesprochen ‚plausibel‘. Wer ‚aus der Angst‘ lebt, der kann sich nicht vorstellen, dass es anders sein kann, dass die ‚reale‘ Welt vielleicht ganz anders ist.

8. Und die vielen unfassbaren Grausamkeiten, die weltweit zu beobachten sind, deuten an, dass die ‚innere‘ Angst umfassend und mächtig ist.

9. Wir wissen, dass ein menschliches Leben letztlich nie isoliert möglich ist; wir hängen nahezu vollständig von einem komplexen Netzwerk von Voraussetzungen ab (selbst der sprichwörtliche ‚Einsiedler‘ braucht für seine physische Existenz alleine viele Billionen Bakterienzellen in und auf seinem Körper, er braucht die Luft, die komplexen Bedingungen unterliegt, das Wasser, usw. usw.). Bewusst, aktiv und verantwortungsvoll können wir nur ‚miteinander‘ leben, wenn wir ‚kommunizieren‘. Und im digitalen Netzzeitalter durch das Medium des Digitalen:

‚MailFail‘ – Digitales Schweigen

deine worte sind zum sprung bereit –
doch der mund, der digitale, öffnet
sich nicht: ‚technische störung‘
heisst es; deine worte frieren ein.
niemand hört dich.
niemand sieht dich.
du bist allein.
deine 4 billionen körperzellen
sind da, bersten vor leben, vibrieren,
aber niemand hört dich.
du bist allein, außerhalb des
digitalen kosmos; kein einziges bit.
es strömt, und summt, läuft heiß,
energie verraucht, aber
niemand hört dich,
du bist allein.

Hier in einer digitalen Vertonung (mit erweitertem Text)

10. Wenn man mit anderen Menschen zusammen ist und jemand schweigt, kann man nachfragen. Wenn die Mails nicht mehr fliegen, gibt es nur noch das große Schweigen. Ja, gewiss, man kann noch andere Mailkanäle haben, dazu SMS, soziale Netze …. doch diese kann man leicht unterbrechen; jeder Admin kann manipulieren, was er will; von den Geheimdiensten wollen wir gar nicht sprechen. Und was google, amazon, facebook und Co alles mit unseren Daten machen, mit ‚uns‘, das weiß letztlich keiner (das, was bislang in Erfahrung gebracht werden konnte, ist Grund genug, das aller Schlimmste zu befürchten). Wider Willen sind wir ‚digitale Sklaven‘, deren Rechte hohnlächelnd beiseite gewischt wurden.

11. Offiziell gibt es Menschenrechte; die ‚Menschenwürde‘ ist sogar das Fundament des deutschen Grundgesetzes. Dazu gehört die Wahrung der Authentizität des einzelnen. Durch die – technologisch und lebensstilmäßige bedingte – Verknüpfung von Authentizität und technologisch vermittelter Kommunikation und Informationsbeschaffung haben sich die Grenzen des ‚Privaten‘ mit dem ‚Öffentlichen‘ vermischt. Hat sich mit der Digitalisierung des Privaten damit das Private ‚aufgelöst‘. Brauchen wir keine Menschenwürde mehr weil es keine privaten Individuen mehr gibt?

12. Wenn man die Praxis der Wirtschaft betrachtet und die Tendenz der Gesetzgebung (vor allem auch in den USA), dann kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass die alten Werte, die Menschenwürde, schrittweise einem globalen Kapitalinteresse geopfert werden, die in keiner Weise eine nachhaltige demokratische Gesellschaft unterstützen. Dass sogenannte ‚demokratische‘ Politiker dieser Aushöhlung demokratischer Grundrechte nichts Entschiedenes entgegen setzen, ist auffällig; fällt aber auch ein wenig auf uns selbst zurück: warum haben wir solche Politiker?

Einen Überblick über alle Blogeinträge von cagent nach Titeln findet sich HIER.

DIE UNIVERSELLE KONFERENZ DER GOTTSUCHER – Oder die, die …. — Kurznotiz

1. Manchmal fragt mich jemand: ‚Glaubst Du an Gott?‘, und ich sage dann: ‚Wenn du mir erklären kannst, was Du unter ‚Gott‘ verstehst, kann ich Dir vielleicht sagen, ob ich an das glaube, was Du unter Gott verstehst oder nicht‘.

