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ERKENNTNISSCHICHTEN – PHILOSOPHISCHE LEVEL. Erste Notizen

VORBEMERKUNG

Vor fast genau drei Jahren hatte ich schon einmal einen Blogeintrag geschrieben, in dem das Wort ‚Level‘ im Kontext eines Computerspiels erwähnt wurde (siehe: SCHAFFEN WIR DEN NÄCHSTEN LEVEL? Oder ÜBERWINDEN WIR DEN STATUS DER MONADEN?
). Dort jedoch wurde die Idee des Computerspiels und der Level in einem ganz anderen Zusammenhang diskutiert. Im folgenden Text geht es tatsächlich um den Versuch, konkret verschiedene Ebenen des Denkens (Level) zu unterscheiden. Als ‚Ordnungsprinzip‘ in all dem wird einmal die zeitliche Abfolge benutzt, in der diese Level auftreten können, und eine ‚implizite Architektur‘ unseres Denkens, die sich nur ‚indirekt‘ beschreiben lässt.

DER BEGRIFF ‚LEVEL‘

1. Wer heutzutage Computerspiele spielt, der kennt das: man bewegt sich immer auf einem bestimmten ‚LEVEL‘, d.h. auf einer bestimmten Spielebene. Jede Spielebene hat eigene Regeln, eine eigene spezifische Schwierigkeit. Erst wenn man genügend Aufgaben gelöst hat, wenn man hinreichend viel Punkte erworben hat, dann darf man auf den nächsten Level. Diese Idee der Spielebene, des Level, kann man auch auf den Alltag übertragen.

FUNKTIONIEREN IM ALLTAG

2. Im Alltag stehen wir in beständiger Interaktion mit unserer alltäglichen Umgebung (Level 1). Wir nehmen wahr, wir identifizieren Objekte mit Eigenschaften, Beziehungen zwischen diesen im Raum, zeitliche Abfolgen, und wir selbst verhalten uns nach bestimmten Regeln, die uns der Alltag aufdrängt oder aufgedrängt hat: wir lernen, dass Dinge fallen können; dass es Tag und Nacht gibt; dass Menschen unterschiedlich reagieren können; dass Menschen Rollen haben können, unterschiedliche Verpflichtungen; dass es Regeln gibt, Vorschriften, Gesetze, Erwartungen anderer, Gewohnheiten, Sitten, Gebräuche. Wir lernen mit der Zeit, dass Unterschiede gemacht werden bezüglich Herkunft, Sprache, wirtschaftlicher Stellung, Glaubens- oder Weltanschauungsansicht, usw.

3. Wenn alles ‚gut‘ läuft, dann FUNKTIONIEREN wir; wir tun, was erwartet wird, wir tun, was die Spielregeln sagen; wir tun, was wir gewohnt sind; wir bekommen unsere Leistungspunkte, unsere Anerkennungen …. oder auch nicht.

4. Wenn man uns fragt, wer wir sind, dann zählen wir für gewöhnlich auf, was wir so tun, welche Rollen wir spielen, welche Berufsbezeichnungen wir tragen.

DURCH NACHDENKEN ZUM PHILOSOPHIEREN

5. Sobald man nicht mehr nur FUNKTIONIERT, sondern anfängt, über sein Funktionieren NACHZUDENKEN, in dem Moment beginnt man, zu PHILOSOPHIEREN. Man beginnt dann mit einer BEWUSSTWERDUNG: man tut etwas und zugleich wird einem bewusst, DASS man es tut. Damit beginnt Level 2.

6. Beginn man mit einer solchen bewussten Wahrnehmung des DASS, des Unterscheidbaren, des sich Ereignenden, dann wird man nicht umhin kommen, zu unterscheiden zwischen jenen Phänomenen, Ereignissen, Objekten, die ‚zwischen‘ verschiedenen Menschen – also ‚intersubjektiv‘, ‚empirisch‘, ‚objektiv‘ – verfügbar sind und jenen, die ‚rein subjektive‘ Tatbestände darstellen. Über den ‚Apfel dort auf dem Tisch‘ kann man sich mit anderen verständigen, über die eigenen Zahnschmerzen, die eigenen Gefühle, die eigenen Erinnerungen usw. nicht so ohne weiteres. Jeder kann bis zu einem gewissen Grad ‚IN SEIN BEWUSSTSEINS HINEINSCHAUEN‘ – ’subjektiv‘, ‚introspektiv‘,’phänomenologisch‘– und solche Phänomene wahrnehmen, die NICHT INTERSUBJEKTIV sind, sondern REIN SUBJEKTIV. Diese OJEKTE DER INNENWELT sind für das eigene Erleben genauso real wie die Objekte der Außenwelt, aber sie sind nicht zugleich auch von anderen Menschen wahrnehmbar. Diese bewusste Unterscheidung zwischen AUSSEN und INNEN innerhalb des Level 2 soll hier als Level 3 bezeichnet werden. Die Menge der Inhalte, die innerhalb von Level 2 und 3 bewusst wahrgenommen werden, sollen hier einfach PHÄNOMENE genannt werden mit der anfangshaften Unterscheidung von intersubjektiven Phänomenen auch als EMPIRISCHE PHÄNOMENE und rein subjektive Phänomene als NICHTEMPIRISCHE PHÄNOMENE

