Archiv der Kategorie: Biologische – das

WAS IST LEBEN? Homo Sapiens Ereignis – Erste Umrisse

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Datum: 23.Febr 2025 – 2.März 2025

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

Eine englische Version  findet sich HIER.

KONTEXT

Dies ist keine weitere  Zwischenreflexion, sondern eine Fortsetzung im Hauptstrang des Text-Projektes ‚Was ist Leben?‘

HAUPTSTRANG: Was ist Leben?

  1. 17.Jan 2025 WAS IST LEBEN ? Welche Rolle haben wir ? Gibt es eine Zukunft ?
  2. 18.Jan 2025 WAS IST LEBEN ? … DEMOKRATIE – BÜRGER
  3. 21.Jan 2025 WAS IST LEBEN ? … PHILOSOPHIE DES LEBENS
  4. 9.Febr 2025 WAS IST LEBEN ? … Wenn Leben ‚Mehr‘ ist, ‚viel Mehr‘ …
  5. 17.Febr 2025 WAS IST LEBEN – GRAMMATIK DES ÜBERLEBENS. Im Focus: Homo sapiens …(noch nicht fertig)
  6. 2.März 2025 WAS IST LEBEN? Homo Sapiens Ereignis – Erste Umrisse

Dem Text Nr.4 ging ein Vortrag am 31.Jan 2025 voraus, in dem ich die grundlegenden Ideen schon mal formuliert hatte.

EINSCHÜBE BISHER:

  1. 15.Febr 2025 EINSCHUB: Kurze Geschichte zum Begriff der Intelligenz und seiner möglichen Zukunft 
  2. 18.Febr 2025 EINSCHUB : BIOLOGISCHE INTELLIGENZ braucht LERNEN. Strukturanalyse
  3. 20.Febr 2025 EINSCHUB : INTELLIGENZ – LERNEN – WISSEN – MATERIELLE BEDINGUNGEN; KI 

ÜBERLEITUNG

Im Text Nr.4 „WAS IST LEBEN ? … Wenn Leben ‚Mehr‘ ist, ‚viel Mehr‘ …“ gibt es einen zentralen Abschnitt, der hier nochmals in Erinnerung gerufen werden soll. Im Anschluss an die Offenlegung der faktisch starken Beschleunigung in der Entwicklung der Komplexität des Lebens auf diesem Planeten heißt es:

„Die Kurve erzählt jene ‚Wirkgeschichte‘, die ‚klassische biologische Systeme‘ bis zum Homo sapiens mit ihren ‚bisherigen Mitteln‘ erzeugen konnten. Mit dem Auftreten des Typs ‚Homo‘, und dann insbesondere mit der Lebensform ‚Homo sapiens‘, kommen aber völlig neue Eigenschaften ins Spiel. Mit der Teil-Population des Homo sapiens gibt es eine Lebensform, die mittels ihrer ‚kognitiven‘ Dimension und ihrer neuartigen ‚symbolischen Kommunikation‘ extrem viel schneller und komplexer Handlungsgrundlagen generieren kann.“

Nach diesem ‚Gesamtbild‘ deutet vieles darauf hin, dass das Auftreten des ‚Homo sapiens‘ (das sind wir) nach ca. 3.5 Mrd Jahren Entwicklung mit vorausgehenden ca. 400 Mio Jahren molekularer Entwicklung nicht ‚irgendwie zufällig‘ stattfindet. Es ist kaum zu übersehen, dass das Auftreten des Homo sapiens quasi im im ‚Zentrum der Entwicklungsrichtung‘ liegt. Dieser Sachverhalt kann — muss? — zur Frage führen, ob sich hieraus eine ‚besondere Verantwortung‘ für den Homo sapiens für die ‚Zukunft des gesamten Lebens‘ auf diesem Planeten — oder auch darüber hinaus? — herleitet? Daraus resultiert das zweite Zitat aus dem Text Nr.4:

„Wie kann eine ‚Verantwortung für das globale Leben‘ für uns Menschen von uns einzelnen Menschen überhaupt ‚verstanden‘, geschweige denn ‚praktisch umgesetzt‘ werden? Wie sollen Menschen, die aktuell ca. 60 – 120 Jahre leben, sich Gedanken machen über eine Entwicklung, die viele Millionen oder gar mehr Jahre in die Zukunft zu denken ist?“

Eine solche ‚Verantwortung mit Blick auf eine Zukunft‘ würde — aus der Sicht des gesamten Lebens — nur Sinn machen, wenn es genau der Homo sapiens wäre, der als ‚aktuell einziger‘ im Vergleich zu allen anderen bisherigen Lebensformen über genau jene Eigenschaften verfügt, die man in der aktuellen Entwicklungsphase des Lebens für die ‚Wahrnehmung einer Verantwortung‘ benötigt.

Vorbemerkung

Im folgenden Text wird schrittweise erklärt, wie dies alles zusammenhängt. Dabei wird in dieser Phase kaum auf einschlägige Literatur verwiesen, weil dies bei jedem einzelnen Abschnitt zahllose Verweise erfordern würde. Einige wenige Anmerkungen werden trotzdem gelegentlich gemacht. Sollte die Perspektive der Texte zum Thema ‚Was ist Leben‘ sich grundsätzlich bewähren, müsste diese Perspektive in einem weiteren Durchgang weiter konkretisiert und ‚in aktuelles Spezial-Wissen eingebettet‘ werden. Dabei könnte jeder auf seine Weise mitwirken. Hier geht es zunächst nur um die Herausarbeitung einer neuen komplexen ‚Arbeitshypothese‘ unter Voraussetzung des bisherigen Wissens.

DAS HOMO SAPIENS EREIGNIS

In modernen Science Fiction Romanen und Filmen sind ‚Außerirdische‘ ein beliebtes Format, um auf dem Planet Erde etwas Besonderes einzuführen, oder abenteuerliche Entwicklungen, die ‚aus der Zukunft‘ auf der Erde erscheinen. Natürlich sind dies ‚Denkfiguren‘, mit denen wir Menschen uns ‚Geschichten‘ erzählen, weil wir als Menschen Geschichten seit Anbeginn lieben. Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund, dass das ‚Homo sapiens Ereignis (HSE)‘ bislang kaum eine vergleichbar ‚empathische Aufmerksamkeit‘ gefunden hat. Dabei hat das HSE alle Zutaten, die selbst die kühnsten bisher bekannten Science Fiction Romane und Filme bei weitem übertreffen kann. Die ‚Entwicklungszeit‘ allein auf dem Planet Erde beträgt immerhin ca. 3.9 Mrd Jahre. Öffnet man sich der Erkenntnis, dass ‚das Biologische‘ möglicherweise als ‚direkte Entfaltung‘ jener Eigenschaften zu verstehen ist, die implizit im gesamten ‚Nicht-Biologischen‘ angelegt sind, damit letztlich in der ‚Energie‘ selbst, aus der das gesamte bekante Universum hervor gegangen ist, dann haben wir es hier mit einem ‚maximalen Ereignis‘ zu tun, dessen Wurzel so alt ist, wie das bekannte Universum. Letztlich — die ‚Energie‘ ist für uns noch mehr unbekannt als bekannt — könnte das HSE als Eigenschaft der Energie sogar ‚älter‘ sein als das bekannte Universum.

BILD 1 : Homo sapiens Ereignis (HSE)

PHILOSOPHISCHE ANNÄHERUNG

In diesem Text wird über das ‚Homo Sapiens Ereignis (HSE)‘ ‚gesprochen‘ bzw. ‚geschrieben‘, da dies die einzige Möglichkeit ist, wodurch das ‚Gehirn des Autors‘ mit ‚Gehirnen von Lesern‘ ‚Gedanken austauschen‘ kann. Dies bedeutet — egal, um welche Inhalte es geht — ohne irgendeine Form der ‚Kommunikation‘ kann es zwischen verschiedenen Gehirnen keinen Austausch geben. Im Fall des Homo sapiens geschieht dies von Anbeginn durch eine ’symbolische Sprache‘, eingebettet in vielfältige Handlungen, Gesten, Mimik, Tonfällen und mehr. Daher ist es sinnvoll, diesen Mechanismus einer ’symbolischen Sprache‘ als Element in einem ‚menschlichen Kommunikationsprozess‘ soweit transparent zu machen, dass man verstehen kann, wann welche ‚Inhalte‘ mittels einer symbolischen Kommunikation ‚ausgetauscht‘ werden können.

Bei dem Versuch, diesen ‚Mechanismus‘ einer symbolischen Kommunikation zu erklären, zeigt sich, dass im ‚Vorfeld‘ dieser Erklärung einige ‚Voraussetzungen‘ bewusst gemacht werden müssen, ohne die die nachfolgende Erklärung nicht funktionieren kann.

Für die ‚umfassende Perspektive‘ der hier stattfindenden symbolischen Kommunikation wählt der Autor dieses Textes die Bezeichnung ‚Philosophische Perspektive‘ in dem Sinne, dass alle anderen bekannten und möglichen Perspektiven darin eingeschlossen sein sollen.

Drei isolierte Perspektiven (innerhalb der Philosophie)

Neben der Perspektive der ‚Biologie‘ (samt vieler anderer unterstützender Disziplinen), mit deren Hilfe die Entwicklung ‚des Biologischen‘ auf dem Planet Erde bis zum HSE beschrieben wurde, sollen jetzt einige ‚zusätzliche Perspektiven‘ aufgerufen werden, die unter Voraussetzung des Biologischen interessante Erkenntnisse ermöglichen können:

  1. ‚Phänomenologie‘ als Teildisziplin sowohl der Philosophie als auch der Psychologie: sie dient der Beschreibung und Analyse von ’subjektiven Erlebnissen‘.
  2. ‚Empirische Psychologie‘: sie dient der Beschreibung und Analyse ‚beobachtbaren Verhaltens‘ von Menschen.
  3. ‚Empirische Gehirnforschung‘: sie dient der Beschreibung und Analyse ‚beobachtbarer Prozesse in Gehirnen‘ von Menschen.

BILD 2 : (Handskizze, zur Illustration aus dem Entstehungsprozess) Philosophische Perspektive mit den Teildisziplinen ‚Phänomenologie‘, ‚(empirische) Psychologie sowie ‚Gehirnforschung‘

Wenn man diese drei Perspektiven nebeneinander anordnet, dann beinhaltet die phänomenologische Sicht nur unsere eigenen (’subjektiven‘) Erlebnisse ohne direkten Bezug zum Körper oder zur Welt außerhalb der Körper. Dies ist jene Perspektive, mit der jeder Mensch geboren wird und die ihn sein Leben lang als ’normale Sicht der Dinge‘ begleitet.

In der Perspektive der ‚empirischen Psychologie‘ steht das ‚beobachtbare Verhalten‘ von Menschen im Zentrum (es können auch andere Lebensformen auf diese Weise untersucht werden; dies gehört dann aber eher zur ‚Biologie‘). Die ‚Phänomene‘ des ’subjektiven Erlebens‘ sind der Perspektive der empirischen Psychologie entzogen. Die beobachtbaren Eigenschaften des Gehirns als empirischem Objekt sowie des Körpers sind der empirischen Psychologie zwar grundsätzlich zugänglich, jedoch ordnet man die empirisch beobachtbaren Eigenschaften des Gehirns heute eher der ‚(empirischen) Gehirnforschung‘ zu und jene des Körpers der ‚(empirischen) Physiologie‘.

In der Perspektive der ‚(empirischen) Gehirnforschung‘ sind die beobachtbaren Eigenschaften des Gehirns zugänglich, aber nicht die Phänomene‘ des ’subjektiven Erlebens‘ und nicht das ‚beobachtbare Verhalten‘ (auch nicht die beobachtbaren Eigenschaften des Körpers;).

Man kann sehen, dass bei der hier ‚gewählten Systematik‘ der wissenschaftlichen Perspektiven jede Disziplin über einen ‚eigenen Beobachtungsbereich‘ verfügt, der von den Beobachtungsbereichen der anderen Disziplinen vollständig getrennt ist! Dies bedeutet, dass jede dieser drei Perspektiven ‚Anschauungen über ihr Objekt‘ entwickeln kann, die sich grundlegend von den ‚Anschauungen der anderen‘ unterscheiden. Bedenkt man, dass jede dieser drei Perspektiven ‚in der Realität‘ mit einem und dem selben ‚Objekt‘ zu tun hat — mit konkreten Exemplaren des ‚Homo sapiens (HS)‘ — muss man sich fragen, welchen ‚Stellenwert‘ man diesen drei so unterschiedlichen Perspektiven samt den darauf aufbauenden ‚Teilbildern des Homo sapiens‘ zumessen soll? Müssen wir in der wissenschaftlichen Sicht das ‚eine materielle Objekt‘ in drei verschiedenen Lesarten des ‚Homo sapiens (HS)‘ aufspalten: in den ‚HS-Phänomenal‘, in den ‚HS-SichVerhaltend‘ und in den ‚HS-Gehirn‘?