2. Nimmt man ernst, was man um sich herum sieht, dann gibt es ganz viele verschiedene Religionsgemeinschaften: viele Spielarten von Christen, viele Spielarten von Muslimen, viele Spielarten von Juden, viele Spielarten von Buddhisten, viele Spielarten von Hinduisten, viele Spielarten von ….

3. Ernsthafte Mitglieder dieser religiösen Gemeinschaften behaupten alle, an ‚Gott‘ zu glauben und sie versuchen ihr tägliches Lebens mehr oder weniger so zu gestalten, wie ihr Glaube an das, was sie selbst sich unter ‚Gott‘ vorstellen, es nahelegt.

4. Diese Religionen gibt es z.T. schon 2.500 bis 3.000 — oder mehr – Jahre. Das ist nicht ganz kurz …. Was auffällt ist, dass die offiziellen Vertreter dieser religiösen Gemeinschaften in der Vergangenheit noch niemals ernsthaft versucht haben, sich alle an einem Ort zu versammeln, um herauszufinden, worin denn möglicherweise die Gemeinsamkeit ihres Gottesglaubens besteht. Alle verhalten sich so, dass nur gerade sie selbst das ‚wahr Wissen‘ von Gott hätten und alle anderen unterschiedlich stark ‚verirrt‘ sind. In der menschenfreundlichen Variante ‚verzeiht‘ man den anderen ihren Irrtum und hofft darauf, dass die anderen ihren Irrtum eines Tages ‚einsehen‘ und sich dem ‚wahren Glauben‘ zuwenden. In der menschenunfreundlichen Variante erklärt man die ‚Anderen‘ zu ‚Verrätern‘, zu ‚Gefallenen‘, zu ‚Feinden‘, zu ‚Ungläubigen‘, die man bestrafen muss bis hin zur körperlichen Ausrottung.

5. Wenn das mit ‚Gott‘ Gemeinte wirklich so wichtig ist, wie die verschiedenen Vertretern der Religionen offiziell behaupten, dann verwundert es, warum keiner ernsthaft und aufrichtig die Frage stellt, wie Menschen denn überhaupt feststellen können, ob ein bestimmter Glaube an einen Gott ‚zutreffend’/ ‚wahr‘ ist oder nicht. Wenn man sieht, mit wie viel wissenschaftlichem Aufwand die Menschheit seit ca. 500 Jahren das innere der Natur und die Tiefen des Weltalls erforscht (mit atemberaubenden neuen Einsichten), dann überrascht es doch sehr, wie wenig die offiziellen Vertreter der vielen Religionen tun, um die Einsichtigkeit, die Verstehbarkeit, das Zutreffen ihren jeweiligen Gottesglaubens aufzuhellen.

6. Was tun die verschiedenen Vertreter der verschiedenen Religionen, wenn sie für ‚ihren Glauben‘ ‚werben’/ ‚missionieren‘? Wieweit hat der einzelne Umworbene eine reelle Chance, sich selbständig ein Urteil, eine Meinung zu bilden, frei, ohne psychologische Manipulationen?

7. Warum ist es so unmöglich, dass alle Religionen gemeinsam der Frage nachgehen, was an ihrem jeweiligen Glauben an Gott ‚gemeinsam‘ ist, ‚allen Menschen zugänglich‘, von ‚allen Menschen erfahrbar‘, von ‚allen Menschen verstehbar‘?

8. Die vielen sogenannten religiösen Konflikte in der Vergangenheit hatten sehr oft (meistens? immer) auch mit ‚Macht‘ zu tun, mit ‚Vorherrschaften‘, ‚Gebietsansprüchen‘, ‚wirtschaftlichen Vorteilen‘ und dafür war es wichtig, dass Religion nicht zu ‚empirisch‘, nicht zu ‚individuell‘, nicht zu ‚wahr‘ war, sondern zu Ritualen erstarrt waren, leicht indoktrinierbar und manipulierbar, so dass die Menschen nicht aus eigenem Urteil handelten, sondern als gelenkte Masse, die den steuernden Eliten Macht, Reichtum und (zweifelhafte) Ehre verschafften.

9. Im Kontrast dazu waren religiöse Menschen wie Buddha oder Jesus von Nazareth friedlich, menschenliebend, ohne einen Machtapparat, ohne Aufbau einer Organisation, ohne Unterwerfungsrituale, ohne Bevorzugung bestimmter Menschen, ohne Verurteilung anderer usw.