WELT NEU ERZÄHLEN

7. Mit dem Bewusstwerden von Level 2 und Level 3 kann eine neue Form von BESCHREIBUNG beginnen, die hier LEVEL 4 heißen soll. Dieser Level 4 stellt eine Art META-LEVEL dar; man spricht auf einem Meta-Level über einen anderen Level. Dies ist vergleichbar einem Linguisten, der die Eigenschaften einer Sprache (z.B. des Deutschen) in seiner Fachsprache beschreiben muss. So könnte es sein, dass ein Satz wie ‚Das Haus hat einen Eingang‘ auf der linguistischen Metaebene eine Beschreibung bekäme wie ‚(‚Das‘: Bestimmter Artikel)(‚Haus‘: Substantiv)(‚hat‘: Verb)(‚einen‘: unbestimmter Artikel)(‚Eingang‘: Substantiv)‘; diese Beschreibung könnte viele weitere Elemente enthalten.

8. Eine Meta-Beschreibung kann innerlich weiter strukturiert sein. Auf Level 4.0 BENENNT man nur, was man im DASS unterscheiden kann: Objekte, Eigenschaften, Beziehungen. Auf Level 4.1 kann man ABFOLGEN von benannten Phänomenen identifizieren, speziell solche, die REGELHAFT erscheinen. Aus der Gesamtheit von Benennungen und Abfolgen kann man auf Level 4.2 ein MODELL konstruieren, mittels dem eine Teilmenge von Phänomenen und deren Abfolgen FUNKTIONAL ERKLÄRT werden soll. Mit einer zusätzlichen LOGIK auf Level 4.3 kann man dann mit einem Modell FOLGERUNGEN konstruieren, die wie VORHERSAGEN benutzt werden können, die sich ÜBRPRÜFEN lassen.

9. Beschränkt man sich auf dem Level 4 auf die empirischen Phänomene, dann bilden die Level 4.0 – 4.3 das, was wir die EMPIRISCHEN WISSENSCHAFTEN nennen. Man benennt = beschreibt die Dinge dann in einer eigenen Fachsprache (Chemie, Psychologie, Physik, Linguistik, …); man definiert Messverfahren, wie man Eigenschaften reproduzierbar messen kann; und man benutzt die Mathematik und die formale Logik, um Modelle (THEORIEN) zu konstruieren.

10. Beschränkt man sich auf dem Level 4 hingegen auf die nicht-empirischen Phänomene, dann bilden die Level 4.0 – 4.3 das, was wir die SUBJEKTIVE WISSENSCHAFT nennen könnten. Auch hier würde man die Dinge mit einer eigenen Fachsprache benennen = beschreiben; man definiert Verfahren, wie man möglicherweise Eigenschaften reproduzierbar erzeugen kann; und man benutzt die Mathematik und die formale Logik, um Modelle (THEORIEN) zu konstruieren. Eine Verständigung über Theorien der subjektiven Wissenschaft wären aufgrund der subjektiven Wahrnehmungsbasen ungleich schwieriger als im Falle von empirischen Theorien, aber niht völlig augeschlossen.

KREATIVITÄT

11. Hat man das ‚automatische‘ Verhalten überwunden (so wie es alle tun, so wie man es gelernt hat), und ist sich stattdessen bewusst geworden, dass man so und so handelt, und hat man angefangen das Automatische bewusst zu rekonstruieren, dann kann man jetzt auch bewusst Alternativen durch Variationen erzeugen [Anmerkung: natürlich kann man auch ohne Reflexion ’spontan‘ Dinge anders tun, als man sie vorher getan hat, aber dies ist dann ‚überwiegend zufällig‘, während ein Kreativität in einem reflektierten Kontext sowohl ‚gerichtet‘ ist aufgrund des verfügbaren Wissens, zugleich aber auch ‚zufällig‘, jedoch in einem viel größeren Umfang; nicht nur ‚punktuell‘]. Man kann jetzt sehr bewusst fragen, ‚warum‘ muss ich dies so tun? Warum will ich dies so? Was sind die Voraussetzungen? Was sind die Motive? Was sind die Ziele? Was will man erreichen? Usw.