In der Praxis der Wissenschaft wissen natürlich alle Forscher, dass die ‚Inhalte‘ der einzelnen Beobachtungsperspektiven ‚untereinander‘ irgendwie ‚wechselwirken‘: Die Wissenschaft weiß heute, dass subjektive Erlebnisse (Ph) stark mit bestimmten Gehirnereignissen (N) ‚korrelieren‘; ebenso weiß man, dass bestimmten Verhaltensweisen (Vh) sowohl mit subjektiven Erlebnissen (Ph) wie auch mit Gehirnereignissen (N) korrelieren. Um diese ‚Wechselwirkungen‘ zwischen den verschiedenen Bereichen (Ph-Vh, Ph-N, N-Vh) zumindest schon mal ‚beobachten‘ zu können gibt es daher schon lange den Zusammenschluss verschiedener Perspektiven durch die ‚Kooperation verschiedener Disziplinen‘ wie z.B.‚Neurophänomenologie (N-Ph)‘ und ‚Neuropsychologie (N-Vh)‘. Für den Fall der Kooperation zwischen Psychologie und Phänomenologie ist die Lage nicht so klar. Einerseits war die ‚frühe Psychologie‘ selbst stark ‚introspektiv‘ orientiert und damit kaum unterscheidbar von einer reinen Phänomenologie, andererseits tut sich die Theoriebildung im Bereich der empirischen Psychologie bis heute schwer. Die Bezeichnung ‚phänomenologische Psychologie (Ph-Vh)‘ kommt vor, wenngleich ohne klaren Gegenstandsbereich.

Während es also ansatzweise ‚Kooperationen von unterschiedlichen Perspektiven‘ gibt, so ist eine ‚voll integrierte Sicht‘ noch nirgendwo zu erkennen.

Im Folgenden wird versuchsweise eine ‚Skizze des Gesamtsystems‘ vorgestellt, in der wichtige ‚Teilbereiche‘ hervorgehoben und die wichtigsten ‚Wechselwirkungen‘ zwischen diesen Teilbereichen angezeigt werden.

Skizze des Gesamtsystems

Die folgende ‚Skizze des Gesamtsystems‘ stellt einen ‚gedanklichen Zusammenhang‘ her zwischen den Bereichen ’subjektive Erlebnisse (Ph)‘, ‚Gehirnereignisse (N)‘, ‚Körperereignisse (BDY)‘, der ‚Umgebung des Körpers (W)‘, und dem ‚beobachtbaren Verhalten (Vh)‘ des Körpers in der Welt.

BILD 3 : (Handskizze, zur Illustration aus dem Entstehungsprozess) (1) ’subjektive Erlebnisse (Ph)‘, (2) ‚Gehirnereignisse (N)‘, (3) ‚Körperereignisse (BDY)‘, (4) ‚beobachtbares Verhalten (Vh)‘ des Körpers in der Welt, und (5) ‚Umgebung des Körpers (W)‘. Unten links im Bild ist ein konkretes Exemplar eines ‚Homo sapiens (HS)‘ angedeutet, der die ‚Welt (W)‘ samt den verschiedenen ‚Körpern (BDY)‘ von anderen Homo sapiens-Exemplaren ‚beobachten‘ und seine Beobachtungen mit Hilfe einer ‚Sprache (L)‘ in Form eines ‚Textes‘ aufschreiben kann.

BILD 3b : Handskizze, zur Illustration aus dem Entstehungsprozess: Die Kernidee für das Konzept eines ‚Kontextuellen Bewusstseins (CCONSC)

Wie man ersehen kann, gibt es eine Nummerierung der verschiedenen Bereichen von (1) bis (5), wobei die Nummer ‚(1)‘ dem Bereich der subjektiven Erlebnisse (Ph) zugeordnet ist. Dies ist dadurch motiviert, dass für jeden Menschen durch die Struktur seines Körpers vorgegeben ist, dass wir ‚uns selbst‘ und ’sämtliche anderen Ereignisse‘ in Form solcher ’subjektiver Erlebnisse‘ als Phänomene ‚wahrnehmen‘. ‚Wo‘ diese Phänomene herkommen — aus dem ‚Gehirn‘, aus dem ‚Körper‘, aus der ‚umgebenden Welt‘ –, das kann man den Phänomenen selbst nicht so ohne weiteres ansehen. Es sind ‚unsere‘ Phänomene. Während ein Philosoph wie Kant — und alle seine Zeitgenossen — noch darauf angewiesen war, die ‚mögliche Welt‘ und ’sich selbst‘ ausschließlich aus der Perspektive ’seiner Phänomene‘ zu betrachten, haben die Erkenntnisse der empirischen Wissenschaften seit ca. 1900 schrittweise dazu geführt, dass die ‚Prozesse hinter den Phänomenen‘ — lokalisiert im ‚Gehirn‘ — immer konkreter untersucht werden konnten. Es konnten dann immer mehr ‚Beziehungen (über Korrelationen in der Zeit)‘ zwischen ‚Gehirnereignissen (N)‘ und den ‚Phänomenen (Ph)‘ entdeckt werden.

Eine wichtige Entdeckung bestand darin, dass es möglich wurde, ’subjektive Erlebnisse (Ph)‘ in eine zeitliche Beziehung zu Gehirnereignissen (N) zu setzen. Damit legte sich die Sichtweise nahe, dass unsere subjektiven Erlebnisse zwar ‚als Erlebnisse‘ nicht direkt ‚gemessen‘ werden können, dass aber zeitliche Beziehung zu Gehirnereignissen es erlauben, ‚Bereiche im Gehirn‘ zu lokalisieren, deren ‚Funktionieren‘ eine Voraussetzung für unser subjektives Erleben zu sein scheint. Damit gewann auch das verbreitete Reden über ein ‚Bewusstsein‘ eine erste empirische Konkretisierung, die man als Arbeitshypothese so formulieren kann: das, was wir mit ‚Bewusstsein (CONSC, 1)‘ meinen, bezieht sich auf solche ’subjektiven Erlebnisse (Ph), die von bestimmten Bereichen im Gehirn durch ‚Gehirnereignisse (N)‘ ermöglicht werden. Wie dies im einzelnen gesehen werden kann, wird weiter unten weiter erläutert.

Die ‚Gehirnereignisse (N)‘, die im ‚Gehirn (BRAIN, 2)‘ lokalisiert werden, bilden einen komplexen Ereignisraum, der seit ca. 1900 immer mehr erforscht wird. Generell ist klar, dass dieser Raum ‚hoch dynamisch‘ ist, was sich darin manifestiert, dass alle Ereignisse untereinander auf vielfache Weise ‚wechselwirken‘. Das Gehirn ist gegenüber dem übrigen Körper einerseits klar abgegrenzt, andererseits gibt es einen ‚Austausch‘ zwischen dem ‚Körper (BDY, 3) und dem ‚Ereignisraum des Gehirns (BRAIN, 2)‘. Dieser Austausch läuft über ‚Schnittstellen‘, die in der Lage sind sowohl (i) Ereignisse im Körperraum so zu ‚übersetzen‘, dass sie im Gehirn als Gehirnereignisse erscheinen, als auch (ii) Gehirnereignisse so zu ‚übersetzen‘, dass sie im Körper als Körperereignisse wirksam werden können. Beispiele für (i) sind z.B. unsere ‚Sinnesorgane‘ (Augen, Ohren, Geruch, …), durch die ‚Licht‘ bzw. ‚Schall‘ bzw. ‚Moleküle in der Luft‘ in Gehirnereignisse ‚umgewandelt/ transformiert/ übersetzt …‘ werden. Beispiele für (ii) sind Gehirnereignisse, durch die z.B. ‚Muskulatur‘ aktiviert wird, welche zu ‚Bewegungen‘ führen kann, oder ‚Drüsen‘, durch die spezielle Moleküle ‚abgesondert‘ werden können, welche Prozesse von Körperorgane steuern können, und vieles mehr.

Der ‚Körperraum (BODY, 4)‘ ist etwa 450 mal größer als der Raum der Gehirnereignisse. In ihm lassen sich viele ‚Bereiche‘ abgrenzen, die man als ‚Organe‘ bezeichnet, die für sich komplexe Strukturen besitzen und die untereinander in vielfachen Wechselbeziehungen stehen. Mit dem Raum der Gehirnereignisse stehen die Körperereignisse ebenfalls auf vielfache Weise in direktem Austausch. Mit der ‚umgebenden Welt (W,5)‘ gibt es zwei Arten von Austauschbeziehungen. Einmal (i) solche ‚Schnittstellen‘, in denen ‚Körperereignisse‘ als ‚Ausscheidungen‘ in den Ereignisraum der Welt (W) auftreten oder (ii) als solche Körperereignisse, die direkt von Gehirnereignissen gesteuert werden (z.B. im Fall von Bewegungen). Beide Ereignisformen zusammen bilden den ‚OUTPUT (4a)‘ des Körpers in die umgebenden Welt (W). Umgekehrt gibt es auch einen ‚INPUT (4b)‘ von der Welt in den Ereignisraum des Körpers. Auch hier kann man unterscheiden zwischen (i) Ereignissen der Welt, die direkt in den Ereignisraum des Körpers eintreten (z.B. bei der Nahrungsaufnahme), oder solche (ii) in denen Ereignisse der Welt durch eine sensorische Schnittstelle des Körpers in Gehirnereignisse übersetzt werden (z.B. beim ‚Sehen‘, ‚Hören’…).

Bei dieser Sachlage stellt sich natürlich die Frage, wie kann das Gehirn bei der Vielzahl der Gehirnereignisse (N) ‚unterscheiden‘, welche Ereignisse (i) aus dem Raum der Gehirnereignisse (N) stammen oder (ii) Gehirnereignisse sind, die vom Raum der Körperereignisse (BDY) hervorgerufen werden oder (iii) Gehirnereignisse sind, die — vermittelt durch den Körper — vom Ereignisraum der umgebenden Welt (W) herrühren. Anders formuliert: Woran kann das Gehirn ‚erkennen‘ ob ein Gehirnereignis N ein (i) N aus N ist, ein (ii) N aus BDY oder ein (III) N aus W?

Diese Frage wird im weiteren Verlauf mit einer Arbeitshypothese beantwortet werden.

Konzept ‚Bewusstsein‘; Grundannahmen

Schon im vorausgehenden Abschnitt wurde mittels einer ersten Arbeitshypothese eine Charakterisierung des Konzepts ‚Bewusstsein‘ versucht: das, was wir mit ‚Bewusstsein (CONSC, 1)‘ meinen, bezieht sich auf solche ’subjektiven Erlebnisse (Ph), die von bestimmten Bereichen im Gehirn durch ‚Gehirnereignisse (N)‘ ermöglicht werden.

Diese Arbeitshypothese soll jetzt durch einige weitere Annahmen noch ein wenig verfeinert werden. Obwohl alle diese Annahmen auf ‚wissenschaftlichem‘ und ‚philosophischem Wissen‘ beruhen, welches vielfältig ‚begründet‘ wird, sind dennoch viele Fragen im Detail noch nicht vollständig geklärt; auch fehlt bis heute noch eine ‚alles zusammenfassende (integrierende) Theorie‘. Folgende zusätzliche Annahmen:

  1. Normalerweise rechnet man alle Phänomene, die man subjektiv explizit erleben kann, zum Raum des ‚expliziten Bewusstseins (ECONSC ⊆ CONSC)‘. Man spricht dann davon, dass einem ‚etwas bewusst‘ sei.
  2. Es gibt aber auch ein ‚Bewusstsein von etwas‘, das mit ‚keinem direkten Phänomen‘ korreliert. Dies sind solche Konstellationen, in denen wir Beziehungen zwischen Phänomenenannehmen, obwohl die ‚Beziehungen selbst‘ kein Phänomen sind (z.B: ‚gesprochene Laute‘ mit ‚Bezug auf‘ ‚Phänomene‘, ‚Größenverhältnisse zwischen Phänomenen‘, ‚Teil-Eigenschaften eines Phänomens‘, ‚aktuelles‘ und ‚erinnertes‘ Phänomen, ‚wahrgenommenes‘ und ‚erinnertes‘ Phänomen, …). Diese Form des ‚Bewusstseins im Umfeld von Phänomenen, dem direkt kein Phänomen entspricht‘ soll hier ‚Kontextbewusstsein (CCONSC ⊆ CONSC)‚ genannt werden. Auch hier kann man dann sagen, dass einem ‚etwas bewusst‘ sei, wenn auch ‚irgendwie anders‘.
  3. Diese Unterscheidung zwischen ‚explizitem Bewusstsein (ECONSC)‘ und ‚Kontextbewusstsein (CCONSC)‘ deutet darauf hin, dass die Fähigkeit, ’sich einer Sache bewusst zu sein‘, umfassender ist als das, was eine explizites Bewusstheit nahelegt. Dies führt zu der Arbeitshypothese, dass das, was wir ‚intuitiv‘ ‚Bewusstsein (CONSC)‘ nennen, das ‚Ergebnis‘ der Arbeitsweise unseres Gehirns ist.
  4. Im Licht der heutigen Gehirnforschung erscheint das Gehirn also als ein überaus komplexes System. Für die Überlegungen in diesem Text soll hier folgende stark vereinfachte Arbeitshypothesen formuliert werden:
    • Die ‚empirischen Gehirnereignisse‘ werden hauptsächlich von speziellen ‚Zellen‘, den ‚Neuronen (N)‘, erzeugt und verarbeitet. Ein Neuron kann von vielen anderen Neuronen ‚Ereignisse registrieren‘, und kann genau ‚ein Ereignis generieren‘, das dann aber an viele andere Neuronen verteilt werden kann. Dieses ‚Ausgangsereignis‘ kann auch wieder als ‚Eingangsereignis‘ auf das generierende Neuron ‚zurück geführt werden‘ (direkte Rückkopplungsschleife). Bei der Erzeugung wie auch Weitergabe von Ereignissen spielen auch weitere Faktoren eine Rolle wie z.B. ‚Zeit‘ und ‚Intensität‘.
    • Die Anordnung von Neuronen ist sowohl ’seriell‘ (ein Ereignis kann von einem Neuro zum nächsten gesendet werden, dann wieder zum Nächsten, usw. Bei dieser Weitergabe können die Ereignisse ‚verändert‘ werden) als auch ‚hierarchisch‘. Dies bedeutet, dass man im Gehirn ‚Schichten/ Ebenen‘ annehmen kann, in denen Ereignisse einer ‚tieferen Schicht‘ auf einer ‚höheren Schicht‘ in einer ‚verdichteten/ abstrahierten Form ‚repräsentiert‘ werden können.
  5. Die grundlegende Annahmen des Wechselverhältnisses von Gehirnereignissen zu Bewusstseinsereignissen sind dann die folgenden:
    • Einige der Gehirnereignisse können uns als ‚Phänomene‘ ‚explizit bewusst‘ werden (ECONSC).
    • ‚Kontextuelles Bewusstsein‘ (CCONSC) liegt vor, wenn ein Verbund von Neuronen eine ‚Beziehung zwischen verschiedenen Einheiten‘ repräsentiert. Die ‚Beziehung als solche‘ ist uns dann bewusst, aber da eine ‚Beziehung‘ kein ‚Objekt‘ (kein explizites Phänomen) ist, können wir die Beziehung zwar ‚wissen‘, aber explizit sind diese ‚gewussten Beziehungen‘ nicht (z.B. die expliziten Phänomene ‚rotes Auto‘ als Text und ein ‚Wahrnehmungsobjekt‘ ‚rotes Auto‘; die mögliche Beziehung zwischen beiden könne wir ‚wissen‘, aber sie ist nicht explizit gegeben).
  6. Das Konzept ‚Bewusstsein (CONSC)‘ setzt sich somit mindestens zusammen aus dem ‚expliziten Phänomenbewusstsein (ECONSC)’und dem ‚kontextuellen Bewusstsein (CCONSC)‘. Bei genauerer Analyse sowohl des Phänomenraumes (Ph) wie auch der Arbeitsweise des ‚Gehirns‘ als Bereich aller Gehirnereignisse (N) lassen sich diese Arbeitshypothesen weiter differenzieren.

Nach diesen Vorüberlegungen zu den verschiedenen Ereignisräumen, an denen ein Homo sapiens (HS) mit unterschiedlichen Zugangsweisen beteiligt sein kann (W – BDY – N(CONSC)), soll hier in einem ersten Schritt der Einsatz von ‚Sprache (L)‘ skizziert werden (weitergehende Ausführungen folgen später).

Beschreibungstexte

Wie zuvor angedeutet wurde, entstehen in jeder der aufgezählten Beobachtungsperspektiven ‚Vh‘, ‚Ph‘ und ‚N‘ (siehe BILD 2) ‚Texte‘, mittels deren die ‚Akteure‘ ihre individuellen ‚Ansichten‘ austauschen. Natürlich müssen diese Texte in einer ‚Sprache‘ abgefasst sein, die alle Beteiligten ‚verstehen‘ und aktiv benutzen können.

Im Gegensatz zur ‚Alltagssprache‘ werden in der heutigen Wissenschaft minimale Anforderungen an diese Texte gestellt. Einige dieser Anforderungen könnte man so beschreiben:

  1. Für alle sprachlichen Ausdrücke, die Bezug nehmen auf ‚beobachtbare Ereignisse im Gegenstandsbereich der Perspektive‘, muss klar sein, wie man den ‚empirischen Bezug zum realen Objekt‘ intersubjektiv überprüfen kann. Es muss bei der Überprüfung dann möglich sein mindestens zu sagen (i) ‚Es trifft zu (ist wahr)‘, (ii) ‚Es trifft nicht zu (ist falsch)‘ und (iii) ‚Eine Entscheidung ist nicht möglich (unbestimmt)‘.
  2. Es muss ferner erkennbar sein, (i) welche sprachlichen Ausdrücke ’nicht empirisch‘ sind sondern ‚abstrakt‘, (ii) wie diese abstrakten Ausdrücke zu anderen abstrakten Ausdrücken oder zu anderen empirischen Ausdrücken in Beziehung stehen, und (iii) es muss klar sein, inwieweit Ausdrücke, die selbst nicht empirisch sind, durch Beziehung zu anderen Ausdrücken auf ‚Wahrheit/ Falschheit hin überprüft werden können.

Wie man diese Anforderungen praktisch umsetzt, ist im Prinzip offen. Es muss nur zwischen allen beteiligten Akteuren funktionieren.

Während diese Anforderungen im Fall der Perspektive der (empirischen) Psychologie und der Gehirnforschung im Prinzip erfüllbar sind, kann eine phänomenologische Perspektive mindestens die erste Forderung nicht einlösen, da die subjektive Phänomene eines bestimmten Akteurs nicht von anderen Akteuren ‚beobachtet‘ werden können. Dies geht nur — und auch da nur bedingt — auf ‚indirektem Weg‘. Sofern es ein ’subjektives Phänomen‘ gibt (z.B. ein optischer Reiz, ein Geruch, ein Laut…), welches mit etwas ‚korreliert‘, das auch von einem anderen Akteur ‚wahrgenommen‘ werden kann, dann kann man z.B. sagen ‚ich sehe ein rotes Licht‘, und der andere Akteur kann dann ‚unterstellen‘, dass der Sprecher ‚etwas sieht‘, was dem ‚ähnelt‘, was ‚er selbst gerade sieht‘. Wenn jemand aber sagt ‚Ich habe Zahnschmerzen‘, dann wird es etwas schwieriger, weil der andere möglicherweise noch nie Zahnschmerzen‘ hatte und dann nicht so recht weiß, was der andere wohl meinen kann. Bei der Vielzahl unterschiedlicher Körperempfindungen, Emotionen, Träumen und so manchem mehr wird es immer schwerer, eine ‚Synchronisierung‘ der ‚Wahrnehmungsinhalte‘ zu realisieren.

Dies deutet auf eine gewisse ‚Asymmetrie‘ zwischen den ‚empirischen‘ und einer ’nicht-empirischen‘ Perspektive hin. Am Beispiel einer empirischen Psychologie und einer empirischen Gehirnforschung demonstrieren wir, dass wir mit der uns umgebenden Wirklichkeit ‚empirisch‘ umgehen können, zugleich sind wir selbst als Akteure individuell unumkehrbar in einer phänomenologischen (subjektiven) Perspektive verankert. Wie können wir dann von der ‚eingebauten phänomenologischen‘ Perspektive zu einer ‚empirischen‘ Perspektive gelangen? Wo ist das ‚missing link‘? Worin besteht die ‚mögliche Verbindung‘, die wir direkt nicht sehen? In Anlehnung an BILD 3 kann man diese Frage ‚übersetzen‘ in das Format: Woran kann das Gehirn ‚erkennen‘ ob ein Gehirnereignis N ein (i) N aus N ist, oder ein (ii) N aus BDY ist, oder ein (III) N aus W ist?

Ausblick

Im folgenden Text wird das ‚Funktionieren‘ der symbolischen Sprache, dann auch in enger Kooperation mit dem Denken, ausführlicher dargestellt. Es wird auch aufgezeigt, dass die ‚individuelle Intelligenz‘ ihre eigentliche ‚Kraft‘ erst im Kontext einer ‚kollektiven menschlichen Kommunikation und Kooperation‘ entfalten kann.

WAS IST LEBEN ?Welche Rolle haben wir ? Gibt es eine Zukunft ?

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Datum: 17.Jan 2025 – 25.Jan 2025

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

Die Englische Version findet sich hier.

KONTEXT

Dies ist eine direkte Fortsetzung der vorausgehenden Dialoge seit dem 25.Dez 2024 (siehe die laufenden Nummern 595 – 604).

EINLEITUNG

Letztlich führt der Weg zum heutigen Text von den ersten Einträgen in diesem Blog (erste 2007, dann ab 2009) über alle anderen bis ins Heute. Das Leitthema ‚Philosophie Jetzt : Auf der Suche nach dem Neuen Menschenbild‘ gibt ziemlich genau wieder, was passiert ist. Die Beiträge dieses Blogs dokumentieren eine Suche nach jenen ‚Bildern von der Welt und uns Menschen‘, welche ‚am besten‘ jene Strukturen sichtbar machen, die unsere Existenz in der Zeit auf diesem Planeten in unserem Universum kennzeichnen. Lange war nicht klar, ob sich eine Antwort würde finden lassen. Zu disparat erschienen all die vielen verschiedenen Bildern von Mensch und Welt: in der Kunst, in den religiösen Weltbildern, in der Wirtschaft, in den Naturwissenschaften, in den Geisteswissenschaften, ja in der Philosophie selbst , die sich in ihrem Selbstverständnis sehr wohl als die ‚grundlegendste Perspektive‘ versteht, von der aus man die Welt betrachten kann und betrachten sollte.

Nicht verschwiegen werden soll, dass von den vielen anderen Blogs, die der Autor dieses Textes im Laufe der Jahre mit Texten gefüllt hat, mindestens noch zwei weitere zu nennen sind.

Dies ist einmal der Blog ‚Integrated Engineering and the Human Factor‘, der ab 2003 mit der Veröffentlichung von Vorlesungen des Autors begann, der sich dann immer mehr um bestimmte Themenfelder gruppierte, die sehr stark an Themen aus der Informatik, dem Engineering und der Wissenschaftsphilosophie orientiert waren. Ganz besonders auch das Verhältnis von Menschen zu Maschinen, insbesondere auch zu Künstlicher Intelligenz.

Und dann der Blog ‚Citizen Science 2.0/ Bürgerwissenschaft 2.0‘. Dieser begann 2021 thematisch mit dem Übergang von ’normaler Bürgerwissenschaft‘ zur Bürgerwissenschaft 2.0′ in Verbindung mit der Einführung einer Erweiterung des klassischen Begriffs einer ‚empirischen Theorie‘ zu einer ’nachhaltigen empirischen Theorie‘. Die Entwicklung dieses Theoriebegriffs verlief parallel mit der Entwicklung einer neuartigen Software ‚oksimo‘, die es dem Benutzer ermöglicht, komplette nachhaltige Theorien mit normalen Text (in jeder Sprache) so zu beschreiben, dass diese Theorien ‚auf Knopfdruck‘ dann auch simuliert werden können. Diese neue ‚Sicht der Dinge‘ entstand letztlich durch Anwendung der Theorie des ‚Integrated Engineering and the Human Factor‘ auf kommunale Prozesse, in denen Bürger versuchen, ihre Welt gemeinsam zu verstehen und gemeinsam zu planen.

Obwohl diese drei Blogs mit ihren unterschiedlichen Themen ‚gefühlt‘ schon immer ‚irgendwie‘ untereinander zusammen zu hängen schienen, waren es doch erst die letzten ca. 2 Jahre seit Frühjahr 2023, in denen sich die Themen tatsächlich immer mehr miteinander verzahnten und damit den Blick freigaben auf eine einzige, große Perspektive, in der alle Themen eine neue ‚begriffliche Heimat‘ fanden, in der nichts unbedeutend zu sein scheint, und in der sich ein Prozess abzeichnet von einer Wucht und einer inhaltlichen Fülle, die alles übertrifft, was bislang in der menschlichen Überlieferung bekannt geworden ist.

Diese große neue Perspektive soll im Folgenden ein wenig beschrieben werden.

WAS IST LEBEN ? Erste Schritte.

Es gibt zwar den schönen Ausspruch „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, aber -wie das folgende Beispiel zeigen wird –, im Falle einer großen ‚Komplexität‘ des Sachverhalts reicht ein Bild nicht aus. Dennoch, es kann dem Leser vielleicht ein erstes ‚Gerüst‘ an die Hand geben, mit Bezug auf welches dann der unfassbar komplexe Begriff des ‚Lebens‘ in ersten Konturen sichtbar wird.