10. Nochmals, es fällt auf, wie extrem unkritisch offizielle Vertreter von Religionen sich selbst gegenüber sind. Obwohl wir seit Jahrhunderten immer besser verstehen, wie unser Wissen funktioniert, wie leicht und vielfältig jeder Mensch irren kann, wie oft große Irrtümer in die Welt kamen, weil bestimmte Meinungen lange nicht richtig überprüft wurden, ist nicht zu erkennen, dass die offiziellen Repräsentanten der großen Religionen ernsthaft vorstellen können, dass sie ‚irren‘ könnten. Diese Möglichkeit wird von vornherein kategorisch ausgeschlossen, obwohl nichts sicherer ist als dieses, dass jeder Mensch irren kann und sich auch im Laufe seines Lebens sehr oft irrt. In gewisser Weise ist ’sich Irren‘ auch eine Voraussetzung, um zu einem tieferen Verständnis zu kommen, vorausgesetzt, man erkennt seinen Irrtum.

11. Würden die offiziellen Vertreter von Religionen grundsätzlich einräumen, dass auch sie irren können, dann müssten sie ein großes Interesse daran haben, sich mit den anderen Religionen darüber auszutauschen, was denn die gemeinsamen Glaubensinhalte sind, wie sie erkennbar sind, wie sie verstehbar sind, wie sie gegen Missdeutungen geschützt werden können, und wie man sie heute in einer veränderten und sich beständig weiter veränderten Welt leben sollte. Und die religiösen Vertreter würden nicht nur ‚unter sich‘ darüber reden, sondern ‚mit allen‘, da jeder Mensch dazu wertvolle Beiträge liefern könnte.

12. Aktuell erwecken alle größeren Religionen eher den Eindruck, dass Hass, blinde Ideologien, Sprachlosigkeit (und große Unwissenheiten) die Gemüter beherrschen und dass die Sache mit Gott – sollte es ihn geben – irgendwo im Hintergrund vor sich hinwest; niemand scheint ein ernsthaftes Interesse an der ‚Sache Gottes‘ in dieser Welt zu haben. Der Umfang und die Bedenkenlosigkeit, mit der gegenwärtig in so vielen Ländern dieser unserer Welt Menschen gequält, verfolgt, unterdrückt, gegängelt, gefoltert und getötet werden, ist beispiellos. Wenn dies alles aus dem ‚Gottesglauben‘ der aktiven Menschenschänder folgt, dann brauchen wir diesen Gottesglauben eher nicht. Er hat auch nicht im entferntesten irgendetwas mit dem ‚Gott‘ zu tun, an den ich glaube, und von dem ich weiß, dass er alles erfüllt – sofern sich Menschen nicht explizit gegen sich selbst und gegen die Welt stellen, die sie hervorgebracht hat. Darin liegt eine tiefe Paradoxie: an der Stelle, wo das Leben in diesem Kosmos eine Form angenommen hat (homo sapiens), die sich sogar explizit gegen sich selbst wenden kann und sich dadurch – im positiven Fall – in einer bislang nie dagewesenen Eigenständigkeit ‚für etwas‘ entscheiden kann, an dieser Stelle finden wir nicht nur ’neues Licht‘ sondern auch viel ’neuen Schatten‘.

13. Mit der neuen Qualität des ‚eigenen Entscheidens‘ gewinnt das ‚mögliche Böse‘ in dieser unserer Welt eine ganz neue Wirklichkeit: diese neue Form der Freiheit — realisiert im hom sapiens — erlaubt es dem homo sapiens, sich auf der ganzen Breite gegen sich selbst, gegen das Leben im Universum, gegen das ganze Universum, und damit sogar gegen einen möglichen Gott zu wenden. Das ist potentiell das ‚totale Böse‘; die ‚Erfindung des Teufels‘ ist hier nur eine geschickte Ablenkung, eine billige Entschuldigung dafür, dass wir selbst genau das Böse verkörpern können, wenn wir unsere Grenzen, Schwächen und Fehler systematisch verleugnen.

14. Vor diesem Hintergrund ist die scheinbare Zunahme von religiösen Bewegung sehr zwiespältig: solange diese religiösen Bewegungen nicht wirklich wahrheitsfähig sind, ist mit Ihnen Intoleranz und eine ewige Menschen- und Lebens-verachtende Blutspur vorprogrammiert. Wer ernsthaft ‚wahrheitsunfähig‘ ist, der kann nur mit Verdrehungen und Lügen leben.