12. Ein Ergebnis dieser Infragestellungen kann sein, dass man bestimmte Abläufe ändert, einfach, um mal heraus zu finden, was passiert, wenn man es anders macht. Häufige Fälle: jemand hat nie Gedichte geschrieben, weil niemand ihn vorher dazu angeregt hat, Gedichte zu schreiben; oder jemand hat nie Musik gemacht, weil sie sich immer eingeredet hat, sie sei unmusikalisch. Jemand hat nie vor anderen Menschen geredet, weil er immer Angst hatte, sich zu blamieren. Usw. Kurzum bei Erreichen von Level 4 beginnt man zu ahnen, dass alles anders sein könnte, als man es bislang gewohnt war und praktiziert hatte. Nennen wir diese neu gewonnene kreative Freiheit den LEVEL 5.

Fortsetzung folgt

SCHAFFEN WIR DEN NÄCHSTEN LEVEL? Oder ÜBERWINDEN WIR DEN STATUS DER MONADEN?

COMPUTERSPIEL

 

(1) In Computerspielen müssen die Spieler in der Regel Aufgaben lösen, für die sie dann irgendwie ‚belohnt‘ werden (Tierdressur funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip…). Meist gibt es dann verschiedene ‚Level‘ die man aufgrund der spielerischen Leistungen erreichen kann (Punktezahlen, ein vergleichender Rang mit anderen, mehr Handlungsmöglichkeiten, …). Zugleich werden die Aufgaben ’schwieriger‘, umfassender, ‚bedeutsamer‘. Und wenn es kein expliziter ‚Level‘ ist, dann ist es ein ‚quantifizierbarer‘ Zustand (mehr Einwohner, mehr Waffen, mehr Land, ….). Für die Spieler ist ihre Spielwelt ‚real‘, sind die durch das Spielen ausgelösten Erlebnisse ‚real‘. Wenn ich über die Kopfhörer (oder die HiFi-Anlage) die Geräusche der Spielwelt höre, die Gespräche anderer Spielteilnehmer, ich in 3D eine Situation wahrnehme mit nahezu realistisch anmutenden Pflanzen, Gegenständen, Körpern usw. bei der ich selbst die Perspektive steuern und Aktionen einfließen lassen kann, dann erzeugt dies schon eine sehr realistisch wirkende Situation, der man sich nur mit Mühe entziehen kann (obgleich das Gehirn, wenn es soll/ will, den Unterschied noch erkennen kann).

 

 

SIND WIR EINE SIMULATION?

 

(2) Nicht erst seitdem es Computerspiele gibt haben sich Menschen darüber Gedanken gemacht, ob all das, was wir erleben, ‚wirklich real‘ sei, ob wir nicht einer großen ‚Täuschung‘ unterliegen (z.B. Platons Höhlengleichnis, Descartes Reflexionen über einen unbezweifelbaren Wahrheitsgrund), oder ob wir nicht Teil einer gigantischen ‚Simulation‘ seien (möglicherweise Leibnizens Spekulationen über die Möglichkeit der Welt in seiner später so genannten Schrift ‚Monadologie‘, verschiedene — mittlerweile sehr viele — Science-Fiction Bücher und Filme (z.B. Simulacron 2, 13th Floor, Matrix, um nur einige zu nennen). Ein kürzlicher, vergleichsweise systematischer Versuch unter Berücksichtigung der modernen Physik findet sich bei Witworth (2008). Dazu mein Kommentar an der angegebenen URL).

 

(3) Eines der methodischen Problemen mit solchen Überlegungen ist, dass das Wort ‚Simulation‘ voraussetzt, dass man zwischen mindestens zwei ‚Bereichen‘ unterscheiden kann, dem ‚Simulierten Bereich‘ – nennen wir ihn den ‚S-Raum‘ [SR] – und der ‚hervorbringenden Funktion‘ – nennen wir dies die ‚S-Funktion‘ [f_s] –. Sofern wir als Menschen solche Simulationen organisieren befinden wir uns ‚außerhalb‘ dieser Simulationen, d.h. wir sind im ‚organisierenden Raum‘ [OR], innerhalb dessen der simulierte Raum SR , die simulationserzeugende Funktion f_s, und wir als Simulationsarrangeure [SA] als Bestandteile vorkommen, also irgendwie OR(x) gdw x = <SA, SR, f_s,…>. Auf jeden Fall sind wir nicht selbst direkt Bestandteile unsere eigenen Simulationsräume, höchstens mittels sogenannter ‚Avatare‘ (quasi ‚Platzhalter‘). Dies sind simulierte Objekte im Simulationsraum, die über vereinbarte Interaktionen zwischen SR und SA Eigenschaften des Simulationsarrangeurs in der simulierten Welt repräsentieren können und umgekehrt.

