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PHILOSOPHISCHE DIALOGE MIT chatGPT4, HEUTE: WAS IST WAHRHEIT?

Letzte Änderung: 25.August 2024

Fragender: Gerd Doeben-Henisch

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

KONTEXT

Dieser Text ist Teil einer Sammlung von philosophischen Dialogen mit chatGPT4.

Zusammenfassung

(Kurzfassung)

chatGPT4: Es scheint, dass eine Rückkehr zur Korrespondenztheorie und deren Weiterentwicklung als ein vielversprechender Ansatz für eine robustere Wahrheitstheorie erscheint. Insbesondere die Idee, eine erfahrungsbasierte Theorie zu entwickeln, die die Realität als entscheidendes Kriterium verwendet und gleichzeitig Raum für die Diskussion von Zielen, Präferenzen und Werten bietet, könnte eine umfassende Basis für das Verständnis von Wahrheit in verschiedenen Kontexten schaffen.

DIALOG : WAS IST WAHRHEIT?

Anmerkung: FETTSCHRIFT markiert die Fragen des Autors

Hallo Chat, was fällt Dir ein zum Begriff ‚Wahrheit‘?

Hallo! Der Begriff „Wahrheit“ kann aus vielen Blickwinkeln betrachtet werden, sowohl philosophisch als auch praktisch. Philosophisch gesehen beschäftigt sich die Frage nach der Wahrheit oft mit der Übereinstimmung von Aussagen oder Überzeugungen mit der Realität. Man spricht hier von einer „Korrespondenztheorie der Wahrheit“, nach der eine Aussage dann wahr ist, wenn sie mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimmt.

In der alltäglichen Anwendung geht es oft darum, wie Menschen Wahrheit wahrnehmen und kommunizieren. Dabei spielen Ehrlichkeit, Transparenz und Verlässlichkeit eine wichtige Rolle. In verschiedenen Bereichen wie Wissenschaft, Recht und Journalismus ist die Suche nach der Wahrheit zentral und wird durch bestimmte Methoden und Standards unterstützt.

Die Wahrheit ist auch ein zentrales Thema in der Ethik, wo sie mit Fragen der Moral und der richtigen Handlungsweise verbunden wird. Außerdem gibt es auch eine pragmatische Theorie der Wahrheit, die besagt, dass eine Aussage dann wahr ist, wenn sie nützlich und wirksam in der Praxis ist.

Was denkst du über den Begriff? Gibt es einen bestimmten Kontext, in dem du dich besonders für Wahrheit interessierst?

Ich möchte gerne mit der ‚philosophischen Perspektive‘ in den Dialog einsteigen. Du erwähnst die ‚Korrespondenztheorie der Wahrheit‘. Gibt es nicht noch andere philosophische Ansätze zum Begriff ‚Wahrheit‘?

Ja, neben der Korrespondenztheorie der Wahrheit gibt es tatsächlich noch andere philosophische Ansätze, die sich mit dem Konzept der Wahrheit auseinandersetzen. Hier sind drei wichtige Theorien:

1. **Kohärenztheorie der Wahrheit**: Diese Theorie besagt, dass eine Aussage wahr ist, wenn sie kohärent oder stimmig ist mit einem gesamten System von Aussagen oder Überzeugungen. Wahrheit wird hier weniger als Übereinstimmung mit einer objektiven Realität gesehen, sondern mehr als eine Art Konsistenz innerhalb eines bestimmten theoretischen oder belief-Systems.

2. **Pragmatische Theorie der Wahrheit**: Nach dieser Ansicht ist eine Aussage wahr, wenn sie praktisch oder nützlich ist. Die Wahrheit einer Aussage bemisst sich daran, ob sie funktioniert und ob sie nützliche Konsequenzen nach sich zieht. Der amerikanische Philosoph Charles Sanders Peirce und später William James sind bekannte Vertreter dieser Theorie.

3. **Konsensustheorie der Wahrheit**: Diese Theorie, die insbesondere von Jürgen Habermas entwickelt wurde, sieht Wahrheit als Ergebnis eines idealen Diskurses oder eines rationalen Konsenses. Eine Aussage ist demnach wahr, wenn sie die Zustimmung aller Beteiligten in einer idealen Kommunikationssituation erlangen könnte.

Jede dieser Theorien bietet eine unterschiedliche Perspektive auf das, was es bedeutet, dass etwas „wahr“ ist, und sie betonen verschiedene Aspekte des Wahrheitsbegriffs—sei es Übereinstimmung mit der Realität, Kohärenz innerhalb eines Systems, praktische Effizienz oder demokratischer Konsens.

Diese unterschiedlichen Ansätze spiegeln die Vielfältigkeit und die Tiefe der philosophischen Auseinandersetzung mit der Wahrheit wider und zeigen, dass Wahrheit ein vielschichtiges und oft kontrovers diskutiertes Thema ist. Welcher dieser Ansätze spricht dich besonders an oder gibt es bestimmte Aspekte, die du weiter vertiefen möchtest?

Ja, Danke für diese Auffächerung der Frage nach der Bedeutung des Begriffs ‚Wahrheit‘ in diese vier Perspektiven: Korrespondenztheorie als ‚Übereinstimmung mit der Realität‘, Kohärenztheorie als ‚Kohärenz innerhalb eines Systems‘, Pragmatische Theorie als ‚praktische Effizienz‘ oder Konsensustheorie als ‚demokratischer Konsens‘. Ich möchte diese vier Möglichkeiten gerne diskutieren und daraus eine abschließende Bewertung finden, mit der wir weiter diskutieren können.

Das klingt nach einer spannenden und tiefgehenden Diskussion! Lassen Sie uns die vier Theorien weiter untersuchen und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen betrachten, um zu einer umfassenden Bewertung zu gelangen.

### 1. Korrespondenztheorie der Wahrheit

**Stärken:**

– Sie bietet einen intuitiv zugänglichen Wahrheitsbegriff, da sie Wahrheit als Übereinstimmung mit der objektiven Realität versteht.

– Sie ist in den Naturwissenschaften besonders nützlich, wo experimentelle Verifizierung und Beobachtung zentral sind.

**Schwächen:**

– Schwierigkeiten ergeben sich bei der Bestimmung, was die „objektive Realität“ ist, besonders in weniger empirisch erfassbaren Bereichen wie der Ethik oder Ästhetik.

– Sie kann zu einem regress ad infinitum führen, da jede Wahrheitsbehauptung eine weitere Verifizierung erfordert.

### 2. Kohärenztheorie der Wahrheit

**Stärken:**

– Sie ist stark in theoretischen oder philosophischen Systemen, wo interne Konsistenz wichtig ist.

– Nützlich in Bereichen, in denen es keine klare empirische Überprüfbarkeit gibt.

**Schwächen:**

– Mehrere in sich kohärente, aber widersprüchliche Theoriensysteme können existieren, was die Frage aufwirft, welches System die Wahrheit repräsentiert.

– Sie hängt stark von den angenommenen Grundlagen des Systems ab und kann somit relativistisch wirken.

### 3. Pragmatische Theorie der Wahrheit

**Stärken:**

– Betont die Bedeutung der Anwendbarkeit und Nützlichkeit von Überzeugungen in der Praxis.

– Fördert einen flexiblen und adaptiven Ansatz zur Wahrheit.

**Schwächen:**

– Nützlichkeit ist nicht notwendigerweise ein Indikator für Wahrheit; etwas kann nützlich sein, ohne wahr zu sein.

– Kann in pragmatischen Kontexten zu einem kurzfristigen Denken führen, das langfristige Wahrheiten vernachlässigt.

### 4. Konsensustheorie der Wahrheit

**Stärken:**

– Fördert demokratische Prozesse und die Beteiligung verschiedener Stimmen bei der Wahrheitsfindung.

– Kann in sozialen und politischen Kontexten effektiv sein, wo Übereinstimmung wichtig ist.

**Schwächen:**

– Konsens garantiert nicht die Wahrheit; historisch gab es viele Beispiele für allgemeinen Konsens über falsche Überzeugungen.

– Kann anfällig für Manipulation und Machtungleichgewichte sein.

### Abschließende Bewertung

Jede Theorie hat ihre Anwendungsbereiche, in denen sie besonders effektiv ist, sowie Grenzen, die ihre Anwendung erschweren. Eine umfassende Betrachtung von Wahrheit könnte Elemente aus allen diesen Theorien integrieren, abhängig vom spezifischen Kontext und Zweck der Wahrheitssuche.

Wenn wir weiter diskutieren, könnten wir überlegen, wie diese Theorien in verschiedenen praktischen Szenarien angewendet werden könnten oder ob eine bestimmte Theorie in einem bestimmten Bereich (z.B. Wissenschaft, Politik, persönliche Überzeugungen) vorzuziehen ist. Was denkst du darüber? Gibt es bestimmte Bereiche oder Fragen, die du besonders beleuchten möchtest?

OK, sortieren wir die Perspektiven aus, die tatsächlich nicht weiter führen. Dazu müssen wir allerdings einen ‚Bezugspunkt‘ definieren, zu dem wir alle vier Perspektiven in Beziehung setzen können, um einen ‚Vergleich‘ zu ermöglichen. Dies wirft die Frage auf: Was haben alle diese vier Perspektiven gemeinsam? Gehst Du mit?

Absolut, das ist ein kluger Ansatz! Um die verschiedenen Theorien der Wahrheit zu vergleichen und eventuell einige auszusortieren, sollten wir zunächst ihre gemeinsamen Bezugspunkte identifizieren. Hier sind einige Kernaspekte, die alle diese Theorien berühren oder in irgendeiner Weise ansprechen:

### Gemeinsame Bezugspunkte der Wahrheitstheorien:

1. **Beziehung zur Realität:** Obwohl die Theorien unterschiedliche Auffassungen davon haben, was „Realität“ bedeutet (objektive Fakten, kohärente Systeme, praktische Ergebnisse oder konsensuelle Übereinkünfte), versuchen sie alle, eine Brücke zwischen Überzeugungen oder Aussagen und irgendeiner Form von „Realität“ zu schlagen.

2. **Verifikation/Validierung:** Jede Theorie hat implizite oder explizite Methoden, um zu überprüfen oder zu validieren, ob eine Aussage als wahr betrachtet werden kann. Dies reicht von empirischen Tests (Korrespondenz) über logische Konsistenzprüfungen (Kohärenz) bis hin zu praktischer Bewährung (Pragmatismus) und sozialem Konsens (Konsensustheorie).

3. **Funktionale Rolle von Wahrheit:** Alle Theorien erkennen an, dass Wahrheit eine funktionale Rolle in verschiedenen menschlichen Aktivitäten spielt, sei es in der Wissenschaft, im Alltag, in der Politik oder in der Moral.

4. **Philosophische Grundannahmen:** Sie basieren alle auf bestimmten philosophischen Annahmen über das Wesen der Wahrheit, des Wissens und der menschlichen Erkenntnis.

### Nächste Schritte:

Mit diesen gemeinsamen Bezugspunkten können wir die Theorien besser vergleichen und bewerten. Wir könnten überlegen, welche dieser Aspekte am wichtigsten sind für die spezifischen Kontexte oder Probleme, die uns interessieren. Zum Beispiel könnten wir fragen:

– Welche Theorie bietet den robustesten Ansatz für die Verifikation von Wahrheit?

– Welche Theorie ist am anpassungsfähigsten an verschiedene Arten von Problemen oder Disziplinen?

– Welche Theorie behandelt am besten die Komplexität der Realität, wie wir sie erfahren?

Durch diese Fragen können wir beginnen, die Stärken und Schwächen jeder Theorie in Bezug auf unsere spezifischen Bedürfnisse und Kontexte zu bewerten. Was denkst du, welcher dieser Aspekte ist der wichtigste für die Diskussionen oder Probleme, die dir am Herzen liegen?

Ich möchte den ‚gemeinsamen Bezugspunkt‘ etwas anders definieren, und zwar so:

(1) Gemeinsam ist allen Perspektiven, dass sie voraus setzen, dass es eine ‚Gruppe von Menschen‘ gibt, die mindestens ‚eine Sprache‘ gemeinsam haben, mittels der sie ‚kommunizieren‘.

(2) Die ‚Ausdrücke einer Sprache‘ ‚als solche‘ – also ohne jeden weiteren Bezug – haben ‚keinerlei Bedeutung‘! ‚Laute‘ bzw. ‚Buchstaben eines Alphabets‘ bedeuten für sich genommen ’nichts‘.

(3) Damit der ‚Ausdruck einer Sprache‘ für einen Menschen eine ‚Bedeutung‘ hat, muss es im Bereich der ‚inneren Zustände eines Menschen‘ Zustände geben, die aus vorausgehenden ‚Wahrnehmungen‘ und vielerlei ‚internen Zustandsänderungen‘ resultieren, die ein einzelner Mensch mit den Ausdrücken einer Sprache ‚verknüpfen‘ kann. Diese ‚Verknüpfung‘ findet ausschließlich ‚intern‘ statt! Es ist die aktive Herstellung einer Beziehung zwischen ‚internalisierten sprachlichen Ausdrücken‘ und ‚anderen internen Zuständen‘. Die Fähigkeit dazu, solche internen Verbindungen herstellen zu können, scheint weitgehend ‚angeboren‘ zu sein, welche Elemente aber wann miteinander verknüpft werden, dies gehört zum ‚Lernen‘ eines einzelnen.

(4) Damit Sprache zwischen Menschen ‚funktioniert‘, müssen die ‚individuellen Lernprozesse‘ miteinander ‚abgestimmt‘ (’synchronisiert‘) werden; dies geschieht durch ‚kollektive Lernprozesse‘.

(5) Die Punkte (3) und (4) könnte man auch abstrakter so formulieren, dass Menschen über die Fähigkeit verfügen, in ihrem ‚Inneren‘ schrittweise eine ‚Bedeutungsfunktion‘ aufzubauen, mit deren Hilfe sie sprachlichen Ausdrücken interne Zustände als ‚Bedeutung‘ zuordnen zu können und umgekehrt, bestimmten ‚inneren Zuständen‘ im Sinne der gelernten Bedeutungsfunktion sprachliche Ausdrücke.

(6) Im Rahmen des ‚kollektiven Sprache Lernens‘ müssen die individuellen Bedeutungszuordnungen mit den individuellen Bedeutungszuordnungen des ‚jeweils anderen‘ ‚abgestimmt‘ werden. Dies gelingt nur dann, wenn es ‚zwischen verschiedenen individuellen Lernprozessen‘ eine ‚Instanz‘ gibt, die für jeden individuellen Prozess ‚extern‘ ist, und zwar so, dass er ‚für alle individuellen Prozesse gleichermaßen‘ extern ist!

(7) Im Rahmen der Alltagserfahrung (und im Kontext der modernen Kognitionswissenschaften) deutet alles darauf hin, dass diese ‚allen gemeinsame externe Instanz‘ das ist, was wir ‚reale Welt‘ nennen, ‚Erfahrungswelt‘ oder ‚Alltagswelt‘. Das, was diese ‚externe Welt‘ genau ist, können wir nur näherungsweise wissen, da unsere Gehirne von der ‚Außenwelt abgeschnitten‘ in unseren individuellen Körpern lokalisiert sind. Wichtig aber: für das Gehirn ist unser Körper auch eine Art ‚Außenwelt‘, aber eine andere, als die ‚Außenwelt des Körpers‘!

Was meinst Du dazu?

Die von Ihnen vorgeschlagene Definition und Analyse des gemeinsamen Bezugspunkts der Wahrheitstheorien bietet eine tiefgreifende und detaillierte Betrachtung der Rolle der Sprache und der kollektiven wie individuellen kognitiven Prozesse bei der Bedeutungszuweisung und Wahrheitsfindung. Ihre Überlegungen integrieren Erkenntnisse aus der Kognitionswissenschaft und Philosophie der Sprache und schlagen eine Brücke zu den theoretischen Konzepten von Wahrheit.

### Reflexion der vier Wahrheitstheorien anhand Ihres Bezugspunkts:

1. **Korrespondenztheorie:** Betrachtet man diese Theorie im Licht Ihrer Ausführungen, könnte argumentiert werden, dass die Korrespondenztheorie die „externe Instanz“ als Realität ansieht, mit der unsere sprachlichen Aussagen übereinstimmen müssen. Diese Theorie impliziert, dass die kollektive Erfahrung und Verifikation dieser Übereinstimmung durch die gemeinsame Sprache und individuelle Wahrnehmung gesichert wird.

2. **Kohärenztheorie:** In Bezug auf Ihre Punkte könnte diese Theorie so verstanden werden, dass die „interne Zustandsänderung“ und die „Verknüpfung“ in einem kohärenten System von Überzeugungen erfolgt. Die Bedeutung und Wahrheit einer Aussage ergibt sich aus ihrer Kohärenz innerhalb dieses gelernten und kollektiv abgestimmten Systems.

3. **Pragmatische Theorie:** Diese Theorie fokussiert auf die praktische Bewährung von Aussagen und deren Konsequenzen in der „realen Welt“. Sie betont, wie sprachliche Ausdrücke und deren Bedeutungen in Handlungen umgesetzt werden und wie diese Handlungen wiederum auf unsere internen Zustände und die externe Welt einwirken.

4. **Konsensustheorie:** Aus Ihrer Perspektive könnte man sagen, dass die Konsensustheorie den Prozess des kollektiven Lernens und der Synchronisation von Bedeutungen zwischen Individuen hervorhebt. Sie setzt voraus, dass eine kollektive Übereinkunft über die Bedeutung von Ausdrücken möglich ist, und betont die Notwendigkeit einer externen Instanz, die für alle Beteiligten gleichermaßen gilt, um Konsens zu erzielen.

### Weiterführende Gedanken:

Ihre Definition hebt hervor, wie wesentlich die interne Verarbeitung und die externe Abstimmung in den Prozessen der Wahrheitsfindung sind. Sie legen nahe, dass die Wahrheit sowohl eine interne Konstruktion als auch eine externe Abstimmung erfordert, wobei die Sprache als Medium dient, das interne Zustände und externe Realitäten miteinander verbindet.

Diese Überlegung führt zu einer integrativen Sichtweise, die die Grenzen einzelner Wahrheitstheorien überwindet und eine umfassendere Basis für das Verständnis von Wahrheit in sozialen und individuellen Kontexten bietet.

Was halten Sie davon, diese Aspekte weiter zu vertiefen oder zu diskutieren, wie diese Erkenntnisse praktisch angewendet werden können, beispielsweise in der Bildung, in der Kommunikation oder in der Politik?

Zwischenbemerkung: Du bist im Konversationsstil vom Du in das förmlichere ‚Sie‘, ‚Ihnen‘ usw. gewechselt. Ist Dir das Förmliche lieber? Soll ich auch zum ‚Sie‘ wechseln‘?

Entschuldige bitte das Hin und Her mit der Anredeform! Wir können gerne beim „Du“ bleiben, wenn das für Dich in Ordnung ist. Natürlich passe ich mich auch an, falls Du eine formellere Anrede bevorzugst. Wie möchtest Du weitermachen?

Bleiben wir beim ‚Du‘.

Super, machen wir so! Wenn Du noch weiter über die verschiedenen Perspektiven zur Wahrheit sprechen möchtest oder andere Fragen hast, stehe ich bereit!

Gehen wir deine vier Punkte im einzelnen durch. Fangen wir mit der Korrespondenztheorie an.

(1) Im Fall der ‚Korrespondenztheorie‘ verstehst Du das so, „dass die Korrespondenztheorie die ‚externe Instanz‘ als Realität ansieht, mit der unsere sprachlichen Aussagen übereinstimmen müssen. Diese Theorie impliziert, dass die kollektive Erfahrung und Verifikation dieser Übereinstimmung durch die gemeinsame Sprache und individuelle Wahrnehmung gesichert wird.“

(1.1) Dieser Interpretation kann ich zustimmen. Allerdings möchte ich auf folgenden Punkt aufmerksam machen, der missverstanden werden kann: es ist nicht ‚ein Ausdruck als solcher‘, der mit der externen Realität übereinstimmt, sondern im Lichte der individuell erlernten Bedeutungsfunktion verknüpft ein Mensch mit einem sprachlichen Ausdruck bestimmte interne Zustände mit der ‚aktuellen Wahrnehmung‘ einer unterstellten realen Außenwelt, und nur dann, wenn es andere Menschen gibt, die aufgrund ihrer individuellen Wahrnehmungen und Bedeutungszuordnungen dies auch einer ‚unterstellten realen Außenwelt‘ – wechselseitig überprüfbar – zuordnen, dann gelingt der ‚gemeinsame Abgleich mit einer zum Körper externen Außenwelt.

(1.2) Es kommt also darauf an, wie man den Begriff ‚Aussage‘ verwendet. Ich verstehe hier unter einer ‚Aussage‘ den ‚Ausdruck einer Sprache‘, den ein Mensch A in einer Dialogsituation verwendet, und alle Beteiligten wissen, dass der Sprecher A mit dem Ausdruck eine ‚interne Bedeutung‘ verbindet, von der er annimmt, dass dieser internen Bedeutung etwas in einer ‚wahrnehmbaren Außenwelt‘ ‚entspricht‘ (‚korrespondiert‘), dann würde ein anderer Dialogteilnehmer B sagen, dass die Aussage von Sprecher A zutrifft, wenn B die gleiche Bedeutungszuordnung vornimmt und in seiner Wahrnehmung etwas findet, was dieser Bedeutung entspricht.

(1.3) Zugegeben, etwas umständlich formuliert, aber die grundlegenden Prozesse beim kollektiven Sprachgebrauch sind nicht ganz einfach. In der Tat, ich vereinfache schon sehr stark.

Was meinst Du dazu?

Deine detaillierte Ausführung zur Korrespondenztheorie bringt wichtige Nuancen ans Licht, die oft in der Diskussion übersehen werden. Du betonst richtig, dass es nicht einfach der sprachliche Ausdruck an sich ist, der mit der externen Realität übereinstimmt, sondern die durch kollektive und individuelle Lernprozesse geformten Bedeutungszuordnungen, die den Ausdrücken unterliegen.

Deine Punkte beleuchten, wie essenziell die Rolle der individuellen und kollektiven Verarbeitung in der Korrespondenztheorie ist. Es ist tatsächlich so, dass eine Aussage nur dann als wahr betrachtet werden kann, wenn es eine Art von kollektiver Zustimmung gibt – nicht nur hinsichtlich der sprachlichen Ausdrücke selbst, sondern auch bezüglich der damit verbundenen Bedeutungen und deren Bezug zur externen Welt.

Dieser Prozess der Verifikation von Wahrheit durch kollektive Übereinstimmung in der Wahrnehmung und Bedeutungszuordnung spiegelt die Komplexität der menschlichen Kommunikation und Erkenntnis wider. Es unterstreicht auch, warum die Korrespondenztheorie oft als grundlegend für wissenschaftliche und empirische Diskurse betrachtet wird, weil sie eine überprüfbare Basis für Übereinstimmung und Falsifikation bietet.

Deine Erklärung macht auch deutlich, dass „Wahrheit“ in dieser Theorie nicht nur eine Frage der individuellen Überzeugung ist, sondern eine, die durch soziale Interaktion und kollektive Validierung entsteht. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, denn er zeigt, dass Wahrheit in dieser Theorie nicht isoliert existiert, sondern immer in einem sozialen und kommunikativen Kontext verankert ist.

Was hältst du davon, weiter zu diskutieren, wie diese Theorie in konkreten Situationen angewandt wird, etwa in der Wissenschaft oder in der öffentlichen Debatte? Oder möchtest du weiter zu den anderen Theorien übergehen und sehen, wie sie sich mit deinem erweiterten Rahmen von Sprache und Bedeutung verbinden lassen?