15. Die Deklaration der Menschenrechte 1948 und Gesellschaftsformen, die auf solchen Menschenrechten gründen, sind ein Lichtblick in der Geschichte des Lebens auf dieser unserer Erde (ohne dass damit schon die ‚perfekte‘ Form menschlicher Gesellschaften gefunden sein muss); die heute existierenden Religionen geben dagegen wenig Anlass, zu glauben, dass sie die tieferen Wahrheiten, die in und hinter den Menschenrechten stehen, auch nur ansatzweise verstanden hätten. Zumindest gibt es genügend offizielle Vertreter sowohl bei den Juden wie auch bei den Muslimen wie auch bei den Christen wie auch bei den …, die die Menschenrechte mit Füßen treten. Wie soll man dies deuten?

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – Teil 15

VORGESCHICHTE

Für einen Überblick zu allen vorausgehenden Beiträgen dieser rekonstruierenden Lektüre von Avicennas Beitrag zur Logik siehe AVICENNAS ABHANDLUNG ZUR LOGIK – BLITZÜBERSICHT.

Übersicht zum Wissen K bestehend aus Ausdrücken E, Objekten O sowie Bedeutungsbeziehungen M
Übersicht zum Wissen K bestehend aus Ausdrücken E, Objekten O sowie Bedeutungsbeziehungen M

WAHR UND FALSCHE AUSSAGEN

1. Nach dem Blogeintrag Avicenna 14b gibt es jetzt Ausdrücke A, B, …, die ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ sein können und die wir deshalb ‚Aussagen‘ (auch ‚Propositionen‘) nennen. Aussagen können mittels aussagenlogischer Operatoren wie ‚NEGATION‘, ‚UND‘, ‚IMPLIKATION‘ usw. zu komplexeren Ausdrücken so verknüpft werden, dass jederzeit ermittelt werden kann, wie der Wahrheitswert des komplexen Ausdrucks lautet, wenn die Wahrheitswerte der Teilausdrücke bekannt sind. Ob im Einzelfall eine Aussage A ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ ist, muss durch Rückgriff auf ihre Bedeutungsbeziehung M(A) geklärt werden. Bislang ist nur klar, dass die Bedeutungsbeziehung M nur allgemein eine Beziehung zu den (kognitiven) Objekten O herstellt (siehe Grafik oben).

2. Avicenna spricht aber nicht nur von Aussagen A allgemein, sondern unterscheidet die Teilausdrücke ‚Subjekt‘ S und ‚Prädikat‘ P, zusätzlich oft noch ‚Quantoren‘ Q.

FEINSTRUKTUR DER BEDEUTUNG VON AUSDRÜCKEN

3. Man kann und muss dann die Frage stellen, ob und wie sich auf der Bedeutungsseite die Unterscheidung in S und P auf der Ausdrucksseite widerspiegelt?

ECHTE UND UNECHTE OBJEKTE

4. In vorausgehenden Blogeinträgen zu Avicenna (Avicenna 4, 5, 7 und 11) wurde schon unterschieden zwischen ‚echten‘ und ‚unechten‘ Objekten. ‚Unechte Objekte‘ sind solche Wissenstatbestände, die man zwar identifizieren und unterscheiden kann, die aber immer nur im Kontext von ‚echten Objekten‘ auftreten. ‚Unechte‘ Objekte werden meistens als ‚Eigenschaften‘ bezeichnet. Beispiel: die Farbe ‚Rot‘ können wir wahrnehmen und z.B. von der Farbe ‚Blau‘ unterscheiden, die Farbe ‚Rot‘ tritt aber nie alleine auf so wie z.B. Gegenstände (Tassen, Stühle, Früchte, Blumen, …) alleine auftreten.

5. Hier wird davon ausgegangen, dass die Objekthierarchie O primär von echten Objekten gebildet wird; unechte Objekte als Eigenschaften treten nur im Kontext eines echten Objekts auf.

GATTUNG UND ART; KATEGORIEN

6. Ein Objekt kann viele Eigenschaften umfassen. Wenn es mehr als ein Objekt gibt – also O1, O2, … — die sowohl Eigenschaften Ex gemeinsam haben wie auch Eigenschaften Ey, die unterschiedlich sind, dann kann man sagen, dass alle Objekte, die die Eigenschaften Ex gemeinsam haben, eine ‚Gattung‘ (‚genus‘) bilden, und dass man anhand der ‚unterscheidenden Eigenschaften Ey‘ unterschiedliche ‚Arten‘ (’species‘) innerhalb der Gattung unterscheiden kann.