 

(4) Wenn jetzt also spekuliert wird, ob wir nicht selbst Teil einer Simulation seien, d.h. dass unsere ganze Welt eine ’simulierte Welt‘ sei (ein Simulationsraum: Welt = SR_Welt), dann macht diese Rede nur Sinn, wenn wir annehmen, dass es einen ‚übergeordneten‘ organisierenden Raum OR_Welt gibt, innerhalb dessen wir als simulierter Raum vorkommen, dann muss es auch jenseits unserer simulierten Welt SR_Welt eine erzeugenden Simulationsfunktion f_s_Welt geben, also OR_Welt(x) gdw x = <SA_Welt, SR_Welt, f_s_Welt,…>. Weder die Simulationsfunktion f_s_Welt noch die zugehörigen Simulations-Arrangeure und ihre möglichen organisierenden Räume sind uns direkt zugänglich.

 

(5) Die alten Philosophen nannten Spekulationen über die mögliche Wirklichkeit ‚hinter‘ der erfahrbaren Welt hinaus ‚Meta-Physik‘. Dies kann ein sehr seriöses Geschäft sein; bei unsachgemäßer Handhabung wird es aber zu einer ‚Spekulationsblase‘ die mehr verwirrt, als sie klarstellt‘. Und in ’naiven‘ Formen der Spekulationen über ‚das, was die Welt im Inneren zusammenhält‘ finden wir dann die bekannten Formen von ‚Aberglauben‘, ‚Magie‘, ‚Mythen‘, ‚Märchen‘, ‚Propaganda‘, ‚Ideologien‘, usw. Natürlich enthalten alle diese ‚Grenzformen‘ des Wissens meist einen kleinen Teil an ’scheinbarer‘ Wahrheit als ‚Einstiegsdroge‘ in das dann einsetzende größere Verwirrspiel. Aber entscheidend ist der Gesamtzusammenhang, der durch diese Verwirrspiele in der Regel die Bruchstellen mit der Wahrheit verdeckt.

 

(6) Dies scheint mir auch im Fall des Redens über die Welt als ‚Simulation‘ der Fall zu sein. Unser ‚Meta-Wissen‘ über mögliche Zusammenhänge ‚hinter‘ der erfahrbaren Welt beziehen wir aus einem Standpunkt ‚in‘ dieser Welt (laut Simulationshypothese sind wir ‚in‘ dem simulierten Raum SR_Welt). Jede Form von ‚Spekulation‘ über die möglichen Gesetzmäßigkeiten der erfahrbaren Welt sind –aber auch in einer simulierten Welt — letztlich ‚Netzwerke von Begriffen‘ (natürliche Sprachen, Diagramme, mathematische Formeln,…), die im bestmöglichen Fall als ‚empirische Theorien‘ organisiert sind, deren Erfahrungsbezug über nachkontrollierbare Experimente verlaufen und deren ‚Zusammenhang‘ über eine nachvollziehbare ‚Logik‘ organisiert ist (über das dazu notwendige ‚Know-How‘ verfügt die Menschheit erst seit ca. Beginn des 20.Jahrhunderts (mit ersten ‚Spuren‘ eines solchen KnowHows – wie so oft – schon zu früheren Zeiten), wobei es selbst in der offiziellen Wissenschaft bei den meisten Wissenschaftlern sicher noch kein wirkliches explizit abrufbares Wissen darstellt). Fast alle ‚Nicht-Wissenschaftler‘ wissen nichts von alledem (allerdings: selbst Leute mit einem Doktortitel können faktisch – trotz aller akademischen Regeln – noch in einem magisch-mythischen Denken in all jenen Bereichen verhaftet sein, die sie nicht direkt untersucht haben; nicht auszuschließen ist sogar, dass sie selbst in ihrem eigenen Untersuchungsbereich Ansätze zu Magie und Mythos huldigen, da es akademische Bereiche gibt, die ohne explizite Theorien auskommen…!!!).

 