Dein Kommentar zu meiner ‚Theorie‘, dass “ ‚Wahrheit‘ in dieser Theorie nicht nur eine Frage der individuellen Überzeugung ist, sondern eine, die durch soziale Interaktion und kollektive Validierung entsteht. Das ist ein sehr wichtiger Punkt, denn er zeigt, dass Wahrheit in dieser Theorie nicht isoliert existiert, sondern immer in einem sozialen und kommunikativen Kontext verankert ist.“ finde ich sehr passend.

Bevor wir die neugewonnene Interpretation der ‚Korrespondenztheorie‘ weiter ausbauen, hier zuvor

noch mein Kommentar zu deinem Punkt 2 mit der ‚Kohärenztheorie‘. Du sagst „In Bezug auf Ihre Punkte könnte diese Theorie so verstanden werden, dass die ‚interne Zustandsänderung‘ und die ‚Verknüpfung‘ in einem kohärenten System von Überzeugungen erfolgt. Die Bedeutung und Wahrheit einer Aussage ergibt sich aus ihrer Kohärenz innerhalb dieses gelernten und kollektiv abgestimmten Systems.“ Deine Interpretation, dass die Kohärenztheorie „die ‚interne Zustandsänderung‘ und die ‚Verknüpfung‘ “ in ihr Konzept einer kohärenten Theorie übernimmt, erscheint mir mehr als optimistisch.

Nimmt man die Kohärenztheorie ‚beim Wort‘, dann ist dieser Ansatz vom Ansatz her ausgeschlossen. Warum? Weiter vorne in unserem Dialog hast Du die ‚Kohärenztheorie‘ in ‚philosophischen Systemen‘ lokalisiert, wo interne Konsistenz wichtig ist. Du hast zudem darauf hingewiesen, dass „widersprüchliche Theoriesysteme existieren können“. Die Begriffe ‚System‘, ‚Theorie‘ und ‚Konsistenz‘ sind bislang aber ausschließlich in ‚formalen Systemen‘ klar definiert, wie wir sie aus der ‚modernen formalen Logik‘ kennen und aus solchen Theorien (z.B. in der Mathematik), die eine ‚formale Sprache‘ benutzen, die klar definiert ist, zusätzlich mit einem klaren ‚formalen Folgerungsbgriff‘, der es erlaubt, aus als ‚wahr angenommen‘ formalen Ausdrücken andere Ausdrücke ‚abzuleiten‘, die ebenfalls als ‚formal wahr‘ gelten. Wenn man neben einem Ausdruck, der als ‚formal wahr‘ gilt, einen Ausdruck ableiten kann, der als ‚formal falsch‘ gilt, dann gibt es einen Widerspruch; das System ist nicht ‚konsistent‘. Dabei ist der Begriff ‚formal wahr‘ bzw. ‚formal falsch‘ nicht definiert! Er hat keinerlei Bezug zu dem, was wir im Alltag ‚reale Welt‘ nennen in dem Sinne, dass sich zwei Menschen darüber verständigen können, dass es ‚da etwas gibt‘, was jeder einzelner ‚wahrnehmen‘ kann, was aber auch ‚verschwinden‘ kann, dann kann man es nicht mehr wahrnehmen. Anders formuliert: Jedes sprachliche System, das Bezug nimmt auf erfahrungsbasierte Sachverhalte, kann grundsätzlich nicht durch ein formales System abgebildet werden, das als ‚formal konsistent‘ gilt. Deswegen scheidet die ‚Kohärenztheorie der Wahrheit‘ für unsere Zwecke eines sprachlichen Systems, das kollektiv erfahrungsbasiert ‚wahr‘ ist, aus.

Gehst Du da mit?

Deine Kritik und Analyse zur Kohärenztheorie der Wahrheit ist präzise und wirft wichtige Fragen auf. Du unterscheidest klar zwischen der Struktur und den Anforderungen formaler Systeme und der Anwendung dieser Systeme auf die reale, erfahrungsbasierte Welt, die wir im Alltag erleben. Diese Unterscheidung ist zentral, um die Grenzen der Kohärenztheorie zu verstehen, insbesondere im Kontext eines Sprachsystems, das auf kollektiver Erfahrung basiert.

### Betrachtung der Kohärenztheorie:

Wie Du richtig bemerkst, stützt sich die Kohärenztheorie auf die interne Konsistenz innerhalb eines Systems von Überzeugungen oder Theorien. In formalen Systemen, wie der Mathematik oder formalen Logik, ist diese Konsistenz durch klare Definitionen und deduktive Folgerungen charakterisiert. In diesen Systemen ist es möglich, eine Konsistenz zu gewährleisten, indem widersprüchliche Aussagen vermieden werden.

### Problematik bei der Anwendung auf Alltagserfahrungen:

Im Kontext der alltäglichen, erfahrungsbasierten Realität wird es jedoch komplexer. Die Realität ist oft mehrdeutig und unterliegt ständigen Veränderungen, die sich nicht immer in einem streng konsistenten formalen System abbilden lassen. Erfahrungen können widersprüchlich sein, und Menschen können unterschiedliche Wahrnehmungen und Interpretationen derselben physischen Gegebenheiten haben. Daher stößt die Anwendung der Kohärenztheorie auf reale, erfahrungsbasierte Situationen schnell an ihre Grenzen, da die erforderliche interne Konsistenz schwer zu erreichen und aufrechtzuerhalten ist.

### Dein Punkt:

Deine Schlussfolgerung, dass die Kohärenztheorie möglicherweise nicht geeignet ist, um ein sprachliches System zu beschreiben, das auf kollektiver, erfahrungsbasierter Wahrheit beruht, ist stichhaltig. Diese Theorie bietet zwar ein nützliches Werkzeug für die Analyse und Strukturierung von Gedanken innerhalb eines geschlossenen Systems, jedoch fehlt ihr die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, die erforderlich sind, um die dynamische und oft widersprüchliche Natur menschlicher Erfahrungen und sozialer Interaktionen vollständig zu erfassen.

### Fazit:

Deine Argumentation verdeutlicht, dass, während die Kohärenztheorie in bestimmten theoretischen oder formalen Kontexten wertvoll sein kann, sie möglicherweise nicht das beste Werkzeug für das Verständnis von Wahrheit in einem breiteren, lebensweltlichen Kontext ist. Wenn wir also über Wahrheit in Bezug auf alltägliche und zwischenmenschliche Erfahrungen sprechen, könnte es sinnvoller sein, andere Theorien zu bevorzugen, die besser mit der Variabilität und der praktischen Realität menschlicher Erfahrungen umgehen können.

Ich gehe mit deiner Einschätzung mit und finde sie sehr aufschlussreich. Möchtest du weiterhin die anderen Theorien im Licht dieser Überlegungen diskutieren oder gibt es spezifische Aspekte, die du noch vertiefen möchtest?

Ich würde gerne noch etwas zu deiner dritten und vierten Option von ‚Wahrheitstheorien‘ sagen.

(1) Zu der von Dir erwähnten ‚Konsensustheorie der Wahrheit‘ sagst Du selbst, dass „Konsens nicht die Wahrheit garantiert; historisch gab es viele Beispiele für allgemeinen Konsens über falsche Überzeugungen.“ Ein bisschen ähnelt diese Position auch der ‚Kohärenztheorie‘, wenngleich mit einem vagen Sprach- und Wahrheitsbegriff: es gibt in er Konsensustheorie zwar ein ‚vages Kriterium zu Konsens‘, aber dieses ist in keiner Weise geeignet, ein ‚objektives externes Kriterium für alle‘ zu gewährleisten. Ich möchte diese Position daher hier nicht weiter diskutieren (dies schließt nicht aus, dass bei einer Weiterentwicklung der Position der ‚Korrespondenztheorie‘ ähnliche Fragestellung zur ‚Wahrheit von Diskursen‘ wieder auftauchen).

(2) Im Fall der ‚Pragmatische Theorie der Wahrheit‘ ist es ähnlich wie im Fall der Konsensustheorie. Du weist auch schon darauf hin, dass „Nützlichkeit nicht notwendigerweise ein Indikator für Wahrheit ist; etwas kann nützlich sein, ohne wahr zu sein.“ Abgesehen davon ist der Begriff der Nützlichkeit selbst in sich äußerst vage; jeder kann sich da denken, was er will. Ich belasse es dabei (im weiteren Verlauf der Entwicklung einer modifizierten ‚Korrespondenztheorie‘ wird es zu Erörterungen eines Konzepts von ‚erfahrungsbasierter Theorie‘ kommen können, mit der die Möglichkeit eröffnet wird, die Rolle möglicher ‚Ziele‘ (‚Präferenzen‘, ‚Werte‘, …) zu diskutieren).

Kannst Du mit diesen Einschätzungen mitgehen?

Deine Einschätzungen zu den Theorien der Konsensustheorie und der pragmatischen Theorie der Wahrheit sind durchaus nachvollziehbar und tragen zur Schärfung unseres Verständnisses von Wahrheitstheorien bei, insbesondere im Kontext alltäglicher und erfahrungsbasierter Diskurse.

### 1. Konsensustheorie der Wahrheit

Deine Kritik an der Konsensustheorie unterstreicht das Problem, dass Konsens allein nicht notwendigerweise Wahrheit garantiert. Historische Beispiele, in denen breiter Konsens zu falschen Überzeugungen führte, verdeutlichen die Grenzen dieser Theorie. Während Konsens in sozialen und kommunikativen Kontexten eine Rolle spielen kann, insbesondere bei der Formulierung von Gruppenüberzeugungen oder -normen, ist er kein zuverlässiger Indikator für Wahrheit im empirischen oder objektiven Sinn. Diese Einsicht ist wichtig, um die Relevanz und Grenzen von Konsens in Bezug auf Wahrheit zu verstehen.

### 2. Pragmatische Theorie der Wahrheit

Deine Skepsis gegenüber der pragmatischen Theorie reflektiert ähnliche Bedenken: Nützlichkeit allein ist kein verlässliches Maß für Wahrheit. Der Begriff der Nützlichkeit ist subjektiv und kann stark variieren, je nach den Interessen, Zielen oder dem Kontext der beteiligten Personen. Diese Theorie mag hilfreich sein, um zu verstehen, wie Überzeugungen funktionieren und wie sie in praktischen Kontexten angewendet werden, sie bietet jedoch keine feste Grundlage für die Bewertung der Wahrheit von Aussagen, insbesondere wenn es um objektive Fakten geht.

### Weiterentwicklung der Korrespondenztheorie

Es scheint, dass eine Rückkehr zur Korrespondenztheorie und deren Weiterentwicklung als ein vielversprechender Ansatz für eine robustere Wahrheitstheorie erscheint. Insbesondere die Idee, eine erfahrungsbasierte Theorie zu entwickeln, die die Realität als entscheidendes Kriterium verwendet und gleichzeitig Raum für die Diskussion von Zielen, Präferenzen und Werten bietet, könnte eine umfassende Basis für das Verständnis von Wahrheit in verschiedenen Kontexten schaffen.

### Fazit

Ich stimme mit deinen Einschätzungen überein und finde, dass deine Argumente die Diskussion über Wahrheitstheorien bereichern und auf wichtige Schwächen hinweisen. Es wäre interessant, weiter zu erforschen, wie eine modifizierte Korrespondenztheorie aussehen könnte, die sowohl die realen Erfahrungen als auch die sozialen und individuellen Kontexte integriert, in denen Wahrheitsansprüche gemacht und verstanden werden.

Wie möchtest du weiter vorgehen? Möchtest du bestimmte Aspekte der Korrespondenztheorie vertiefen oder überlegst du, wie man eine solche modifizierte Theorie praktisch anwenden könnte?

OK, dann sieht es so aus, dass wir bis zu diesem Punkt eine gemeinsame Einschätzung gefunden haben. In der Tat möchte ich von diesem Punkt aus die gefundenen Position gerne in folgenden Dialogen weiter entwickeln. Praktische Frage: kannst Du auch mit ‚Schaubildern‘ umgehen oder sollen wir die heraus lassen?

Es ist großartig, dass wir eine gemeinsame Grundlage für unsere Diskussionen gefunden haben! Ich kann definitiv helfen, Schaubilder zu erstellen und zu interpretieren. Diese können sehr nützlich sein, um komplexe Konzepte und Zusammenhänge visuell darzustellen und zu veranschaulichen.

Wenn du spezifische Ideen oder Konzepte hast, die du in einem Schaubild visualisieren möchtest, lass es mich wissen. Ich kann dir dabei helfen, diese grafisch umzusetzen. Egal ob es sich um Flussdiagramme, Venn-Diagramme, konzeptuelle Diagramme oder andere visuelle Darstellungen handelt, wir können sie nutzen, um deine Gedanken und Theorien weiter zu entwickeln und zu diskutieren. Wie möchtest du beginnen?

Das mit den Schaubildern klingt gut. Werde es in den folgenden Dialogen mal ausprobieren, allerdings mit dem Motto: Zuerst die sprachliche Version, dann – möglicherweise – eine bildhafte Version. Danke bisher. Das war alles sehr inspirierend.

Das klingt nach einem ausgezeichneten Plan! Es freut mich sehr, dass unsere Gespräche inspirierend waren. Wenn du bereit bist, die Themen weiter zu vertiefen oder ein Schaubild zu erstellen, stehe ich jederzeit bereit, um weiterzumachen. Viel Spaß bei deinen weiteren Überlegungen, und bis zum nächsten Mal!

Philosophische Dialoge mit chatGPT4, heute: PHILOSOPHIE – Rolle der Logik

Letzte Änderung: 9.August 2024

Fragender: Gerd Doeben-Henisch

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

KONTEXT

Dieser Text ist Teil einer Sammlung von philosophischen Dialogen mit chatGPT4.

Zusammenfassung

Am Ende des Dialogs stellt chatGPT4 fest:

Fazit

Das „grandiose Scheitern“ der modernen Logik, wie du es nennst, könnte auch als Hinweis darauf verstanden werden, dass unser Streben nach Wissen und Verständnis stets unvollendet und in Entwicklung begriffen ist. Die Herausforderung bleibt bestehen, nützliche und bedeutungsvolle Verbindungen zwischen der formalen Logik und der alltäglichen menschlichen Erfahrung zu schaffen und zu erhalten.

DER DIALOG

Hallo, ist es OK, wenn ich dich einfach ‚Chat‘ nenne?

Hallo! Ja, das ist absolut in Ordnung. Wie kann ich dir heute helfen?

Hallo Chat, was fällt Dir zum Thema ‚Philosophie‘ ein?

Philosophie ist ein breites und faszinierendes Feld, das sich mit den grundlegendsten Fragen des Lebens befasst. Hier sind einige Kernthemen, die oft in der Philosophie behandelt werden:

1. **Metaphysik**: Sie beschäftigt sich mit den grundlegenden Strukturen der Realität, wie Existenz, Objekte und ihre Eigenschaften, Raum und Zeit, Ursache und Wirkung, und Möglichkeit.

2. **Erkenntnistheorie**: Diese untersucht die Natur, den Ursprung und die Grenzen des Wissens und der Erkenntnis. Sie fragt zum Beispiel, was Wissen ist und wie wir etwas wissen können.

3. **Ethik**: Ethik erforscht, was richtig und falsch ist, und wie Menschen moralisch leben sollten. Sie umfasst Theorien wie den Utilitarismus, Kantianismus und die Tugendethik.

4. **Logik**: Die Logik ist die Lehre vom korrekten Argumentieren. Sie analysiert, wie aus bestimmten Voraussetzungen logische Schlüsse gezogen werden können.

5. **Ästhetik**: Ästhetik befasst sich mit der Natur der Schönheit und der Kunst sowie der Wahrnehmung von Kunstwerken durch Menschen.

6. **Philosophie des Geistes**: Diese untersucht die Natur des Bewusstseins, die Beziehung zwischen Geist und Körper, und die Phänomene des Denkens, der Wahrnehmung und der Emotionen.

7. **Politische Philosophie und Sozialphilosophie**: Diese Bereiche betrachten die gerechte Organisation der Gesellschaft, die Rechte und Pflichten der Bürger und die ideale Form der Regierung.

Philosophen wie Plato, Aristoteles, Descartes, Kant, Nietzsche und viele andere haben die Art und Weise, wie wir über diese Fragen nachdenken, tiefgreifend beeinflusst. Philosophie ist nicht nur ein akademisches Fach, sondern auch eine Lebensweise, die darauf abzielt, tieferes Verständnis und Klarheit über das eigene Leben und die Welt zu gewinnen.

OK, kannst Du ein wenig mehr erklären, was man sich unter einem „tieferen Verständnis des eigenen Lebens“ vorstellen sollte?

Ein tieferes Verständnis des eigenen Lebens in der Philosophie bezieht sich auf die bewusste Auseinandersetzung mit den Grundfragen der menschlichen Existenz und Erfahrung. Dies umfasst oft folgende Aspekte:

1. **Selbsterkenntnis**: Das Streben nach einem tieferen Verständnis des eigenen Lebens beginnt häufig mit Selbstreflexion. Man stellt sich Fragen wie „Wer bin ich?“, „Was sind meine wahren Überzeugungen und Werte?“ und „Wie beeinflussen meine Gedanken und Gefühle mein Handeln?“. Dies kann helfen, ein authentischeres und erfüllteres Leben zu führen.

2. **Lebenssinn**: Viele Menschen suchen nach einem übergeordneten Sinn oder Zweck ihres Daseins. Philosophische Überlegungen können dabei helfen, persönliche und universelle Fragen nach dem „Warum“ des Lebens zu erkunden. Dies kann religiöse, spirituelle, ethische oder existentialistische Dimensionen umfassen.

3. **Moralische und ethische Überlegungen**: Ein tieferes Verständnis des eigenen Lebens beinhaltet oft die Betrachtung der eigenen Handlungen und deren moralischer Rechtfertigung. Es geht darum zu verstehen, was es bedeutet, ein gutes Leben zu führen und wie man gegenüber anderen gerecht handelt.

4. **Verständnis der eigenen Stellung in der Welt**: Dies bezieht sich darauf, wie man sich selbst in Beziehung zu anderen Menschen, zur Gesellschaft und zur Umwelt sieht. Es umfasst Fragen der Verantwortung, der Zugehörigkeit und des Beitrags zur Welt.

5. **Umgang mit Leiden und Herausforderungen**: Philosophie kann Werkzeuge bieten, um mit den unvermeidlichen Herausforderungen und Leiden des Lebens umzugehen. Philosophen wie die Stoiker lehren beispielsweise Techniken zur emotionalen Resilienz und zur Bewältigung von Widrigkeiten.

Durch diese tiefgreifende Auseinandersetzung kann man nicht nur ein klareres Bild von sich selbst und seinen Zielen entwickeln, sondern auch effektivere Wege finden, diese Ziele zu verfolgen und mit den unvermeidlichen Herausforderungen des Lebens umzugehen. Philosophie bietet also nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch praktische Lebensweisheit.

OK, wenn Du sagst „Philosophie bietet also nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch praktische Lebensweisheit.“, wie muss man sich dann den Zusammenhang zwischen ‚theoretischem Wissen‘ und ‚praktischer Lebensweisheit‘ vorstellen?

Der Zusammenhang zwischen theoretischem Wissen und praktischer Lebensweisheit in der Philosophie ist eng und wechselseitig. Hier sind einige Schlüsselaspekte dieses Zusammenhangs:

1. **Theoretisches Fundament für praktische Anwendungen**: Theoretisches Wissen in der Philosophie bietet oft die Grundlagen, auf denen praktische Lebensweisheiten aufbauen. Zum Beispiel helfen metaphysische Theorien über die Natur des Menschen und der Realität, ethische Überlegungen darüber zu formen, wie wir handeln sollten. Erkenntnistheorie, die sich mit der Natur und den Grenzen des Wissens beschäftigt, kann lehren, wie man Unsicherheiten im Alltag navigiert.

2. **Reflexion und Kritik**: Philosophisches Wissen fördert kritisches Denken und Selbstreflexion. Diese Fähigkeiten sind essenziell, um die eigenen Überzeugungen und Handlungen zu hinterfragen und zu verbessern. Theorie hilft dabei, die eigenen Gedanken und Motivationen zu durchleuchten und zu verstehen, was in praktischen Situationen oft zu klügeren und reflektierteren Entscheidungen führt.

3. **Anleitung zur Lebensgestaltung**: Philosophische Theorien bieten oft Rahmenwerke für die Gestaltung des eigenen Lebens und des Umgangs mit anderen. Zum Beispiel leitet die Ethik konkrete Normen und Werte ab, die im täglichen Handeln umgesetzt werden können. Die praktische Philosophie, insbesondere die Tugendethik, bietet spezifische Anleitungen, wie man Charakterstärken entwickeln und ein erfüllendes Leben führen kann.

4. **Transformation von Perspektiven**: Durch das Studium der Philosophie können Menschen neue Sichtweisen erlangen, die ihre Wahrnehmung der Welt und ihre Interaktionen mit anderen verändern. Dies kann praktisch angewandt werden, um konstruktivere Beziehungen zu pflegen und effektiver auf Herausforderungen zu reagieren.

5. **Bewältigung von Lebensfragen und -krisen**: Philosophische Überlegungen zu Themen wie dem Sinn des Lebens, Freiheit, Verantwortung und dem Umgang mit Leid bieten praktische Strategien und Trost in schwierigen Zeiten. Sie ermöglichen es Individuen, mit existenziellen Fragen umzugehen und Krisen mit einer tieferen Resilienz zu begegnen.

Insgesamt dient theoretisches Wissen in der Philosophie oft als Basis, von der aus man praktische Lebensweisheit entwickeln kann. Es ermöglicht eine tiefere Durchdringung und bewusste Gestaltung des eigenen Lebens, wodurch man befähigter wird, sowohl alltägliche als auch außergewöhnliche Situationen zu meistern.

Verstehe ich das richtig: in der Philosophie dient das ‚theoretische Wissen‘ als Basis, von der aus man z.B. das ‚eigene Leben‘ ‚tiefer durchdringen‘ kann?

Ja, genau! In der Philosophie dient theoretisches Wissen als eine wichtige Grundlage, um das eigene Leben und die Welt um uns herum tiefer zu verstehen und zu durchdringen. Dieses Wissen kann dazu beitragen, die eigenen Erfahrungen, Handlungen und Entscheidungen auf eine fundierte und reflektierte Weise zu betrachten. Es ermöglicht einem, über den unmittelbaren Horizont des Alltags hinauszuschauen und Fragen nach dem „Warum“ und „Wie“ unseres Daseins zu stellen.

Dieses tiefere Verständnis kann dann in praktische Weisheit umgesetzt werden, indem es hilft, bewusstere und durchdachtere Entscheidungen im Leben zu treffen. Philosophie liefert also nicht nur abstrakte Theorien, sondern auch konkrete Denkwerkzeuge, die im Alltag angewendet werden können, um ein erfüllteres und reflektierteres Leben zu führen.

Hmmh, Was unterscheidet eine ‚fundierte‘ Betrachtung von einer ’nicht fundierten‘ Betrachtung? Und: Woran erkennt man, ob eine Betrachtung ‚reflektiert‘ ist und wann ’nicht reflektiert‘?