7. Gattungen, die keine Gattungen mehr ‚über sich‘ haben können, sollen hier ‚Kategorien‘ genannt werden.

ONTOLOGISCHE UND DEFINITORISCHE (ANALYTISCHE) WAHRHEIT

8. Bislang ist der Wahrheitsbegriff $latex \top, \bot$ in dieser Diskussion an der hinreichenden Ähnlichkeit eines vorgestellten/ gedachten kognitiven) Objekts $latex a \in Oa$ mit sinnlichen wahrnehmbaren Eigenschaften $latex s \subseteq Os$ festgemacht worden. Ein ‚rein gedachtes Objekt $latex a \in Oa$ ist in diesem Sinne weder ‚wahr‘ $latex \top$ noch ‚falsch‘ $latex \bot$.

9. Setzt man allerdings eine Objekthierarchie O voraus, in der man von einem beliebigen individuellem Objekt a immer sagen kann, zu welchem Objekt Y es als seiner Gattung gehört, dann kann man eine Aussagen der Art bilden ‚a ist eine Tasse‘.

10. Wenn man zuvor in einer Definition vereinbart haben sollte, dass zum Begriff der ‚Tasse‘ wesentlich die Eigenschaften Ex gehören, und das Objekt a hätte die Eigenschaften $latex Ex \cup Ey$, dann würde man sagen, dass die Aussage ‚a ist eine Tasse‘ ‚wahr‘ ist, unabhängig davon, ob es zum kognitiven Objekt a ein ’sinnliches‘ ‚Pendant‘ geben würde oder nicht. Die Aussage ‚a ist eine Tasse‘ wäre dann ‚rein definitorisch‘ (bzw. ‚rein analytisch‘) ‚wahr.

11. Im Gegensatz zu solch einer rein definitorischen (analytischen) Wahrheit eines Objekts a, die als solche nichts darüber sagt, ob es das Objekt a ‚tatsächlich‘ gibt, soll hier die ursprünglich vereinbarte ‚Wahrheit‘ durch Bezug auf eine ’sinnliche Gegebenheit‘ $latex s \subseteq Os$ ‚ontologische‘ Wahrheit genannt werden, also einer Wahrheit, die sich auf das ‚real Seiende‘ in der umgebenden Welt W bezieht.

12. [Anmerkung: Dieses – auch im Alltagsdenken – unterstellte ‚Sein‘, die unterstellte übergreifende ‚Realität‘ ist nicht nur eine ‚Extrapolation‘ aufgrund sinnlicher Gegebenheiten ‚im‘ wissenden System, sondern ist in seiner unterstellten ‚Realität‘ auch nur eine sehr spezifische Form von Realität. Wie wir heute aufgrund immer komplexerer Messprozeduren wissen, gibt es ‚Realitäten‘, die weit jenseits aller sinnlichen Qualitäten liegen. Es fällt uns nur nicht so auf, weil diese gemessenen Eigenschaften X durch allerlei Prozeduren für unsere Sinnesorgane ‚umgerechnet‘, ‚transformiert‘ werden, so dass wir etwas ‚Sehen‘ oder ‚Hören‘, obgleich das gemessene X nicht zu sehen oder zu hören ist.]

13. Solange wir uns in unseren Aussagen auf das Enthaltensein eines Objektes a in einem Gattungsobjekts X beschränken ‚a ist ein X‘ oder das Feststellen von Eigenschaften der Art ‚a hat b‘ kann man sagen, dass eine Aussagestruktur wie (S P) wie folgt interpretiert werden kann: Es gibt einen Ausdruck A=(AsAp), bei dem ein Ausdrucksteil As sich auf ein echtes Objekt M(As) = $latex a \in Oa$ bezieht und der andere Ausdrucksteil Ap bezieht sich auf die Beziehung zwischen dem Objekt a und entweder einem Gattungsobjekt X (Ap = ‚ist ein X‘) oder auf eine Eigenschaft Y (Ap = ‚hat Y‘).

14. Derjenige Ausdrucksteil As, der sich auf das echte Objekt a bezieht, ‚von dem‘ etwas ausgesagt werden soll (‚ist ein…‘, ‚hat …‘), dieser Ausdrucksteil wird als ‚Subjekt‘ S bezeichnet, und der Ausdrucksteil Ap, mittels dem etwas über das Subjekt ausgesagt wird, wird ‚Prädikat‘ P genannt.