(7) Wenn also – selbst in einer simulierten Welt – die Gesamtheit der Wissenschaften zu einem bestimmten Zeitpunkt – z.B. im Jahr 2008, als der Artikel von Witworth publiziert wurde — eine empirische Theorie T_2008 hatte, in der keine erzeugende Funktion f_s_Welt_2008 vorkommt, dann kann man die Einführung einer solchen Funktion seitens Witworth in die offizielle Theorie zunächst einmal als ‚Spekulation‘ bezeichnen. Spekulationen gehören bis zu einem gewissen Grade zum Alltagsgeschäft der Wissenschaft. Man spielt mal verschiedene ‚Varianten‘ der Begriffsnetze durch um zu prüfen, ob man damit die bekannten Daten eventuell ‚besser‘ erklären kann (wobei es nicht einfach ist, zu definieren, was ‚besser‘ in jedem Fall bedeutet (hier zitiert man gerne Ockhams Rasiermesser und ähnliche ‚vertraute Sprüche’…). Grundsätzlich ist die Hypothese von Witworth – falls sie eine ’seriöse‘ Variante der allgemeinen Welttheorie ist, und das nehmen wir bis zum Beweis des Gegenteils hier an – zunächst einmal nichts anderes als eine andere ‚formale Variante‘ eines Begriffsnetzes, also neben der geltenden Welttheorie T_2008 (die es so natürlich nirgends explizit gibt) nun eben T_2008_Witworth. Damit hat sie die ‚gleiche Aussagekraft‘ (die gleiche ‚Bedeutung‘, den gleichen ‚Beschreibungsumfang‘, den gleichen ‚Wahrheitswert‘,…) wie die offizielle Variante T_2008. Nur die benutzten Worte sind ‚verschieden‘ (so sprechen   z.B. die einen von ‚Grad Celsius‘, die anderen von ‚Fahrenheit‘, die einen von ‚miles per hour‘, die anderen von ‚Kilometer pro Stunde‘. Andere ‚Worte‘ erschaffen nicht notwendigerweise einen neuen ‚Inhalt‘. In der Theorie der Informatik gibt es z.B. neben dem Konzept der Berechenbarkeit repräsentiert im Konzept der Turingmaschine sehr viele andere Konzepte (formale Sprachen, funktionsbasierte Kalküle,…) die völlig verschiedene Begriffe und Regeln benutzen, die aber alle – wie bewiesen wurde – den ‚gleichen‘ Begriff der Berechenbarkeit repräsentieren. Wenn also irgendwer plötzlich anfängt, von der erfahrbaren Welt als von einer ‚Simulation‘ zu sprechen, dann bedeutet dies bezogen auf die erfahrbare Welt nicht notwendigerweise irgendetwas Neues. Der abweichende Wortgebrauch fällt zu Beginn noch auf, dann aber –wie heute –, wenn immer mehr das Wort ‚Simulation‘ benutzen, fällt nicht einmal mehr das  auf. Ich sehe nicht, dass das Reden von Simulation im Falle der Welterklärung irgendeine nennenswerte brauchbare neue Erkenntnis geliefert hat oder liefert.

 

 

WIR SIND MONADEN

 

(8) Eventuell ist die Benutzung des Begriffs ‚Monade‘ hier nicht ganz glücklich, da das Konzept der Monade bei Leibniz (ursprünglich 1714 französisch, dann 1720 deutsch, dann 1721 lateinisch), ein sehr komplexes Begriffsnetz voraussetzt, das mit den populären Verkürzungen (von denen ich hier Gebrauch mache) nur wenig gemein hat. Immerhin hat er Formulierungen, die in Richtung der Vereinfachungen deutbar sind (siehe Beispiele: (Nr.51) … eine geschaffene Monade keinen physischen Einfluss auf das Innere der anderen haben kann… (Nr.56) …..dass jede einfache Substanz..fortwährender lebendiger Spiegel der Welt…(Nr.57) ..dass es wegen der unendlichen Menge der einfachen Substanzen gleichsam ebenso viele verschiedene Welten gibt, die gleichwohl nichts anderes sind als die perspektivischen Ansichten des einzigen Universums, je nach den verschiedenen Gesichtspunkten jeder einzelnen Monade….(Nr.60) … es ist also nicht der Gegenstand, sondern die Abstufung der Erkenntnis des Gegenstandes, worin die Monaden beschränkt sind…(Nr.61) … Aber eine Seele kann in sich selbst nur das deutlich Vorgestellte lesen; sie kann nicht auf einen Schlag auseinanderlegen, was in ihr zusammengefaltet ist, denn diese Fältelung geht ins Unendliche…(alles nach der Übersetzung von Glockner))(Vielleicht schaffe ich mal demnächst eine ausführliche Diskussion des ganzen Textes der sogenannten Monadologie)..

 

(9) Die vereinfachende Grundidee ist die einer Monade als eines Systems, das zwar mit der umgebenden Wirklichkeit in einem gewissen Austausch steht, aber bzgl. jener internen Zustände, die seine Geistigkeit charakterisieren, gibt es keinen direkten Austausch, sondern nur einen hochgradig ‚vermittelten‘.