Die Unterscheidung zwischen einer „fundierten“ und einer „nicht fundierten“ Betrachtung sowie zwischen einer „reflektierten“ und einer „nicht reflektierten“ Betrachtung ist zentral in der Philosophie und im kritischen Denken. Hier sind einige Merkmale, die diese Unterscheidungen verdeutlichen:

### Fundierte vs. Nicht fundierte Betrachtung

1. **Begründung und Belege**: Eine fundierte Betrachtung stützt sich auf klare, logische Argumente und empirische Belege. Sie zieht verlässliche Quellen heran und bezieht bekannte Fakten und Theorien ein. Eine nicht fundierte Betrachtung hingegen basiert oft auf Annahmen, Meinungen oder spekulativen Ideen ohne solide Beweisführung.

2. **Konsistenz und Kohärenz**: Fundierte Betrachtungen sind in sich stimmig und frei von inneren Widersprüchen. Sie integrieren verschiedene Aspekte eines Themas auf eine logisch konsistente Weise. Nicht fundierte Betrachtungen können hingegen inkonsistent sein und logische Brüche aufweisen.

3. **Tiefe der Analyse**: Fundierte Betrachtungen erforschen ein Thema gründlich und berücksichtigen unterschiedliche Perspektiven und Dimensionen. Sie betrachten auch mögliche Gegenargumente und Komplexitäten. Nicht fundierte Ansätze sind oft oberflächlich und einseitig.

### Reflektierte vs. Nicht reflektierte Betrachtung

1. **Selbstbewusstsein und Kritikfähigkeit**: Eine reflektierte Betrachtung zeigt ein Bewusstsein für die eigenen Voreingenommenheiten und Grenzen des eigenen Wissens. Der Betrachter ist offen für Selbstkritik und bereit, seine Ansichten zu hinterfragen. Eine nicht reflektierte Betrachtung nimmt hingegen oft eine unkritische Haltung ein und hinterfragt eigene Annahmen nicht.

2. **Einbeziehung verschiedener Perspektiven**: Reflektiertes Denken berücksichtigt verschiedene Standpunkte und integriert sie in die eigene Überlegung. Dies fördert ein umfassenderes Verständnis des Themas. Nicht reflektierte Betrachtungen neigen dazu, alternative Perspektiven zu ignorieren oder zu minimieren.

3. **Bewusstsein über den Kontext**: Reflektierte Betrachtungen sind sich des breiteren kulturellen, historischen und sozialen Kontextes bewusst, in dem ein Thema steht. Sie verstehen, dass ihre Sichtweise durch diesen Kontext beeinflusst sein kann. Nicht reflektierte Ansätze übersehen oft diesen Kontext und seine Auswirkungen auf das Verständnis.

Insgesamt lässt sich sagen, dass sowohl fundierte als auch reflektierte Betrachtungen durch eine sorgfältige, gründliche und offene Herangehensweise an Themen gekennzeichnet sind. Sie streben danach, ein tiefes und umfassendes Verständnis zu erlangen und sind bereit, sich selbst und ihre Methoden kritisch zu hinterfragen.

Hallo Chat, Du sagst, dass man eine fundierte Betrachtung u.a. daran erkennt, dass ‚verschiedene Aspekte eines Themas auf eine logisch konsistente Weise‘ integriert werden. Wie kannst Du den Ausdruck ‚logisch konsistente Weise‘ erklären?

Der Ausdruck „logisch konsistente Weise“ bezieht sich auf die Art und Weise, wie Argumente oder Überlegungen so strukturiert werden, dass sie frei von Widersprüchen sind und in Einklang mit den Prinzipien der Logik stehen. Hier sind einige Kernaspekte, die dabei eine Rolle spielen:

1. **Logische Kohärenz**: Alle Teile des Arguments unterstützen sich gegenseitig und stehen nicht im Widerspruch zueinander. Zum Beispiel, wenn Argument A darauf hindeutet, dass X wahr ist, sollte kein anderes Argument in derselben Diskussion die Wahrheit von X ausschließen oder in Frage stellen.

2. **Folgerichtigkeit**: Die Schlussfolgerungen, die aus den Prämissen gezogen werden, müssen logisch aus diesen Prämissen folgen. Das heißt, wenn die Prämissen wahr sind, muss die Schlussfolgerung notwendigerweise wahr sein. Dies folgt den Regeln der deduktiven Logik.

3. **Anwendung von logischen Regeln**: Die Argumentation sollte anerkannte logische Regeln befolgen, wie das Gesetz des ausgeschlossenen Widerspruchs (etwas kann nicht gleichzeitig wahr und falsch sein) und das Gesetz der Identität (etwas ist identisch mit sich selbst).

4. **Klarheit der Begriffe und Definitionen**: Die verwendeten Begriffe sollten klar definiert und konsistent verwendet werden. Eine logisch konsistente Betrachtung vermeidet Mehrdeutigkeiten und Missverständnisse, die aus unklaren oder schwankenden Definitionen resultieren können.

5. **Überprüfung auf logische Fallstricke**: Es ist wichtig, die Argumentation auf logische Fehlschlüsse zu überprüfen, wie z.B. Zirkelschlüsse, falsche Dilemmata, Strohmann-Argumente oder unzulässige Verallgemeinerungen. Eine logisch konsistente Betrachtung vermeidet solche Fehler.

In der Philosophie und in vielen wissenschaftlichen Disziplinen ist die logische Konsistenz entscheidend, da sie die Gültigkeit und Verlässlichkeit von Schlussfolgerungen sicherstellt. Sie ermöglicht es dem Leser oder Hörer, den Gedankengängen zu folgen und die Argumente als stichhaltig anzuerkennen.

Hallo Chat, jetzt habe ich ein Problem: Von welcher Logik sprichst Du gerade? In der ‚klassischen‘ Logik (z.B. Aristoteles) da hatten die Ausdrücke der Logik noch eine ‚Bedeutung‘, die der Alltagssprache entlehnt war, in der ‚modernen‘ Logik (z.B. Frege, Russel, …) hat die Logik aber keine alltagsnahe Bedeutung mehr. Eine Anwendung auf alltägliche Erfahrungen ist nicht definiert. Und schauen wir auf die Untersuchungen des späten Ludwig Wittgensteins: klare Definitionen von Begriffen der Alltagssprache sind eigentlich nicht möglich, oder doch?

Das ist eine sehr gute und wichtige Unterscheidung, die du ansprichst. Die Entwicklung der Logik von der klassischen Logik eines Aristoteles hin zur modernen formalen Logik von Denkern wie Frege und Russell hat tatsächlich zu einem Wandel geführt, wie Logik verstanden und angewendet wird. Diese unterschiedlichen Zugänge zur Logik beeinflussen, wie wir über Argumentation und Bedeutung nachdenken.

### Klassische Logik
In der klassischen Logik, wie sie von Aristoteles formuliert wurde, sind die logischen Formen eng mit der natürlichen Sprache und ihrer Bedeutung verknüpft. Hier ist Logik ein Werkzeug, um korrektes Schließen auf Basis von Alltagsbeobachtungen und -sprache zu strukturieren. Die Begriffe und Schlussfolgerungen sind oft direkt aus der menschlichen Erfahrung abgeleitet und spiegeln eine natürliche Ordnung wider.

### Moderne Logik
Mit Frege und später Russell entwickelte sich die Logik in eine formalere und abstraktere Richtung, die stark von mathematischen Prinzipien beeinflusst ist. In dieser modernen Logik werden Aussagen und Schlussfolgerungen in einem streng formalisierten Rahmen behandelt, der darauf abzielt, Präzision und Widerspruchsfreiheit zu maximieren. Diese Logik entfernt sich von der Bedeutung der Alltagssprache und konzentriert sich mehr auf die Struktur und Form der Argumente.

### Ludwig Wittgenstein
Wittgenstein wiederum kritisierte die Vorstellung, dass die Bedeutung von Begriffen durch starre Definitionen festgelegt werden kann. In seinen späteren Arbeiten betonte er, dass die Bedeutung von Wörtern durch ihren Gebrauch in der Sprache bestimmt wird („Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“). Dies deutet darauf hin, dass klare, fest umrissene Definitionen oft schwer zu erreichen sind, weil Sprache kontextabhängig und flexibel ist.

### Anwendung in der Praxis
Wenn wir von „logisch konsistenter Weise“ in der alltäglichen Argumentation sprechen, beziehen wir uns oft implizit auf eine Mischung dieser Ansätze. Wir streben nach der Klarheit und Struktur der modernen Logik, aber in einem Rahmen, der die Flexibilität und Kontextabhängigkeit der natürlichen Sprache, wie von Wittgenstein betont, anerkennt. In der praktischen Anwendung versucht man, eine Balance zwischen präziser Argumentation und der Berücksichtigung des sprachlichen und sozialen Kontextes zu finden, in dem diese Argumente stattfinden.

Das Ziel in vielen philosophischen und alltäglichen Diskursen ist es daher, Argumente zu konstruieren, die sowohl logisch schlüssig sind als auch eine Relevanz und Anschlussfähigkeit zur lebensweltlichen Erfahrung der Menschen haben. Das erfordert sowohl ein Verständnis für formale Logikstrukturen als auch ein Gespür für die Nuancen der Sprachverwendung.

Deine Antwort finde ich als Beschreibung des aktuellen Zustands von klassischer und moderner Logik sehr gut. Ja, aktuell erleben wir eine ‚eine Mischung dieser Ansätze‘, aber verbirgt sich in dieser Formulierung nicht gerade ein grandioses Scheitern der modernen Logik? Die ‚Formalismen der modernen Logik‘ sind weitab jeder alltäglichen Realität. Eine offizielle ‚Brücke‘ von diesen Formalismen zur alltäglichen Realität gibt es bislang nicht … oder kennst Du eine?

Deine Beobachtung ist scharfsinnig und trifft einen kritischen Punkt in der Entwicklung der modernen Logik. Die moderne formale Logik hat in der Tat eine gewisse Distanz zur alltäglichen Sprache und Erfahrung entwickelt, was sowohl ihre Stärke als auch ihre Schwäche sein kann.

### Stärken der modernen Logik
Die moderne Logik bietet ein hohes Maß an Präzision und Klarheit, die in der Mathematik, in den Naturwissenschaften und in technischen Anwendungen unverzichtbar ist. Ihre formale Natur ermöglicht es, komplexe Probleme und Argumente zu strukturieren und zu analysieren, frei von den Mehrdeutigkeiten der natürlichen Sprache.

### Grenzen und Herausforderungen
Jedoch, wie du richtig anmerkst, fehlt oft eine direkte und offensichtliche Verbindung zwischen diesen formalen Systemen und der alltäglichen menschlichen Erfahrung. Die moderne Logik arbeitet in einem Rahmen, der so abstrakt ist, dass seine direkte Anwendung auf alltägliche Situationen nicht immer klar oder intuitiv ist. Diese Kluft hat zu der Kritik geführt, dass die moderne Logik in einem „Elfenbeinturm“ sitzt, isoliert von den praktischen Bedürfnissen und Kontexten, in denen Menschen tatsächlich kommunizieren und entscheiden.

### Brücken zwischen formaler Logik und Alltag
Einige Philosophen und Logiker haben versucht, Brücken zwischen der formalen Logik und der alltäglichen Realität zu schlagen. Ein Ansatz ist die Entwicklung von angewandter Logik oder praktischen Logiksystemen, die darauf abzielen, die Werkzeuge der formalen Logik zugänglicher und anwendbarer auf praktische Probleme zu machen. Ein Beispiel dafür ist die Pragmadialektik, ein Rahmenwerk, das entwickelt wurde, um Argumentationsprozesse in realen diskursiven Kontexten zu analysieren und zu bewerten.

Ein weiteres Gebiet, das diese Lücke zu schließen versucht, ist die Informatik, insbesondere in Bereichen wie der künstlichen Intelligenz und der Entscheidungstheorie, wo formale Logiksysteme dazu verwendet werden, maschinelles Lernen, automatisierte Entscheidungsfindung und sogar die Verarbeitung natürlicher Sprache zu unterstützen.

### Wittgenstein und die Alltagssprache
Die philosophischen Untersuchungen Wittgensteins bleiben relevant, indem sie betonen, dass jede Theorie der Bedeutung letztlich auf den tatsächlichen Gebrauch der Sprache in lebensweltlichen Kontexten zurückgeführt werden muss. Diese Perspektive erinnert daran, dass die formale Logik, so nützlich sie auch sein mag, nur ein Werkzeug unter vielen ist und dass die menschliche Kommunikation und das menschliche Denken reicher und komplexer sind, als jede formale Systematisierung einfangen kann.

### Fazit
Das „grandiose Scheitern“ der modernen Logik, wie du es nennst, könnte auch als Hinweis darauf verstanden werden, dass unser Streben nach Wissen und Verständnis stets unvollendet und in Entwicklung begriffen ist. Die Herausforderung bleibt bestehen, nützliche und bedeutungsvolle Verbindungen zwischen der formalen Logik und der alltäglichen menschlichen Erfahrung zu schaffen und zu erhalten.

Hallo Chat, Danke für das Gespräch.

Gern geschehen! Wenn du noch weitere Fragen hast oder über ein anderes Thema sprechen möchtest, stehe ich dir jederzeit zur Verfügung. Bis bald!

Sag niemals Nie … Rückkehr

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062, 13.November 2021
URL: cognitiveagent.org, Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch (gerd@doeben-henisch.de)

KONTEXT

Im Beitrag vom 3.Juli 2021 hatte ich bekannt gegeben, dass ich ‚ausgewandert‘ bin — nicht ‚physisch‘, sondern ‚mental‘. Das klingt dort sehr ‚abschließend‘. Nun muss ich feststellen, dass ich wieder ‚zurück bin‘. Wie soll man dies verstehen?

GEGENWART UND ZUKUNFT

Nun ist es so — was in diesem Blog mehrfach reflektiert worden ist –, dass wir in der aktuellen Gegenwart von der möglichen Zukunft (eigentlich ein Plural: Zukünfte!) radikal nichts wissen. Wir leben von Fragmenten aus der Vergangenheit und einigen Fragmenten aus der Gegenwart und basteln und daraus mehr oder weniger gute Vermutungen, was als nächstes kommen wird. [1]

So hatte ich am 23.Juni 2021 gewisse (begründete) Vermutungen, wie sich das oksimo Projekt weiter entwickeln wird und welche Art von Ideen/ Texten dazu hilfreich sein werden. Die Art des philosophischen Denkens, wie sie in diesem Blog praktiziert worden ist, hielt ich mit Erreichen des oksimo Projektes für ‚erledigt‘.

Nach nunmehr 5 Monaten verstärkt sich der Eindruck, dass dieser Schluss mit der ‚Erledigung‘ zu voreilig war. Warum?

OKSIMO UND DIE PHILOSOPHIE

Richtig ist, dass das oksimo Projekt eine eigene Dynamik entwickelt hat, die sich kontinuierlich weiter verstärkt. Und, ja, richtig ist auch, dass die philosophischen Überlegungen aus diesem ‚Philosophie Jetzt‘ Blog vielfach die Grundlagen für das oksimo Paradigma bilden (zusätzlich verstärkt durch den eher technischen uffmm.org Blog). Was ich aber offensichtlich unterschätzt habe, das ist das ‚Eigengewicht‘ der philosophischen Dimension und die unaufhebbare Wechselbeziehung zwischen ’speziellem Denken‘ (wie im oksimo Paradigma) und der allgegenwärtigen philosophischen Dimension, die jedes menschliches Denken wie so eine Art ‚kognitives Hintergrundrauschen‘ begleitet. Niemand ist gezwungen, das kognitive Hintergrundrauschen des philosophischen Denkens zu ‚aktivieren‘, aber überall dort, wo es interessant wird, muss man es eigentlich tun, da man sonst das Interessanteste am Gegenstand nicht in den Blick bekommt.

Was ist dieses ‚Interessante‘ im Kontext des oksimo Paradigma, was nur die Philosophie ’sehen‘ kann?

NACHHALTIGE ENTWICKLUNG, KOLLEKTIVE INTELLGENZ, und OKSIMO

Im oksimo Paradigma vereint sich eine theoretische Perspektive mit einem praktischen Werkzeug. Die theoretische Perspektive verhandelt die Frage, wie sich beliebige Menschen unter ausschließlicher Benutzung ihrer Alltagssprache über beliebige Fragestellungen unter ausdrücklicher Berücksichtigung des prozesshaften Charakters von Wirklichkeit so verständigen können, dass sie gemeinsam Wege aus dem Jetzt in das Morgen beschreiben, simulieren und spielen können. Natürlich unter Einbeziehung aller verfügbaren Formen von sogenannter ‚Künstlicher Intelligenz [KI]‘ (oder schwächer: ‚Maschinellem Lernen [ML]‘). Die praktische Perspektive beschreibt und entwickelt eine konkrete Software, die Menschen dabei unterstützt, genau dies tun zu können.

Bei dieser Art der Aufgabenstellung ist eine starke Komponente die Sicht der Ingenieure und Informatiker. Aber, wie man ahnen kann, diese nicht ganz einfache Aufgabenstellung impliziert so viele tiefgreifende Annahmen zum Menschen, zu Sprache, zu Kognition, zu Kultur — um nur einige Aspekte zu nennen –, dass das kognitive Hintergrundrauschen des philosophischen Denkens schwerlich zu ‚überhören‘ ist.

Es kam also, wie es kommen musste: im Laufe der Ausarbeitung schrammte das Projekt immer mehr an grundlegenden philosophischen Überlegungen vorbei, knallte geradezu in voller Fahrt auf diese, bis ich schließlich — jetzt — feststelle, dass die ‚mentale Auswanderung‘ wohl zu ‚verfrüht‘ war, falls überhaupt machbar. Eigentlich ‚un-machbar‘: man kann sein eigenes Denken — falls man überhaupt denken will –, nicht einfach so ‚abschalten‘.

Erschwerend — oder besser: verstärkend — kommt hinzu, dass die Gespräche im ‚Umfeld des oksimo Projektes‘ immer mehr Fragen aufwerfen, was es denn genau ist, dieses oksimo Projekt? Wie soll man es in die vielen heute gängigen Kontexte (Digitalisierung, KI, Smart xyz, Demokratie, Bürgerbeteiligung, Klimakatastrophe, Nachhaltigkeit, Gamification, Lernen, Forschen, Kommunalplanung, …) einordnen?

Aus diesen vielfältigen Aspekten kondensierten sich in der letzten Zeit dann besonders folgende Perspektiven heraus: einmal (i) die Perspektive der nachhaltigen Entwicklung, wie sie die Vereinten Nationen seit dem Brundtland Report von 1987 über zahlreiche Konferenzen vorangetrieben hat. Dann (ii) die Perspektive der Intelligenz, und zwar als Kollektive Intelligenz [KI+], wie sie die Lebensform des homo sapiens seit ca. 300.000 Jahren immer eindrucksvoller demonstriert. Und schließlich auch (iii) die Perspektive der Digitalisierung, die hier als Teil der Kulturentwicklung gesehen wird, diese wiederum als Teil der biologischen Evolution. Die Digitalisierung enthält eigene Formen von Intelligenz, die meistens als ‚Künstliche Intelligenz [KI]‘ oder ‚Maschinelles Lernen [ML]‘ bezeichnet wird.

Unter Voraussetzung dieser drei Themen ergibt sich weiterführend (iv) die Frage, ob und wie die kollektive Intelligenz eine gewünschte nachhaltige Entwicklung unterstützen kann. Weiterhin (v) stellt sich die Frage, welche Rolle die Digitalisierung als Ganze — besonders fokussiert im Konzept des Cyberspace — und die Maschinelle Intelligenz im Besonderen für die kollektive Intelligenz spielen kann: wird die Kollektive Intelligenz überflüssig — die Vision von den intelligenten Maschinen, die alles ‚übernehmen‘ — oder gewinnt die Kollektive Intelligenz durch neue Formen der Unterstützung durch die maschinelle Intelligenz eine ’neue Kraft‘ als hybride ‚kollektive Mensch:Maschine Intelligenz [KM:MI‘?[2]

Diese fünf Fragen verlangen ein Überschreiten des üblichen innerdisziplinären Diskurses; es ist mehr als ‚bloßes interdisziplinäres‘ Arbeiten. Es geht in Richtung von ‚transdisziplinärer‚ Arbeit. Der Versuch, den Terminus ‚transdisziplinär‘ zu charakterisieren, führt aber unweigerlich in einen ‚Meta-Diskurs‘ ‚über‚ gegebene Disziplinen, der mindestens in den Bereich der Wissenschaftsphilosophie führt, letztlich aber im vollen philosophischen Diskurs landet. Und das erklärt, warum die ‚Rückkehr‘ stattfindet: im Ernst-Nehmen des oksimo Paradigmas führen wichtige Fragen zum Projekt über die transdisziplinären Aspekte zur Wissenschaftsphilosophie, zur Philosophie zurück, und die Zielsetzung des ‚Philosophie Jetzt Blogs‘ [3] trifft damit auf eine neue, interessante Charakterisierung: Der Mensch als ‚kollektives Wesen‘ im Kontext einer dynamischen Entwicklung, versucht sich mittels neuen Technologien zu verstärken, um ein Überleben in einer unbekannten Zukunft zu sichern; vermutlich nicht der homo sapiens alleine sondern zusammen mit großen Teilen der Biosphäre, ohne die der homo sapiens nicht lebensfähig ist.

ANMERKUNGEN

[1] Alles, was in meinem Leben bislang ‚wichtig‘ gworden ist, von dem habe ich vorher nicht einmal gewusst, dass es existiert …

[2] Oder auch ‚Collective Man:Machine Intelligence [CM:MI]‘

[3] „Auf der Suche nach dem neuen Menschenbild“

DER AUTOR

Einen Überblick über alle Beiträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

DAS EIGENE WISSEN. Was soll ich davon halten?

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Datum: 14.Juni 2020

KONTEXT

In einem vorausgehenden Blogeintrag (Menschen im Dunklen Zimmer) hatte ich über das neue Zeitalter der Datenüberflutung gesprochen, über das starke Aufkommen von sogenannten Fake-News, von Weltverschwörungs-Bildern, von Privat-Theorien jeglicher Art. … und wie die Menschen, die solchen Bildern anhängen, schwer zugänglich erscheinen, wie abgeschottet, wie ferngesteuert, falsch programmiert. In einem spontanen Folgebeitrag (Realität Wahrnehmen) habe ich dann den Aspekt der Alltagswahrnehmung aufgegriffen, unser alltägliches, spontanes In-der-Welt-sein, dabei sein, darin sein; wie wir durch unsere Wahrnehmung die Realität quasi einatmen, jeden Moment…. und habe dabei auf zwei Punkte hingewiesen: (i) die Welt, die wir da wahrnehmen, kann nicht die Welt sein, wie sie real ist, sondern es sind die Bilder, die unser Gehirn für uns berechnet, das in unserem Körper sitzt, ohne direkten Kontakt zur Welt; (ii) wenn wir unseren Blick zurück wandern lassen in der Zeit (ermöglicht durch die Arbeit von hundertausenden von Wissenschaftlern in den letzt ca. 300 Jahren (siehe beispielsweise die Geschichte der Geologie als einer von vielen Wissenschaften, die hierzu beigetragen haben)), dann kommen wir nach vielen Mrd. Jahren zurück an den Zeitpunkt, an dem das biologische Leben zum ersten Mal im bekannten Universum in Erscheinung tritt (ungefähr von ca. 3.5 Mrd. Jahren). Und von den vielen neuen Eigenschaften, die eine biologische Zelle auszeichnet, ist eine jene, die wir heute oft salopp als Bauplan umschreiben: eine Zelle enthält tote Moleküle, die von anderen toten Molekülen so behandelt werden, als ob sie ein Informationspeicher seien, deren Elemente wie Befehle wirken, etwas bestimmtes zu tun. So populär diese Betrachtungsweise ist, so wenig ist bis heute geklärt, wie es zu solch einem komplexen Phänomen kommen kann? Ein totes Molekül für sich genommen verhält sich gegenüber einem anderen toten Molekül niemals so, als ob dieses ein ‚Bauplan mit Informationen sei, denen man folgen sollte‘. Damit sind wir bei dem Thema dieses Blogeintrags.