15. Hierbei ist eine gewisse ‚Asymmetrie‘ zu beachten. Die Bedeutung vom Ausdrucksteil As – M(As) – bezieht sich auf eine ‚konkrete‘ Eigenschaftsstruktur innerhalb der Objekthierarchie. Die Bedeutung vom Ausdrucksteil Ap – M(Ap) – bezieht sich auf eine ‚Beziehung‘ / ‚Relation’/ ein ‚Verhältnis‘ [R] zwischen dem bezeichneten Bedeutungsobjekt M(As) = a und einem anderen bezeichneten Bedeutungsobjekt M(Ap), also R(M(As), M(Ap)). Die Beziehung R ist selbst kein ‚Objekt‘ so wie das Objekt a oder das implizit angenommene ‚Bezugsobjekt‘ X bzw. Y von a. Eine solche Beziehung R setzt – um prozessural ‚hantierbar‘ zu sein – eine zusätzliche ‚Objektebene‘ voraus, auf der es ein R-Objekt gibt, das die Beziehung zwischen dem a-Objekt und dem X-Y-Objekt ‚repräsentiert.

16. [Anmerkung: Bei ’neuronalen Netzen‘ wäre das R-Objekt jenes Neuron, das die Verbindung zwischen zwei anderen Neuronen ‚realisiert‘.]

17. Fassen wir zusammen: Bei einem Ausdruck A der Art A=’Hans ist ein Mensch‘ gibt es den Ausdrucksteil As=’Hans‘ und den Ausdrucksteil Ap=’ist ein Mensch‘. Die Bedeutung des Ausdrucksteils As M(As) als M(‚Hans‘) ist ein Objekt h in der unterstellten Bedeutungshierarchie O des Sprechers, das gewisse Eigenschaften E(h) besitzt. Die Bedeutung des Ausdrucksteils Ap als M(Ap) bzw. M(‚ist ein Mensch‘) ist sowohl ein Objekt M mit Eigenschaften E(M) als auch eine Beziehung R_ist zwischen dem Objekt h und dem Objekt M, also R_ist(h,M). Die Beziehung ist definitorisch/ analytisch ‚wahr‘ wenn es gilt, dass die definierenden Eigenschaften E(M) des Objekts Mensch M auch bei den Eigenschaften E(h) von Hans zu finden sind, also $latex E(M) \subset E(h)$ .

BEZIEHUNGSRAUM – TRANSZENDENTALE BEDINGUNGEN

18.

Fortsetzung folgt

QUELLEN

  • Avicenna, ‚Avicennas Treatise on Logic‘. Part One of ‚Danesh-Name Alai‘ (A Concise Philosophical Encyclopedia) and Autobiography, edited and translated by Farang Zabeeh, The Hague (Netherlands): Martinus Nijhoff, 1971. Diese Übersetzung basiert auf dem Buch ‚Treatise of Logic‘, veröffentlicht von der Gesellschaft für Nationale Monumente, Serie12, Teheran, 1952, herausgegeben von M.Moien. Diese Ausgabe wiederum geht zurück auf eine frühere Ausgabe, herausgegeben von Khurasani.
  • Digital Averroes Research Environment
  • Nicholas Rescher (1928 – ),The Development of Arabic Logic. University of Pittsburgh Press, 1964
  • Hans-Jörg Sandkühler (Hg.) unter Mitwirkung von Dagmar Borchers, Arnim Regenbogen, Volker Schürmann und Pirmin Stekeler-Weithofer, ‚Enzyklopädie Philosophie‘, 3 Bd., Hamburg: FELIX MEINER VERLAG, 2010 (mit CD-ROM)
  • Stanford Encyclopedia of Philosophy, Aristotle’s Logic
  • Whitehead, Alfred North, and Bertrand Russell, Principia Mathematica, 3 vols, Cambridge University Press, 1910, 1912, and 1913; Second edition, 1925 (Vol. 1), 1927 (Vols 2, 3). Abridged as Principia Mathematica to *56, Cambridge University Press, 1962.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume One. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-182-3.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume Two. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-183-0.
  • Alfred North Whitehead; Bertrand Russell (February 2009). Principia Mathematica. Volume Three. Merchant Books. ISBN 978-1-60386-184-7

Eine Übersicht über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER

KEINE ABSOLUTE MORAL?