 

(10) Dies entspricht dem heutigen Erkenntnisstand von dem Gehirn im Körper, das nur sehr begrenzt Informationen von der ‚Welt jenseits des Körpers‘ empfangen kann und das auf seine Weise immer komplexere ‚Modelle‘ einer ‚möglichen Außenwelt‘ entwirft, die wir als ‚Bewusstsein‘ eines solchen Gehirns mit Körper so benutzen, als ob die Modelle die Welt selbst seien. D.h. schon an der Wurzel unserer Erkenntnis basiert unser Weltzugang auf einer ‚Simulation einer möglichen Welt‘, die allerdings so gut ist, dass wir damit nicht nur viele praktische Aufgaben befriedigend lösen können, sondern darüber hinaus fällt es uns Menschen im Alltagsbetrieb fast nie auf, dass ‚unsere‘ Welt gar nicht die Welt ist, innerhalb deren diese simulierten Welten auftreten (natürlich kann man den Unterschied zwischen der simulierten Welt genannt ‚Bewusstsein‘ und ‚Außenwelt‘ feststellen, aber nur bei expliziter Reflexion und sehr oft nur durch Einbeziehung expliziter experimenteller Arrangements).

 

 

MONADEN ALS OFFENE SYSTEME

 

(11) Entscheidend scheint aber zu sein, dass unsere Monadenstruktur eben nicht vollständig ist; wir sind keine völlig abgeschlossenen Systeme, weder auf der körperlichen Ebene noch auf der geistigen.

 

(12) Wie wir heute wissen sind unsere körperlichen Strukturen Teil eines evolutionären Geschehens, innerhalb dessen sich alle Körper (‚Phänotypen‘ von zugrunde liegenden ‚Genotypen‘, aus denen die Phänotypen mittels Wachstum hervorgehen) in direkter Wechselwirkung mit der umgebenden ‚Welt‘ so herausgebildet haben, dass die ‚äußeren‘ Bedingungen nahezu vollständig alles bestimmt haben, was sich dann faktisch ‚entwickelt‘ hat. Nichts an den Phänotypen des biologischen Lebens (Bakterien, Pflanzen, Tiere, homo sapiens sapiens,….) ist ‚einfach so‘ entstanden; alles, radikal alles ist eine ‚Antwort‘ auf die Vielzahl der ‚Randbedingungen‘, die die umgebende Welt repräsentiert (wäre das Leben auf einem anderen Planeten, in einem anderen Sonnensystem entstanden (was wir grundsätzlich nicht ausschließen können, dass dies auch geschehen ist), dann würde die evolutionäre Entwicklung unausweichlich andere konkrete Strukturen favorisiert haben als jene, die wir kennen. Allerdings nicht beliebig andere, sondern nur ’solche andere‘, die die ‚Anreicherung von freier Energie in sich selbst organisierenden Strukturen‘ ermöglichen.

 

(13) Von daher sind die inneren Zustände der empirischen Monaden nicht völlig unbestimmt, sondern gebunden an Phänotypen, die hochgradige Ähnlichkeiten aufweisen (Leibniz spricht – wenngleich auch mit einer etwas anderen Konnotation – von der sogenannten ‚prästabilisierten Harmonie‘, ein Gedanke, den die moderne Physik und Biologie letztlich vollständig bestätigen) und die auch wechselseitig über kontinuierliche Kausalketten miteinander verknüpft sind. Es gibt innerhalb des Universums keinen radikal ‚isolierten‘ Ort, eher einen beständigen ‚Austausch‘).

 

(14) Zusätzlich benutzen die Lebewesen auf jeder Komplexitätsebene die materiellen Interaktionsmechanismen, um mittels dieser ‚direkten‘ Interaktionsereignisse ‚indirekte‘ (kodierte) Ereignisse zu ‚übertragen‘ und dann zusätzlich zu ‚interpretieren‘, ‚deuten‘, ‚verstehen‘, indem materielle Ereignisse zu ‚Zeichen‘ werden, mittels deren sich ‚Bedeutungen‘ kodieren lassen. Aufgrund der hochgradigen Ähnlichkeiten der materiellen, körperlichen Strukturen lassen sich solche semiotischen Kodierungsprozesse bis zu einem gewissen Grade erfolgreich durchführen. Sofern solche semiotischen Kodierungen gelingen lassen sich ‚abstrakte‘ (und ‚virtuelle‘!) Modelle entwickeln, die ‚mögliche Weltzustände‘ repräsentieren, die zur Orientierung für komplexe Handlungsabläufe werden können, die ohne diese semiotische Kodierungen unmöglich wären. Trotz der Abgeschlossenheit der ‚inneren‘ Zustände einer Monade von der Außenwelt ist also ein kontinuierlicher ‚Strom‘ von semiotischen Ereignissen möglich, der zu einem daran ‚gekoppelten‘ kontinuierlichen ‚Verarbeitungsprozess‘ ‚im Innern‘ einer Monade führen kann. In diesem Sinne sind wir als ‚Monaden‘ ‚offene Systeme‘, die sich bis zu einem gewissen Grad mit den Zuständen anderer Monaden ‚koordinieren‘ können.