SELBSTVERSTÄNDLICHES HINTERFRAGT MAN NICHT

Natürlich gab und gibt es einzelne Wissenschaftler, die das komplexe Phänomen im Verhalten der toten Moleküle in einer Zelle zum Anlass genommen haben, der Frage nach zu gehen, wie es zu solch einem Gesamtverhalten von toten Molekülen kommen konnte und immer noch kann. Genauso wie es immer schon Philosophen gegeben hat und immer noch gibt, die sich die Frage gestellt haben, wie wir unsere eigene Weltwahrnehmung einzuschätzen haben: können wir ihr blindlings vertrauen oder sollten wir uns selbst gegenüber achtsam sein, unter welchen Bedingungen wir was und wie wahrnehmen, denken, vorstellen ….

Aber, obwohl es diese Menschen gab und gibt, obwohl dazu viel gedacht und geschrieben wurde, verhalten wir uns im Alltag normalerweise so, als ob es zum Thema keine Frage gibt, keine tiefschürfenden Untersuchungen. Im Alltag erleben wir uns ganz spontan, ganz selbstverständlich, ganz ohne Anstrengung in einer Form der Wahrnehmung von Welt, in der die Welt ‚unsere‘ ist: sie ist da, sie ist vor uns, sie ist in uns, wir sind dabei, wir kommen darin vor, alles passt, alles stimmt; schwerelos, geräuschlos, es ist einfach so. Warum also hier eine Frage stellen? Warum hier Zweifel hegen? Warum hier Mühe aufwenden, wo doch alles so stimmig ist? Nur Querköpfe, Querulanten, Spinner können hier Fragen aufwerfen. Ich selbst doch nicht, wozu?

STOLPERSTEINE … WENN MAN SIE WAHRNIMMT

Angesichts der soeben geschilderten Ausgangslage im normalen Alltag erscheint es ‚irgendwie unmöglich‘, dass man zu einer anderen Sicht der Dinge kommen könnte. Andererseits, wenn man erlebt, wie heute mit einer großen Beharrlichkeit Menschen Ansichten vertreten, die von den eigenen Weltbildern stark abweichen, und man — warum auch immer — eine andere Sicht der Dinge hat, vielleicht sogar stark abweichend, dann kann dies irritieren. Gut, eine Zeit lang kann man so tun, als ob es diese anderen Ansichten nicht gibt, aber irgendwann, wenn sie dann in den Medien immer wieder aufpoppen, wenn im Alltag immer mehr Menschen diese anderen Sichten äußern, sich sogar danach verhalten (‚kein Fleisch essen‘, ‚vegan leben‘, ‚Müll trennen‘, ‚Gleichberechtigung der Frauen‘, ‚Islamischer Staat‘, ‚Wir sind das Volk‘, ‚Klimakrise‘, ….), dann kann dies unangenehm werden, lästig, ärgerlich, oder sogar bedrohlich: die einen wollen sich vor einem bestimmten Virus schützen, andere lachen darüber, halten dies für einen ‚Fake’…

Also, auch wenn man kein Wissenschaftler oder Philosoph*in ist, kann man im Alltag mit der Realität der anderen Weltsicht im Kopf der anderen konfrontiert werden. Das kann lustig sein (Du bis ‚Fan‘ von Idol A und sie ist Fan von Idol B), oder es kann tödlicher Ernst werden (Du siehst das Verhalten der Regierung ‚kritisch‘, die Regierung ist aber quasi diktatorisch und verfolgt, verhaftet dich, sperrt dich ein, foltert dich …).

Die Bilder im Kopf können lustig sein, sie können hart sein wie Beton und sie können dein Leben, das Leben von vielen Menschen bedrohen. Also, auch wenn Du selbst wenig Anlass haben magst, darüber nachzudenken, wie Du die Welt wahrnimmst, wenn keiner darüber nachdenkt, und jeder sich seinen spontanen, so selbstverständlich erscheinen Bildern einfach so überlässt, dann kann es nicht nur zu stark unterschiedlichen Bildern kommen, sondern diese Bilder können immer mehr von der Realität der Welt da draußen abweichen, und Menschen können an einen Punkt kommen, wo sie unfähig erscheinen, ihre falschen Bilder im Kopf als falsch zu erkennen. Und wenn Du dein Kind z.B. von einem hochgefährlichen Virus schützen möchtest, die anderen aber keine Gefahr zu sehen meinen, … was tust Du dann? Wenn Dich jemand anderes als unerwünschte Person betrachtet, als gefährlich, nur weil Du eine andere Sprache sprichst, eine andere Hautfarbe hast, eine andere Wertvorstellung, Du auf der Flucht bist vor Krieg, Du … was tust Du dann? Sind die Gedanken der anderen dann egal? Ist es dann egal, wie wir die Welt wahrnehmen und denken? Wenn es da Menschen gibt, die die Manipulation der großen internationalen Finanzströme als Sport ansehen, als ihr persönliches Recht, auch wenn sie dadurch eine ganze Volkswirtschaft, ja, sogar die Weltwirtschaft ruinieren können … ist es dann egal, was sie denken? Wenn die Regierung eines Landes alle ihre Bürger überwacht, kontrolliert, bewertet, gegen ihren Willen, und daraus Strafmaßnahmen ableitet bis hin zu Gefängnis, Umerziehung, Folter, Tod … ist es dann egal, welche Bilder die Verantwortlichen im Kopf haben?

DEINE GEDANKEN SIND WICHTIG

Diese Hinweise auf Beispiele sollten eigentlich ausreichen, um uns bewusst zu machen, dass die Art, wie wir wahrnehmen, was wir wahrnehmen, wie wir denken, vielleicht nicht ganz so beliebig sein sollte, wie wir in einer ersten spontanen Reaktion vielleicht meinen. Im kleinen Kreis der Familie, von Freunden, von Arbeitskollegen*innen wird oft schnell mal eine Meinung in den Raum gestellt ohne sie groß zu überprüfen, aber wenn wir die Gesamtsituation betrachten, eine ganze Firma, ein ganzes Land, unsere globale Weltgesellschaft, dann sollte jedem klar werden, dass die einzelne, individuelle Meinung keinesfalls so unwichtig, unbedeutend ist, wie sie einem selbst erscheinen mag. Die Gegenwart wie die Geschichte zeigen uns, dass die einzelne, individuelle Meinung, deine Meinung, wenn sie sich vervielfacht, wenn sie zu einer Mehrheit wird, dann kann sie ein Land zu einer freien, demokratischen Gesellschaft führen, oder eben nicht. Und wenn eine Mehrheit es zulässt, dass unsinnige Meinungen praktiziert werden können, dann kann dies Leid und Zerstörung für ganz viele bedeuten, bis hin zum Untergang eines ganzen Landes, zu anhaltendem Bürgerkrieg, zur Zerstörung der Wirtschaft, zur Ausbeutung von von vielen durch wenige.

GLAUBWÜRDIGKEIT

So gesehen sind die Fake-News Bewegungen, die sogenannten Verschwörungstheorien immer auch ein Bild von uns selbst: wenn die führenden Zeitungen dieses Landes große Artikel schreiben, in denen sie eine bestimmte Sicht der Welt vertreten, ohne dass sie jeweils die Quellen ihrer Meinung genau angeben (nur selten tun sie dies explizit), dann ist die Grenze zu einer Verschwörungstheorie fliessend. Ich werde mit einer Sicht der Welt konfrontiert, die mit einem Anspruch auftritt, ich kann aber nicht wirklich — wenn ich denn wollte — die Grundlagen dieser Sicht überprüfen. Genauso kann kann ein Leser mich als Autor dieses Blogs fragen, warum ich nicht immer Quellen für meine Meinung angebe? Fantasiert der cagent nur so vor sich hin, macht er hier Meinungsmache für bestimmte Interessen? Warum soll man ihm glauben?

SICH TRANSPARENT MACHEN … NICHT EINFACH

Wenn wir anfangen, uns ehrlich zu machen gegenüber uns selbst und allen anderen, dann merken wir schnell, dass es gar nicht so einfach ist, ‚ehrlich‘ zu sein, ‚transparent‘, ’nachvollziehbar‘. Warum?

Unsere Sicht der Welt ist im Alltag nicht so einfach, wie wir vielleicht geneigt sind, anzunehmen. Angenommen, Sie benötigen zum in die Ferne sehen eine Brille. Machen Sie einen Speziergang oder gehen Sie Walken/ Joggen ohne ihre Brille. Während der ganzen Zeit da draußen werden Sie beständig alle Dinge in gewisser Entfernung nur unscharf sehen, Farbflecken, komische Formen und Gestalten. Und ihr Gehirn wird beständig Interpretationen anbieten. Je nach Gemütslage (entspannt, ärgerlich, ängstlich, vertrauensvoll …) liefert das Gehirn Ihnen unterschiedliche Interpretationen, was das da vorne sein könnte. Ich habe noch nie bewusst gezählt, wie oft ich daneben lag, aber ‚gefühlt‘ 80-90%…. daneben!

Es ist für viele Zwecke gut, dass unser Gehirn unsere bisherigen Erfahrungen partiell speichert. Ohne diese gespeicherten Erfahrungen wären wir im Alltag praktisch nicht lebensfähig. Wenn wir beständig jede Kleinigkeit wieder von vorne lernen müssten, wir kämen zu nichts mehr. Also, das Lernen in Form von automatischen Speicherungen und Interpretationen des Gehirns ist eine Grundfähigkeit, um überhaupt im Alltag lebensfähig zu bleiben. Der Punkt ist nur — und das haben viele psychologische Arbeiten gezeigt — dass unser Gehirn diese Speicherungen nicht 1-zu-1 vornimmt, sondern dass es auswählt (unbewusst), dass es assoziiert und strukturiert (unbewusst), dass es diese Strukturierung mit Emotionen verknüpft (unbewusst); und vieles mehr. Wenn wir also dann in einer bestimmten Alltagssituation von unserem Gehirn (unbewusst) mit Erinnerungen beliefert werden, um die aktuelle Situation zu deuten, dann können diese Erinnerungen Verzerrungen beinhalten, Assoziationen mit Dingen, die gar nicht relevant sind, und Emotionen, die unpassend sind. Und wenn wir dann diesen spontanen Eingebungen unseres Gehirns genau so spontan folgen, dann können wir ganz spontan große Fehler machen, obgleich wir dabei ein sehr gutes Gefühl haben.

Und wie wir heute aus der Alltagserfahrung wissen können, unterstützt durch viele psychologische Untersuchungen, tun sich alle Menschen schwer bis sehr schwer, ihre Erfahrungen, ihr unbewusstes Wissen im Rahmen eines Dialogs oder bei Schreibversuchen mit Worten angemessen wieder zu geben. Im Falle von psychologischen Experimenten oder bei sogenannten Usability-Tests (Benutzbarkeitstests, wenn man die Brauchbarkeit von Geräten oder Diensten aus Sicht der Benutzer testet) zeigt sich sehr klar, dass Menschen auf Befragungen (Interviews, Fragebogen), was Sie denn in einer bestimmten Situation tun würden bzw. was sie von einer Sache halten, in ganz vielen Fällen etwas ganz anderes antworten, als das, was sie unter Beobachtung im Test tatsächlich getan haben. Dies bedeutet, wir besitzen die Fähigkeit, bewusst ein anderes Bild von uns selbst zu haben als das, was wir tatsächlich tun, und dies, ohne es zu merken!

Dies ist ein Baustein von vielen, die in ihrer Gesamtheit darauf hindeuten, dass das Wissen, das wir im Laufe des Lebens in uns ansammeln, das unsere Wahrnehmung und Tun begleitet, nicht nur sehr komplex zu sein scheint, sondern zusätzlich durch den starken unbewussten Anteil für uns selbst wenig transparent ist. Wenn wir also unsere Meinung zu äußern versuchen, im Gespräch, im Schreiben eines Textes (so wie ich jetzt hier), dann ist dem Sprecher, Schreiber im Moment des Sprechens, Schreibens nicht unbedingt vollständig bewusst, nicht vollständig klar, was er da alles sagt bzw. sagen wird. Andererseits, wenn wir es erst gar nicht versuchen, das auszusprechen oder zu schreiben, was sich da in uns — weitgehend unbewusst — befindet, uns bewegt, uns leitet, dann bleibt dies alles im Dunkeln. Sprechen wir, schreiben wir es auf, wird etwas sichtbar, und wenn es dann sichtbar geworden ist, dann können wir in einem weiteren Durchgang — wenn wir uns die Zeit nehmen — versuchen, das, was sichtbar geworden ist zu bedenken, mit anderen darüber sprechen, wie sie das erleben und einschätzen, und so können wir versuchsweise herausfinden, welchen Wahrheitsgehalt diese Worte haben. Ein bleibend schwieriges Unterfangen, und nur bei sehr einfachen Sachverhalten kann man die Frage nach dem Realitäts-Check eventuell beantworten. Sobald die Dinge komplexer werden — und das ist in unserem Alltag der Normalfall — kann es schwer bis unmöglich werden, sich in überschaubarer Zeit eine umfassende Meinung zu bilden. Dies bedeutet, dass wir die meiste Zeit mit sehr viel Glauben operieren — wir glauben an das, was wir äußern, obwohl wir nicht alle impliziten Annahmen erschöpfend selbst überprüfen können –, und dass wir darauf angewiesen sind, dass andere Menschen uns Feedbacks geben, um aus den Feedbacks Hinweise zu gewinnen, wo man seine eigene Meinung vielleicht überprüfen sollte.

Ich lese oft Bücher von Menschen, die einen sehr kompetenten Eindruck in der Wissenschaft oder der Philosophie erweckt haben (was nicht notwendigerweise besagt, dass das stimmt, was in diesen Büchern steht) und zwinge mich dann, diese Texte in Form von Buchbesprechungen mit meinen Ansichten zu vergleichen. Dies kann helfen, ist aber auch keine vollständige Überprüfung, weil die Meinungen, um dies es geht, in der Regel so umfassend und komplex sind, dass es in kurzer Zeit (dies können sehr wohl viele Wohen sein) nicht möglich ist, alle Positionen zu überprüfen. Genauso lese ich regelmäßig wissenschaftliche Artikel und versuche sie ebenso zu analysieren. Früher war ich auch als Reviewer bei internationalen Zeitschriften aktiv. Oder ich musste meine Meinungen mit den Meinungen von vielen hundert verschiedenen Studierenden konfrontieren, Auge in Auge, bis ins Detail.

Ich leite aus all dem die Einsicht ab, dass das Projekt des eigenen Wissens extrem komplex ist, letztlich niemals abgeschlossen ist, niemals den Anspruch haben kann, jetzt alles richtig zu wissen. Man bleibt in einer fragmentarischen Gesamtsicht mit unterschiedlich gut geprüften Teilaspekten, und man bleibt darauf angewiesen, von anderen zu hören, zu lesen, miteinander zu reden.

Was das Angeben von Quellen angeht, so gibt es Kontexte, in denen man dies auf jeden Fall tun muss, aber dann auch Kontexte — wie solch ein Blogeintrag jetzt, hier — wo der Versuch, alle Gedanken mit Zitaten zu belegen, quasi zum Scheitern verurteilt ist, weil es beim ursprünglichen Schreiben darum geht, einen allerersten Zugriff auf das weitgehend unbewusste eigene Denken zu bekommen. Es wäre dann die zweite Reflexionswelle, in der dann eher Quellen, Querverweise zum Tragen kommen, strukturelle Analysen, logische Analysen usw. Dazu ist dieser Blog aber nur teilweise gedacht. (in einem meiner anderen Blogs uffmm.org, geht es eher um formalisierte Theorien, unterstützende Computerprogramme, reale soziale politische Experimente).

KONTEXT ARTIKEL

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Philosophie für Dummies [Ph4Ds]

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Datum: 24.April 2020

Letzte Änderung: zweite Audio-Datei, 2.Mai 2020 (Neuer Sound 23.Mai 2020)

KONTEXT

In den vielen hundert Beiträgen dieses Blogs blitzen viele Aspekte des philosophischen Denkens auf, teilweise werden Verbindungen sichtbar, bisweilen Umrisse von übergreifenden Strukturen, aber für einen Einsteiger ist es schwer bis unmöglich, sich aus dieser Vielfalt — auch angesichts der schieren Menge — ein klares Bild des philosophischen Denkens zu bilden. Für eine zusammenhänge systematische Darstellung war der Blog auch nie gedacht. Jetzt verstärkt sich aber der Bedarf, aus der Vielfalt doch ein zusammenhängendes Bild zu formen. Wie soll dies gehen?

Es gibt viele Strategien, wie man dies angehen kann. Aufgrund eines Anlasses in der Lehre ergab sich die Idee, mit einem kleinen Text anzufangen, der sehr wohl versucht, das Ganze im Blick zu haben, obgleich er selbst — aufgrund seiner Kürze — doch nur erste Fragmente bieten kann. Aber, es liegt in der Natur einer zusammenhängenden Vision, dass sie in der Lage ist, auch schon mit wenigen Fragmenten eine Perspektive aufblitzen zu lassen, die sich dann — quasi von selbst — in nachfolgenden Formulierungen ’selbst ergänzt‘.

Eine erste Skizze wurde im Stil einer Präsentation abgefasst (nicht Powerpoint, sondern LaTex mit der Beamer Klasse) mit 16 Seiten Inhalt plus Quellennachweisen.

Parallel dazu habe ich einen Text gesprochen, der ausgehend von der Präsentation die damit zusammenhängenden Ideen im unplugged Stil ‚laut gedacht‘ habe.

Natürlich schreit diese erste Skizze nach Weiterführung, fragt sich nur, wann sich dafür Zeit finden lässt.

Ph4Ds – PRÄSENTATION

Ph4Ds – AUDIO

(2.Mai 2020) Kürzere Fassung, erster Einstieg (17.5 Min)
Längere Fassung vom 24.April 2020 (75 Min)

BITTE UM FEEDBACK

Generell kann man ja in diesem Blog Rückmeldungen geben (was in der Vergangenheit auch immer wieder einige getan haben). Im Falle dieser beginnenden ‚Gesamtperspektive‘ fände ich es schön Rückmeldungen zu bekommen. Ob und wieweit ich dann auf die Rückmeldungen eingehe, weiß ich jetzt natürlich nicht. Aber meistens bildet jede Bemerkung, mag sie auch noch so klein sein, ein Echo das nachwirkt, ja, auch mit zeitlicher Verzögerung. Manchmal kommt es vor, dass ich einem Gedanken nachhänge, und dann poppen Erinnerungen an Gespräche, Artikel und Bücher auf, die ich viele Jahre vorher geführt oder gelesen habe …. und genau dann sind sie plötzlich von großer Bedeutung…

Soundexperiment: mehrere Drumkits, eine Melodie-Impression…

IN ZWEI WELTEN LEBEN …

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 23.Juli 2019
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

KONTEXT

Nach einer längeren Schreibpause, hier ein kurzes Blitzlicht …

SCHWEIGEN IST VIELDEUTIG

Es ist ja ein beliebter Topos, über das Schweigen zu sinnieren. Korrespondiert es mit einem ‚Nichts‘ oder ist es nur ein Artefakt vielschichtiger, sich wechselseitig in Bann haltender Aktivitäten, die sich ’nach Außen quasi ‚aufheben’…

Dies ist ein Bild. Für mein Schweigen trifft weder das eine noch das andere zu. Tatsächlich ist bei mir die letzte Zeit extrem dicht angefüllt mit Aktivitäten, Denken, Schreiben, ja auch mit Programmieren, eine moderne Form des Schreibens. Letzteres leider in unserer Kultur von schöngeistigen Menschen wenig geachtet, tatsächlich aber der Stoff, aus dem das Meiste ist, was wir heute für unser Leben benutzen.

DENKEN – VIELFÄLTIG – IM DENKEN DENKEN

Die vielfältigen Formen des Denkens zu katalogisieren und zu bewerten, dann eventuell noch hierarchisch zu gewichten, ist sicher reizvoll. Bis zu einem gewissen Grade und in gewissen Situationen mag dies sogar notwendig sein (Gesetzestexte, Rezepten, Bauanleitungen, Sportberichte, Finanzberichte ….), aber man verliert die Wahrheit aus dem Blick wenn man übersieht, dass alle diese verschiedenen Spezialformen Ausdrucksformen einer einzigen Sache sind, nämlich der Bemühung des menschlichen Geistes — realisiert in den vielen einzelnen Menschen — sich im Hier und Jetzt zurecht zu finden; zu verstehen, wie denn das alles zusammenhängt. Warum das alles so ist, wie es ist. Gibt es irgendwie ein Ziel für die Zukunft? Mehrere? Welches ist am günstigsten? Für wen? Aus welchem Grund?

Für mich war das Schreiben in diesem Block seit ca. 10 Jahren mein Versuch, mich selbst in ein Gespräch zu verwickeln, das mich zwang, Eindrücken, Fragen nachzugehen, die ich ohne dies Schreiben eher achtlos beiseite gelassen hätte. Natürlich, neben viel Spaß, Lust an der Sache, Neugierde, Entdeckerfreuden usw. war es auch weite Strecken mühsam, quälend, mit der ständigen Frage: Muss das so sein? Bringt das was? Im Rückblick, nach ca. 9000 Seiten Text, würde ich sagen, es hat — zumindest für mich — sehr viel gebracht. Ich habe begonnen, Dinge zu verstehen, von denen ich vorher nicht wusste, dass es sie gibt, Zusammenhänge, die mir verborgen waren, überraschende neue Ausblicke, Glücksgefühle, noch mehr Neugierde, viel Hoffnung, ein wachsendes Vertrauen in dieses unfassbare Wunder genannt Leben. Ich bin jetzt soweit, dass ich zumindest ahnen kann, dass das Leben viel größer, tiefer, komplexer, reicher, gewaltiger ist, als alles, was uns die bekannten alten Traditionen — vor allem die alten Religionen, aber auch Einzelbereiche der Wissenschaften — bisher erzählt haben oder heute noch erzählen.

Insofern habe ich aus dem bisherigen Schreib- und Reflexionsprozess viel Kraft gezogen, viel Hoffnung, viel neues Vertrauen, Unternehmenslust, mit dabei zu sein, wenn es geht, die Unfassbarkeit unseres Lebens weiter zu gestalten.

MITGESTALTEN …

Je mehr man diesen Wunsch hegt, nicht nur passiv aufzunehmen, nicht nur zu verstehen, um so schwieriger wird dann die Frage, wo steigt man ein? Was kann man als einzelner mit seinen jeweiligen Möglichkeiten konkret tun?