BILD : ‚Was ist Leben?‘ mit den Elementen ‚SW‘ (beinhaltet auch ‚Künstliche Intelligenz (KI)), das ‚biologische Leben‘ als ‚Natur 2‘, der Planet ‚Erde‘ (als Natur 1)‘, sowie die Perspektive der ‚Philosophie‘, die uns ihre ‚Brille‘ leiht, um auf die ‚Dinge unserer Welt‘ und auch ‚auf uns selbst‘ zu schauen.

Das Gesamtbild besteht aus vier ‚Elementen‘, welche jeweils ein ‚Logo‘ repräsentieren, wobei jedes Logo für ein ‚Themenfeld‘ steht:

  1. ‚Life@Work. It’s All Inclusive‘ steht vordergründig für das ‚biologische Leben‘ auf dem Planet Erde. Wie sich im Laufe der Darstellung dann aber abzeichnen wird, ist dieses biologische Leben nicht zu trennen von den anderen Bereichen. Je tiefer man in das Phänomen Leben eindringt, um so mehr wird sichtbar werden, wie alles eine ‚dynamische Einheit‘ bildet, die letztlich ‚atemberaubend‘ ist.
  2. ‚SW@WORK. Expand Our Thinking‘ spricht bewusst nicht von KI sondern von ‚Software (SW)‘, da jedwede KI letztlich ein ‚Algorithmus‘ ist, eine ‚Software‘, die fähig ist, ’normierte Maschinen‘ (Computer) zu steuern. Dass das ‚Verhalten solcher normierter Maschinen‘ auf die ‚Benutzer‘ solcher Maschinen — z.B. wir als Menschen — ’sehr menschlich‘, sehr ‚intelligent‘ wirken kann, ändert nichts an der Tatsache, dass dieses äußerlich erlebbare Verhalten intern auf sehr einfachen Rechenoperationen beruht, denen fast alles fehlt, was ‚biologische Systeme‘ auszeichnet. Nichtsdestotrotz können Lebewesen solche normierte Maschinen auf vielfältige Weise zur ‚Erweiterung der eigenen Fähigkeiten‘ nutzen. Möglicherweise muss man sogar sagen, dass die bekannten Lebensformen — insbesondere die Lebensform ‚Homo sapiens‘ — die aufbrechende möglichen Zukünfte ohne zur Hilfenahme dieser Technologie wohl nicht wird bewältigen können. Umgekehrt, werden diese normierten Maschinen allein auch keine Zukunft überstehen können, nicht einmal ansatzweise.
  3. ‚EARTH@WORK. Cradle of Humankind‘ steht für den Planet Erde und all dem, was wir von diesem Planeten wissen. Die Existenz dieses Planeten war faktisch die Voraussetzung dafür, dass das heute bekannte biologische Leben sich so entwickelt hat, wie wir es kennen lernen konnten. Es sind erst wenige Jahre her, seitdem wir ansatzweise verstehen können, wie sich das bekannte ‚biologische Leben‘ (Natur 2) aus dem ’nicht-biologischen Leben‘ (Natur 1) ‚entwickeln‘ konnte. Bei einer noch tiefer gehenden Analyse kann man nicht nur die ‚Gemeinsamkeit‘ in der benutzten ‚Materie‘ erkennen, sondern auch die ’neuartigen Erweiterungen‘, die das ‚Biologische‘ gegenüber dem ‚Nicht-Biologischen‘ auszeichnet. Statt dieses ‚Neuartige‘ in einen Gegensatz zu verwandeln, wie es das bisherige Denken der Menschheit getan hat (z.B. ‚Materie‘ versus ‚Geist‘, ‚Matter‘ versus ‚Mind‘), kann man das Neuartige auch als ‚Manifestation‘ von etwas ‚tiefer Liegendem‘ verstehen, als eine ‚Emergenz‘ von neuen Eigenschaften, die wiederum auf Eigenschaften hindeuten, die in der ‚Grundlage von allem‘ — nämlich in der ‚Energie‘ — vorhanden sind, sich aber erst bei der Bildung von immer komplexeren Strukturen zeigen können. Diese neuartige Interpretation wird angeregt durch die Erkenntnisse der modernen Physik, insbesondere der Quantenphysik in Verbindung mit der Astrophysik. Dies alles legt es dann nahe, die klassische Formel von Einstein (1905) e=mc2 umfassender zu interpretieren als bisher üblich (abgekürzt: Plus(e=mc2)).
  4. ‚PHILOSOPHY@WORK. Everything is Object‘ zeigt jene ‚Perspektive‘ an, in welcher der Autor dieses Textes versucht, die Komplexität der erfahrbaren Welt (äußerlich wie innerlich) mittels den Ausdrücken einer Sprache — hier der Deutschen Sprache — ‚zur Sprache zu bringen‘. Diese einfache Formulierung ‚zur Sprache bringen‘ täuscht eine Einfachheit vor, die es natürlich so nicht gibt. Es wird also notwendig sein, ‚das zur Sprache bringen von etwas‘ etwas genauer zu beschreiben, um damit ‚transparent zu machen‘, warum das Folgende wie kommuniziert wird.

Eine Fortsetzung findet sich HIER.

LITERATUR HINWEIS

Bis zum obigen Text (samt seiner Fortsetzungen ) habe ich viele hundert Artikel und Bücher gelesen, ja, und natürlich lese ich ständig weiter 🙂

Dabei bin ich nochmals auf das Buch von Fritjof Capra gestoßen „The Web of Life. A New Scientific Understanding of Living Systems“, fertig 1996, veröffentlicht 1997 durch Anchor Books, eine Abteilung von Random House, New York. Im Jahr 2025 ist dieses Buch (29)28 Jahre alt. Und schaut man sich um im heutigen Weltbild, dann erscheint dieses Buch immer noch ‚revolutionär‘. Während sich ‚leichte Texte‘ heute durch die sozialen Medien geradezu wie ‚Lauffeuer‘ verbreiten, stoßen Texte, bei denen man nachdenken muss, wie auf eine ‚unsichtbare Mauer‘, die es verhindert, dass diese Gedanken in uns eindringen. In der Geschichte der Menschheit ist dies nicht neu, im Gegenteil, es scheint so zu sein, als ob wir als Menschen einen ‚eingebauten Trägheitsmechanismus‘ für Neues haben, zumindest wenn von uns ‚Gedankenarbeit‘ verlangt wird. Dies war schon immer die große Chance für ‚Populisten‘ und es scheint heute nicht anders zu sein …

DENKEN: alltäglich – philosophisch – empirisch theoretisch (Skizze)

(Letzte Änderung: 9.Juni 2023, 17:55h)

KONTEXT

Die aktuelle Phase meines Denkens kreist weiterhin um die Frage, wie sich die verschiedenen Erkenntniszustände zueinander verhalten: die vielen einzel-wissenschaftlichen Disziplinen treiben nebeneinander her; Philosophie beansprucht weiterhin eine Oberhoheit, kann sich aber selbst nicht wirklich überzeugend verorten; und das Denken im Alltag zieht weiterhin unbeirrt seine Bahnen mit der Überzeugung ‚Alles sei doch klar‘, man müsse doch nur einfach hinschauen ‚wie es ist‘. Dann kommen noch die verschiedenen ‚religiösen Anschauungen‘ um die Ecke mit einem sehr hohen Anspruch bei gleichzeitigem Verbot, nicht zu genau hinschauen zu dürfen. … und vieles mehr.

ABSICHT

Im folgenden Text werden drei fundamentale Betrachtungsweise unserer gegenwärtigen Welt skizziert und sie werden zugleich zueinander in Beziehung gesetzt. Manche bislang unbeantwortete Fragen lassen sich dadurch möglicherweise besser beantworten, viele neue Fragen entstehen aber auch. Wenn ‚alte Denkmuster‘ außer Kraft gesetzt werden, muss man viele (die meisten? Alle?) der bislang vertrauten Denkmuster neu justieren. Mit einem Mal sind sie schlicht ‚falsch‘ oder stark ‚reparaturbedürftig‘.

Leider ist es nur eine ‚Skizze‘.

DENKEN im ALLTAG

BILD 1: Im Alltagsdenken geht jeder Mensch (ein ‚homo sapiens‘ (HS)) davon aus, dass das, was er von einer ‚realen Welt‘ weiß, das ist, was er ‚wahrnimmt‘. Dass es diese reale Welt mit ihren Eigenschaften gibt, ist ihm — mehr oder weniger — ‚bewusst‘, darüber muss man nicht eigens diskutieren. Das, was ‚ist, ist‘.

… vieles wäre zu sagen …

PHILOSOPHISCHES DENKEN

BILD 2: Das philosophische Denken beginnt dort, wo einem auffällt, dass die ‚reale Welt‘ nicht von allen Menschen in ‚gleicher Weise‘ wahrgenommen und noch weniger in gleicher Weise ‚vorgestellt‘ wird. Manche Menschen haben ‚ihre Vorstellungen‘ von der realen Welt, die markant ‚anders sind‘ als die Vorstellungen anderer Menschen, und doch bestehen sie darauf, dass die Welt genau so ist, wie sie sich das vorstellen. Aus dieser Beobachtung im Alltag, können viele neue Fragen entstehen. Die Antworten auf diese Fragen sind so vielfältig wie es Menschen gab und gibt, die sich diesen philosophischen Fragen hingaben oder noch hingeben.

… berühmte Beispiele: Platons Höhlengleichnis deutet an, dass die Inhalte unseres Bewusstseins vielleicht doch nicht ‚die Sachen selbst‘ sind sondern nur die ‚Schatten‘ vom dem, was letztlich ‚wahr‘ ist … Descartes berühmtes ‚cogito ergo sum‘ bringt den Aspekt ins Spiel, dass die Inhalte des Bewusstsein auch etwas über ihn selbst sagen, der solche Inhalte ‚bewusst wahrnimmt’…. die ‚Existenz der Inhalte‘ setzt seine ‚Existenz des Denkenden‘ voraus, ohne die die Existenz der Inhalte gar nicht möglich wäre …was sagt uns dies? … Kants berühmtes ‚Ding an sich‘ kann man auf die Einsicht beziehen, dass die konkreten, flüchtigen Wahrnehmungen niemals die ‚Welt als solche‘ in ihrer ‚Allgemeinheit direkt zeigen können. Diese liegt ‚irgendwo dahinter‘, schwer greifbar, eigentlich gar nicht greifbar? ….

… vieles wäre zu sagen …

EMPIRISCH-THEORETISCHES DENKEN

BILD 3: Das Konzept einer ‚empirischen Theorie‘ entwickelte sich sehr spät in der dokumentierten Geschichte des Menschen auf diesem Planeten. Einerseits philosophisch angeregt, andererseits unabhängig von den verbreiteten Formen von Philosophie, aber sehr stark beeinflusst von logischem und mathematischem Denken, siedelte sich das neue ‚empirische theoretische‘ Denken genau an dieser Bruchstelle zwischen ‚Alltagsdenken‘ und ‚theologischem‘ sowie ’stark metaphysischem philosophischem Denken‘ an. Dass Menschen ‚mit dem Brustton der Überzeugung‘ Aussagen über die Welt machen konnten, obwohl es nicht möglich war, ‚gemeinsame Erfahrungen der realen Welt‘ aufzuzeigen, die mit den geäußerten Aussagen ‚übereinstimmten‘, führte dazu, dass einzelne Menschen damit begannen, die ‚erfahrbare (empirische) Welt‘ so zu untersuchen, dass jeder andere bei ‚gleichem Vorgehen‘, die ‚gleichen Erfahrungen‘ machen konnte. Diese ‚transparenten Vorgehensweisen‘ waren ‚wiederholbar‘ und solche Vorgehensweisen wurden zu dem, was später als ‚empirisches Experiment‘ bzw. dann, noch einen Schritt weiter, als ‚Messen‘ bezeichnet wurde. Beim ‚Messen‘ vergleicht man das ‚Ergebnis‘ eines bestimmten experimentellen Vorgehens mit einem ‚zuvor definierten Standard-Objekt‘ (‚Kilogramm‘, ‚Meter‘, …).

Diese Vorgehensweise führte dazu, dass — zumindest die Experimentatoren — ‚lernten‘, dass unser Wissen um die ‚reale Welt‘ in zwei Komponenten zerfällt: es gibt das ‚allgemeine Wissen‘ was unsere Sprache artikulieren kann, mit Begriffen, die nicht automatisch etwas mit der ‚erfahrbaren Welt‘ zu tun haben müssen, und solchen Begriffen, die sich mit experimentellen Erfahrungen in Verbindung bringen lassen, und zwar so, dass auch andere Menschen, sofern sie sich auf das experimentelle Vorgehen einlassen, diese Erfahrungen wiederholen und dadurch bestätigen können. Eine grobe Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten von sprachlichen Äußerungen könnte sein: ‚fiktive‘ Ausdrücke mit ungeklärtem Erfahrungsanspruch, und ‚empirische‘ Ausdrücke mit bestätigtem Erfahrungsanspruch.