 

STUFEN DER INTERAKTION

 

(15) Wie die Kulturgeschichte der Menschheit als Teil der übergreifenden biologischen Evolution (diese wiederum als Teil der übergreifenden kosmischen Entwicklung!) zeigt, haben sowohl die materiellen Interaktionsmöglichkeiten wie auch die semiotischen sowohl an Quantität wie auch an Komplexität zugenommen. Im Falle des homo sapiens sapiens kann man geradezu von einer Explosion sprechen, die sich in unvorstellbar kurzer Zeit entwickelt hat und die zugleich eine Beschleunigung andeutet, die – gemessen an der geringen Veränderungsgeschwindigkeit der körperlichen Trägerstrukturen — auf den ersten Blick bedrohlich wirken können (verglichen mit den hier stattfinden Problemkomplexen wirken die Angstreflexe an den Börsen angesichts von Kursverfällen geradezu lächerlich, was nicht heißt, dass diese Kursverläufe konkrete Existenzen im aktuellen gesellschaftlichen Gefüge ‚finanziell‘ zerstören können…).

 

(16) Im Laufe von mindestens 3.5 Mrd Jahren hat das Leben auf der Erde viele sehr dramatische Veränderungen erlebt (beständige Klimawechsel mit großen Eiszeiten, gewaltige Vulkanausbrüche, Einsturz von Kometen mit der Vernichtung von bis zu 90% aller Arten, usw.), aber der homo sapiens sapiens stellt eine so ‚hochentwickelte‘ Lebensform dar, dass er viele solcher Änderungen, wie sie in der Vergangenheit schon stattgefunden haben, heute eher gar nicht überleben würde. Dazu kommen vom homo sapiens sapiens selbst verursachte Veränderungen (z.B. durch erhöhten Verbrauch endlicher Ressourcen für Energie, Ernährung, Trinkwasser, …), die absehen lassen, wann die endlichen Kreislaufsysteme, die bislang über natürliche Rückkoppelungsprozesse eine gewisse Regulierung erfahren hatten, ins Ungleichgewicht kommen.

 

(17) Andererseits hat man den Eindruck, dass die gesamte Entwicklung – von der der homo sapiens sapiens ja nicht isoliert gesehen werden darf – genau auf den Punkt zuläuft, wo nach der kosmologischen, dann der chemischen und schließlich der biologischen Evolution nun eine Art ‚kognitive‘ (man könnte auch ‚geistige‘ sagen) Evolution stattfinden muss, in der die bislang vorwiegend randomisiert-kombinatorischen Suchprozesse im Umfeld des Planeten Erde zusätzlich durch technologisch gestützte modellbasierte Suchprozesse ergänzt werden müssen, um den nächsten ‚Entwicklungsschritt‘ (den nächsten ‚Level‘) zu schaffen. Dieser muss mindestens so ‚kontextsensitiv‘ sein wie die vorausgehenden Entwicklungsprozesse, da die komplexen Prozesse der umgebenden Natur bislang noch in keiner Weise vom homo sapiens sapiens alleine gesteuert werden können. Sicher wird – sofern der homo sapiens sapiens es nicht ‚vermasselt‘ — der Punkt kommen, wo der homo sapiens sapiens nicht nur vor der Notwendigkeit steht, seine Koexistenz mit den vorhanden Systemen dramatisch zu verbessern, er wird es auch können. Alles ist in gewisser Weise daraufhin ‚angelegt‘ (zumindest deutet die gesamte bisherige Entwicklung in genau diese Richtung).

 

 

KOMPLEXITÄTSPROBLEME UND FALSCHE ETHIK

 

(18) Momentan erleben wir – erstmalig für das Leben auf dieser Erde – dass die Handlungsmöglichkeiten des Lebens in Gestalt des homo sapiens sapiens eine immer größere Veränderungsgeschwindigkeit erzeugen, dass aber die Basis dieser Veränderungen, die körperliche Struktur (der Phänotyp) des homo sapiens sapiens sich nicht mit gleicher Geschwindigkeit mitverändert. Zwar wissen wir alle, dass der heutige Phänotyp des Menschen ein ‚Zwischenprodukt‘ ist, etwas ‚Gewordenes‘, auf keinen Fall etwas ‚Endgültiges‘, und in seiner konkreten Ausgestaltung auch nur gerechtfertigt durch die konkreten Lebensnotwendigtkeiten, die vor ca. 200.000 bis einige Millionen Jahre vor unserer Gegenwart (BP := Before Present) bestanden hatten, dennoch leisten wir uns den Luxus einer sogenannten Ethik, nach der wir das menschliche Genom nicht verändern dürfen. Wenn man weiß, dass wir nur deshalb heute leben, weil dieses Genom in den vorausgehenden 3.5 (oder mehr) Milliarden Jahren beständig und kontinuierlich verändert worden ist, dann wirkt es geradezu makaber, dass unter dem Vorwand, Leben zu erhalten, genau das verboten wird, was überhaupt unser Leben ermöglicht hat. Im übrigen ist kein einzelner Mensch ‚Herr‘ über das biologische Leben. Klassisch würde man dies als ‚Hybris‘ bezeichnen. Wenn wir dem Leben ‚dienen‘ wollen dann sicher nur dort und darin, wo wir die Mechanismen, die Leben ‚möglich‘ machen, immer weiter identifizieren und weiter unterstützen. Auf jeden Fall müssen wir das psychische Inventar des homo sapiens sapiens dramatisch verbessern (wobei wir niemanden haben, den wir fragen können! Wir sitzen alle im gleichen Boot des Suchens….).