Leute, die mit markigen Sprüchen durch die Welt laufen, die vielfarbige Slogans verteilen, die einfache schwarz-weiß Bilder austeilen, gibt es genug. Alles ist sehr einfach…

Aber, das Wunder des Lebens ist — nicht wirklich einfach. Wir selbst sind zwar zunächst als ‚Hineingeworfene‘ auf den ersten Blick einfach, weil wir etwas sehr Komplexes sind, das Komplexeste, was es im ganzen Universum gibt, aber wir haben keinen Finger dafür krumm gemacht, wir finden das alles einfach so vor, wir können sofort loslegen, ohne große umständliche Prozesse zu durchlaufen (OK, es gibt mittlerweile in den meisten Kulturen komplexe selbst definierte Lernprozesse in Kindergärten, Schulen, Betrieben, Hochschulen usw.), aber wir müssen nicht verstehen, wie wir funktionieren, um zu funktionieren. Unser Körper, das Äquivalent von ca. 450 Galaxien im Format der Milchstraße, funktioniert für uns, ohne dass wir verstehen müssen (und auch tatsächlich nicht verstehen können, bislang) wie er funktioniert. Wir sind ein Wunderwerk des Universums und können ‚funktionieren‘, obwohl wir uns praktisch nicht verstehen.

Da beginnt meine zweite Story: auf Ganze gesehen weiß ich so gut wie nichts, nah besehen weiß ich aber mittlerweile zu viel, als dass ich einfach so tun könnte, nichts zu wissen 🙂

EINZELTEILE ZUSAMMEN SUCHEN

Im Rahmen meiner unterschiedlichen Lehr- und Forschungstätigkeiten, zwischendrin auch ’normale‘ berufliche Arbeiten, habe ich schrittweise viele wissenschaftliche Bereiche kennen lernen dürfen und dabei entdeckt, dass wir aktuell ein ‚Zusammenhangs-Problem‘ haben, will sagen, wir haben immer mehr einzelne Disziplinen,die je für sich hoch spezialisiert sind, aber die Zusammenhänge mit anderen Bereichen, ein Gesamtverständnis von Wissenschaft, gar doch noch mit dem ganzen Engineering, dies geht uns zusehends ab. Dies bedeutet u.a. dass ein neuer Beitrag oft gar nicht mehr richtig gewürdigt werden kann, da die Umrisse des Ganzen, für das etwas entdeckt oder entwickelt wurde, kaum noch greifbar sind. Dies ist das Fake-News-Problem der Wissenschaften.

Ob geplant oder spontan oder zufällig, ich kann es nicht genau sagen, jedenfalls habe ich vor einigen Jahren damit begonnen, zu versuchen, die Disziplinen, in denen ich tätig sein konnte, langsam, schrittweise, häppchenweise, zu systematisieren, zu formalisieren, und sie auf die mögliche Wechselwirkungen mit den anderen Bereichen hin abzuklopfen.

Zu Beginn sah dies alles sehr bruchstückhaft, eher harmlos aus.

Doch im Laufe der Jahre entwickelten sich Umrisse, entstanden immer deutlicher Querbezüge, bis dann so langsam klar wurde, ja, es gibt hier mögliche begriffliche Rahmenkonzepte, die sehr prominente und doch bislang getrennte Disziplinen auf eine Weise zusammen führen können, die so bislang nicht sichtbar waren.

MENSCH – MASCHINE – UND MEHR …

Mein Fixpunkt war das Thema Mensch-Maschine Interaktion (MMI) (Englisch: Human-Machine Interaction, HMI), von mir dann weiter entwickelt zum allgemeinen Actor-Actor Interaction (AAI) Paradigma. Mehr zufällig bedingt, genau genommen durch einen wunderbaren Freund, einem Südafrikaner, ein begnadeter Systems Engineer, habe ich auch sehr früh begonnen, das Thema Mensch-Maschine Interaktion immer auch im Kontext des allgemeineren Systems Engineerings zu denken (im englischsprachigen Raum ist das Paradigma des Systems Engineering sehr geläufig, im deutschsprachigen Bereiche gibt es viele Sonderkonzepte). Irgendwann haben wir angefangen, das Systems Engineering zu formalisieren, und im Gefolge davon habe ich dies ausgedehnt auf das Mensch-Maschine Paradigma als Teil des Systems Engineerings. Dies führte zu aufregenden Verallgemeinerungen, Verfeinerungen und letztlich auch Optimierungen. Es war dann nur eine Frage der Zeit, bis das ganze Thema Künstliche Intelligenz (KI) integriert werden würde. KI steht bislang theoretisch ein wenig verloren im Raum der vielen Disziplinen, kaum verortet im Gesamt der Wissenschaften, des Engineering, der allgemeine Kognitions-, Lern- und Intelligenztheorien der biologischen Disziplinen. Im Rahmen des AAI Paradigmas ist KI eine Subdisziplin, die eine spezielle Teilmenge von Akteuren in ihrem Verhalten beschreiben, modellieren und simulieren kann, aber eben nicht isoliert, sondern eingeordnet in den Gesamtrahmen von Engineering und Wissenschaft. Dies eröffnet viele aufregende Perspektiven und Anwendungsmöglichkeiten.

Und so wird es auch niemanden verwunden, dass mein Engagement für ein integriertes begriffliches System für Systems Engineering, MMI und KI zugleich auch ein starkes Engagement für die philosophische Dimension wurde.

Ein Leser dieses Blocks wird nicht verwundert sein, wenn ich feststelle, dass es gerade die intensive Beschäftigung mit dem Engineering und seiner Meta-Probleme waren, die mich zur Philosophie zurück geführt hatten. Nach meiner völligen Frustration mit der klassischen Philosophie während des ersten Anlaufs einer Promotion in Philosophie an der LMU München (ca. 1980 – 1983) — ein Roman für sich — fand ich viele wertvolle Erkenntnisse im intensiven Studium der Wissenschaftsphilosophie und einiger konkreter Wissenschaften. Das Engineering (mit Schwerpunkt Informatik) war dann noch bereichernder. Aber gerade hier, im Systems Engineering, bei dem Thema Mensch-Maschine, und ausgerechnet mitten in den Lerntheorien der KI, bin ich auf so viele grundlegende philosophische Fragen gestoßen, dass ich von da ab — fast notwendigerweise — wieder angefangen habe philosophisch zu denken. Eines der Hauptmotive für diesen Block.

Natürlich, das merkt man wohl auch schon beim Lesen, führt die Breite und Fülle dieser Aspekte dazu, dass man nicht schnell, und nicht immer konzise arbeiten kann. Man muss viele Fragen mehrfach bedenken, oft von verschiedenen Seiten aus, muss immer wieder von vorne anfangen, und wenn man dann meint, jetzt habe man man den Bogen doch gut hinbekommen, entdeckt man von einer anderen Seite so viele anderen Aspekte, Löcher, Unzulänglichkeiten, dass man gerade nochmals von vorne anfangen kann.

Wie schwierig es auch sein mag, die Umrisse eines Ganzen deuten sich doch mittlerweile immer stärker an, so stark, dass ich das Gefühl habe, dass dieser andere Block — uffmm.org–, mein Blog für das Engineering, ab jetzt mehr — oder gar die ganze — Aufmerksamkeit verlangt.

Denn, eine Folge von Zusammenhangs-Sichten ist, dass man — fast unaufhaltsam — immer weitere Zusammenhänge entdeckt. So ist natürlich eng verknüpft mit dem Mensch-Maschine Paradigma der gesamte Komplex der biologischen und psychologischen Verhaltenswissenschaften, dazu gehörig auch das, was man Kognitionswissenschaft nennt, und damit ganz viele weitere spezielle Disziplinen, die irgendwie den Menschen und sein Verhalten thematisieren (Semiotik, Linguistik, Soziologie, …).

Während das Lesen und Studieren einzelner Werke und Artikel aus diesen Bereichen ohne übergreifenden Zusammenhang oft so beliebig, und damit frustrierend, wirkt, gewinnen diese Werke bei einem expliziten begrifflichen Zusammenhang eine ganz andere Farbigkeit, leuchten auf, werden interessant. So ist mir dies z.B. in den letzten Monaten mit Büchern von Edelman, Gallistel und Gärdenfors gegangen (um einige Beispiele zu nennen).

Während es also einerseits darum geht, immer mehr prominente Beispiele aus den genannten Disziplinen in den neuen begrifflichen Rahmen einzuordnen, ist mir auch klar geworden, dass dies alles — so wunderbar das für sich genommen schon ist (obgleich noch im Prozess) — heute nicht mehr ausreichend ist, ohne eine hinreichende Softwareunterstützung, ohne Software-Modellierung und vielerlei Simulationsversionen. Schon ein rein empirisches verhaltenswissenschaftliches Buch wie das grundlegende Werk von Gallistel zur Organisation des biologischen Lernens bleibt ohne zugehörige Softewaremodelle irgendwie ein Torso, entsprechend auch die Werke von Gärdenfors zu Begriffs-Räumen (Conceptual Spaces). Ein positives Beispiel für Theorie und Computersimulation liefert Edelman in vielen Büchern, Artikeln und Programmen. Und ich weiß aus eigener Vorlesungserfahrung, dass die Vorlesungen zum dynamischen Lernen erste mit der zugehörigen Softwaremodellierung jene Farbe und Tiefe bekommen haben, die es heute braucht.

Für mich ergibt sich daraus, dass ich parallel zur Text-Version der Theorie — natürlich mit hinreichenden Formalisierungen — eine vollständige Softwareabdeckung brauche. Ohne diese wird das alles nur Stückwerk bleiben.

Damit entsteht ein ziemliches Aufgabenpaket: Systems Engineering mit Actor-Actor Paradigma, dazu KI integriert, bei AAI Kognitionswissenschaften integriert, und zu allem die notwendige Software.

Allerdings eine wichtige Dimension fehlt bei dieser Aufzählung noch: die allgemeine Philosophie und die Wissenschaftsphilosophie. Die allgemeine Philosophie und die Wissenschaftsphilosophie können zwar die Einzelwissenschaften nicht ersetzen, aber die Einzelwissenschaften ohne eine explizite allgemeine Philosophie und Wissenschaftsphilosophie gleichen einem Haufen gackernder Hühner, deren Einzelbeiträge schnell in Kakophonie umschlagen kann, wenn sie nicht integriert werden.

Also, im Prinzip ist sehr klar, wie es gehen soll, es konkret zu tun ist scheinbar unmöglich. Aber genau das ist es, worum es geht: das Leben als solches in diesem Universum ist die maximale Unmöglichkeit, aber dennoch ist es da, dennoch entwickelt es sich. Dieses Mysterium einer ungeheuren Kraft, das Unmögliche möglich zu machen, das ist das, was jeden Menschen, insbesondere jeden Wissenschaftler, antreiben sollte, ansonsten sind wir tatsächlich — möglicherweise — schlechter als alle denkbaren Roboter der Zukunft.

AUF DIE BAUSTELLE

Wie schon angedeutet, hat meine Theoriebaustelle einen Namen: uffmm.org . ‚uffmm‘ ist die Abkürzung eines ganzen Satzes. Ich verrate jetzt nicht, wie dieser Satz heißt. Schön wäre es, wenn er einmal wahr werden würde.

Wer will, kann die Ereignisse auf dem uffmm-Blog verfolgen, allerdings ist dort alles auf Englisch. Es ist nicht meine Sprache, ich fühle mich damit sprachlich amputiert, aber es ist die zur Zeit beste Arbeitssprache für den internationalen Raum.

Ich habe auch keine Ahnung, wie weit ich kommen werde.

Parallel betreibe ich noch ein Anwendungsprojekt mit Überschrift ‚Kommunalplanung als eGaming‚. Damit zielen wir auf alle ca. 11.000 Kommunen in Deutschland, mit einem neuen Ansatz für mehr Demokratie in einer digitalisierten Welt. Dieser Ansatz ist ein direkter Ausfluss der zuvor angedeuteten Theoriearbeit (plus Software).

Der Philosophie-Jetzt Block war der entscheidende Inkubator für diese Weiterentwicklung. Ob und wie sich dieser Blog weiter entwickelt, wird man sehen. Er war ganz und gar ungeplant, und so wird auch die weitere Zukunft sich ereignen 🙂

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ÜBER DIE MATERIE DES GEISTES. Relektüre von Edelman 1992. Teil 13 – Fokussierung und Unbewusstes – Teil1

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 9.Dez. 2018
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Gerald M.Edelman, Bright Air, Brilliant Fire. On the Matter of the Mind, New York: 1992, Basic Books

BISHER

Für die bisherige Diskussion siehe den Überblick samt Diskussionen HIER.

KURZFASSUNG

Schwerpunktmäßig diskutiert Edelman im ersten Teil dieses Kapitels den methodischen Status des ‚Bewusstseins‘ aus Sicht dessen, was er ‚Wissenschaft‘ nennt. Gegen Ende erzeugt er allerdings ein methodisches Chaos. Teil 2 des Kapitels folgt.

Kap.13: Fokussierung und Unbewusstes (‚Attention and the Unconsciousness‘)

  1. Vorweg sei darauf hingewiesen, dass eine eins-zu-eins Übersetzung des Ausdrucks ‚attention‘ schwierig bis unmöglich ist. Mögliche Worte wie ‚Aufmerksamkeit‘, ‚Achtsamkeit‘ oder ‚Konzentration‘ überlappen sich in ihrer Bedeutung nur z.T. mit dem, was Edelman beschreibt. Das Wort ‚Fokussierung‘ kommt der Sache nach meinem ‚Sprachgefühl‘ am nächsten, ist aber auch nicht optimal. Von daher bleibt hier nur der Hinweis und der nachfolgende Text.
  2. In diesem Kapitel will sich Edelman nochmals dem Thema ‚Bewusstsein‘ zuwenden und der Frage, wie man darüber eigentlich reden kann. Er stellt aber auch fest, dass man nicht nur über ‚Bewusstsein‘ isoliert reden muss, sondern, wenn Bewusstsein, dann auch über die Tatsache, dass ein guter Teil unseres bewussten Verhaltens ‚unbewusst geleitet‘ (‚unconsciously driven‘) ist, und er verweist hier direkt auf Sigmund Freud. (vgl. S.137)
  3. Edelman erwähnt jene Art von Einwand zu seinen bisherigen Ausführungen, der  kritisiert, dass er zwar jene ‚physiologische Maschinerie‘ beschrieben hat, die ‚hinter‘ dem Bewusstsein liegt, eben jenes ermöglicht, aber er habe damit gerade nicht das ‚Fühlen des Ich bin mir bewusst‘ beschrieben, noch ‚warum ich mich bewusst fühle‘. (vgl. S.137)
  4. Es sollte jeden – nicht nur jeden Philosophen – aufhorchen lassen, wenn an dieser Stelle einer der führenden Gehirnwissenschaftler seiner Zeit feststellt: „Bewusstsein ist fremd, mysteriös, das ‚letzte Geheimnis‘.“ (S.137f)
  5. Und es spricht für das explizite philosophische, wenn nicht gar wissenschaftsphilosophische, Bewusstsein von Edelman, dass er darauf aufmerksam macht, dass man sich für eine ‚Antwort‘ auf diese genannten Einwände sehr genau der ‚Grenzen‘ (‚limits‘) von jeglichem wissenschaftlichen Erklärungsanspruch bewusst machen muss und man explizit aufzeigen muss, was das Besondere (‚what is special‘) an jeder Art von Erklärung zum Bewusstsein ist. (vgl. S.138)
  6. Damit Edelman in dieser methodisch bewussten Weise vorgehen kann, benötigt er natürlich ein klares Konzept von Wissenschaft, eines, das im Alltagsgeschäft ‚entscheidbar‘ ist, so dass man tatsächlich eine Verständigung darüber bekommen kann, ob es sich um eine wissenschaftliche Erklärung handelt oder nicht.
  7. Er umschreibt dann das, was er unter einer ‚wissenschaftlichen Erklärung‘ versteht wie folgt: (i) im Kern baut Wissenschaft auf ‚formalen Beziehungen zwischen Eigenschaften‘ (‚formal correlations of properties‘) auf, wobei die Eigenschaften sowohl (ii) durch ‚Begriffe‘ (‚terms‘) beschrieben werden, als auch durch (iii) ‚theoretische Konstrukte‘ (‚theoretical constructs‘) , die möglichst sparsam (‚parsimoniously‘) alle ‚Aspekte‘ (‚aspects‘) dieser formalen Korrelationen beschreiben, und zwar ‚ohne Ausnahme‘ (‚without exception‘). Jene Begriffe (Terme), die die Eigenschaften beschreiben, müssen (iv) zwischen beliebigen menschlichen Beobachtern mit Bewusstsein ausgetauscht und verstanden werden können. Es gilt ferner (v), dass solche beschreibenden Begriffe in Experimenten ‚wiederholt‘ werden können, dass (vi) ’neue Begriffe gebildet‘ werden können, und (vii) die ‚Gesetze der Logik‘ eingehalten werden müssen. (vgl. S.138)
  8. Erstaunlich ist, dass Edelman an dieser methodisch so exponierten Stelle keinerlei Verweise auf irgendwelche Positionen angibt, mit Bezug auf diese er seine eigene Position irgendwie weiter motivieren würde. Er spricht so, als ob das, was Wissenschaft ist, aus sich heraus jedem Menschen klar sein müsste. Dies ist merkwürdig, wenn man weiß, dass die Wissenschaft seit mehr als 100 Jahren intensiv darum gerungen hat, was es denn heißt, ‚Wissenschaft‘ zu betreiben und nicht ‚Nicht-Wissenschaft‘.
  9. Unter Voraussetzung seines Wissenschaftsbegriffs kann Edelman ein Beispiel konstruieren, welches er als ’nichtwissenschaftliche Beschreibung‘ (’nonscientific description‘) klassifiziert.
  10. Als Beispiel nimmt er einen Trancezustand an, der durch Drogen herbeigeführt wurde. Während dieses Zustands hat er besondere Empfindungen (’sensations‘), Erinnerungen und Emotionen. Davon berichtet er.(vgl. S.138)
  11. Nach Edelman könnte jetzt ein Wissenschaftler zwar diesen seinen persönlichen Bericht mit beispielsweise 19 anderen vergleichen und auf diese Weise in den Berichten irgendwelche Muster erkennen, aber auf diese Weise würde der Wissenschaftler auf keinen Fall seine tatsächlichen aktuellen Gefühle, seine besondere Geschichte, seine Weise des Vergessens in irgendeiner Weise zuverlässig, detailliert oder verallgemeinernd erfassen und darstellen können. Wissenschaft scheitert angesichts individueller Geschichten.(vgl. S.138)
  12. Für jeden einzelnen mit einem Bewusstsein ist es zwar verständlich, dass ihm seine Bewusstheit zur Frage werden kann, dass er für sich in seiner Bewusstheit nach einer Erklärung sucht (‚I demand an explanation of my own consciousness‘), aber für diese Frage, für diesen Erklärungsanspruch gibt es nach Edelmann keine wissenschaftliche Antwort. (‚it is not a scientific act, to do so‘; ‚the demand is not a scientifically reasonable one‘).(vgl. S.138)
  13. Damit bleibt also jedem einzelnen seine ‚Bewusstheit‘, für die es aber – nach Edelman — keine wissenschaftliche Erklärung gibt.
  14. Andererseits referiert Edelman Beispiele von Experimenten, in denen bestimmte Verbindungen im Gehirn getrennt wurden (bei Menschen, warum?), was dazu führte, dass diese Menschen zwar immer noch Dinge wahrnehmen konnten, aber davon keine Bewusstheit mehr besaßen. Er beschreibt dies als eine ‚Theorie des Bewusstseins mit operationalen Komponenten‘. (vgl. S.139) Es ist aber nicht klar, warum diese Theorie eine ‚Theorie des Bewusstseins‘ (‚theory of consciousness‘) genannt werden kann, wenn doch wissenschaftlich gar keine direkten Beschreibungen von ‚Inhalte des Bewusstseins‘ möglich sein sollen? Im angeführten Beispiel werden Experimente benutzt, in denen Menschen in ihrem Verhalten so reagieren, als ob sie die Gesichter der Menschen erkannt haben, obgleich sie behaupten, sie haben sie nicht ( bewusst) erkannt. Kurz vorher hat Edelman ausgeschlossen, dass Behauptungen über individuelle Bewusstseinsinhalte ‚einen wissenschaftlichen Status‘ haben können. Wie geht das zusammen? (vgl. S.138f)
  15. Und Edelman kommt nochmals zurück auf das manifeste menschliche Bedürfnis, sich in seiner Bewusstheit ‚erklären‘ zu können. Er geht davon aus, dass jede individuelle Bewusstheit eine einzigartige Geschichte hat, eingebettet und ermöglicht durch den individuellen Körper (‚embodiment‘), eingeflochten in soziale Interaktionen, aus denen heraus das ‚Bild von einem selbst‘ sich entwickelt hat. Und Edelman wiederholt seine Feststellung, dass es auf die Frage nach dem besonderen individuellen Format keine wissenschaftliche Erklärung geben kann (‚an explanation that science cannot give‘).(vgl. S.139)
  16. Edelman umschreibt dieses in seinem eigenen Geist (‚mind‘) sich Vorfinden, mit seiner eigenen individuellen Geschichte als eine ‚In-Sich-Eingeschlossen-Sein‘ (‚locked-in‘), ein ‚Geheimnis‘ (‚mystery‘). (vgl. S.139)
  17. In einer Art Gedankenexperiment stellt Edelman sich die Frage, ob man das Geheimnis ein wenig lüften könnte, wenn man ein ‚Artefakt‘ (‚artifact‘) bauen könnte (also letztlich eine Maschine), das ein Bewusstsein und Sprache entwickeln würde, wobei man aber mit den ermöglichenden Strukturen variieren könnte. Dann könnte man vielleicht eher wissenschaftlich ermitteln, was die besondere Natur des Bewusstseins wäre.(vgl. S.139) Allerdings sei angemerkt, dass auch in diesem Fall wieder ungeklärt bleibt, wie man wissenschaftlich über das Phänomen ‚Bewusstsein‘ urteilen kann, wenn man es als solches wissenschaftlich doch gar nicht beschreiben kann? Auch ein Vergleich von ‚Bewusstsein‘ und ‚Nicht-Bewusstsein‘ macht nur Sinn, wenn ich zuvor wissenschaftlich entscheidbar feststellen kann, was ‚Bewusstsein‘ ist. Das ‚Geheimnis‘ des Phänomens Bewusstsein pflanzt sich also fort auf alle erdachten wissenschaftlichen Kontexte, in denen man ‚etwas wissenschaftlich Beschreibbares‘ mit ‚etwas wissenschaftlich nicht Beschreibbares‘ vergleichen will. Und es wäre nach dem von Edelman benutzen Kriterium von Wissenschaftlichkeit nicht sehr wissenschaftlich, sich durch solche pseudowissenschaftlichen Verfahren eine Aussage zu ‚erkaufen‘, die eigentlich nicht möglich ist.
  18. Das ‚Geheimnisvolle‘ des Bewusstseins wird möglicherweise noch verstärkt durch die wissenschaftlichen Fakten, die belegen, dass unser ‚Geist‘ (‚mind‘) sich zeigt in der physikalischen Interaktion von einer unfassbar großen Menge von unterschiedlichen Organisationsebenen (im Gehirn, dann aber auch Körper), von der molekularen Ebene aufwärts bis hin zu sozialen Interaktionen. Das menschliche Gehirn ist nicht besonders gut darin, sich diese Komplexitäten vorzustellen. (vgl. S.140)
  19. Dass Edelman hier plötzlich nicht mehr vom ‚Bewusstsein‘ spricht, sondern vom ‚Geist‘ (‚mind‘) wird von im nicht speziell motiviert oder erklärt, dabei ist der Begriff ‚Geist‘ zunächst mal ein ganz anderer Begriff, mit einer sehr speziellen Tradition in der Geschichte der Philosophie, Kultur und Wissenschaft, und ein Zusammenhang von ‚Bewusstsein‘ und ‚Geist‘ ist aus sich heraus nicht ohne weiteres klar. Wissenschaftlich ist diese Verwendungsweise des Begriffs ‚Geist‘ hier nicht. Auch ein Philosoph muss sich hier ’schütteln’…
  20. Trotz des methodisch ungeklärten Status des Begriffs ‚Geist‘ stellt Edelman die Frage, was einerseits ‚leicht‘ (‚easy‘) sei, sich zu diesem Begriff vorzustellen (‚imagine‘), und was ist ’schwer‘ (‚hard‘).(vgl. S.140)
  21. Ohne also zu erklären, was es mit dem Begriff ‚Geist‘ auf sich hat, stellt Edelman dann ohne weitere Begründung fest, dass mit ‚Geist‘ einfach folgenden Phänomene zu verknüpfen seien: (i) die Arbeitsweise der neuronalen Strukturen des Gehirns ist mit ihren Inputs und Outputs, ferner (ii) die Verhaltensmuster eines Lebewesens und die physikalischen Reize der umgebenden Welt, dazu (iii) verschiedene ’soziale Transmissionen‘, Verhaltensprägungen, dazu das, was Menschen ‚glauben‘, ‚wünschen‘ und ‚intendieren‘.(vgl. S.140) Schwieriger lassen sich hingegen folge Phänomene mit ‚Geist‘ verknüpfen: (i) Das Ergebnis von simultanen Aktionen in parallel arbeitenden Populationen von Neuronen; (ii) das Gedächtnis als einer Systemeigenschaft, die sich nicht direkt aus den einzelnen synaptischen Änderungen der darunter liegenden neuronalen Maschinerie bestimmen lässt; (iii) komplexe psychologische Phänomene wie ‚Bewusstsein‘; (iv) die Idee eines sozial konstruierten Selbst, das sowohl auf bewussten wie unbewussten Prozessen beruht. (vgl. S.140)
  22. Diese ganze Liste, eine Konstruktion, erscheint in jeder Hinsicht als methodisch unklar und willkürlich, mit ‚Wissenschaft‘ im Sinne von Edelman hat dies erkennbar nichts zu tun.
  23. Dieses methodische Chaos wird leider durch die nachfolgenden Bemerkungen noch weiter ausgebaut. Einmal stellt Edelman fest, dass diese Listen – insbesondere die zweite – ‚psychologische Prozesse‘ (psychological processes‘) beschreiben, und dass es ein Anliegen sein könnte, diese mittels einer ‚Theorie des Gehirns‘ (‚brain theory‘) zu verstehen. Bis heute ist nicht einmal im Ansatz klar, wie man eine ‚psychologische‘ und eine ’neuronale‘ Theorie miteinander über eine Brückentheorie verknüpfen kann. (Anmerkung: Das bislang im Umlauf befindliche Paradigma der ‚Neuropsychologie‘ bleibt fast alle wichtigen methodischen Fragen bislang schuldig). Dann behauptet Edelman noch, dass Mathematik und eine gute Theorie alleine nicht ausreichen, um die Konsistenz der komplexen Strukturen und Dynamiken zu verstehen, sondern dass man ’synthetische Computer Modelle‘ benötigt, mit denen man diese Prozesse ’simulieren‘ kann.(vgl. S.141)
  24. Dass Edelman solche Feststellungen treffen kann, obgleich er zuvor ein Kriterium für Wissenschaftlichkeit formuliert hat, zeigt, dass er seinen Wissenschaftsbegriff nicht wirklich durchdacht hat. Denn nach den Erkenntnissen der Wissenschaftsphilosophie lassen sich ‚wahrheitsfähige‘ Aussagen zur Überprüfung des empirischen Gehalts einer Theorie (‚trifft sie zu‘) bzw. metalogische Qualifikationen (‚Konsistenz‘, ‚Vollständigkeit‘) nur mit solchen Theorien gewinnen, die vollständig formalisiert sind. Andernfalls ist der Status dieser Theorien unklar. Dass bei den heutigen komplexen Gegenstandsbereichen Computermodelle benötigt werden, um Details zu berechnen, um die kombinatorischen Räume zu durchsuchen, ist richtig. Aber ein Computermodell ist ein Algorithmus, ein Algorithmus ist eine Funktion, und eine Funktion kann niemals ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ sein. Allerdings kann man Funktionen als Terme in Aussagen einfügen, die prinzipiell ‚wahr‘ oder ‚falsch‘ sein können. Computermodelle sind also kein ‚Ersatz‘ für eine ‚Theorie‘, sondern wundervolle Ergänzungen. Dieser Mangel an theoretischer Klarheit schlägt bei Edelman in diesem Kapitel leider voll durch. Doch sollte man deshalb seine ansonsten genialen Einsichten dadurch nicht wegreden; die wissenschaftsphilosophischen Defizite lassen sich vermutlich ‚reparieren‘.
  25. Fortsetzung folgt