Seit dem Beginn der neuen empirisch-theoretischen Denkweise im ca. 17.Jahrhundert dauerte es gut mindestens 300 Jahre, bis sich das Konzept einer ‚empirischen Theorie‘ soweit gefestigt hatte, dass es in weiten Bereichen der Wissenschaft zu einem prägenden Paradigma geworden war. Viele methodische Fragen blieben aber strittig oder blieben sogar ‚ungelöst‘.

DATEN und THEORIE

Viele Jahrhunderte wurde bei vielen — bei nicht wenigen auch bis in unsere Gegenwart — der ‚Missbrauch der Alltagssprache‘ für die Ermöglichung von ‚empirisch nicht verifizierbare Aussagen‘ direkt dieser Alltagssprache angekreidet und die gesamte Alltagssprache wurde als ‚Quelle von Unwahrheiten‘ diskreditiert. Eine Befreiung von diesem ‚ Monster Alltagssprache‘ wurde immer mehr in formalen Kunstsprachen gesucht bzw. dann in der modernen axiomatisierte Mathematik, die ein enges Bündnis mit der modernen formalen Logik eingegangen war (ab Ende des 19.Jahrhunderts). Die Ausdruckssysteme der modernen formalen Logik bzw. dann der modernen formalen Mathematik hatten als solche (nahezu) keine ‚Eigenbedeutung‘. Diese mussten fallweise explizit eingeführt werden. Eine ‚formale mathematische Theorie‘ konnte so formuliert werden, dass sie auch ohne ‚explizite Zuweisung‘ einer ‚externen Bedeutung‘ ‚logische Schlüsse‘ zulässt, die es erlaubten, bestimmte formale Ausdrücke als ‚formal wahr‘ oder ‚formal falsch‘ zu bezeichnen.

Dies erschien auf den ersten Blick sehr ‚beruhigend‘: die Mathematik als solche ist kein Ort von ‚falschen‘ oder ‚untergejubelten‘ Wahrheiten.

Der intensive Einsatz formaler Theorien in Verbindung mit erfahrungsbasierten Experimenten machte aber dann schrittweise deutlich, dass ein einzelner Messwert als solcher eigentlich auch keine ‚Bedeutung‘ besitzt: was soll es ‚bedeuten‘ dass man zu einem bestimmten ‚Zeitpunkt‘ an einem bestimmten ‚Ort‘ einen ‚erfahrbaren Zustand‘ mit bestimmten ‚Eigenschaften‘ feststellt, im Idealfall einem zuvor vereinbarten ‚Standardobjekt‘ vergleichbar? ‚Ausdehnungen‘ von Körpern können sich ändern, ‚Gewicht‘ und ‚Temperatur‘ ebenso. Alles kann sich in der Erfahrungswelt ändern, schnell, langsam, … was kann also ein einzelner isolierter Messwert sagen?

So manchem dämmerte es — nicht nur den erfahrungsbasierten Forschern, sondern auch verschiedenen Philosophen –, dass einzelne Messwerte nur eine ‚Bedeutung‘, einen möglichen ‚Sinn‘ bekommen, wenn man mindestens ‚Beziehungen‘ zwischen einzelnen Messwerten herstellen kann: Beziehungen ‚in der Zeit‘ (vorher – nachher), Beziehungen am/im Ort (höher – tiefer, nebeneinander, …), ‚zusammenhängende Größen‘ (Objekte – Flächen, …), und dass darüber hinaus die verschiedenen ‚Beziehungen‘ selbst nochmals einen ‚begrifflichen Kontext‘ benötigen (einzeln – Menge, Wechselwirkungen, kausal – nicht kausal, …).

Schließlich wurde damit auch klar, dass einzelne Messwerte darüberhinaus ‚Klassenbegriffe‘ benötigten, damit man sie überhaupt irgendwie einordnen konnte: abstrakte Begriffe wie ‚Baum‘, ‚Pflanze‘, ‚Wolke‘, ‚Fluss‘, ‚Fisch‘ usw. wurden so zu ‚Sammelstellen‘, bei denen man ‚Einzelbeobachtungen‘ abliefern konnte. Damit konnten dann aberhundert Einzelwerte z.B. zur Charakterisierung des abstrakten Begriffs ‚Baum‘ oder ‚Pflanze‘ usw. benutzt werden.

Diese Unterscheidung in ‚einzeln, konkret‘ und ‚abstrakt, allgemein‘ erweist sich als fundamental. Sie machte auch deutlich, dass die Einteilung der Welt mit Hilfe von solchen abstrakten Begriffen letztlich ‚willkürlich‘ ist: sowohl ‚welche Begriffe‘ man wählt ist willkürlich, als auch die Zuordnung von einzelnen Erfahrungsdaten zu abstrakten Begriffen ist nicht vorab eindeutig geregelt. Der Prozess der Zuordnung von einzelnen Erfahrungsdaten zu bestimmten Begriffen innerhalb eines ‚Prozesses in der Zeit‘ ist selbst stark ‚hypothetisch‘ und selbst wiederum Teil von anderen ‚Beziehungen‘ die zusätzliche ‚Kriterien‘ liefern können, ob nun Datum X eher zum Begriff A oder eher zum Begriff B gehört (die Biologie ist voll von solchen Klassifikationsproblemen).

Ferner zeigte sich, dass die so ‚unschuldig‘ daher kommende Mathematik bei näherer Betrachtung keineswegs als ‚unschuldig‘ gelten kann. Die breite Diskussion der Wissenschaftsphilosophie im 20.Jahrhundert brachte viele ‚Artefakte‘ zur Sprache, welche die Beschreibung einer dynamischen Erfahrungswelt mindestens leicht ‚korrumpieren‘ kann.

So gehört es zu formalen mathematischen Theorien, dass sie mit sogenannten ‚All- oder Partikularaussagen‘ operieren können. Mathematisch ist es wichtig, dass ich über ‚alle‘ Elemente eines Bereichs/ einer Menge reden kann. Ansonsten wird das Reden sinnlos. Wenn ich nun ein formales mathematisches System als begrifflichen Rahmen für eine Theorie wähle, die ‚empirische Sachverhalte‘ so beschreibt, dass Folgerung möglich werden, die im Sinne der Theorie ‚wahr sind‘ und damit zu ‚Prognosen‘ werden, die behaupten, dass ein bestimmter Sachverhalt entweder ‚absolut‘ oder mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit X größer 50% eintreten wird, dann vereinigen sich zwei verschiedene Welten: die fragmentarischen Einzelaussagen über die Erfahrungswelt werden eingebettet in ‚Allaussagen‘, die grundsätzlich mehr sagen, als Erfahrungsdaten bereit stellen können.

An dieser Stelle wird sichtbar, dass die so ’neutral‘ erscheinende Mathematik genau den gleichen Job tut wie die ‚Alltagssprache‘ mit ihren ‚abstrakten Begriffen‘: die abstrakten Begriffe der Alltagssprache gehen immer über den Einzelfall hinaus (sonst könnten wir letztlich gar nichts sagen), aber gerade dadurch erlauben sie Überlegungen und Planungen, wie wir sie an den mathematischen Theorien so schätzen.

Empirische Theorien im Format formaler mathematischer Theorien haben das weitere Problem, dass sie ja als solche über (nahezu) keine eigene Bedeutungen verfügen. Will man die formalen Ausdrücke mit der Erfahrungswelt in Beziehung setzen, dann muss man (mit Hilfe der Alltagssprache!) für jeden abstrakten Begriff der formalen Theorie (oder auch für jede formale Beziehung oder auch für jeden formalen Operator) explizit eine ‚Bedeutung konstruieren‘, indem man zwischen den abstrakten Konstrukten und bestimmten aufweisbaren Erfahrungstatsachen eine ‚Abbildung’/ eine ‚Zuordnung‘ herstellt. Was sich hier auf den ersten Blick vielleicht so einfach anhört, hat sich im Laufe der letzten 100 Jahren als ein fast unlösbares Problem erwiesen. Daraus folgt jetzt nicht, dass man es überhaupt nicht tun sollte; es macht aber darauf aufmerksam, dass die Wahl einer formalen mathematischen Theorie nicht automatisch eine gute Lösung sein muss.

… vieles wäre noch zu sagen …

FOLGERN und WAHRHEIT

Eine formale mathematische Theorie kann aus bestimmten ‚Annahmen‘ bestimmte Aussagen als formal ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ ableiten. Dies geht, weil es zwei grundlegende Voraussetzungen gibt: (i) Alle formalen Ausdrücke haben einen ‚abstrakten Wahrheitswert‘ als ‚abstrakt wahr‘ oder eben als ‚abstrakt nicht wahr‘. Ferner gibt es einen sogenannten ‚formalen Folgerungsbegriff‘, der festlegt, ob und wie man aus einer gegebenen ‚Menge von formalen Ausdrücken‘ mit vereinbarten abstrakten Wahrheitswerten und einer klar definierten ‚Form‘ andere formalen Ausdrücke ‚ableiten‘ kann. Dieses ‚Ableiten‘ besteht aus ‚Operationen über den Zeichen der formalen Ausdrücke‘. Die formalen Ausdrücke sind hier ‚Objekte‘ des Folgerungsbegriffs, der auf einer ‚Ebene höher‘ angesiedelt ist, auf einer ‚Meta-Ebene 1‘. Der Folgerungsbegriff ist insofern eine eigene ‚formale Theorie‘, die über bestimmte ‚Objekte einer tieferen Ebene‘ spricht so wie die abstrakten Begriffe einer Theorie (oder der Alltagssprache) über konkrete Erfahrungstatbestände sprechen. Das Zusammenwirken von Folgerungsbegriff (auf Meta-Ebene 1) und den formalen Ausdrücken als Objekten setzt eine eigene ‚Interpretationsbeziehung‘ (letztlich eine Art von ‚Abbildung‘) voraus, die wiederum auf einer noch anderen Ebene — Meta-Ebene 2 — angesiedelt ist. Diese Interpretationsbeziehung benutzt sowohl die formalen Ausdrücke (mit ihren Wahrheitswerten!) und den Folgerungsbegriff als ‚Objekte‘, um zwischen diesen eine Interpretationsbeziehung zu installieren. Normalerweise wird diese Meta-Ebene 2 von der so gescholtenen Alltagssprache bewältigt und die implizite Interpretationsbeziehung ist ‚in den Köpfen der Mathematiker (eigentlich in den Köpfen der Logiker)‘ verortet, die davon ausgehen, dass ihre ‚Praxis des Folgerns‘ genügend Erfahrungsdaten liefern, um den ‚Inhalt der Bedeutungsbeziehung‘ zu ‚verstehen‘.

Es war Kurt Gödel gewesen [2], der 1931 versucht hat, das ‚intuitive Vorgehen‘ bei Meta-Beweisen selbst auch zu formalisieren (mit Hilfe der berühmten Gödelisierung) und damit die Meta-Ebene 3 wiederum zu einem neuen ‚Objekt‘ gemacht hat, über das man explizit diskutieren kann. Im Anschluss an Gödels Beweis gab es weitere Versuche, diese Meta-Ebene 3 nochmals anders zu formulieren oder gar deine Meta-Ebene 4 zu formalisieren. Doch blieben diese Ansätze bislang ohne klares philosophisches Ergebnis.

Klar scheint nur zu sein, dass die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, immer wieder neue Meta-Ebenen zu eröffnen, um damit zuvor formulierte Sachverhalte zu analysieren und zu diskutieren, prinzipiell unbeschränkt ist (nur beschränkt durch die Endlichkeit des Gehirns, dessen Energiezufuhr, die Zeit, und ähnliche materielle Faktoren).

Eine interessante Spezialfrage ist es, ob der formaler Folgerungsbegriff der formalen Mathematik angewendet auf Erfahrungstatsachen einer dynamischen empirischen Welt der spezifischen ‚Welt-Dynamik‘ überhaupt angemessen ist? Für den Bereich der ’scheinbar materiellen Strukturen‘ des Universums hat die moderne Physik vielfache Phänomene geortet, die sich einfach klassischen Konzepten entziehen. Eine ‚Materie‘, die zugleich ‚Energie‘ ist, ist tendenziell eher nicht mehr klassisch beschreibbar, und Quantenphysik ist — bei aller ‚Modernität‘ — letztlich immer noch ein ‚klassisches Denken‘ im Rahmen einer formalen Mathematik, die vom Ansatz her viele Eigenschaften nicht besitzt, die aber der erfahrbaren Welt zukommen.

Diese Begrenztheit eines formal-mathematischen physikalischen Denkens zeigt sich besonders krass am Beispiel jener Phänomene, die wir ‚Leben‘ nennen. Die erfahrungsbasierten Phänomene, die wir mit ‚lebenden (= biologischen) Systemen‘ in Verbindung bringen, sind auf den ersten Blick komplett materielle Strukturen, allerdings haben sie dynamische Eigenschaften, die mehr über die ‚Energie‘ aussagen, die sie hervorruft, als über die Materialität, mittels der sie sich realisieren. Insofern ist die implizite Energie der eigentliche ‚Informationsgehalt‘ von lebenden Systemen, die in ihrer Grundstruktur ‚radikal freie‘ Systeme sind, da Energie als ’nicht begrenzbar‘ erscheint. Die unübersehbare Tendenz lebender Systeme, ‚aus sich heraus‘ immer ‚mehr Komplexität zu ermöglichen‘ und zu integrieren widerspricht allen bekannten physikalischen Prinzipien. Die ‚Entropie‘ wird gerne als Argument benutzt, um diese Form von ‚biologischer Selbstdynamik‘ mit Verweis auf eine simple ‚obere Schranke‘ als ‚begrenzt‘ zu relativieren, doch macht dieser Verweis das originäre Phänomen des ‚Lebendigen‘ damit nicht vollständig zunichte.

