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Buch: Die andere Superintelligenz. Oder: schaffen wir uns selbst ab? – Kapitel 5

VORBEMERKUNG: Der folgende Text ist ein Vorabdruck zu dem Buch Die andere Superintelligenz. Oder: schaffen wir uns selbst ab?, das im November 2015 erscheinen soll

Das Wunder des Zeichens

Wenn wir zu verstehen beginnen, dass die wunderbare Welt unseres Erkennens im Gehirn stattfindet, das in unserem Körper eingeschlossen getrennt von der Welt existiert, kann sich die Frage stellen, wie denn das Gehirn von Dir und mein Gehirn miteinander kommunizieren können. Wie erfahre ich, was Du willst, und Du, was ich will? Woher kann ich wissen, warum Du diese Handlung gut findest, und wie erfährst Du, warum ich die andere Handlung gut finde?

Diese Fragen zielen auf das Wunder der Koordination zwischen Menschen, aber letztlich auch zwischen Tieren, auch zwischen Pflanzen, ja generell: wieso können biologische Zellen ihr Verhalten koordinieren?

Hier gibt es noch viele Fragen, auf die die Wissenschaften bis heute keine voll befriedigenden Antworten gefunden hat. Auf einige dieser Fragen werde ich weiter unten noch eingehen. Jetzt, hier, in diesem Kapitel, soll es um die Frage gehen, wie wir Menschen die Frage der Kommunikation mittels Sprache — zumindest ansatzweise — gelöst haben.

Auf etwas zeigen

Wenn Menschen mit anderen zusammen am Tisch sitzen und Essen ist es oft so, dass man einen Gegenstand vom Tisch benötigt, der weiter weg steht und man denjenigen bittet, der am nächsten dran sitzt, einem den Gegenstand zu reichen.

Man kann dies tun, indem man mit der Hand, den Fingern, mit dem Gesicht in die Richtung des Gegenstandes deutet und die andere Person ‚erkennt‘ aus der Richtung und dem, was sich auf dem Tisch befindet, was ‚gemeint‘ ist; die andere Person deutet dann vielleicht selbst auf diesen Gegenstand, mit einem fragenden Blick, und wenn es der Gegenstand ist, den man meint, dann nickt man vielleicht, freundlich, mit einem Lächeln, und die andere Person reicht einem den Gegenstand.

In diesem Fall waren es Bewegungen des Körpers und bestimmte Körperhaltungen die in einer konkreten Situation mit Teilen der Situation in Interaktion treten und die, eine andere ‚kooperierenden Person‘ vorausgesetzt, von dieser anderen kooperierenden Person mit bestimmten Teilen der Situation ‚in Beziehung gesetzt‘ werden. Eine Handbewegung ist in diesem Fall nicht einfach eine Handbewegung ‚für sich‘, sondern eine Handbewegung als Teil einer größeren Situation, wo der ‚Andere‘ die Handbewegung mit einem bestimmten Teil der Situation, einem Gegenstand G, in eine ‚Beziehung‘ bringt. Diese Beziehung ist selbst kein realer Gegenstand sondern ist eine der vielen ‚möglichen gedachten Beziehungen‘ im Kopf des Anderen zwischen der beobachteten Handbewegung und den verschiedenen Gegenständen auf dem Tisch. Durch den fragenden Blick will der Andere wissen, ob seine ‚gedachte Beziehung‘ jene Beziehung ist, die der Bittende ‚intendiert‘ (sich vorgestellt, gedacht, …) hatte. Wenn der Bittende bestätigend nickt, dann fühlt der Andere sich ‚bestätigt‘ und nimmt die hypothetische gedachte Beziehung als jene Beziehung, die jetzt in dieser Situation vom Bittenden ‚gemeint‘ ist. Punktuell, kurzfristig wurde also im Raum der vielen Möglichkeiten eine bestimmte mögliche Beziehung als hier und jetzt gewollte gedacht und durch Bewegungen ‚manifestiert‘ (ausgedrückt, mitgeteilt, …).