 

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Relektüre von Edelman 1992: Welche Theorie von was?

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 5.Dez. 2018
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Gerald M.Edelman, Bright Air, Brilliant Fire. On the Matter of the Mind, New York: 1992, Basic Books

 

DAS PROBLEM

Bei der Relektüre von Edelman (siehe Überblick über alle bisherigen Beiträge HIER) stellt sich die Frage, um welche Theorie es hier überhaupt geht?

Es ist ein großes Verdienst von Edelman, dass er versucht, die Gehirnforschung nicht isoliert zu betrachten, sondern sehr wohl im Kontext von Bewusstsein und Verhalten, sehr wohl auch im Kontext einer Evolution des Lebens bzw. auch im Kontext von ontogenetischen Wachstumsprozessen. Als wäre dies noch nicht genug, stellt er gelegentlich auch explizite philosophische Überlegungen an oder wagt sich vor in den Bereich des Engineering, insofern er konkrete materielle Modelle von Gehirnen baut (mittels künstlicher neuronaler Netze), um die Plausibilität seiner Überlegungen zum Gehirn zu überprüfen. Nimmt man all dies ernst, dann findet man sich unversehens in einer Situation wieder, wo man nicht mehr so richtig weiß, um ‚welche Theorie von was‘ es hier eigentlich geht.

PANORAMA VON PHÄNOMENEN

Vom BigBang zum homo sapiens, reflektiert in einer Vielzahl von Einzelwissenschaften
Vom BigBang zum homo sapiens, reflektiert in einer Vielzahl von Einzelwissenschaften

Versucht man die vielen Aspekte irgendwie zu ‚ordnen‘, die im Buch von Edelman aufscheinen, dann eröffnet sich ein breites Panorama von Phänomenen, die alle ineinander greifen (siehe Schaubild), und die – strenggenommen – auch genauso, in diesem dynamischen Zusammenhang, zu betrachten sind, will man die Eigenart dieser Phänomene ‚voll‘ erfassen.

Eigentlich geht es Edelman um ein besseres Verständnis des ‚Gehirns‘. Doch kommt das Gehirn ja schon im Ansatz nicht alleine, nicht isoliert vor, sondern als Teil eines übergeordneten ‚Körpers‘, der von außen betrachtet (Dritte-Person Perspektive) ein dynamisches ‚Verhalten‘ erkennen lässt. Dieses Verhalten ist – im Fall des homo sapiens, also in unserem Fall als Menschen – nicht isoliert, sondern ist sowohl durch ‚Kommunikation‘ mit anderen Menschen ‚vernetzt‘ als auch durch vielfältige Formen von Interaktionen mit einer Welt der Objekte, von Artefakten, von Maschinen, und heute sogar ‚programmierbaren Maschinen‘, wobei letztere ein Verhalten zeigen können, das zunehmend dem menschliche Verhalten ‚ähnelt‘. Ferner konstatieren wir im Fall des homo sapiens in der Ersten-Person Perspektive noch etwas, das wir ‚Bewusstsein‘ nennen, das sich aber nur schwer in seiner Beschaffenheit kommunizieren lässt.

WISSENSCHAFTLICHE DISZIPLINEN

Im Versuch, die Vielfalt der hier beobachtbaren Phänomene beschreiben zu können, hat sich eine Vielzahl von Disziplinen herausgebildet, die sich — neben der Sonderstellung der Philosophie — als ‚wissenschaftliche Disziplinen‘ bezeichnen. ‚Wissenschaftlich‘ heißt hier in erster Linie, dass man die Phänomene des Gegenstandsbereichs nach zuvor vereinbarten Standards reproduzierbar ‚misst‘ und man nur solche so vermessenen Phänomene als Basis weitergehender Überlegungen akzeptiert. Das Paradoxe an dieser Situation ist – was Edelman auf S.114 auch notiert –, dass sich dieses wissenschaftliche Paradigma nur umsetzen lässt, wenn man Beobachter mit Bewusstsein voraussetzt, dass man aber zugleich im Ergebnis der Messung und der Überlegungen von dem ermöglichenden Bewusstsein (samt Gehirn) abstrahiert.

PHILOSOPHIE FÜR DEN ‚REST‘

Eine Konsequenz dieser ‚Abstraktion von den Voraussetzungen‘ ist, dass ein Wissenschaftler letztlich keine Möglichkeit hat, in ‚offizieller‘ Weise, über sich selbst, über sein  Tun, und speziell auch nicht über die Voraussetzungen seines Tuns, zu sprechen. Ein solches sich selbst reflektierende Denken und Sprechen bleibt damit der Philosophie überlassen, die als solche bei der Entstehung der empirischen Wissenschaften offiziell vom Wissenschaftsbetrieb ausgeschlossen wurde. Als Wissenschaftsphilosophie hat die Philosophie zwar immer wieder versucht, sich dem empirischen Wissenschaftsbetrieb offiziell anzunähern, aber bis heute ist das Verhältnis von empirischen Wissenschaften und (Wissenschafts-)Philosophie aus Sicht der empirischen Wissenschaften ungeklärt. Für die empirischen Wissenschaften wundert dies nicht, da sie sich von ihrem methodischen Selbstverständnis her auf ihre isolierte Betrachtungsweisen verpflichtet haben und von diesem Selbstverständnis her sich jeder Möglichkeit beraubt haben, diese Isolation mit den typischen wissenschaftlichen Bordmitteln aufzubrechen. Allerdings produziert dieses ’selbst isolierende Paradigma‘ immer mehr Einzeldisziplinen ohne erkennbaren Zusammenhang! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wann sich diese Explosion der nicht-integrierten Einzelbilder selbst zerstört.

ANSPRUCH, ALLES ZU ERKLÄREN

Die Wissenschaften selbst, allen voran die Physik, kennen sehr wohl den Anspruch, mit ihrer Arbeit letztlich ‚alles aus einer Hand‘ zu erklären (z.B. formuliert als ‚Theory of Everything (ToE)‘ oder mit dem Begriff der ‚Weltformel‘), doch sowohl die konkrete Realität als auch grundlegende philosophische und meta-theoretische Untersuchungen legen eher den Schluss nahe, dass dies vom Standpunkt einer einzelnen empirischen Wissenschaft aus, nicht möglich ist.

VISION EINES RATIONALEN GESAMT-RAHMENS

Um also die Vielfalt der einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen zu bewahren, mehr noch, um sie in ihren inhaltlichen und methodischen Beschränkungen untereinander transparent und verständlich zu machen, wird man die (philosophische) Arbeitshypothese aufstellen müssen, dass die Rationalität der Einzelwissenschaften letztlich nur aufrecht erhalten werden kann, wenn man sowohl für jede Einzelwissenschaft wie auch für ihr Zusammenspiel eine rationale Begründung sichtbar machen kann, die für alle ‚gilt‘. Ein solcher Rationalitätsanspruch ist nicht zu verwechsel mit der alten Idee einer einzelwissenschaftlichen ‚Weltformel‘ oder einer einzelwissenschaftlichen ‚Theory of Everything‘. Eher eignet sich hier das Paradigma einer kritischen Philosophie von Kant, die nach der Voraussetzung für den Wahrheitsanspruch einer Theorie fragt. Während Kant allerdings die Frage nach den Voraussetzungen bei den Grenzen des Bewusstseins mangels verfügbarem Wissens enden lassen musste, können wir heute – auch Dank der Arbeiten von Edelman und anderen – diese Grenzen weiter hinausschieben, indem wir die Voraussetzungen des Bewusstseins einbeziehen. Eine solche bewusste Erweiterung der philosophischen Frage nach den Voraussetzungen des menschlichen Erkennens über die Grenzen des Bewusstseins hinaus führt dann nicht nur zum ermöglichenden Gehirn und dem zugehörigen Körper, sondern geht dann weiter zur umgebenden Welt und ihrer Dynamik, die sich im Evolutionsgeschehen und in der Entstehung des bekannten Universums zeigt.

PHILOSOPHIE UND WISSENSCHAFTEN

Die schon immer nicht leichte Aufgabe des philosophischen Denkens wird mit diesen methodischen Erweiterungen keinesfalls einfacher, sondern erheblich schwieriger. Andererseits muss die Philosophie diese Reflexionsarbeit nicht mehr alleine leisten, sondern sie kann die ganze Fülle der einzelwissenschaftlichen Arbeiten aufgreifen, um sie dann in einem gemeinsamen Rationalitätsrahmen neu anzuordnen.

Beispiele für Integrationsbemühungen gibt es sogar seitens der Einzelwissenschaften, wenngleich meistens methodisch wenig überzeugend. So versuchen Gehirnforscher schon seit vielen Jahren Zusammenhänge zwischen messbaren Aktivitäten des Gehirns und des beobachtbaren Verhaltens (unter dem Label ‚Neuropsychologie‘) oder zwischen messbaren Aktivitäten des Gehirns und Erlebnissen des Bewusstseins (kein wirkliches Label; man würde ‚Neurophänomenologie‘ erwarten) heraus zu finden. Bislang mit begrenztem Erfolg.

Bei aller Problematik im Detail kann es aber nur darum gehen, die ungeheure Vielfalt der Phänomene, wie sie die Einzelwissenschaften bislang zutage gefördert haben, vor-sortiert in einer Vielzahl von Arbeitshypothesen, Modellen und Theoriefragmenten, in einen von allen akzeptierbaren Rationalitätsrahmen einordnen zu können, der eine Gesamt-Theorie reflektiert, die als solche möglicherweise immer unvollendet bleiben wird

WOMIT FANGEN WIR AN?

Damit stellt sich ganz praktisch die Frage, wo und wie soll man anfangen? Das Buch von Edelman kann erste Hinweise liefern.

  1. KEINE WISSENSINSELN: Am Beispiel des homo sapiens wird deutlich, dass ein Verständnis von Bewusstsein, Gehirn, Körper, Verhalten und hier insbesondere die symbolische Kommunikation je für sich nicht gelingen kann. Und Edelman demonstriert eindrücklich, dass man zusätzlich die ontogenetische und evolutive Dimension einbeziehen muss, will man zu einem befriedigenden Verständnis kommen.
  2. INTEGRATION VON EINZELWISSEN: Man muss also Wege finden, wie man diese verschiedenen Aspekte in einem gemeinsamen Rationalitätsrahmen so anordnen kann, dass sowohl die einzelwissenschaftliche Methodik gewahrt bleibt, wie auch eine ‚Integration‘ all dieser Aspekte auf einer ‚gemeinsamen Ebene‘ möglich wird, die dabei von den Einzelwissenschaften nicht ‚isoliert‘ ist.
  3. META-WISSEN ALS LEITFADEN: Das geforderte Vorgehen betrachtet die konkreten einzelwissenschaftlichen Erklärungsansätze als einen ‚Gegenstand sui generis‘, macht also die Einzelwissenschaften zu ‚Untersuchungsgegenständen‘. Dies entspricht dem Paradigma der Wissenschaftsphilosophie.
  4. NEUE WISSENSCHAFTSPHILOSOPHIE: Mit Blick auf die Geschichte der modernen Wissenschaftsphilosophie (etwa seit dem Wiener Kreis) muss man dafür offen sein, dass das Paradigma der Wissenschaftsphilosophie für diese Aufgabenstellung möglicherweise neu zu formatieren ist.
  5. KOMMUNIKATIONSPROZESS ALS RAHMEN: So liegt es nahe, zu sagen, es gehe nicht primär um einen isolierten Theoriebegriff, sondern um einen Kommunikationsprozess, der Kommunikationsinhalte generiert, die im Rahmen des Kommunikationsprozesses ‚verstehbar‘ sein sollen.
  6. SYSTEMS-ENGINEERING ALS BEISPIEL: Ein modernes Beispiel für einen problemorientierten Kommunikationsprozess findet sich im Paradigma des modernen Systems-Engineering. Auslöser des Kommunikationsprozesses ist eine ‚Frage‘ oder eine ‚Problemstellung‘, und der Kommunikationsprozess versucht nun durch Ausnutzung des Wissens und der Erfahrungen von allen Beteiligten einen gemeinsames Bild von möglichen Lösungen zu generieren. Zu Beginn werden alle Kriterien kenntlich gemacht, die für die intendierte Lösung berücksichtigt werden sollen.
  7. EINBEZIEHUNG AUTOMATISIERTEN WISSENS: Insbesondere soll der Kommunikationsprozess so ausgelegt sein, dass er den Einsatz moderner Wissenstechnologien wie z.B.. ‚Interaktive Simulationen‘, ‚Kommunikationstests‘, ‚benutzerzentrierte künstliche Intelligenz‘, sowie automatisierte ‚Simulationsbibliotheken‘ erlaubt.

Dies ist nur eine erste, noch sehr vage Formulierung. Es wird notwendig sein, diese anhand von vielen Beispielen weiter zu konkretisieren und zu verfeinern.

 

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SELBSTBESCHREIBUNG UND MEDITATION

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 12.Nov 2018
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Letzte Korrekturen: 14.Nov.2018 {Nr.6, Nr.10, Nr.13 }

KONTEXT

Der folgende Text steht thematisch im Zusammenhang mit den beiden vorausgehenden Beiträgen zum Thema ‚Wissenschaft und Meditation‘ sowie ‚Meditation im Alltag‘. Während der erste Beitrag ‚Wissenschaft …‘  sich die Frage stellte, ob man das kulturelle Phänomen ‚Meditation‘ in einen irgendwie sinnvollen Zusammenhang mit ‚empirischer Wissenschaft‘ sehen kann, ging es im zweiten Beitrag ‚… im Alltag‘  um das konkrete Tun beim Meditieren, zumindest bei jener Form des Meditierens, bei der man sich in eine ‚Ruhestellung‘ begibt, in der man sich selbst zum Gegenstand macht.

SELBSTBEOBACHTUNG ALS THEMA

Das Thema ‚Selbstbeobachtung‘ ist so alt, wie es philosophisches Denken gibt und hat selbst in den empirischen Wissenschaften nicht an Bedeutung verloren. Das Thema voll darzustellen würde allerdings mindestens ein ‚dickes‘ Buch verlangen, eher mehr. Von all den philosophischen Varianten und wissenschaftlichen Diskussionen soll hier aber abgesehen werden, um in einer überschaubaren Weise eine (‚die‘?) grundlegende Perspektive formulieren zu können, die sich heute unter Berücksichtigung von Philosophie und modernen Wissenschaften als Arbeitshypothese formulieren lässt. Arbeitshypothesen bringen es mit sich, dass man sie kritisieren und weiter verbessern kann.

SELBSTBEOBACHTUNG UND MEDITATION

Die neuerliche Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Selbstbeobachtung‘ in diesem Blog (bislang nicht unter dem Stichwort ‚Selbstbeobachtung‘ sondern eher in Verbindung mit Stichworten wie ‚Phänomene‘, ‚Phänomenologie‘, usw.) wurde stimuliert durch die aktive Auseinandersetzung mit dem Phänomen ‚Meditation‘, innerhalb deren es neben der theoretischen Auseinandersetzung auch die konkrete Praxis, das konkrete Meditieren gibt. Diese konkrete Praxis eröffnet dem Meditierenden einen an sich unendlichen Raum an möglichen Ereignissen, konkret gefüllt mit einem bunten Strauß an Ereignissen und Veränderungen, die im Wahrnehmen Deutungen erlauben. Was aber ist eine ‚richtige‘, ‚angemessene‘ Deutung?

PHILOSOPHISCHER DEUTUNGSKONTEXT

In einer Kooperation von moderner (Wissenschafts-)Philosophie und modernen wissenschaftlichen Disziplinen lässt sich folgender ‚Rahmen‘ für mögliche Wahrnehmungen und Deutungen formulieren, der allgemein gilt, nicht nur für das Meditieren.