Besonders spannend wird es, wenn man es wagt, an dieser Stelle die Frage nach der ‚Wahrheit‘ zu stellen. Lokalisiert man die Bedeutung des Begriffs ‚Wahrheit‘ zunächst mal in der Situation, in der ein biologisches System (hier der Mensch) innerhalb seines Denkens eine gewisse ‚Korrespondenz‘ zwischen seinen abstrakten Begriffen und solchen konkreten Wissensstrukturen herstellen kann, die sich über einen Interaktionsprozess mit Eigenschaften einer erfahrbaren Welt in Verbindung bringen lassen, und zwar nicht nur als einzelnes Individuum, sondern zusammen mit anderen Individuen, dann hat jedes abstrakte Ausdruckssystem (genannt ‚Sprache‘) nur in dem Maße einen ‚wahren Wirklichkeitsbezug‘, als es biologische Systeme gibt, die solche Bezüge herstellen können. Und diese Bezüge hängen weiterhin ab von der Struktur der Wahrnehmung und der Struktur des Denkens dieser Systeme; diese wiederum hängen ab von der Beschaffenheit der Körper als Kontext der Gehirne, und die Körper hängen wiederum sowohl ab von der materiellen Struktur und Dynamik der Umgebung wie auch von den gesellschaftlichen Alltagsprozessen, die weitgehend festlegen, was ein Mitglied einer Gesellschaft erleben, lernen, arbeiten, planen und tun kann. Was immer ein Individuum kann bzw. könnte, die Gesellschaft verstärkt entweder das individuelle Potential oder ‚friert‘ es ein. ‚Wahrheit‘ existiert unter diesen Bedingungen als ein ‚frei beweglicher Parameter‘, der durch die jeweilige Prozessumgebung erheblich beeinflusst wird. Das Reden von ‚kultureller Vielfalt‘ kann eine gefährliche ‚Verniedlichung‘ von massiver Unterdrückung ‚alternativer Lern- und Handlungsprozessen‘ sein, die einer Gesellschaft ‚entzogen‘ werden, weil sie ’sich selbst einsperrt‘. Unwissenheit ist tendenziell kein guter Ratgeber. Wissen als solches garantiert aber auch kein ‚richtiges‘ Handeln. Der ‚Prozess der Freiheit‘ auf dem Planet Erde ist ein ‚galaktisches Experiment‘, dessen Ernsthaftigkeit und Ausmaß bislang kaum gesehen wird.

DER AUTOR

Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

ANMERKUNGEN

[1] Auf Literaturangaben wird hier verzichtet. Es wären viele hunderte Texte zu erwähnen. Das kann keine Skizze leisten.

[2] Siehe Kurt Gödel, Unvollständigkeitssätze, 1931: https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_G%C3%B6del#Die_Unvollst%C3%A4ndigkeitss%C3%A4tze

MOTIVATION 2. Außen und Innen

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 22.Sept. 2019
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

KONTEXT

Nach dem kurzen Überblick zum Lösen von Problemen mit den drei Faktoren Wissen (Erfahrung), Kommunikation und Motivation, sind in einem Schnelldurchgang die wichtigen Kontexte angesprochen worden, die der Mensch seit seiner Abspaltung vom homo erectus vor ca. 600.000 Jahren bis heute durchlaufen hat. Diese Kontexte sind wichtig, da die inneren Zustände des Menschen durch die kontinuierliche Interaktion mit dem jeweiligen Kontext einschneidend geprägt werden. In dieser Darstellung ist die genaue Rolle der internen Zustände, insbesondere jene, die das konstituieren, was im ersten Beitrag zusammenfassend ‚Motivation‘ genannt wurde, noch ungeklärt, offen. Dieser Punkt soll nun etwas weiter bedacht werden.

KREATIVER KERN. NUR BEDINGT ANPASSBAR

Die grundlegende Annahme, dass der Mensch durch seine Interaktionen mit der Umgebung seine inneren Zustände modifiziert, impliziert, dass der Mensch grundlegend ein lernendes System ist; dies gilt nach heutigem Kenntnisstand generell für alle biologischen Systeme. Dies bedeutet, dass der Mensch je nach dem Wandel der Verhältnisse sich unterschiedliche Strukturen, Abläufe, Konventionen, Erwartungen usw. intern aufprägt. Das so entstehende dynamische Wissen ist quasi ein inneres Bild der äußeren Welt, mehr oder weniger klar, und mehr oder weniger unterschiedlich in jedem einzelnen. Bedenkt man ferner, dass nach den neuen Erkenntnissen das Gehirn als Träger vieler geistiger Eigenschaften die Welt außerhalb des Körpers nicht direkt kennt, nur die sensorischen Fragmente, die es kunstvoll zu zusammenhängenden Strukturen zusammenbaut, dann repräsentiert das innere Bild für jeden einzelnen die Welt (wie sie vielleicht gar nicht ist), und dies für jeden ganz individuell. Vom eigenen Weltbild auf das des anderen zu schließen ist daher gefährlich; in der Regel ist das eigene Bild verschieden von dem der anderen. Es erfordert daher eine geeignete Kommunikation, um diese Verschiedenheit zu bemerken und die Gemeinsamkeiten klar zu stellen.

Jede Gesellschaft trainiert die nachwachsenden Generationen in der Regel dahingehend, den aktuellen Abläufen und damit einhergehenden Erwartungen zu folgen. Ein ‚regelkonformes Verhalten‘ ist so gesehen ein weit verbreiteter gesellschaftlicher Standard. Vielfach existieren Interventionsmechanismen, wenn einzelne oder ganze Gruppen scheinbar von den allgemeinen Normen abweichen.

Trotz einem solchen Erwartungsdruck gibt es aber die berühmten Aussteiger; gibt es Menschen die Aufbrechen und Auswandern (migrieren); gibt es die Protestler, die Alternativen und Oppositionellen, gibt es Freiheitskämpfer und Revolutionäre; andere wagen einen Neuanfang, gründen etwas; Wissenschaftler, Erfinder, kreative Köpfe schaffen neue Formen, neues Verhalten; andere sprechen von Bekehrung, vom Abwenden von Bisherigem und Zuwendung zu etwas ganz Anderem; Beziehungen zwischen Menschen über gesellschaftliche Schranken hinweg, trotz drohender Marginalisierung oder Todesdrohungen.

Diese Beispiele deuten an, dass Kontexte, die sich in das Innere von Menschen eingraben, nicht immer und überall das gesamte Innere beherrschen müssen. Aufgeprägte innere Strukturen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen sich entsprechend konform verhalten, aber sie garantieren diese Konformität nicht. Das Innere verfügt anscheinend über Möglichkeiten, äußere Verhältnisse innerlich zu überwinden, die sich dann in neuen, alternativen Verhalten niederschlagen können. Das Innere besitzt irgendwie einen ‚kreativen Kern‘, der sich nicht notwendigerweise und nicht immer ganz durch die herrschenden Verhältnisse vereinnahmen lässt.

In den bekannten gesellschaftlichen Systemen seit dem Auftreten des homo sapiens, dem modernen Menschen, gibt es neben der schlichten Präsenz von Alltagsprozessen auch jene, in denen eine Gruppe von Menschen versucht, auf die anderen besonderen Einfluss zu nehmen durch Machtstrukturen bewehrt mit empfindlichen Strafen, durch nackte Gewalt und Folter, durch spezielle Belohnungsstrukturen, durch Indoktrinationen und Propaganda, und durch spezielle Werbung. Neben rein verbalen Aktionen gibt es auch den Bereich von Doping, Drogen oder der Virtualisierung von sozialen Beziehungen mit neuartigen Manipulationsmöglichkeiten (z.B. das Vorgaukeln von sozialer Nähe in virtuellen Räumen, die gleichzeitig zum Abbau von realer sozialer Nähe führen). Aber auch bei diesen verschärften Formen der Einflussnahme von Außen gibt es zahlreiche historische Beispiele aus allen Zeiten, dass Menschen standhalten und sich gegen diese Strukturen stellen. Sie besitzen eine ‚innere Motivation‘ die sie stark macht.

Allerdings kann auch der einzelne durch sich selbst zum Opfer werden, wenn er bestimmte grundlegende Bedürfnisse des Körper nicht hinreichend unter Kontrolle bringen kann. Prominente Beispiele sind vielfältige Formen von Sucht wie z.B. Sex, Essen, Trinken, Narzissmus, Eitelkeit, Drogen, Erfolg, Berühmt sein, um nur einige zu nennen. Auch hier gilt: viele zerbrechen daran, genauso gibt es immer wieder aus allen Zeiten Beispiele, dass Menschen es schaffen, sich diesen scheinbar unüberwindlichen Mechanismen zu entziehen. Die Motivation kann stärker sein als der Druck von außen (wobei ‚außen‘ hier physiologische, chemisch Prozesse sind, die die Zustände des Gehirns beeinflussen).

DER KÖRPER ALS FILTER UND ERMÖGLICHUNG

Viele der geistigen, psychischen Eigenschaften, die wir uns Menschen zuschreiben, erscheinen aus Sicht des Verhaltens und der Physiologie mit dem Gehirn verknüpft zu sein, das räumlich ‚im‘ Körper sitzt.

Aus Biologischer Sicht lassen sich die unterschiedlichen Körperstrukturen auflösen in eine unfassbar große Menge von Zellen, die beständig miteinander kommunizieren, von denen ständig welche absterben, andere neu entstehen. Rein zahlenmäßig entsprechen alle Zellen unseres Körpersystems etwa 450 Galaxien im Format der Milchstraße. Die Auflösung in Zellen macht viele der komplexen Strukturen unsichtbar, die den Körper zu dem machen, als was er uns funktionell erscheint.

In einem weiteren Abstraktionsschritt lassen sich alle Zellen auflösen in Richtung der Moleküle, aus denen Zellen bestehen, und noch weitergehender in Richtung der Atome der Moleküle, und sogar noch weitergehender in Richtung der subatomaren Partikel. Dies ist die Sicht der Quantenmechanik. In der Quantenmechanik gibt es keine festen Strukturen, sondern nur noch Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Bei dieser Sichtweise ist ein menschlicher Körper (samt Gehirn) ein nach allen Seiten offenes Gebilde, das über riesige Entfernungen mit nahezu allem in Verbindung stehen kann.

Nicht wenige meinen, dass diese grundlegende quantenmechanische Offenheit und Verbundenheit von jedem mit jedem alle bislang ungelöste Fragen des menschlichen Geistes oder möglicher mystischer Zustände, für die bislang keine befriedigenden wissenschaftliche Erklärungsansätze existieren, lösen können.

Dies muss man allerdings bezweifeln. Schon die Entstehung der grundlegenden biologischen Strukturen, jene der einfachen Zellen vor ca. 3.5 Milliarden Jahre, entzieht sich bislang vollständig einer physikalischen Erklärung. Mit Quantenmechanik kann man in keiner Weise die Entstehung und die Besonderheit von biologischen Zellen erklären. Biologische Zellen haben so viele neuartigen spezielle Strukturen mit Hilfe von Molekülen geschaffen, die wiederum neuartige komplexe Funktionen ermöglicht haben, für die die Physik nicht den geringsten Denkansatz bietet. Schrödinger und viele andere großen Physiker haben dies erkannt. Die weitere Entwicklung des BIOMs mit komplexen Zellen, Zellverbänden, Atmosphäre und dann komplexen Organismen mit hochkomplexen Organen mit komplexen Nervensystemen für eine neuartige Informationsverarbeitung weit über die Mechanismen der DNA hinaus, entzieht sich der heutigen Physik bislang vollständig.

Was immer also sich auf der quantenmechanischen Ebene abspielt, die jeweils komplexeren biologischen Strukturen ‚verbergen‘ diese Vorgänge so, dass sie auf den höheren Ebenen in keiner Weise direkt durchschlagen.

Für den Bereich des sogenannten Bewusstseins bedeutet dies, dass das, was wir ‚bewusst‘ wahrnehmen, durch sehr viele komplexe Strukturen und Prozesse vermittelt ist, die die zugehörigen quantenmechanischen Vorgänge völlig verdecken, ‚weg filtern‘. Will man also die inneren Zustände verstehen, insbesondere den winzig kleinen Anteil der ‚bewussten‘ Ereignisse, dann muss man sich diesen bewussten Ereignissen und den zugehörigen ‚unbewussten‘ Prozessen direkt zuwenden. Die Leistung des Gesamtsystems zeigt sich eben in seinen komplexen funktionalen Ausprägungen, nicht in seinen möglichen Bestandteilen, die im Rahmen eines funktionellen Prozesses benutzt werden.