Wenn wir dieses alltägliche Beispiel verallgemeinern, dann haben wir folgende (theoretische) Zutaten:

  1. Wir haben mindestens zwei Teilnehmer A und B, die ein Kommunikationsspiel spielen.
  2. Wir unterstellen bei jedem Teilnehmer ein Bewusstsein, das einem Teilnehmer ermöglicht, Eigenschaften der Außenwelt W in seinem Bewusstsein ‚hinreichend gut‘ zu ‚repräsentieren‘.
  3. Jeder Teilnehmer hat einen Körper, der von dem anderen wahrgenommen werden kann und der Eigenschaften besitzt, die eine Unterscheidung von Körperhaltungen und Körperbewegungen erlauben.
  4. In der gemeinsam geteilten Situation (als Teil der Außenwelt) gibt es Objekte, die Eigenschaften besitzen, wodurch sie sich voneinander unterscheiden und aufgrund deren sie von den Teilnehmern ‚wahrgenommen‘ werden können.
  5. Wir unterscheiden zwischen der ‚Stimulation‘ der Sinnesorgane in Gestalt von sensorischem Input I durch die Objekte OBJ der Außenwelt (als $latex stim: SIT \times OBJ \longmapsto I$) und der eigentlichen Wahrnehmung als Ergebnis der internen Verarbeitung der Stimulation I in bewusste Perzepte P (als $latex perc: I \times IS \longmapsto IS \times P$) (‚IS‘ steht für irgendwelche internen Zustände, die bei diesem Prozess auch noch eine Rolle spielen.). Dies berücksichtigt, dass die gleichen Außenweltreize von verschiedenen Anderen unterschiedlich verarbeitet werden können.
  6. Objekte in der Außenwelt werden — auf unterschiedliche Weise — so wahrgenommen, als ob sie sich in einem dreidimensionalen Raum befinden. Dies bedeutet, eine Situation hat eine ‚Raumstruktur‘, in der die Objekte in bestimmten Positionen und Lagen vorkommen. Dadurch ergeben sich zwischen den Objekten charakteristische räumliche Beziehungen. Während die Stimulation der Sinnesorgane diese räumlichen Strukturen partiell ‚vereinfacht‘, kann die Wahrnehmung mit Unterstützung des Gehirns daraus partiell räumliche Strukturen ‚zurückrechnen‘.
  7. Wenn zwei Gegenstände sich im Raum der Außenwelt so befinden, dass wir sie wahrnehmen können (z.B. eine Schüssel auf dem Tisch und eine Hand, die in diese ‚Richtung‘ deutet), können wir außer der räumlichen Beziehung auch andere mögliche Beziehungen (z.B. eine ‚Zeigebeziehung‘) wahrnehmen. Diese Beziehungen existieren als mögliche ‚gedachte Beziehungen‘ im Bewusstsein eines Teilnehmers. Ein Teilnehmer kann sich unendlich viele Beziehungen denken.
  8. Dass ein Anderer A zwei Objekte der Außenwelt mit einer ‚gedachten Beziehung‘ verbinden kann, die der Bittende B in seinem Bewusstsein ’sich vorstellt’/ ‚denkt‘, setzt ferner voraus, dass es zwischen der Wahrnehmung und dem ‚Vorstellen’/ ‚Denken‘ zwischen A und B hinreichend viel ‚Ähnlichkeit‘ gibt. Könnte ein A grundsätzlich sich nicht jene ‚Beziehungen‘ ‚vorstellen‘, die sich B vorstellt, wenn er mit seiner Hand in Richtung eines bestimmten Gegenstands (z.B. der einen roten Schüssel …) deutet, dann könnte B so viel deuten wie er will, der Andere A würde sich einfach nicht vorstellen

Nach dieser — noch immer vereinfachenden — Darstellung des Sachverhalts, können wir uns dem Begriff des Zeichens zuwenden.

Der Begriff des Zeichens

Mit dieser Frage gerät man in den Bereich der allgemeinen Wissenschaft von den Zeichen, der Semiotik (Anmerkung: Die Geschichte der Semiotik ist lang und vielschichtig. Einen guten Überblick bietet Winfried Noeth in seinem ‚Handbuch der Semiotik‘ von 2000, publiziert von J.B. Metzler (Stuttgart/Weimar)). Obwohl es je nach Zeit und Denkmode sehr unterschiedliche Formulierungen gibt, kann man eine Kernstruktur erkennen, die sich in allen unterschiedlichen Positionen durchhält.

Allerdings sollte man sich vorab klar machen, ob man — wie es historisch zunächst der Fall war — den Begriff des Zeichens primär durch Bezugnahme auf den Raum des Bewusstseins charakterisieren will, oder durch Bezugnahme auf das beobachtbare Verhalten (wie es die empirischen Wissenschaften favorisieren).