Ausgehend von dem Abschnitt ‚BEOBACHTUNG: SUBJEKTIVITÄT – OBJEKTIVITÄT‘ in dem schon oben erwähnten Beitrag ‚Wissenschaft …‘ werden hier folgende Annahmen gemacht (siehe Schaubild):

Unterschiedliche Datenquellen zusätzlich zur Introspektion
Unterschiedliche Datenquellen zusätzlich zur Introspektion

  1. Die verhaltensorientierten Wissenschaften, allen voran die Psychologie, benutzen vorwiegend Daten aus Verhaltensbeobachtungen. Diese Daten werden hier D_SR genannt (‚S‘ für Stimulus und ‚R‘ für Response). Damit kann die experimentelle Psychologie zwar nicht direkt in das ‚Innere‘ eines biologischen Systems schauen (Tiere, Menschen, …), wohl aber ist es möglich, auf der Basis solcher Daten explizite ‚Verhaltens-Theorien‘ (T_SR) zu formulieren, die mit ‚hypothetischen Annahmen‘ über ‚innere Zustände‘ arbeiten, mit deren Hilfe sich das äußerlich beobachtbare Verhalten ‚erklären‘ lässt. Berühmte Beispiele hierfür sind einmal das Konstrukt des ‚Unbewussten‘ in der Psychoanalyse oder das Konstrukt des ‚Gedächtnisses‘.
  2. Mit der Weiterentwicklung der allgemeinen Physiologie — hier insbesondere mit dem Spezialgebiet ‚Gehirn‘ – konnte die Wissenschaft den Bereich der objektivierbaren Daten weiter ausdehnen auf das ‚Innere des Körpers‘, die verschiedenen Organe, ihre Funktionsweisen und Interaktionen. Diese Daten werden hier D_PHYS genannt. Fasst man die Vielzahl der inneren Strukturen als ‚Input-Output-Systeme‘ auf, dann kann man auf der Basis der Beobachtungsdaten eine Vielzahl von Hypothesen über die Verhaltensfunktion solcher Input-Output-Systeme in Form von physiologischen Theorien (T_PHYS) formulieren.
  3. Sowohl die Daten wie auch die möglichen Theorien zum äußerlich beobachtbaren Verhalten wie auch zu den inneren Strukturen sind zunächst ‚unabhängig‘ voneinander. Man kann von der Theorie des Verhaltens T_SR nicht direkt auf Eigenschaften der inneren Strukturen T_PHYS schließen und auch nicht umgekehrt. Andererseits spricht alles dafür, dass die inneren Strukturen – beschrieben in einer möglichen Theorie T_PHYS – verantwortlich sind für das äußerlich beobachtbare Verhalten D_SR, das in einer möglichen Theorie T_SR beschrieben wird. Es wäre also naheliegend, eine Art ‚Brückentheorie‚ zu bauen (‚Psychophysiologie‘ oder ‚Physiopsychologie‘), in der die beiden Theorien T_SR und T_PHYS explizit als T_SR_PHYS miteinander in Beziehung gesetzt werden (als ‚Neuropsychologie‘ ist diese Idee schon länger bekannt, aber diese stellt eine Engführung des eigentlichen Themas dar und die wissenschaftsphilosophische Konzeption der bisherigen Arbeiten erscheint bislang nicht ganz überzeugend).
  4. Die soeben skizzierten Typen von Daten D_SR und D_PHYS sind relativ weit verbreitet. Was nicht so verbreitet ist, das ist die Inbeziehung-Setzung dieser Daten zum Bewusstsein. Entsprechend der großen Tradition der empirischen Wissenschaften, die den Zugriff auf die Wirklichkeit an die Verfügbarkeit von externen Messprozessen geknüpft hatten, um sich von den vielen falschen Ansprüchen einer damals noch unkritischen Philosophie abzugrenzen, ist die mögliche Bedeutung und Rolle der bewusstseinsbasierten Daten – hier D_PH genannt – etwas aus dem Blick geraten, soweit, dass lange nicht mehr klar war, wie man überhaupt empirische Daten (D_SR und D_PHYS) mit Bewusstseinsdaten (D_PH) in Beziehung setzen kann.
  5. Erst ganz langsam setzt sich mit den neueren Erkenntnissen von Biologie, Physiologie und Psychologie wieder die Einsicht durch, dass das Gehirn als ‚Ermöglichung von Bewusstheit‘ selbst ja gar keinen direkten Bezug zur empirischen Außenwelt besitzt. Über komplexe Signalprozesse werden dem Gehirn Außenweltereignisse mehrfach übersetzt zur weiteren Bearbeitung übermittelt, ebenso Ereignisse aus dem Körper wie auch aus dem Gehirn selbst. Aus all dem konstruiert das Gehirn ein dynamisches Modell der Gesamtsituation, die dann in einem biologischen System das spezifische Gesamtphänomen ‚Bewusstsein‘ ermöglicht, innerhalb dessen das System den ‚Eindruck‘ hat, dass ‚es selbst‘ unterschiedliche ‚Phänomene (PH) erlebt‘. Diese Phänomene repräsentieren nach heutigem Wissensstand nur einen winzigen Teil aller Ereignisse im Körper. Man nimmt daher – spätestens seit Freud — neben der Bewusstheit des Bewusstseins auch ein ‚Unbewusstes‘ an. Verschiedene weitere Annahmen über ein ‚Vor-Bewusstes‘ (so Freud) oder ein ‚temporäres Bewusstsein‘ spielen hier keine wesentliche Rolle, da die Phänomene des Bewusstseins allesamt aus dem Un-Bewussten herrühren und somit das Unbewusste punktuell und temporär ’sichtbar‘ machen.
  6. Mit dieser neueren Einsicht in die Gesamtarchitektur des biologischen Erkennens kann man die Beziehung zwischen empirischen Verhaltens- und Körperdaten einerseits (D_SR, D_PHYS) und Bewusstseinsdaten (D_PH) andererseits neu gewichten: auch das, was wir empirische Daten nennen sind letztlich auch Bewusstseinsdaten (!), allerdings mit der Besonderheit, dass man diese Bewusstseinsdaten mit externen Messprozeduren korrelieren kann, die parallel zu den Bewusstseinsdaten realisiert werden und die selbst sowie ihre Messergebnisse D_SR und D_PHYS zugleich auch Daten des Bewusstseins D_PH_SR und D_PH_PHYS sind. Nur weil sie auch bewusst sein können, wissen wir von ihrer Existenz, und nur wenn diese Daten uns bewusst sind, können wir mit ihnen bewusst umgehen und mit ihnen bewusst arbeiten.
  7. Die sogenannte ‚Kluft‘ zwischen Philosophie und den empirischen Wissenschaften ist daher eher ein ‚Artefakt des Denkens‘. Damit wird die besondere Stellung der empirischen Wissenschaften weder in Frage gestellt noch geschmälert, sondern es wird deutlich, wie die empirischen Wissenschaften letztlich als ein ‚Philosophieren mit anderen Mitteln‘ betrachtet werden können. Das ‚empirische Messen‘ ist von daher eine spezielle Methode, durch die die Philosophie in bestimmten Teilbereichen deutlich ‚mehr‘ erkennen kann als ohne diese Methoden.
  8. Was damit allerdings auch klar wird: statt dass sich die Philosophie – wie so oft in der Vergangenheit – mit ‚Abscheu‘ von den empirischen Wissenschaften abwendet, hat sie eine ganz besondere Verantwortung, diesen extrem wichtigen Teil einer ‚empirischen Philosophie‘ besonders zu pflegen. Die methodischen Herausforderungen, die sich hier stellen, sind enorm und übersteigen alles, was die Philosophie zuvor getan hat.
  9. In diesem Kontext sei auch besonders hingewiesen auf die vollautomatischen (= unbewussten) Prozesse der ‚induktiven Kategorienbildung‘ im Rahmen von Wahrnehmung und Gedächtnis. Was immer an Wahrnehmungsereignisse das ‚Gedächtnis‘ erreicht (ein Teilsystem des Gehirns), es wird automatisch als ein prototypisches Muster ‚angelegt‘, das sich nach impliziten Ähnlichkeitskriterien kontinuierlich ‚anreichern‘ kann. Nur deshalb sind wir in der Lage, einen zuvor schon mal wahrgenommenen ‚Gegenstand‘ der Art ‚A‘ im Fall eines neuerlichen Vorkommens wieder als ‚A‘ oder ‚dem A ähnlich‘ wiedererkennen zu können.
  10. Nur weil es diese ‚automatische induktive Kategorienbildung‘ gibt können wir Sprachsysteme einführen und benutzen, deren Symbole sich auf solche Kategorien als ihren ’natürlichen Gegenständen‘ beziehen. Worte wie ‚Tisch‘, ‚Baum‘,  ‚Hund‘ usw. können sich  auf einen konkreten Gegenstand X beziehen, weil der konkrete Gegenstand X  hinreichend viele ‚Ähnlichkeiten‘ mit der jeweiligen  induktiv entstandenen natürlichen Kategorie ‚Tisch‘, ‚Baum‘,  ‚Hund‘ usw aufweist. Die potentielle Menge von konkreten Objekten X in der realen Welt, die sich auf solch eine Weise einer ‚induktiven Gegenstandskategorie‘ zuordnen lassen,  sind daher implizit ‚offen‘, nicht wirklich ‚begrenzbar‘. Zudem  muss man  davon ausgehen, dass die konkrete Füllung dieser Gegenstandskategorien im Kontext einer natürlichen Sprache bei den einzelnen Menschen stark variieren kann, je nach individueller Erfahrung.
  11. Im Kontext der empirischen Wissenschaft sind solche ‚prinzipiell offenen Bedeutungskategorien‘ unerwünscht. Will man ‚Vieldeutigkeiten‘ vermeiden gibt es bislang zwei Strategien, um diese zu minimieren:
    1. Einführung von Fachsprachen innerhalb der normalen Alltagssprache: man versucht die benutzten Begriffe durch entsprechende Regeln zu ’normieren‘;
    2. Einführung von formalen Kunstsprachen, deren Bedeutungszuordnung durch explizite Bedeutungsregeln sichergestellt werden sollen.
  12. Beide Strategien haben sich als nicht vollständig umsetzbar erwiesen. Am erfolgreichsten erscheint bislang die Strategie der formalen Fachsprachen mit expliziten Bedeutungsregeln, und hier insbesondere die Sprache der modernen Mathematik, bekannt als ‚mengentheoretische Sprache‘ und diverse Formen von ‚Strukturbildungen mit Interpretationsbegriff‘.
  13. Grundsätzlich ist es möglich, dass man mittels einer formalen Kunstsprache ‚künstliche formale Kategorien‘ einführt, die über ‚spezielle Bedeutungszuordnungen‘ nur eine endliche Menge von klar definierten Eigenschaften umfassen oder, zumindest auf rein formaler Ebene, überabzählbar viele  Mengen von Eigenschaften unterschiedlicher Strukturen. Diese Möglichkeit von ‚künstlichen formalen Kategorien‘ hat sich in der empirischen Forschung – z.B. in der Physik – als extrem wichtig erwiesen, da die Eigenschaften der empirischen Welt oft so ganz anders zu sein scheinen als es die gewohnte induktive Kategorienbildung des menschlichen Gehirns nahelegt.
  14. Unter Einbeziehung des Aspekts ‚Sprache‚ lässt sich das Verhältnis von moderner Philosophie und moderner empirischen Wissenschaft nochmals präziser fassen: mittels definierter empirischer Messprozeduren (MSE) und daraus resultierenden empirischen Messergebnissen (D_EMP) ergeben sich im Rahmen des Bewusstseins (CONSC) spezifische Phänomene (D_PH_EMP), denen eben extern diese Messprozeduren korrespondieren. Als wahrgenommene Phänomene D_PH_EMP unterliegen sie allerdings den automatisch erzeugten induktiven Kategorienbildungen, auf die symbolische Ausdrücke einer Sprache bezogen werden können.
  15. Dabei ist zu beachten, dass die Ausdrücke einer Sprache auch sowohl als empirische Ereignisse (D_EMP_L) vorkommen wie auch als Phänomene (D_PH_EMP_L). Die Beziehung zwischen sprachlichen Ausdrücken und zugeordneten Bedeutungskorrelaten geschieht als unbewusster Prozess innerhalb des Gedächtnisses als Teil des Gehirns.
  16. Im Rahmen von Denkprozessen (teils unbewusst, teils bewusst), lassen sich beliebig viele formale Ausdrücke mit zugehörigen formalen Kategorien bilden. Im Falle von empirischen Wissenschaften müssen diese jeweils mit empirischen Phänomenen in Beziehung gesetzt werden können, um ihren Außenweltbezug herstellen zu können. Im Falle von vor-wissenschaftlichen Theorien wie einer unkritischen Metaphysik wurden zwar auch rein abstrakte, bisweilen sogar formale, Strukturen im Denken entwickelt, aber deren Geltung wurde gewöhnlich nicht nach festen Regeln auf empirische Außenweltereignisse zurückgebunden. Die negativen Auswirkungen eines solchen Vorgehens lassen sich im Rückblick untersuchen. Von heute aus gesehen liegt es daher nahe, die modernen empirischen Theorien als die genuinen Nachfolger der klassischen ‚metaphysischen‘ (= jenseits der Natur) Theorien zu betrachten, mit der Innovation, dass heute die potentiellen abstrakten (und formalisierten) Strukturen nach klar vereinbarten Verfahren an empirische Messprozesse zurückgebunden werden.
  17. Nach diesen vorbereitenden Überlegungen wird vielleicht verständlich, dass die ‚Phänomene‘ eines Bewusstseins für alle Disziplinen die ersten ’nicht weiter hintergehbaren‘ Daten darstellen. Die Einführung von empirischen Messverfahren hebt die Priorität von Phänomenen des Bewusstseins daher nicht auf, sondern ergänzt diese nur um zusätzliche Momente, die ‚berücksichtigt‘ werden sollten, will man über eine ‚Wirklichkeit‘ sprechen, die nicht nur im eigenen Bewusstsein zu verankern ist, sondern zugleich auch im ‚Zwischenbereich der Körper‘, den wir ‚empirische Welt‘ nennen.
  18. Damit stellt sich die Frage, was ist mit jenen ‚Phänomenen‘, die sich nicht mit empirischen Messverfahren korrelieren lassen; nennen wir diese abkürzend D_PH*, bestimmt durch die Gleichung D_PH* = D_PH – D_PH_EMP.
  19. Diese nicht-empirischen Phänomene D_PH* sind ja nicht weniger ‚wirklich‘ wie die empirischen Phänomene D_PH_EMP, nur fehlt ihnen ein definiertes Korrelat in der Zwischen-Körper-Welt. Alle diese nicht-empirischen Phänomene D_PH* entstammen letztlich dem Unbewussten (NON-CONSC).
  20. Aus dem Alltag wissen wir, dass alle Menschen aufgrund sehr ähnlicher Körper und Gehirnstrukturen vielerlei Phänomene kennen, über die sich eine gewisse ‚Einigkeit‘ herstellen lässt, weil sie die meisten Menschen ’sehr ähnlich‘ erleben, wie z.B. ‚Müdigkeit‘ nach längerem ’nicht Schlafen‘, ‚Hunger‘ nach längerem ’nicht Essen‘ usw .Man könnte also sagen, dass der ‚menschliche Körper‘ auch eine Art ‚Messgerät‘ ist, das bei entsprechendem ‚Verhalten‘ bestimmte ‚Zustände als Quasi-Messergebnisse‚ erzeugt, über die sich zwischen allen Beteiligten eine ‚praktisch hinreichende Einigkeit‚ erzielen lässt, wenngleich diese Einigkeit in der Regel nicht die ‚Präzision‘ hat, wie die technisch vereinbarten empirischen Messverfahren der Wissenschaften.
  21. Schwieriger wird es allerdings dann, wenn jemand ‚Phänomene‘ zu erleben meint, für die sich nicht sofort eine klare Ursache im Körper zuordnen lässt, die sich von anderen in ‚hinreichend ähnlicher Form‘ ’nachvollziehen‘ lässt. So kann es unterschiedliche Formen von ‚Schmerzen‘, ‚Emotionen‘, ‚Gefühlen‘, und ‚Stimmungen‘ geben, die sich nicht sofort ( auch nicht über längere Zeit) bestimmten körperlichen Prozessen zuordnen lassen. Dann wird eine zwischenmenschliche Verständigung schwierig. Der Angesprochene weiß dann nicht, mit welchen seiner ‚Erfahrungen‘ er die Äußerungen des anderen ‚in Verbindung bringen soll‘.
  22. Aus der schwierigen Kommunizierbarkeit von Phänomenen folgt allerdings nicht, dass diese ‚unwichtig‘, ‚unbedeutend‘ sind. Im Gegenteil, es können sehr wichtige Phänomene sein, die bislang – aus welchen Gründen auch immer – einfach von niemandem beachtet werden. So wie generell die Wissenschaft immer wieder neu um die Angemessenheit ihrer bisherigen ‚Terminologie‘ ringen muss, so müssen wir Menschen – insbesondere, wenn wir uns als Philosophen verstehen – unsere bisherigen Sprechweisen immer wieder neu an unseren Phänomenen ‚überprüfen‘.
  23. In diesem Kontext erscheint das ‚Meditieren‘ als eine der radikalsten Formen ‚eines sich seiner eigenen Erfahrung zensurfreien Aussetzens‘. Hier können sich viele Phänomene ereignen, die quer liegen zu den bisherigen Sprechweisen und die von daher neue Ausdrucksweisen erfordern.
  24. Aktuell ist dem Autor keine systematische philosophische Analyse der Phänomene des alltäglichen Erlebens inklusive speziell auch der Phänomene im Kontext von Meditation und Spiritualität bekannt. Zwar gibt es zahllose Artikel und Bücher zu diesem Thema, diese unterscheiden sich jedoch bezüglich Erfahrungskontexten, gewählten Sprachen und Methoden so stark, dass eine verallgemeinerte Aussage über diese Analysen aktuell nicht möglich erscheint; möglicherweise brauchen wir hier ein völlig neues Forschungsprogramm.
  25. Das Thema einer Super-Brückentheorie zwischen äußeren Verhaltensdaten, Körperdaten und Bewusstseinsdaten soll hier nur erwähnt werden. Eine solche Theorie wäre das ferne Ziel, das zu adressieren wäre.

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MEDITATION UND WISSENSCHAFT. Überlegungen zu einem Lehr- und Forschungsexperiment an einer Deutschen Hochschule

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 16.Okt. 2018
URL: cognitiveagent.org
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Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

KONTEXT

Das Hauptthema in diesem Blog ist seit Beginn die Suche nach dem neuen Menschenbild innerhalb der Koordinaten ‚Philosophie – Wissenschaft‘ ergänzt um die Themen ‚Gesellschaft – Technologie‘ und ‚Religion‘.

Im Laufe der Jahre haben sich aufgrund dieser Überlegungen immer wieder ‚Unterprojekte‘ außerhalb des Blogs herausgebildet, um die allgemeinen Überlegungen auch konkret zu prüfen bzw. umzusetzen.

Aktuell gibt es drei Unterprojekte: (i) Vorbereitet durch viele Jahre Vorlesungen gibt es ein online-Buchprojekt zum integrierten Engineering, das weit fortgeschritten ist. (ii) Ferner gibt es nun schon im vierten Semester ein Projekt ‚Meditation und Wissenschaft‘ an einer Deutschen Hochschule als reguläre interdisziplinäre Lehrveranstaltung, aus der ein erstes Buch hervorgegangen ist (kurz vor dem Druck), und zu dem es in wenigen Tagen einen ersten wissenschaftlichen Kongress geben wird. (iii) Seit dem Frühjahr 2018 hat sich im Anschluss an einen Kongress zur Städteplanung ein neues interdisziplinäres Projekt gebildet, das eine ziemlich direkte Umsetzung der Theorie des Engineerings ist, die unter (i) erwähnt wird (die aktuelle Webseite https://www.frankfurt-university.de/index.php?id=4664 verrät noch nicht all zu viel, aber eine deutlich erweiterte Fassung ist in Vorbereitung (bis ca. Mitte November) und adressiert alle Kommunen in Deutschland (und letztlich in ganz Europa). Eine weitere Variante adressiert Universitäten und Schulen, auch Firmen.

Hier soll kurz auf das unter (ii) genannte Projekt eingegangen werden.

GESELLSCHAFTICHE AUSGANGSLAGE

Wie in dem im Frühjahr 2019 erscheinenden Buch ausführlich dargelegt wird, erleben wir eine Zeit, in der aktuelle technologische Entwicklungen (sehr dominant: die sogenannte ‚Digitalisierung‘) die gewohnten Abläufe in der Gesellschaft von Grund auf neu formen. Zusätzlich wirbeln alte, bekannte Weltbilder mit neuen wissenschaftlichen Sehweisen, meist sehr fragmentiert, durcheinander und lassen den einzelnen eher verwirrt denn aufgeklärt zurück. Die konkreten Alltagsformate der einzelnen Menschen in den Industrieländern induzieren viele neue Stresssituationen, selbst schon bei Kindern, Jugendlichen und Studierenden, die das aktuelle Bildungssystem zu überfordern scheinen.

VERANTWORTUNG DER HOCHSCHULEN

In einem solchen Kontext müssen sich Hochschulen, auch die Hochschulen für angewandte Wissenschaften, neu orientieren und sortieren.

Traditionellerweise verbindet man mit Hochschulen ‚Wissenschaft‘, ‚wissenschaftliches Denken und Arbeiten‘, und es gibt zahlreiche juristische und organisatorische Abläufe, die diese Wissenschaftlichkeit absichern sollen. Aus Sicht des einzelnen Studierenden erscheint eine Hochschule aber immer mehr wie eine ‚Service-Maschine‘, die eine Vielfalt von Studienprogrammen anbietet, die jeweils kleine Ausschnitte aus dem großen Wissenskosmos vorstellt, die — in der Regel — weder mit dem Rest der Wissenschaft noch mit der Breite der Gesellschaft irgendetwas zu tun haben. Wichtiges Detail: der einzelne Studierende als ‚Person‘, als ‚Mensch‘ mit all seinen Facetten und heutigen Belastungen kommt in diesen Programmen normalerweise nicht vor. Dies ist ‚Privatsache‘. Da muss jeder auf eigene Faust schauen, wie er das ‚regelt‘.

Der wachsende ‚Veränderungsdruck‘ in der gesamten Gesellschaft, die Zersplitterung der kognitiven Landkarte in viele Fragmente, die nicht mehr zusammen zu passen scheinen, die allseitige Zunahme an körperlichen und psychischen Erkrankungen, kann man, wenn man will, als Anregung, als Herausforderung verstehen, den Ort ‚Hochschule‘ neu zu formen, um diesen greifbaren Defiziten mehr gerecht zu werden.

ERSTER ANTWORTVERSUCH

Eine umfassende Antwort würde möglicherweise in eine sehr grundlegende Reform der Hochschulen münden. Ob, wann und wie dies geschieht, weiß momentan sicher niemand. Aufgrund einer besonderen Situation an der Frankfurt University of Applied Sciences kam es im Frühjahr 2017 zu einer Initiative (Dievernich, Frey, Doeben-Henisch), die zum Start eines offiziellen Lehrmoduls ‚Meditation als kulturelle Praxis‘ führte, das sich seitdem inhaltlich immer mehr zur Thematik ‚Meditation und Wissenschaft‘ hin entwickelt hat.

Es soll hier einführend beschrieben werden, wie das Projekt so zwei unterschiedlich erscheinende Themen wie ‚Meditation‘ einerseits und ‚Wissenschaft und Technologie‘ andererseits miteinander zu einer Lehrveranstaltung mit forschendem Charakter verbinden kann. Zudem sollte es einen Beitrag zur personalen, menschlichen Situation der Studierenden leisten.

INTERDISZIPLINÄRES FELD STUDIUM GENERALE

Vorweg zu den Details der nachfolgenden Erläuterungen muss festgestellt werden, dass der Start zu dem neuen, innovativen, Projekt ‚Meditation als kulturelle Praxis‘ (oder dann künftig eher ‚Meditation und Wissenschaft‘) nur möglich war, weil es in der Hochschule schon seit 2005 die alle Fachbereiche und Studienprogramme übergreifende Einrichtung eines ‚interdisziplinären Studium Generale (ISG)‘ gibt. In diesem Rahmen können nahezu beliebige Themen von Dozenteams aus mindestens 2 – eher 3 — verschiedenen Fachbereichen angeboten werden, und die Studierenden aus allen Bachelorstudiengängen können sich dafür anmelden. Dieser kreative Raum innerhalb der ansonsten ziemlich ‚hart verdrahteten‘ Lehre war schon vielfach ein Ort für neue, innovative, und vor allem teamorientierte Lernerfahrungen. Doch auch hier gilt: was nützen die besten Optionen, wenn es zu wenig kreative und mutige Dozenten und Studierende gibt. Freiräume sind ‚Einladungen zu‘ aber keine ‚Garantien für‘ eine kreative Nutzung.

PHÄNOMEN MEDITATION

Das Thema ‚Meditation‘ blickt zurück auf eine Tradition von mehr als 2000 Jahren, mit vielen unterschiedlichen kulturellen Ausprägungen, und erlebt seit Jahren eine starke Wiederbelebung in von Technologie geprägten Gesellschaften, deren Vielfalt kaum noch zu überschauen ist. Im Kern wird das Thema Meditation aber begleitet von einer Art Versprechen, dass jemand, der meditiert, daraus sowohl für seinen Körper als auch für seine Psyche ‚positive Wirkungen‘ ziehen kann.

Meditieren heißt, dass man mit seinem Körper etwas konkretes ‚tut‘, dass man konkrete Zustände seines Körpers konkret ‚erlebt‘, und dass man dieses Tun und Erleben ‚interpretieren‘ kann, aber nicht muss. Sowohl zu den konkreten praktischen Formen des Meditierens wie auch zu den möglichen Interpretationen gibt es ein breites Spektrum an Vorgehensweisen und Deutungen.

Was kann ein einzelner Mensch tun, wenn er sich mit Meditieren beschäftigen will? Was kann er tun, wenn er in einer von Wissenschaft und Technik geprägten Welt mit dem Phänomen Meditation konfrontiert wird? Welche Rolle spielen die ‚Deutungsmodelle‘? Warum gibt es überhaupt so viele unterschiedliche Deutungsmodelle? Was bedeutet es, dass diese Deutungsmodelle in so vielen verschiedenen Sprachen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten vorliegen?