 

(1) In einem Blogeintrag vom 29.Juni 2011 hatte ich über die spezielle Rolle des Sexualtriebes im Kontext der Evolution nachgedacht. Sieht man von der Romantik ab, mit der wir Menschen in den unterschiedlichen kulturellen Kontexten diesen Trieb ’schön zu reden‘ versuchen, handelt es sich bei diesem Trieb um ein genetisches Erbe, das die männlichen Vertreter der Art homo sapiens erheblich unter Druck setzt und für die weiblichen Vertreter zu allen Zeiten viel Erniedrigung und Gewaltakte mit sich gebracht hat und immer noch mit sich bringt.

 

 

(2) Zu allen Zeiten haben menschliche Gemeinschaften versucht, den ‚Umgang‘ mit der Sexualität zu ‚regeln‘: sowohl in Sorge hinreichend vieler geeigneter Nachkommen als auch zur Bewahrung des ’sozialen Friedens‘. Denn – so scheint es – der Sexualtrieb ist beim Menschen begleitet von einer Vielzahl von Emotionen, Gefühlen, die das Erleben und Verhalten von Menschen stark beeinflussen können wie ‚Körperliche Anziehung/ Erotik‘, ‚Sich Hingezogenfühlen‘, ‚Zuneigung’/ Sympathie‘, ‚Liebe‘, ‚Vertrauen/Treue‘, ‚Besitzen wollen‘, ‚Eitelkeit‘, ‚Machtgier‘, ‚Kontrollbedürfnis‘, ‚Neid‘, ‚Aggression‘, ‚Hass‘, ‚Anerkennungsbedürfnis‘, ‚Stolz‘, ‚Soziale Stellung‘, usw.

 

 

(3) Durch diese emotionalen Konnotationen ist eine sexuelle Beziehung im Normalfall nie nur eine sexuelle Beziehung. Je nach Kontext geht es auch darum, den anderen zu besitzen, ihn zu kontrollieren, ihn zu unterwerfen, ihn zu demütigen, sich zu befriedigen, oder, im Kontrast dazu, um Vertrautheit zu erleben, um Nähe zu spüren, um Anerkennung zu finden, um Gleichklang zu erleben, um Treue zu praktizieren (und darin zu erfahren), um soziale Anerkennung zu finden, um Kinder ‚zu haben‘, usw.

 

(4) Wie die Anthropologie uns lehrt, waren die Formen sexueller Beziehungen zu den unterschiedlichen Zeiten und an den unterschiedlichen Orten dieser Welt in Abhängigkeit von den jeweils herrschenden kulturellen Zusammenhängen sehr unterschiedlich. Eine einzige kurze und einfache Regel kann solch einen komplexen Zusammenhang niemals hinreichend beschreiben. Von daher ist ein schlichter Satz wie ‚Du sollst nicht die Ehe brechen‘ isoliert betrachtet nahezu bedeutungslos. Ohne Bezug zur jeweiligen Zeit, zur Region, zu jener Volksgruppe, die sich in einem bestimmten Kontext mit dieser Regel ‚etwas sagen wollte‘, kann man nicht verstehen, was solch eine Regel ’sagen will‘.

 

 

(5) Die Nutzung von sprachlichen Ausdrücken um soziale Verhaltensweisen zu beschreiben, auch im Sinne von Verhaltensgeboten oder – verboten, nimmt normalerweise Bezug auf einen erlebbaren Sachverhalt (z.B. den Sexualtrieb) und beschreibt den möglichen Umgang damit (z.B. wann ihn wer wo und wie ‚ausleben‘ darf oder soll oder eben nicht). In der Regel werden ‚Normen‘ (Gebote oder Verbote) nur formuliert, um entweder vor einem möglichen ‚Schaden‘ zu schützen oder aber um etwas zu unterstützen, was als ‚Gut‘ eingeschätzt wird. Solange es um die Machtinteressen der – auf Kosten aller anderen – Herrschenden geht, ist es nicht notwendig, Normen zu ‚motivieren‘ oder gar zu ‚erklären‘. Normen werden dann einfach aufgestellt und ihre Einhaltung befohlen. Missachtungen werden sanktioniert. Solche unmotivierten – sprich: apodiktischen – Normen können sachlich falsch sein, solange sie aber den Herrschenden nützen, werden sie mit Machtmitteln ‚hochgehalten‘. Eine leicht schwächere Form von apodiktischen Normen sind jene, in denen eine Volksgruppe bzgl. des Umgangs mit sexuellen Beziehungen ihre spezifischen Erfahrungen gemacht hat (die mehr oder weniger alle Erwachsenen kennen) und man sich aufgrund dieser Erfahrungen ‚einigt‘, bestimmte Verhaltensweisen mit einem Gebot oder Verbot zu belegen. Die Regel selbst – wie z.B. ‚Du sollst nicht die Ehe brechen‘ – erscheint völlig apodiktisch, für die Beteiligten gibt es aber einen ‚gewussten‘ – und zumeist ‚tradierten‘ – Zusammenhang, der motiviert/ erklärt, warum diese Regel gelten soll. Geht solch ein Motivationszusammenhang verloren, dann wird aus einer ‚anscheinend‘ apodiktischen Regel eine reale apodiktische Regel.