Der berühmteste Vertreter einer bewusstseinszentrierten Vorgehensweise ist Charles Sanders Peirce (1839 – 1914). Für den verhaltensorientierten Ansatz einflussreich war Charles William Morris (1901 – 1979). Eine Kombination aus bewusstseinsbasierten und verhaltensorientierten Aspekten bietet Ferdinand de Saussure (1857 – 1913).

Der Gebrauch eines Zeichens setzt — wie zuvor — eine Kommunikationssituation voraus mit mindestens zwei Teilnehmern, die mit ihren Körpern in der Situation anwesend sind und über hinreichend gleiche Körperstrukturen für Wahrnehmung und Denken verfügen.

Am Beispiel der Situation des Essens möchte ich die rote Schüssel mit dem Nachtisch gereicht bekommen; diese steht nicht in meiner Griffweite. Ich sehe meine Schwester Martina so sitzen, dass Sie mir die Schüssel reichen könnte. Ohne Sprache könnte ich nur mit Handbewegungen und Gesichtsausdrücken versuchen, ihr klar zu machen, was ich möchte. Mit Sprache könnte ich Laute erzeugen, die als Schallwellen ihr Ohr erreichen und sagen würden ‚Hallo M, kannst Du mir bitte mal die rote Schüssel reichen?‘. Sofern meine Schwester Deutsch kann (was der Fall ist), wird sie diese Schallwellen in ihrem Kopf so ‚übersetzen‘, dass sie einen Bezug herstellt zu ihrer Wahrnehmung der roten Schüssel, zur Wahrnehmung von mir, und wird eine Aktion einleiten, mir die Schüssel zu reichen.

Der gesprochene Satz ‚Hallo M, kannst Du mir bitte mal die rote Schüssel reichen?‘ als ganzer stellt ein Ausdrucksmittel dar, bildet ein Material, mittels dessen ein Sprecher (in dem Fall ich), einen Hörer (in dem Fall meine Schwester) in die Lage versetzt, nur aufgrund des Schalls einen Bezug zu einem realen Objekt herzustellen und dieses Objekt in eine Handlung (mir das Objekt rüber reichen) einzubetten. Meine Schwester als Hörerin ist damit interpretierend tätig; sie stellt aktiv eine Verbindung her zwischen dem gehörten Schall und Elementen ihrer Wahrnehmung der Situation. Diese Interpretation befähigt sie, eine Handlung zu planen und auszuführen.

Rein verhaltensorientiert kann man sagen, dass die gesamte sprachliche Äußerung ein Zeichenmaterial darstellt, das vom Hörer intern ‚verarbeitet‘ wird, was zu einer bestimmten Handlung führt (die rote Schüssel reichen). Der Hörer nimmt hier eine Interpretation (Int) vor, durch die der Schall, das Zeichenmaterial (ZM) in Beziehung gesetzt wird zu etwas Wahrgenommenem; dies führt wiederum zu einer beobachtbaren Handlung, die damit zur Bedeutung (M) des Zeichenmaterials wird: $latex Int: ZM \longmapsto M$. Anders ausgedrückt, das Gesagte, der Sprachschall, bekommt durch diesen Zusammenhang eine neue Funktion; der Schall steht nicht mehr nur ‚für sich alleine‘, sondern es spielt eine Rolle in einer Beziehung. Damit wird das an sich neutrale Schallereignis zu einem ‚Zeichen‘. Ein Hörer verwandelt mit seiner Interpretation ein an sich neutrales Ereignis in ein Zeichen für etwas anderes, was man die Bedeutung des Zeichens nennt.

Als Wissenschaftler kann man hier weiter verallgemeinern und den Hörer als ein Input-Output-System betrachten mit dem Sprachschall und den visuellen Wahrnehmungen als Input I und dem beobachtbaren Verhalten als Output O und der Interpretation Int als Verhaltensfunktion $latex \phi$, geschrieben $latex \phi: I \times IS \longmapsto IS \times O$

Interpretieren

Wer die Thematik ‚Zeichen‘, ‚Semiotik‘, ‚Sprache‘, Sprachverstehen‘ usw. ein wenig kennt, der weiß, dass wir uns damit einer Materie genähert haben, die sehr umfangreich und beliebig kompliziert ist, so kompliziert, dass fast alle wirklich interessanten Fragen noch kaum als gelöst bezeichnet werden können. Ich beschränke mich daher hier nur auf einige Kernpunkte. Nach Bedarf müssten wir das vertiefen.