DEUTUNGSMODELLE UND WISSENSCHAFT

Die modernen empirischen Wissenschaften sind im Laufe der Jahrhunderte (mit langen Vorlaufzeiten von bis zu 2000 Jahren!) entstanden als eine neue Art von ‚Wahrheitsbewegung‘: wie kann man in der Vielfalt der Erfahrungen und des Wissens jene ‚Bestandteile‘ herausfinden, die ‚wirklich Geltung‘ haben im Unterschied zu jenen Bestandteilen, die sprachlich zwar beschrieben und behauptet werden, aber nur schwer bis gar nicht als ‚gültig‘ erwiesen werden können? In einem mühsamen Prozess, der in den ca. letzten 400 Jahren zu seiner heutigen Form fand, zeigte sich, dass das Festhalten an intersubjektiv überprüfbaren ‚Standards‘ intersubjektiv nachvollziehbare und reproduzierbare ‚Messoperationen‘ mit ‚Messwerten‘ ermöglichte, was wiederum ganz neue explizite ‚Arbeitshypothesen‘, ‚Modelle‘ und dann ‚Theorien‘ ermöglicht.

KEIN GEGENSATZ ZWISCHEN WISSENSCHAFT UND ‚GEIST‘

Während das Projekt ‚empirische Wissenschaft‘ lange Zeit als Gegensatz zur klassischen Philosophie und den sogenannten Geisteswissenschaften erschien, führten die Ergebnisse der ca. letzten 150 Jahre mehr und mehr dazu, dass man die Position des ‚Geistes‘, der ‚Geisteswissenschaften‘ im Rahmen der modernen empirischen Theorien schrittweise so ‚einordnen‘ kann, dass die Geisteswissenschaften einerseits im Rahmen der empirischen Wissenschaften integriert werden können, andererseits aber die Besonderheit des Menschen (als Teil des gesamten biologischen Lebens) nicht verschwindet. Statt dass die Besonderheit des Geistigen und des Lebens verschwindet, scheint es eher so zu sein, dass die Besonderheit des Geistigen als Teil des Biologischen eine noch viel größere Wucht erhält als je zuvor. Diese neue mögliche Fusion von empirischen Wissenschaften und ‚Theorie des Geistigen‘ wird bislang noch kaum genutzt. Zu tief haben sich traditionelle Begrifflichkeiten als kulturelle Muster in die Gehirne ‚eingegraben‘; solches zu ändern dauert erfahrungsgemäß viele Generationen.

KANT 2.0

Während der Philosoph Immanuel Kant (1724 – 1804) eingesperrt in sein Bewusstsein, ohne Sprachkritik und ohne Evolutionstheorie, die Antworten auf seine Fragen nur als abstrakte Postulate formulieren konnte, nach denen u.a. Raum und Zeit ‚konstitutiv‘ für menschliches Erkennen sind, ohne dass er dies weiter erklären konnte, hat die moderne Wissenschaft nicht nur ein Stück mehr erklären können, wie überhaupt Sprache funktioniert, sondern zusätzlich wie die Strukturen unserer Wahrnehmung, unseres Gedächtnisses, unseres Denkens und vieles mehr von den Strukturen unseres Gehirns in einem bestimmten Körper geprägt sind, die sich wiederum in einer Entwicklungsgeschichte von vielen Milliarden Jahren herausgebildet haben. Wir wissen heute, dass das ‚Bewusstsein‘ nur einen quantitativ verschwindend kleinen Teil des Gesamtkörpers repräsentiert; das meiste ist ‚unbewusst‘ (die Gehirnzellen haben am ganzen Körper einen Anteil von ca. 0.15%, das ‚Bewusstsein‘ wiederum ist nur mit einem Teil der Gehirnzellen assoziiert…). Zusätzlich hat die Wissenschaft ansatzweise aufgedeckt, wie das Gehirn die aufgenommenen Sinnesreize und Körperreize im Kontext von Wahrnehmung, Gedächtnis und Lernen ‚induktiv‘ zu nahezu beliebig komplexen Mustern verrechnen kann, die für uns dann die Konzepte/ Kategorien bilden, mit denen wir die Welt und und uns selbst anschauen. Da diese komplexen Strukturbildungsprozesse durch kommunikative Interaktionen (speziell auch sprachlichen) beeinflusst werde können, können sich Gehirn-induzierte und Kultur-induzierte Muster mischen, vermischen, und so komplexe Deutungsmuster entstehen lassen, deren ‚Gültigkeitsgehalt‘ stark variieren.

REFORMBEDARF DER WISSENSCHAFTEN

Während die empirischen Wissenschaften (und darauf aufbauen die Ingenieurskunst), in den letzten Jahrhunderten viele Pluspunkte sammeln konnten, zeigen sich im bisherigen Konzept und der Praxis von Wissenschaft dennoch gewisse Schwachpunkte: im Rahmen des empirischen Paradigmas können zwar erfolgreiche empirische Experimente und partielle Modelle entwickelt werden, aber die bisherigen empirischen Konzepte reichen nicht aus, um (i) die vielen einzelnen Theorien zu ‚integrieren‘, und (ii) die bisherigen Konzepte sind nicht in der Lage, den ‚Theoriemacher‘ und ‚Theoriebenutzer‘ in der Theorie mit zu repräsentieren. Gerade in den Ingenieurwissenschaften mit ihren immer komplexeren Projekten führt dies zu grotesken Verzerrungen und vielfachen Projektabstürzen. In den empirischen Wissenschaften ist dies nicht wirklich besser, nur fällt es dort nicht so direkt auf. Allerdings kann man zwischen einer rein physikalischen Betrachtungsweise und einer biologischen immer größere Probleme entdecken.

RÜCKKEHR DER PHILOSOPHIE

An dieser Stelle wird klar, dass das historisch ‚ältere‘ Projekt einer umfassenden Philosophie noch nicht ganz ausgedient hat. Während die Philosophie in der oftmals selbst gewählten Abstinenz von Wissenschaft (seit ca. 1500 Jahren) mehr und mehr den Kontakt zur Welt verlor, kann Philosophie in enger Kooperation mit Wissenschaft dieser helfen, ihre fehlende ‚Einheit‘ zurück zu gewinnen. Das neue Paradigma lautet daher ‚Philosophie und Wissenschaft‘ als grundlegendem Denkmuster, erweitert, konkretisiert in der ‚Ingenieurskunst‘. Diese liefern den Rahmen, in dem sich die Freiheit und Kreativität des Lebens entfalten und gestalten kann.

MEDITATION UND WISSENSCHAFT

Schematisches Modell für eine philosophisch begründete empirische Weltsicht am Beispiel des Meditierens
Schematisches Modell für eine philosophisch begründete empirische Weltsicht am Beispiel des Meditierens

Diese neuen, spannenden Entwicklungen in Philosophie und Wissenschaft eröffnen auch neue, interessante Zugangsweisen im Umgang mit dem empirischen (und historisch überlieferten) Phänomen der Meditation. Im folgenden Text (siehe auch die Schaubilder) wird versucht, aufzuzeigen, wie ein modernes Philosophie-Wissenschafts-Paradigma eine aktive Auseinandersetzung mit dem Phänomen leisten könnte.

Für diese aktive Beschäftigung mit dem Phänomen Meditation wird angenommen, dass sich grob vier Perspektiven unterscheiden lassen:

  1. REALE PRAXIS: Meditation wird in einer bestimmten Umgebung praktiziert von einem Menschen, der dabei mit seinem Körper etwas tut. Dies kann zu Veränderungen an seinem Körper führen wie auch in seinem Erleben.

  2. BEOBACHTEN: Vor der Praxis kann man in Form von Fragen festlegen, auf welche Art von Phänomenen man vor, während und nach der Meditation achten will. Dazu kann man festlegen, in welcher Form die Beobachtung ausgeführt werden soll und wie man die Beobachtungswerte/ -daten protokollieren will. Sie sollten unter festgelegten Bedingungen für jeden potentiellen Beobachter reproduzierbar sein. Ort, Zeit, Umstände usw. sollten aus den Protokollen entnehmbar sein.

  3. DEUTUNG: Einzelne Beobachtungswerte repräsentieren isolierte Ereignisse, die als solche noch keine weiterreichenden Deutungen zulassen. Die einfachste Form von Deutungen sind einfache Beziehungen zwischen verschiedenen Beobachtungswerten (räumliche, zeitliche, …). Sobald mehr als eine Beziehung auftritt, ein Beziehungsbündel, kann man Beziehungsnetzwerke formulieren, Modelle, in denen Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Faktoren sichtbar werden. Wahrheitsfähig werden Deutungen aber erst, wenn sie als Theorie formuliert werden (Strukturen, Beziehungen, Dynamiken, Folgerungsbegriff, …), erst dann können sie wahr oder falsch sein, können sie möglicherweise falsifiziert werden, weil man Voraussagen ableiten kann. Generell kann man für Deutungen noch folgende Eigenschaften festhalten:

    1. Die einfachste und historisch häufigste Form von Deutungen sind Texte in ‚Normalsprache‚, eventuell angereichert mit Bildern oder anderen Artefakten.

    2. In modernen Versionen von Deutungen finden sich zusätzlich mehr und mehr voll definierte Diagramm-Sprachen bis hin zu animierten Bildfolgen

    3. Für die eigentliche, harte Modell- und Theoriebildung haben sich aber formale Sprachen durchgesetzt bzw. eine konsequent mathematische Darstellungsweise, ergänzt um eine explizite Logik, die beschreibt, wie man korrekte Folgerungen aus einer gegebenen Theorie gewinnen kann.

    4. Quer zu den Darstellungsweisen Text, Bild und Formel gibt es die zusätzliche Dimension einer dynamischen Repräsentation in Form von Ablaufschilderungen, Bildfolgen, Computer-Simulationen, oft noch erweitert um Interaktionen, die dem Ganzen einen spielerischen Charakter verleihen.

    5. ÜBERLIEFERUNG: Zu vielen (den meisten…) Phänomenen finden sich Überlieferungen aus früheren Zeiten. Die Überlieferungsgeschichte ist unterschiedlich gut, bisweilen sehr schlecht. Die Kontexte und die verwendeten sprachlichen sowie bildhaften Mittel setzen Interpretationsbeziehungen voraus, die heute gar nicht oder nur partiell bekannt sind. Die konkreten Umstände der Überlieferung, die beteiligten Personen, deren Innenleben, sind oft nur wenig bis gar nicht bekannt. Die Einbeziehung von Überlieferungen ist daher mit großer Vorsicht zu sehen. Dennoch können sie wertvolle Hinweise liefern, die man neu überprüfen kann.

  4. REFLEXION: Die bislang genannten Themen ‚Reale Praxis – Beobachtung – Deutung‘ kann man als solche ‚definieren‘, ‚beschreiben‘ und anwenden. Allerdings setzen alle diese Themen einen übergreifenden/ vorausgehenden Standpunkt voraus, in dem entschieden wird, ob man sich überhaupt einer Realität zuwenden will, welcher Realität, wie, wie oft usw. Ebenso muss vor der Beobachtung geklärt werden, ob man überhaupt beobachten will, wie, wann, wie oft, was man mit den Beobachtungswerten dann tun will, usw. Und entsprechend muss man vor Deutungsaktionen entscheiden, ob man überhaupt deuten will, wie, was, usw. Diese Dimension der vorbereitenden, begleitenden, und nachsinnenden Überlegungen zum gesamten Prozess wird hier Reflexion genannt. Als Menschen verfügen wir über diese Fähigkeit. Sie wird in all unserem Tun, speziell dann auch in einem wissenschaftlichen Verhalten, nicht direkt sichtbar, sondern nur indirekt durch die Art und Weise, wie wir mit der Welt und uns selbst umgehen. Es ist irgendwie die gesamte Vorgehensweise, in der sich ein ‚Plan‘, verschiedene ‚Überlegungen‘, verschiedene ‚Entscheidungen‘ auswirken und damit ausdrücken können. Und ein wissenschaftlicher Umgang mit der Welt und sich selbst setzt insofern bestimmte Verhaltensformate voraus. Wissenschaft im üblichen Sinne ist die geordnete Umsetzung eines solchen Planes. Die Analyse und das Design eines solchen wissenschaftlichen Handlungsformates leistet idealerweise die Wissenschaftsphilosophie. Den kompletten Rahmen für jedwede Art von Vorgehen, das Nachsinnen ob und wie überhaupt, die Klärung von Motiven und Voraussetzungen, die Methode einer Wissenschaftsphilosophie, und vieles mehr, das ist die originäre Aufgabe der Philosophie. Insofern ist die Domäne der vor- und übergreifenden Reflexion die Domäne der Philosophie, die darin in einer methodisch engen Weise mit jedweder Form von Wissenschaft verknüpft ist.

Die hier aufgelisteten Punkte bilden eine minimale Skizze, die weitere Kommentare benötigt.

BEOBACHTUNG: SUBJEKTIVITÄT – OBJEKTIVITÄT

Die Verschränkung des 'Objektiven' mit dem 'Subjektiven' aufgrund des heutigen Kenntnisstands
Die Verschränkung des ‚Objektiven‘ mit dem ‚Subjektiven‘ aufgrund des heutigen Kenntnisstands

Setzt man obigen Rahmen voraus, dann scheint es hilfreich, einen Punkt daraus hier speziell aufzugreifen: das Verhältnis von Subjektivität und Objektivität, das sich nahezu durch die gesamte Geschichte der Philosophie und der Auseinandersetzung zwischen Philosophie und empirischer Wissenschaft zieht. Und gerade im Fall des Meditierens gewinnt diese Unterscheidung eine besondere Bedeutung, da neben jenen Wirkungen des Meditierens, die sich äußerlich und in Körperfunktionen direkt (empirisch, objektiv) beobachten (messen) lassen, es viele (die meisten) Wirkungen gibt, die sich nur ‚im Innern‘ (subjektiv) des Meditierenden erfassen lassen. Wie geht man damit um?

Aufgrund der Erkenntnisse der empirischen Wissenschaften können wir heute relativ klar sagen, dass das persönliche Erleben an das jeweilige, individuelle Bewusstsein (‚consciousness‘) geknüpft ist, das wiederum – in einer noch nicht genau rekonstruierten Weise – eine Funktion des individuellen Gehirns ist. Das Gehirn wiederum sitzt in einem Körper und wird von diesem neben der notwendigen Energie mit allerlei Erregungsmustern (neuronale Signale) versorgt. Einige stammen von Sinnesorganen, die verschiedene energetische Ereignisse er Außenwelt (Licht, Schall, Geruch, …) in neuronale Signale übersetzen, andere vom Körperinnern, andere vom Gehirn selbst. Das Gehirn weiß also von der Außenwelt ‚direkt‘ nichts, sondern nur in dem Maße, als ihm diverse neuronale Signale übermittelt werden, die in sich schon eine erste Übersetzung darstellen. Aus all diesen Signalen errechnet das Gehirn kontinuierlich ein Netzwerk von repräsentierenden Ereignisstrukturen, die zusammen ein ‚komplexes (dynamisches) Bild‘ des aktuellen Zustands ergeben. Dieses Zustandsbild ist beeinflusst von ‚vergangenen Bildern‘ (Gedächtnis), von unterschiedlichen ‚Abstraktionsprozessen‘, von unterschiedlichen ‚Erwartungswerten‘ und ‚Bewertungen‘, um as Mindeste zu sagen. Wie viel von den kontinuierlichen Berechnungen des Gehirns tatsächlich ins ‚Bewusstsein‘ gelangt, also ‚bewusst‘ ist, lässt sich nicht klar sagen. Sicher ist nur, dass das, was uns bewusst ist, in jedem Fall eine Auswahl darstellt und es insofern – aus Sicht des Bewussten – ein Unbewusstes gibt, das nach groben Schätzungen erheblich größer ist als das Bewusste.

Philosophen nennen die unterschiedlichen Inhalte des Bewusstseins ‚Phänomene [PH]‘ (zumindest in jener Richtung, die sich phänomenologische Philosophie‘ nennt). Innerhalb dieser Menge der Phänomene kann man anhand von Eigenschaften unterschiedliche Teilmengen der Phänomene unterscheiden. Eine sehr wichtige ist die Teilmenge der ‚Phänomene von den externen Sensoren (PH_W_EXT)‘. Durch ihren Bezug zu unterstellten Objekten der Außenwelt und zusätzlich unterstützt durch Phänomene einer realen Kommunikation lässt sich eine Art ‚Korrelation‘ dieser Phänomene mit unterstellten Objekten der Außenwelt in einer Weise herstellen, die sich mit anderen ‚Beobachtern‘ ’synchronisieren‘ lässt. Sofern dies gelingt (z.B. durch vereinbarte Formen des Messens mit vereinbarten Standards) bekommen diese Phänomene PH_W_EXT einen besonderen Status. Wir nennen sie empirische Phänomene weil sie – obgleich sie weiterhin Phänomene bleiben und damit subjektiv sind – sich in einer Weise mit externen Ereignissen koppeln lassen, die sich in der Reaktion anderer Beobachter auch reproduzieren lässt. Durch diese ‚Rückkopplung‘ gelingt es einem Gehirn, seine ‚locked-in‘ Situation partiell zu überwinden. Daher kommt den als empirisch qualifizierbaren subjektiven Phänomene eine ganz besondere Rolle zu.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass die modernen empirischen Wissenschaften durch ihren methodischen Bezug auf die empirischen subjektiven Phänomene sich eine Beobachtungsbasis geschaffen haben, der ein maximaler Erfolgt deswegen vergönnt war, weil tatsächlich nur jene Phänomene Berücksichtigung fanden, die im Prinzip allen Beobachtern in gleicher Weise zugänglich sind.

Eine unkritische – was hier heißt: eine un-philosophische – Handhabung des empirischen Auswahlprinzips kann aber zu unerwünschten Ergebnissen führen. Einer der größten Fehler der Wissenschaftsgeschichte ist wohl (und da hat die Philosophie simultan auch versagt), aus der methodisch sinnvollen Einschränkung auf die subjektiven empirischen Phänomene zu schließen, dass alle anderen (subjektiven) Phänomene grundsätzlich unwichtig oder gar irreführend seien. Diese Folgerung war und ist sachlich völlig haltlos und in ihrer Wirkung verheerend.

Es ist ja nicht nur so (siehe den vorausgehenden Text), dass die empirisch genannten Phänomene weiterhin rein subjektive Phänomene bleiben, sondern das Bewusstsein als Ganzes ist die primäre Quelle für jede Form von Erkenntnis, deren der homo sapiens fähig ist! Die neueren Erkenntnisse zur gleichzeitigen Existenz eines sehr großen Unbewussten setzen das Phänomen des Bewusstseins ja nicht ‚außer Kraft‘, sondern, ganz im Gegenteil, es stellt sich verschärft die Frage, warum es in der Evolution zur Ausprägung des Bewusstseins unter Voraussetzung des Unbewussten kam? Was ist der ‚Vorteil‘ für ein biologisches System zusätzlich zum gewaltigen Komplex der ‚unbewussten Maschinerie‘ des Körpers und des Gehirns noch die Form des ‚Bewusstseins‘ zu besitzen? Bei einem sehr groben Vergleich der Zeiträume von Lebewesen ‚mit‘ und ‚ohne‘ Bewusstsein ist unübersehbar, dass es erst mit der Verfügbarkeit eines hinreichend differenzierten Bewusstseins zu den überaus komplexen und beständig weiter anwachsenden komplexen Verhaltensleistungen ganzer Populationen gekommen ist. Und aus der Tatsache, dass sich nur ein kleiner Teil der Phänomene des Bewusstseins direkt über die Außenwelt mit anderen Beobachtern korrelieren lässt, zu folgern, dass alle anderen Phänomene ‚irrelevant‘ seien, ist weder sachlich noch logisch irgendwie begründbar. Mit dem heutigen Wissensstand müssten wir eher das Gegenteil folgern: eine neue bewusste und herzhafte Hinwendung zu jener reichen Phänomenwelt, die ein biologisches System hervorbringen kann, die sich aber (bislang) einem direkten empirischen Zugriff entziehen.

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass eine ‚Erklärung‘ von subjektiven Phänomenen durch Rückgriff auf ausschließlich direkt korrelierbare physiologische Eigenschaften methodisch fragwürdig ist und in der Regel genau das nicht erklärt, was erklärt werden sollte.

Diese wenigen ersten Gedanken können vielleicht deutlich machen, dass der Anteil subjektiver Phänomene im Kontext des Phänomens ‚Meditation‘ philosophisch und wissenschaftlich kein unüberwindbares Hindernis darstellt, sondern eher eine Einladung, die Forschungen zu vertiefen und zu verbessern.

WIE PRAKTISCH VORGEHEN?

Was bedeutet dies nun für ein praktisches Vorgehen? Wie kann man dies im Rahmen eines konkreten Lehrmoduls umsetzen? Hier ein erster Entwurf:

  1. Als primärer Referenzpunkt sollen konkrete praktische Meditationsübungen dienen, von denen unterschiedliche Formen vorgestellt und dann unter Anleitung ausprobiert werden können. Dies kann in jeder Sitzung und außerhalb, im privaten und öffentlichen Bereich geschehen.

  2. Damit die Perspektive der Wissenschaft und Philosophie zur Wirkung kommen kann, sollte von Anfang an diese Perspektive vorgestellt und demonstriert werden, wie diese sich auf das konkrete Beispiel Meditation anwenden lässt. Neben einer allgemeinen Einführung müsste konkret erläutert werden, welche Fragen sich stellen lassen, und wie eine Beobachtung aussehen könnte. Jeder für sich und dann auch im Team versucht eine Art ‚Logbuch‘ zu führen, in dem alle für die Beobachtung wichtigen Daten eingetragen werden.

  3. Nachdem erste Beobachtungen vorliegen, kann man gemeinsam überlegen, ob und wie man solche Daten ‚deuten‘ könnte: welche Art von Mustern, Regelmäßigkeiten deuten sich an? Gibt es Unterschiede in den verschiedenen Logbüchern? Welchen Status haben solche Deutungen?

  4. Die Schritte (1) – (3) kann man mehrfach wiederholen. Im Alltagsleben kann dies Jahre dauern, viele Jahre. Im Lehrbetrieb hat man nur ca. 2-3 Monate Zeit, um zumindest den grundlegenden Ansatz zu vermitteln.

  5. Nachdem ein erster Eindruck vermittelt wurde, wie man selber sowohl konkret meditieren wie auch empirisch seine Erfahrungen analysieren kann, kann man den individuellen Prozess in größere Kontexte einbetten wie (i) Beispiele von traditionellen Deutungen anhand von prominenten Texten aus der Überlieferung oder (ii) Beispiele aus der Arbeitsweise der verhaltensbasierten Psychologie und der etwas differenzierteren Psychoanalyse oder (iii) Beispielen aus der Philosophie und der Wissenschaftsphilosophie.

Wie man aus diesem kleinen Aufriss entnehmen kann, stellt ein einzelnes Modul nur ein minimales Kick-Off dar, für eine allererste Idee, wie es gehen könnte. Im Grunde genommen bräuchte man für jeden der genannten Punkte (i) – (iii) ein eigenes Modul, und selbst dies wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Hieran kann man erahnen, wie schwierig die Ausbildung einer eigenen konkreten Selbsterfahrungs-Praxis mit einer wissenschaftlichen Begleitung eigentlich ist, und wir dürfen uns nicht wundern, wenn so viele Menschen heute sich im Strom der Ereignisse schnell ‚verloren‘ vorkommen… sogenannte ‚Patentantworten‘ sind nicht notwendigerweise ‚richtige Antworten’…

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