 

 

(6) Der ‚Wahrheitsgehalt‘ von Normen verbunden mit einer möglichen ‚Sinnhaftigkeit‘ hängt direkt ab von ihrer Verstehbarkeit. Eine Norm, die nicht verstehbar ist, also nicht beziehbar auf konkrete Umstände und den handlungsmäßigen Umgang mit den Umständen, kann nicht ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ sein, da kein überprüfbarer Weltbezug vorliegt. Sollte ein Weltbezug aufweisbar sein, dann stellt sich aber immer noch die Frage nach der ‚Sinnhaftigkeit‘: bewirkt man durch ein bestimmtes Verhalten in bestimmten Umständen etwas ‚Gutes‘ oder etwas ‚Schlechtes‘?

 

 

(7) Eine Norm, die einen ‚allgemeinen moralischen‘ Anspruch erhebt, setzt voraus, dass es eine ‚prinzipielle Einsicht‘ in das gibt, was ‚Gut oder Schlecht‘ ist, und zwar für jeden Menschen zu jeder Zeit an jedem Ort. Am Beispiel der Medizin wissen wir, dass das Erkennen von Krankheiten und deren Behandlung stark ‚wissensabhängig‘ war und ist. Solange bestimmte Erkenntnisse über den Körper und die verschiedenen Krankheitserreger nicht verfügbar waren, gab es ‚medizinische Normen‘, die man befolgen sollte, obgleich diese – vom heutigen Kenntnisstand aus – ‚falsch‘ waren. Entsprechendes gilt übertragen auch von der Sexualität. Die Einsichten in die inneren (biologischen und genetischen) Mechanismen der menschlichen Sexualität sind erst kürzlich differenzierter zur Kenntnis gekommen und manche Regeln aus der Vergangenheit (z.B. solche, die die Frau als Frau verteufelt haben, weil sie bei Männern zu Erregungszuständen führen können) sind sachlich verkürzend und bewirken vielfach reales Unheil.

 

 

(8) Nach heutigem Wissensstand müssen wir davon ausgehen, dass jegliche sprachliche Formulierung einer Norm generell wissensabhängig ist und dass es grundsätzlich für individuelle Menschen kein ‚absolutes‘ Wissen gibt. Menschliches Wissen ist immer ‚konkret‘, ‚endlich‘, historisch geworden‘, ’situativ vermittelt‘ und kann sich immer nur ‚relativ zu den verfügbaren Voraussetzungen‘ entwickeln. Trotz dieser fundamentalen Relativität ist es ‚wahrheitsfähig‘, es läßt sich in großen Teilen mit Bezug auf die vorfindliche Umgebung Welt als ‚zutreffened erweisen‘.

 

 

(9) Vor diesem Hintergrund müssen wir festhalten, dass es für Menschen – beim aktuellen Wissensstand — zu keiner Zeit ‚absolute‘ – sprich: apodiktische – Normen geben kann. Kommen sie dennoch vor dann spiegeln sie entweder nicht akzeptable Machtverhältnisse wieder oder eine gefährliche Form von Unwissenheit. In solchen Zusammenhängen das Wort ‚Gott‘ zu bemühen – was in der Geschichte oft geschah – ist eigentlich eine Beleidigung Gottes und sagt weniger etwas über Gott aus als über die Menschen, die ihre Machtinteressen oder ihr mangelndes Wissen mit dem Namen Gottes kaschieren wollen. Das ist eine der schlimmsten Formen von Atheismus und Gotteslästerung, die es geben kann (dass Gott zu einem einzelnen Menschen auf besondere Weise ’sprechen‘ kann, das ist eine Sache, dass ein Mensch über Gott zu anderen Menschen spricht, ist etwas ganz anderes; sofern Letzteres überhaupt geht, wird es niemals in der Form allgemeiner absoluter Gebote gehen. Wer so etwas sagt, weiss nicht, wovon er redet, oder — schlimmer — will es nicht wissen).