Wie man an dieser Stelle ahnen kann, ist der Vorgang des Interpretierens das eigentliche Herzstück des Zeichenbegriffs. Hier geschieht die Zuordnung zwischen gehörtem Schall (oder gelesenem Text, oder gesehenen Gesten, oder …) zu anderen bekannten Wissensinhalten, vorzugsweise zu Wahrnehmungselementen der aktuellen Situation. Will man die Details dieses Interpretationsprozesses beschreiben, hat man mit einem verhaltensbasierten Ansatz ein Problem: alles, was sich im ‚Innern‘ eines biologischen Systems abspielt, ist zunächst nicht beobachtbar. Da hilft es auch nicht, wenn man heute einen Körper ‚aufmachen‘ kann und Körperorgane, Zellen, Prozesse in den Zellen untersuchen kann. Schaltzustände von Zellen, speziell Gehirnzellen, sagen als solche nichts über das Verhalten. Es sei denn, man ist in der Lage, explizit einen Zusammenhang zwischen den Zuständen von Gehirnzellen und beobachtbarem Verhalten herzustellen, was in der Neuropsychologie zur Methode gehört. Ähnlich könnte man bei der expliziten Parallelisierung von beobachtbarem Verhalten und rein subjektiven Phänomenen vorgehen oder eine explizite Parallelisierung zwischen Aktivitäten von Gehirnzellen (oder auch anderer Zellen) mit rein subjektiven Phänomenen.

Die verhaltensbasierte empirische Psychologie hat in zahllosen Modellbildungen gezeigt, wie man auf der Basis von Verhaltensdaten empirisch kontrollierte Hypothesen über mögliche Verarbeitungsmechanismen im System formulieren kann. Wieweit diese Modelle sich im Rahmen von neuropsychologischen Studien in der Zukunft bestätigen lassen oder diese modifiziert werden müssen, das wird die Zukunft zeigen.

Abstraktionen – Allgemeinbegriffe

Wenn wir mittels sprachlicher Ausdrücke Gegenstände unserer Alltagswelt ansprechen, benutzen wir fast ausnahmslos sogenannte Allgemeinbegriffe. Ich frage nach der ‚Schüssel‘ wohl wissend, dass es hunderte von Gegenständen geben kann, die konkret verschieden sind, die wir aber alle als ‚Schüssel‘ bezeichnen würden; desgleichen mit Ausdrücken wie ‚Tasse‘, ‚Flasche‘, ‚Tisch‘, Stuhl‘, usw.

Indem wir sprachliche Ausdrücke benutzen machen wir stillschweigend Gebrauch von der Fähigkeit unseres Gedächtnisses, dass alles, was wir gegenständlich wahrnehmen, ‚verallgemeinert‘ wird, d.h. von Details abgesehen wird und Kerneigenschaften abstrahiert werden (die Philosophen sprechen auch von Kategorisierung, der Bildung von Kategorien; eine andere Bezeichnung ist das Wort ‚Klasse‘). Dies geschieht offensichtlich unbewusst, ‚automatisch‘; unser Gedächtnis arbeitet einfach so, stillschweigend, lautlos. Was immer wir wahrnehmen, es wird in ein abstraktes Konzept ‚übersetzt‘, und alles, was zukünftig diesem Konzept ‚ähnlicher‘ ist als anderen Konzepten, das wird dann diesem Konzept zugerechnet. Ein gedankliches Gegenstandskonzept kann auf diese Weise für viele hundert unterschiedliche konkrete Gegenstände stehen. Und die Sprache braucht immer nur ein einziges Wort für ein solches abstraktes Gegenstands-Konzept.

Im konkreten Fall (wie z.B. dem Essen) ist die Verständigung meist einfach, da vielleicht nur eine einzige Schüssel auf dem Tisch steht. Wenn nicht, dann haben diese Schüsseln eventuell eine unterscheidende Eigenschaft (anhand ihrer räumlichen Position, Farbe, Größe, Inhalt, …). Die Schüssel ’neben‘ …, die ‚rote‘ Schüssel…, die ‚kleine weiße Schüssel‘ …, die Schüssel mit dem Reis ….

Wenn wir den Interpretationsprozess genauer beschreiben wollen, dann müssten wir diese Abstraktionsprozesse und ihre Anwendung in die Theoriebildung mit einbeziehen.