KRITISCHES DENKEN

Die Steuerung durch die alltäglichen Strukturen und Prozesse kann, wie die erwähnten Beispiele andeuten, durch den inneren, kreativen Kern der Motivation partiell oder ganz aufgehoben werden.

Eine Ursache dafür kann jene Form des Denkens sein, die sich mit den vorliegenden Formen des Wissens beschäftigt, das vorliegende Wissen zum Gegenstand macht, und auf einer zusätzlichen Reflexionsebene mit diesem vorliegenden Wissen ‚kreativ spielt‘, was sich auch in Form von systematischen philosophischen Reflexionen niederschlagen kann. Aber auch engagierte Literatur, manche Formen von Theater und vieles mehr kann zum Medium für alternatives Denken werden.

Wie auch immer solche kreativen Diskurse aussehen mögen, ohne eine geeignete Motivation werden sie nicht stattfinden.

Und die aufgeführten Beispiele enthalten viele Fälle, in denen die alternative, kreative Motivation nicht unbedingt von einer starken Wissenskomponenten begleitet wird. Motivationen als solche können eine Kraft entfalten, die ‚aus sich heraus‘ einen Menschen bewegen können, ‚das Andere‘ zu tun. Wie kann, wie muss man sich diesen ‚kreativen, heißen Kern‘ der Motivation vorstellen?

Einen Überblick über alle Blogeinträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

Einen Überblick über alle Themenbereiche des Blogs findet sich HIER.

KANN MAN DEN POPULISMUS ÜBERWINDEN? Eine Notiz

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 11.Februar 2019
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

KONTEXT

Der vorausgehende Eintrag zum Phänomen des Populismus als einer angeborenen Verhaltenstendenz bei jedem Menschen rief bei einigen Lesern eine zwiespältige Reaktion hervor: einerseits würden die Überlegungen einleuchten, andererseits führte dies zu einer gewissen Hilfslosigkeit und Ratlosigkeit; wie kann man sich dagegen wehren? Denn, wenn Populismus gleichsam in den Genen ‚verdrahtet‘ ist, und damit alle betroffen sind, dann müssten sich ja ‚alle gleichzeitig‘ so verhalten, dass Populismus zumindest abgeschwächt wird (also unter 100% bleibt); eine vollständige Heilung (also 0%) scheint dagegen im Ansatz unmöglich. Diese Problemstellung aktivierte folgende Überlegungen.

FREIHEITSFELD

Das folgende Schaubild deutet einige der vielen Faktoren (Parameter) an, die alle zusammen spielen müssen, soll Freiheit gelingen. Daraus folgt, dass eine ‚freie Gesellschaft‘ eine extrem anspruchsvolle Teamleistung erfordert, die nur gelingen kann, wenn ALLE an einem Strang ziehen. Und ‚Alle‘ heißt hier wirklich ‚Alle‘.

Schaubild zum Umfeld der Freiheit; ein Netzwerk von Faktoren, die alle ineinander spielen

DIE GEBURT DER WELT IM KOPF

Ein zentraler Aspekt der These dass der Populismus angeboren sei besteht darin, dass aufgrund der grundlegenden Freiheit eines biologischen Systems und seiner grundlegenden Lernfähigkeit bei Kindern und jungen Menschen (sofern die äußeren Verhältnisse es zulassen!) zwar tatsächlich ‚automatisch‘ vielfältige intensive Lernprozesse stattfinden, mit zunehmendem Wissen, zunehmender Erfahrung, und zunehmenden Fähigkeiten im Alltag dann aber der Eindruck entsteht, dass man ja jetzt ‚alles kennt‘, ‚man Bescheid weiß‘, dass es ’nichts Neues mehr gibt‘. Wenn dieser Zustand eintritt (fließend, schleichend, nicht abrupt), dann beginnt die Welt im Kopf still zu stehen, sie hat eine ‚gewisse feste Form‘ gefunden, die Dinge sind immer mehr ‚wie sie sind (im Kopf)‘. Abweichungen, Änderungen, ‚Neues‘, Anderes werden jetzt nicht mehr als Anregung zum weiteren Lernen empfunden sondern zunehmend als ‚Störungen des Bestehenden‘. Und da diese Prozesse bei jedem ablaufen, bilden sich automatisch Gruppen ‚Gleichgesinnter‘, die in der Statik ihrer Bilder gleich sind, sich aber durch — meist zufallsbedingte Unterschiede in der Biographie — unterscheiden können (Anhänger verschiedener Fußballklubs, Fans verschiedener Popstars, Mitglieder von politischen Richtungen, von verschiedenen Religionen, …),

DIE UMGEBUNG ALS NÄHRBODEN

Der Einfluss der Umgebung auf die Ausbildung der individuellen Weltbilder ist erheblich, nahezu übermächtig. Denn — wie schon im vorausgehenden Beitrag festgestellt — wenn die grundlegende Freiheit und Lernfähigkeit eines biologischen Systems in seiner Umgebung nicht die materiellen Bedingungen findet, die es zum alltäglichen Leben, zu alltäglichen Lernen braucht, dann läuft die Freiheit ins Leere. Sie kann sich nicht ‚auswirken‘, sie kann kein Individuum befördern, dass hinreichend kompetent und lebensfähig ist.

Neben den eher ‚materiellen Bedingungen‘ der Freiheitsausübung gibt es aber noch die vielfältigen gesellschaftlichen Regeln, die das tägliche Verhalten betreffen. Wenn z.B. die Beteiligung am materiellen Warenaustausch nur über Geld läuft, der Erwerb von Geld für die Mehrheit an Arbeit gekoppelt ist, eine Gesellschaft aber nicht für alle genügend Arbeit bereit stellen kann, dann verhindern diese Konventionen, das ALLE hinreichend am materiellen Warenaustausch beteiligt sind. Wenn z.B. die ‚Rechte‘ am Boden und am Wasser von ‚Stammeshäuptern‘ vergeben werden, diese sich aber auf Kosten der eigenen Stammesmitglieder bereichern, indem sie diese Rechte an lokalfremde Kapitalgeber ‚verkaufen‘, so dass die Bewohner eines Gebietes ihrem eigenen Boden und Wasser ‚enteignet‘ werden, dann kann Freiheit nicht funktionieren. Wenn z.B. viele Millionen Kinder keine Ausbildung bekommen, sondern stattdessen unentgeltlich für ihre Eltern oder für Fremde arbeiten müssen, dann wird ihnen die Grundlage für ein freies Leben genommen. usw.

Es gibt auch Varianten des Freiheitsentzugs über Verfremdung der Kognition: wenn z.B. Videoserien im Internet, (online) Computer-Spiele im Internet, oder Fernsehserien — alle jeweils mit vielen Millionen Nutzern — sich viele Stunden am Tag in Erregungszustände versetzen, die keine für den Alltag nutzbaren Inhalte vermitteln, sondern mit Phantasiebildern das Gehirn blockieren, dann ist das eine kognitive Selbstverstümmlung, die als ‚Gehirnwäsche‘ in anderen Zusammenhängen verboten ist.

KULTURELLE GESAMTLEISTUNG

Aus der Geschichte wissen wir, wie mühsam es für die Population der Menschheit war, dem Leben Wissen, Erfahrungen, Werte stückweise abzuringen, um vom Status der Jäger und Sammler zu immer komplexeren Gesellschaften mit immer mehr Handwerk, Technik, sozialen Institutionen, Rechtssystemen, Handels- und Wirtschaftssystemen, Dörfer, Städten, Regionen, lokal, national und international zu werden, mit Kommunikationssystemen, Wissensspeicherungstechniken, Bildungsstrategien usw., dann dürfte klar sein, DASS die Großgesellschaft, ihre politische, soziale, juristische usw. Verfasstheit, weder von eine einzelnen alleine noch innerhalb einer kurzen Zeit ‚aufgebaut‘ werden konnte und auch heute nicht so einfach aufgebaut werden kann. Funktionierende komplexe Gesellschaften erfordern den Einsatz von jedem einzelnen und das in einer aufeinander abgestimmten Weise. So etwas aufzubauen und dann ‚am Leben zu erhalten‘ ist schwer; es zu zerstören vergleichsweise einfach.

Wir erleben heute eine Phase der Menschheit, in der — verglichen mit der Vergangenheit — sehr komplexe Strukturen erreicht worden sind, deren ‚Erhaltung‘ schon schwierig erscheint, erst recht ihre konstruktive und nachhaltige ‚Weiterentwicklung‘.

PRÄFERENZEN (WERTE)

Was im ‚Getöse des Alltags‘ leicht und gerne untergeht, das ist die Tatsache, dass alle die vielen Konventionen, Regeln, Vorschriften und Gesetze, die zur ‚Regulierung des Alltags‘ verabredet worden sind, letztlich auf ‚Wertsetzungen‘ zurück gehen, auf ‚Präferenzen‘: man will eher A als B. So stellen z.B. die Menschenrechte für einige Verfassungen von Staaten einen ‚Wertekanon‘ dar, auf den die Staatsverfassung und alle davon abhängigen Regeln aufbauen. Bei anderen sind es Überzeugungen aus bestimmten religiösen Traditionen. Gemeinsam ist allem das Faktum der ‚primären Präferenzen‘, ohne die keine Regelung auskommt.

Und es ist sehr seltsam: über die Grundlagen der staatlichen Verfassungen wird nirgendwo diskutiert; in den meisten Staaten ist dies sogar verboten.

Dies mag vielleicht aus einem ‚Schutzbedürfnis‘ heraus motiviert sein. Wenn aber z.B. im Deutschen Grundgesetz bestimmte Werte vorausgesetzt werden, für die z.B. die empirischen Wissenschaften keine Motivation mehr liefern können, und in der täglichen Massenkommunikation die einzelnen Bürgern mit Inhalten zugedröhnt werden, die mit diesen Grundwerten ebenfalls kaum noch etwas zu tun haben, und viele alte Wertelieferanten heute eher unglaubwürdig erscheinen, dann kann man sich fragen, wie lange eine Gesellschaft noch zukunftsfähig ist, die ihre eigenen Grundlagen täglich erodieren lässt und wenig dazu zu tun scheint, sie zu erneuern. Die Freiheit dazu ist grundsätzlich gegeben, aber die Nutzung dieser Freiheit erweckt viele Fragen zum Leben …

Eine gewisse Fortsetzung des Themas findet sich HIER.

Einen Überblick über alle Blogeinträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

Einen Überblick über alle Themenbereiche des Blogs findet sich HIER.

DIE ZUKUNFT STIRBT ZUERST IN DEN KÖPFEN …

LETZTER BLOGEINTRAG

  1. Angeregt durch die Lektüre von Matt Ridleys Buch sind im vorausgehenden Blogeintrag einige sehr grundlegende Prinzipien herausgearbeitet worden, die allgemein wirken, denen jedes einzelne individuelle System unterworfen ist, auch jeder einzelne Mensch.

DIE BESONDERHEIT DES MENSCHEN IM BIOLOGISCHEN

  1. Unter anderem wurde auf die Besonderheiten der Menschen (der homo sapiens sapiens als Vertreter der hss-Population) hingewiesen, durch die sich die Menschen tatsächlich von der allgemeinen biologischen Umgebung abheben. Nicht in dem Sinne abheben, dass der Mensch jetzt plötzlich etwas anderes wäre als das allgemein Biologische, sondern so, dass der Mensch innerhalb des Biologischen neue, markante Eigenschaften an seinem Körper zeigt, die – verglichen mit allem anderen Biologischen – ihn in die Lage versetzen, seine eigene Struktur, seine eigene Entwicklung, sein Wechselspiel mit der jeweiligen Umgebung und mit der gesamten Umwelt anschauen und bewerten zu können, ja, er kann bis zu einem gewissen Grad mit diesen neuen Verstehensmöglichkeiten sich selbst und die ganze Welt probeweise spielerisch verändern, und sein Verhalten danach neu orientieren.

MENSCH ALS GEWOHNHEITSTIER

  1. Wenn wir den konkreten Alltag von Menschen anschauen, heute und in der Vergangenheit, sofern diese uns noch zugänglich ist, könnten wir den Eindruck gewinnen, dass der Mensch eher ein ‚Gewohnheitstier‘ ist, da er im Zweifelsfall eher das vorzieht, was er schon kennt, was ihm vertraut ist, von dem er glaubt, dass er es zu seinen Gunsten beeinflussen kann, von dem er glaubt, dass es ihm die meisten Vorteile bringt.