 

 

OPEN END

 

(19) Ich höre an dieser Stelle mal auf. Natürlich wurde – wie immer – vieles Wichtiges nicht gesagt. Vieles ist zudem kryptisch, verlangt ausführlichere Erklärungen. Aber das genau ist Teil unseres Problems: wir müssen sehr große, komplexe Probleme mit Hilfe eines – trotz allem Fantastischen – sehr endlichen Gehirn mit sehr primitiven Kommunikationsmöglichkeiten in vergleichbar kurzer Zeit lösen. Dazu kommt ein Arsenal von Emotionen und Gefühlen, die für diese Aufgabe wenig geeignet sind (siehe vorausgehende Blog-Einträge). Nichtsdestotrotz, je mehr ich über diese Dinge nachdenke, um so mehr verfestigt sich in mir das Gefühl, dass es in allem viel, viel mehr ‚Ordnung‘ gibt als ‚Chaos‘. Denn, in welcher ‚dunklen‘ Ecke man auch immer anfängt herum zu gucken, über kurz oder lang findet man ‚Spuren‘ von Ordnung. Dies hängt natürlich auch damit zusammen, dass wir selbst als homo sapiens sapiens durch und durch ein hochintegriertes Ordnungssystem darstellen, aus dem wir nicht aussteigen können (weswegen auch der französische Strukturalismus als Antistrukturalismus bestenfalls amüsant war; was soll schon herauskommen, wenn man sein eigenes Gehirn zu leugnen versucht…). Aber genau ist dann auch wichtig: sollte um uns herum tatsächlich nur Chaos herrschen, dann könnte sich auch in keiner Weise irgendeine Ordnungsstruktur daraus entwickeln. Die Tatsache, dass dies aber der Fall war, zeigt, dass es ein sehr hohes Mass an vorgegebener Ordnung gegeben haben muss (und gibt). Zudem bestätigen alle bekannten wissenschaftlichen Ergebnisse genau dieses. Methodisch ist es natürlich allemal besser, man arbeitet mit der ‚Null-Hpothese‘ (in diesem Fall: nur Chaos). Wenn man dann allerdings immer nur und immer mehr ‚Ordnung‘ findet, sollte man sich gelegentlich auch mal den ‚Luxus‘ erlauben, über das Gefundene konstruktiv nachzudenken. Vielleicht scheuen die meisten davor zurück, weil dies z.B. bedeuten würde, wir müssten uns einer neuen Ethik stellen, die vieles von den liebgewordenen Normen in Frage stellt. Noch schlimmer: dem homo sapiens sapiens käme eine Verantwortung zu, nicht für alles und jedes, aber doch für die Lebenden eine ‚totale’…für jeden…wer mag das schon…

 

Drei Jahre später gibt es einen neuen Eintrag, in dem die Worte ‚Computerspiel‘ und ‚Level‘ vorkommen, aber dort konkreter in Richtung von Stufen des phlosophischen Bewusstseins.

 

QUELLENNACHWEISE

 

G. Doeben-Henisch, URL: Skript (ältere Version), dort der Abschnitt ‚Physical World as Virtual Reality?

 

Whitworth, B., The physical world as a virtual reality, CDMTCS Research Report, CDMTCS-316, 2007, http://arxiv.org/abs/0801.0337 1-17, rev. 2008

 

G. W. Leibniz: Monadologie (Deutsch). Übersetzt , eingeleitet und erläutert von Helmut Glockner Stuttgart: Reclam, 1954

 

G. W. Leibniz: Monadologie (Französisch/Deutsch). Übersetzt und herausgegeben von Hartmut Hecht, Stuttgart: Reclam, 1998. ISBN 3-15-007853-9 (eine online Version der ersten deutschen Übersetzung von Köhler 1720 findet sich hier: http://gutenberg.spiegel.de/buch/2790/1)

 

 

 

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