Diese Abstraktionsprozesse finden wir nicht nur bei ‚Gegenständen‘, sondern auch bei der Lautwahrnehmung. Wen wir ein gesprochenes Wort wie ‚Tasse‘ hören, dann hören wir dieses gesprochene Wort auch dann, wenn es schneller, langsamer, höher, tiefer, lauter oder leiser usw. gesprochen wird. Alle diese verschiedenen Äußerungsereignisse sind physikalisch sehr unterschiedlich und die moderne Sprachtechnologie hat viele Jahrzehnte gebraucht, um ‚in den meisten Fällen‘ das ‚richtige‘ Wort zu erkennen. Wir Menschen gehen mit diesen vielen unterschiedlichen Realisierungen vergleichsweise mühelos um. Auch hier verfügt unser Wahrnehmungs- und Gedächtnissystem über sehr leistungsfähige Abstraktionsprozesse, die zur Ausbildung von Lautkategorien und dann Wortklassen führen.

Wechselwirkungen zwischen Kategorien und Sprache

Damit finden wir auf der untersten Ebene des sprachlichen Zeichengebrauchs zwei selbständige Abstraktions- und Kategoriensysteme (Laute, Gegenstände), die im Zeichengebrauch zusammen geführt werden. Bevor Kinder diese beiden Systeme nicht meistern, können sie nicht wirklich Sprache lernen. Wenn sie es aber geschafft haben, diese Laut- und Gegenstandskategorien in sich zu realisieren, dann explodiert ihr Sprachlernen. (Anmerkung: Für einen Überblick siehe: Language development. Besonders aufschlussreich sind die empirischen Daten zur Entwicklung der Lautbildung, des Bedeutungserwerbs und der Grammatik. Umfassendere Theoriebildungen sind meist sehr spekulativ.)

Eine oft diskutierte Frage ist, in wieweit die Kategorienbildung bei den Gegenständen unabhängig ist von der Korrelation mit den Laut- und Wortkategorien (Anmerkung: Siehe einen Überblick zum Streit über die Sapir-Whorf-Hypothese.). Sofern diese Abstraktionsprozesse in genetisch bedingten Verarbeitungsprozessen gründen (wie z.B. der Farbwahrnehmung) darf man davon ausgehen, dass die sprachlichen Besonderheiten diese grundsätzlichen Kategorienbildung im Gegenstandsbereich nicht verändern, höchstens unterschiedlich nutzen. Für das gemeinsame Erlernen von Sprache bildet die Unabhängigkeit der vorsprachlichen Kategorienbildung eine Voraussetzung, dass eine Sprache gelernt werden kann. Gibt es hier Abweichungen (Anmerkung: wie z.B. bei Farbblindheit, generell Sehstörungen oder gar Blindheit, bei Taubheit, bei Störungen der Sinneswahrnehmungen, usw.), dann wird das gemeinsame Erlernen von Sprache in unterschiedlichen Graden erschwert bzw. eingeschränkt.

Bedeutung als Werden

Man kann erkennen, dass schon auf dieser untersten Ebene des Sprachgebrauchs Menschen, obgleich sie das gleiche Wort benutzen (wie ‚Flasche‘, ‚Tasse‘, …), damit ganz unterschiedliche Dinge verbinden können, je nachdem welche konkreten Gegenstände sie im Laufe ihrer Lerngeschichte sie wahrnehmen konnten. Je weiter sich diese Gegenstände von einfachen Alltagsgegenständen entfernen und komplexere Gegenstände benennen wie Tätigkeiten (‚Autofahren‘, ‚Einkaufen‘, ‚Reparieren‘, ..), komplexe Situationen (‚Parkhaus‘, ‚Jahrmarkt‘, ‚Sportveranstaltung‘, …) oder komplexe Organisationen (‚Gemeindeverwaltung‘, ‚politische Partei‘, ‚Demokratie‘, …), umso vielfältiger und umso unschärfer (‚fuzzy‘) werden die damit eingeschlossenen konkreten Eigenschaften. So wunderbar die Verfügbarkeit von abstrakten Begriffen/ Klassen/ Kategorien/ Allgemeinbegriffen den Gebrauch von Sprache vereinfacht, so trügerisch können diese Begriffe sein. 10 Menschen benutzen das Wort ‚Gott‘ und jeder versteht damit möglicherweise etwas ganz anderes.

Der Aufbau einer gemeinsam geteilten Bedeutungswelt ist in keiner Weise ein ‚Selbstgänger‘; langer Atem, gemeinsame Anstrengungen, Abstimmungen, Abgleiche, viel Kommunikation ist notwendig, um Verstehen zu ermöglichen, Missverständnisse zu verringern und bewusster Manipulation entgegen zu treten.

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