GEWOHNHEIT ALS ZUKUNFTSVERHINDERUNG

  1. So kann man im Bereich der Wirtschaft mit schöner Regelmäßigkeit beobachten, wie erfolgreiche Konzepte dazu führen, dass Firmen, ganze Wirtschaftsbereiche, sich in ihren Erfolgen einrichten, sie gegen Konkurrenten und Neuerungen abzusichern versuchen, sich von der Politik alle mögliche Unterstützungen sichern (das berühmte Lobbytum, das aus demokratisch gewählten Volksvertretern verkappte Interessenvertreter solcher zukunftsfeindlichen Industriepolitik macht), und dass diese Firmen dann sehr häufig übersehen, dass es alternative, bessere Ideen, Technologien und Vermarktungsmöglichkeiten gibt, die dann ‚über Nacht‘ auftreten und ganze Industriebereiche – bildlich gesprochen – in Schutt und Asche legen. Neben den vielen Beispielen aus der Vergangenheit erleben wir gerade, wie moderne, flexible, kundennahe Bezahldienst den angestammten Finanzdienstleister die Kunden Millionenweise abspenstig machen, oder wie eine selbst-verliebte Automobilindustrie feststellen muss, dass wichtige Schlüsseltechnologien für die Zukunft schon längst von anderen entwickelt und besetzt wurden.
  2. Sind diese Entwicklungen für die jeweiligen Industrie selbst verheerend, so sind sie natürlich auch für die jeweiligen Standorte, Regionen und Volkswirtschaften verheerend. Ganze Regionen können veröden (Stichworte Stahlindustrie in der Vergangenheit, Textilindustrie, Automatisierung, Schiffbau, Agrarindustrie, usw.). Leider ist es so, dass die lokalen und regionalen kommunalen Vertreter sich in allen Fällen blindlings den aktuellen Erfolgen verschrieben haben, anstatt im aktuellen Erfolg den Blick auch auf mögliche Alternativen zu richten, erweiternde Szenarien, so dass eine Region eben nicht nur von einer einzigen Technologie abhängig ist. Statt dass die Politik das kritische Korrektiv zu herrschenden Industrien bildet, diese zu Erneuerungen, Weiterentwicklungen, Alternativen anregt, haben sie ihr eigenes Denken weitgehend ausgeschaltet und spielen das Spiel der Selbstverliebtheit einfach mit. Der unausweichliche Technologie-Crash wird damit auch zu einem gesellschaftlichen Crash, den man hätte verhindern können, aber nicht verhindert hat (aktuell in Deutschland z.B. die Automobilstandorte, die Braunkohle, die Kohle, … ).

PRINZIP DER EVOLUTION WIRKT

  1. Betrachtet man die vielen Aufstiege und Abstürze verschiedener Technologien und gesellschaftlicher Systeme weltweit und im historischen Maßstab, dann kann man das Prinzip der Evolution am Wirken sehen, das Alternativen, wenn sie möglich sind, auch zum Tragen kommen; nicht immer sofort oder schnell, aber irgendwann dann doch, weil Effizienz sich letztlich durchsetzt. … oder weil das Leid und die Unzufriedenheit von großen Teilen einer Bevölkerung sich gegen ein herrschendes System aufgelehnt hat: einseitige Verteilung von Reichtum, einseitige Verteilung von Macht, unwürdige Lebensverhältnisse für Viele,  haben in der Vergangenheit oft zu  umstürzende Veränderungen geführt. Nicht immer war es danach besser.

NADELÖHR MENSCH

  1. Sofern der Mensch bei diesen Entwicklungen beteiligt ist, können  wir zwei gegensätzliche Tendenzen beobachten.
  2. Einerseits verfügt der Mensch über ein großes Potential im Erkunden neuer Möglichkeiten und deren technologischer und gesellschaftlicher Nutzung. Andererseits ist der Mensch durch sein biologisches Erbe als Individuum vielfach begrenzt und stark bedürfnis- und triebgesteuert; seine kognitiven Fähigkeiten sind einerseits außerordentlich, wenn es darum geht, sich mit seinem Körper in einer realen Umgebung zurecht zu finden, er hat aber Probleme, komplexe Zusammenhänge zu erfassen, und seine Kommunikationsfähigkeit ist primär für den Nahbereich ausgelegt, für einfache, alltägliche Sachverhalte. Zwar haben Erfindungen wie Schrift, Rechtssysteme, Handwerk, Technologie, Landwirtschaft, Städtebau usw. die Fähigkeit erhöht, dass Menschen im Zusammenwirken mit anderen auch komplexere Aufgaben lösen können, aber der einzelne individuelle Mensch hat sich bislang biologisch nicht wesentlich verändert. Der endliche, triebgesteuerte, am Nahbereich orientierte einzelne Mensch findet sich in immer komplexeren gesellschaftlichen und technologischen Zusammenhängen vor, die seine individuellen Fähigkeiten real übersteigen. Diese Differenz ist schwer erträglich und ist ein großer Motor für Entlastungsstrategien vielfältigster Art. Die einen erleben sich als krank; andere blenden ganze Bereiche der Wirklichkeit einfach aus; andere propagieren vereinfachte Modelle von der Wirklichkeit, die schön klingen und ein gutes Gefühl vermitteln, aber letztlich zu kurz greifen; usw. Religiöser Fanatismus, nationalistische Tendenzen, Abbau von Demokratie durch scheinbar starke Männer, Korruption, Lobbyismus, Zunahme von Kontrolle und Überwachung, dies sind Symptome von großen Ängsten, Tendenzen zur Vereinfachung, die in der Regel nur wenigen nutzen und vielen schaden.

WISSEN NICHT ANGEBOREN

WELT ALS MODELL IM KOPF

  1. Damit kommen wir zu einem zentralen Punkt. Sofern ein Mensch als Akteur an einem Prozess beteiligt ist, kann er neben den an sich ‚blinden‘ Bedürfnissen, Trieben und dem Bauchgefühl auch sein aktuell verfügbares Wissen zu Rate ziehen. Das Wissen ist nicht angeboren, sondern muss in lang andauernden Prozessen der Interaktion mit der Umgebung erworben, gelernt werden. Dieses Wissen ist etwas ‚in seinem Kopf‘, ‚in seinem Gehirn‘. Es ist das menschliche Gehirn, das aufgrund seiner Bau- und Funktionsweise in der Lage ist, die Vielzahl der sensorischen Eindrücke von der Umgebung zugleich mit der eigenen Körperwahrnehmung zu einem komplexen Puzzle zusammen zu setzen, das ‚im Kopf‘, ‚im Gehirn‘ als eine Art ‚virtuelle Welt‚ existiert, ein vom Gehirn konstruiertes Modell der Welt, das nicht die Welt selbst ist. Für jeden einzelnen aber, der solch ein Modell der Welt im Kopf hat, erscheint dieses Modell der Welt als die Welt selbst!
  2. Je nachdem, wie gut dieses Modell im Kopf ist, kann es im Alltag helfen, sich schnell zu orientieren. Man weiß in etwa, wo man sich befindet, wer die Person ist, die mit einem im Raum ist, wie die vielen Gegenstände benannt werden, welche Verhaltensweisen man von den Dingen und Menschen erwarten darf (meistens), usw. Und solange die Welt im Kopf mit der realen Situation harmoniert, solange erscheint die Welt im Kopf ganz natürlich als die Welt selbst. Wenn ich aber mein Fahrrad holen will und feststelle, es ist nicht mehr da; oder ich sehe ein Handy, das aussieht wie ein anderes, aber dieses Handy dann doch anders funktioniert, wie ich es gewohnt bin; oder die Landwirte in den USA in weiten Gebieten plötzlich Wildpflanzen nicht mehr bekämpfen können, weil das die Wildpflanzen gelernt haben, sich gegenüber den Umweltgiften der Landwirte zu erwehren; … dann fällt einem auf, dass das Modell im Kopf nicht die reale Welt ist. Wenn ganze Volkswirtschaften nur noch Arbeitslosigkeit und Schulden produzieren, dann fällt auf, dass unser Modell einer Volkswirtschaft in den Köpfen der Akteure vielleicht falsch ist; oder Menschen in meiner Umgebung verhalten sich plötzlich anders, als ich es jahrelang gewohnt war – was war das für ein Modell, das ich im Kopf von diesen Menschen hatte?
  3. Kurzum, den wenigstens Menschen ist bewusst, dass die Welt, die sie täglich voraussetzen, nicht einfach die Welt ist, wie sie ist, sondern auch die Welt, wie sie sich die Welt in ihrem Kopf vorstellen. Die klassische (Griechische) Philosophie konnte das Lebendige nicht erklären, erfand aber ein Wort (Pneuma von pneuein, atmen), um es zumindest zu benennen. Viele Jahrhunderte (eigentlich mehr als 2000 Jahre) war es der Fantasie der Menschen überlassen, sich vorzustellen, was dieses Pneuma, dieses Lebensprinzip, sein konnte. Erst seit ca. 100 Jahre konnte die Wissenschaft genügend Wissen erarbeiten, um ein mögliches empirisch motiviertes Modell dieses Pneuma-Lebensprinzips zu gewinnen. Und selbst heute ist vieles noch offen.
  4. Das Modell im Kopf, die Welt als explizite Hypothese, fällt nicht vom Himmel; das Modell muss mühsam von vielen 100.000enden jeden Tag neu erarbeitet, überprüft, modifiziert werden. Es ist ein unfassbarer Schatz an Wissen ohne den wir weitgehend blind sind und Spielbälle von an sich blinden Bedürfnissen, Trieben und Bauchgefühlen jeglicher Art. Dieser globale Prozess wissenschaftlicher Erkenntnis ist eingebettet in ein gesellschaftliches Umfeld, das in der Regel kaum an wirklichem Wissen interessiert ist. In der Gesellschaft geht es wie eh und je primär um Macht, Reichtum, Kontrolle, Befriedigung der primären Bedürfnisse, und die Wissenschaft, die Wissenschaftler, sind davon nicht abgeschottet: selten dürfen sie einfach forschen, was man erforschen könnte, sondern können nur forschen, wofür sie Geld bekommen oder was ‚politisch gewollt‘ ist. Die Kurzsichtigkeit der Politik ist aber ein aktuelles Problem. Es gäbe Wissenschaften, die uns allen helfen könnten, aktuelle Tendenzen besser zu bewerten, aber für solche Wissenschaften gibt es kein Geld; sie würden ja die Politik in ihrer Kurzsichtigkeit kritisieren. Davor scheut man zurück.

ZUKUNFT IST KEIN NORMALES OBJEKT

  1. Und hier sei nochmals an den fundamentalen Gedanken aus einem vorausgehenden Blogeintrag erinnert , dass die Zukunft ja nicht als ein Objekt existiert wie irgend ein anderes Objekt in unserer Umgebung. In der Wahrnehmung haben wir streng genommen nur ein Jetzt, das wir nur insoweit überwinden, übersteigen können, als die Fähigkeit unseres Gedächtnisses uns durch die Erinnerung von vergangenen Jetzt-Momenten und verschiedenen Abstraktions- und Vergleichsprozessen überhaupt Anhaltspunkte für Veränderungen in der realen Welt liefert, Ansatzpunkte für Beziehungen, Regelhaftigkeiten, anhand deren wir dann in die Lage versetzt werden, Ideen von möglichen Zuständen in der Zukunft zu denken, als Hypothesen, als Vermutungen. Zukunft ist von daher immer ein Konstrukt im Bereich der virtuellen Welt unseres Gehirns. Wer nicht nachdenkt, hat keine gedachte mögliche Zukunft. Wer nachdenkt, kann Hypothesen entwickeln, die die eine oder andere mögliche Entwicklung vorweg nehmen können, aber insgesamt sind dies Variationen von Themen der Vergangenheit. Die echte Zukunft lässt sich nur sehr angenähert denken.

DIE ZUKUNFT STIRB IM KOPF

  1. Ist das Denken, das Wissen also schon grundsätzlich für unser Verhalten, für unser alltägliches Leben, für Politik und Wirtschaft wichtig, so ist es fundamental für eine mögliche Zukunft. In einer wissensfeindlichen Gesellschaft wird also nicht nur ein Alltag in der Gegenwart schwer, sondern die Keime einer möglichen für alle guten Zukunft werden schon im Ansatz erstickt. Die Zukunft stirbt dann schon im Kopf bevor eine mögliche Zukunft überhaupt stattfinden konnte. Real wird die Welt dann zwar trotzdem voranschreiten, es werden sich Dinge ereignen, ob die Menschen wollen oder nicht, aber diese Dinge können verheerend sein, zerstörerisch, viele Menschen mit Leid versorgen, Leid, das man möglicherweise hätte verhindern können. Die Demagogen der Gegenwart werden dann aber nicht mehr da sein oder, sollten sie es erleben, haben die Demagogen selbst selten die Schuld auf sich genommen. Es waren dann ihre dummen Anhänger, die ihre wunderbare (Schrott)Ideen nicht gut genug verstanden haben. Lieben die Menschen die Unwahrheit tatsächlich mehr als die Wahrheit? Falls Ja, was könnte ein Mensch dagegen tun, sich davor zu schützen?

KONTEXT BLOG

Einen Überblick über alle Blogeinträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

Einen Überblick über alle Themenbereiche des Blogs findet sich HIER.

Das aktuelle Publikationsinteresse des Blogs findet sich HIER