DONALD A.NORMAN, THINGS THAT MAKE US SMART – Teil 4

Diesem Beitrag ging voraus Teil 3.

BISHER

In den vorausgehenden Teilen wurden bislang zwei Aspekte sichtbar: einmal die ‚Menschenvergessenheit‘ in der Entwicklung und Nutzung von Technologie sowie die Einbeziehung von ‚wissensunterstützenden Dingen‘ sowohl außerhalb des Körpers (physisch) wie auch im Denken selber (kognitiv). Ferner hatte Norman die Vielfalt des Denkens auf zwei ‚Arbeitsweisen‘ reduziert: die ‚erfahrungsorientierte‘ Vorgehensweise, ohne explizite Reflexion (die aber über ‚Training‘ implizit in die Erfahrung eingegangen sein kann), und die ‚reflektierende‘ Vorgehensweise. Er unterschied ferner grob zwischen dem Sammeln (‚accretion‘) von Fakten, einer ‚Abstimmung‘ (‚tuning‘) der verschiedenen Parameter für ein reibungsloses Laufen, Schreiben, Sprechen, usw., und einer Restrukturierung (‚restructuring‘) vorhandener begrifflicher Konzepte. Ferner sieht er in der ‚Motivation‘ einen wichtigen Faktor.

WEITER

1) Im folgenden Kapitel macht er nochmals deutlich, dass der menschliche Geist ohne externe Hilfsmittel sehr beschränkt, sehr hilflos ist. (vgl. S.43) Die primären erweiternden Technologien sieht er im Lesen (was Texte voraussetzt) und Schreiben (was Schreibmöglichkeiten voraussetzt, Zeichensysteme).(vgl. S.44). In diesem Sinne wiederholt Norman die These, dass es ‚Dinge‘ sind, die uns ‚intelligent machen‘ („It is things that make us smart“ (S.44)).
2) Mit Bezug auf Susan Noakes nimmt Norman an, dass es im Mittelalter unter den ‚Intellektuellen‘ üblich war, Geschriebenes (ergänzt um Gemaltes, Kommentiertes) nicht einfach ‚runter zu lesen‘, sondern mit dem Geschriebenen in einen Dialog zu treten, zu hinterfragen, zu befragen, zu kommentieren. (vgl. S.46)

REPRÄSENTATION

3) Norman wird dann konkreter. Ausgehend von der Kommunikation mittels Zeichen (’symbols‘) führt er die Unterscheidung ein zwischen dem Zeichenmaterial (Klang, Geste, Schriftzeichen,….) und dem, worauf es sich bezieht (‚refers to‘). In einer solchen Zeichenbeziehung kann man sagen, dass das Zeichenmaterial das Bezeichnete ‚repräsentiert‘ (‚represents‘). (vgl. S.47)
4) Zusätzlich zum repräsentierenden Zeichenmaterial und dem Bezeichneten führt Norman noch ein Drittes ein, die ‚Abstraktion‘ (‚abstraction‘). Unser Denken ‚abstrahiert‘ aus dem Wahrgenommenen einen Bündel von Eigenschaften, das dann kognitiv das auslösende Objekt repräsentiert, und auf dieses Abstraktum bezieht sich dann das Zeichenmaterial, also OBJ_real —> ABSTR_cogn —> ZCHN_real.(vgl. S.47) Allerdings können auch reale Objekte genutzt werden, um bestimmte Eigenschaften von anderen realen Objektven zu repräsentieren, also OBJ_real —> ABSTR_real —> ZCHN_real. (vgl. S.48) Wichtig ist, dass die Abstraktionen verschieden sind von den Objekten, die sie repräsentieren und dass sie Vereinfachungen darstellen, Hervorhebung von interessierenden Eigenschaften, die in gewissen Sinne Manipulationen zulassen, um mögliche potentielle Kombinationen dieser Eigenschaften rein gedanklich zu untersuchen.(vgl. S.49)
5) Norman differenziert dann nochmals weiter: er unterscheidet (i) zwischen der Welt, die repräsentiert werden soll (Objekte, Konzepte), (ii) einer Welt von Symbolen (= Zeichenmaterial), und (iii) einem Interpreten (I), der die Beziehung (‚relationships‘) zwischen dem Bezeichneten (O) und dem Bezeichnendem (S) verwaltet. Man müsste also minimal schreiben I: O —> S der Interpreter I bildet Objekte auf Symbole ab und umgekehrt I: S —> O. Wobei das gleiche Objekt o in O verschiedene s_i in S meinen kann und umgekehrt.(vgl. S.49f, S.259f).
6) [Anmerkung: Norman zitiert ja generell fast gar nicht die Quellen, die er benutzt. Hier ist es aber besonders ärgerlich, da er mit dieser Begrifflichkeit den Bereich der Semiotik (Semiotics) betritt, in dem es viele Publikation zum Thema gibt. Die von ihm benutzte Terminologie I,O,S findet sich ziemlich genau bei Peirce wieder, aber auch bei vielen anderen Semiotikern, z.B. Saussure oder Morris.]
7) [Anmerkung: Letztlich bleiben diese Begriffe aber alle etwas vage und unscharf. Das zeigt sich an vielen konkreten Beispielen. Wenn er z.B. eine Skizze als Repräsentation einer realen Szene (=O) als eine Art Modell (Mod(O)) benutzt, die auch in Abwesenheit der realen Szene benutzt werden kann (dann als S), um über die reale Szene zu sprechen. Andererseits kann die Skizze selbst ein Objekt (=O) sein, auf das andere Symbole (S) Bezug nehmen. Nur der jeweilige Interpreter (=I) kann entscheiden, welche Beziehung gerade vorliegt. Ebenso können wir uns von realen Szenen (=O) (oder auch von Skizzen von realen Szenen!) rein abstrakte Konzepte bilden, die diese Objekte repräsentieren (=Abstr(O)). Diese abstrakten Konzepte sind keine Symbole (S). Sie können aber in Abwesenheit von den realen Objekten als Quasi-Objekte für Symbole benutzt werden (z.B. verschiedene reale Objekte, die wir als ‚Stühle‘ bezeichnen erlauben die Bildung eines abstrakten Konzepts von ‚Stuhl_abstr‘. Die Bedeutung des Wortes (= Symbols) ‚Stuhl‘ ist dann kodiert in der Abstraktion ‚Stuhl_abstr‘ mit Bezug auf die auslösenden realen Stuhl-Objekte. Dies alles würde folgende Verallgemeinerung nahelegen: (i) es gibt ‚auslösende Objekte (O)‘, um Abstraktionen auszulösen, die entweder als reale Strukturen realisiert werden Abstr_real(O) oder als rein gedankliche, kognitive Abstraktionen Abstr_cog(O). Bei realen Abstraktionen Abstr_real(O) spricht man oft auch von ‚Modellen‘. Symbole (S) im Sinne von Zeichenmaterial kann sowohl auf reale Objekte direkt Bezug nehmen als I: S —> O oder – was im Falle der Sprache üblicher ist – indirekt durch Bezugnahme auf Abstraktionen I: O —> Abstr_x(O) und I: Abstr_x(O) —> S. In Grenzfällen kann eine reale Abstraktion Abstr_real(O), also ein Modell Abstr-real(O) = Mod(O), auch als Symbol für ein reales Objekt dienen, also I: Abstr_real(O) = S —> O. Hier eröffnen sich sehr viele weitere Fragen, auf die später noch eingegangen werden soll.]
8) [Anmerkung: Warum Norman ein Modell Mod(O) eines realen Objektes (O) nicht nur als ‚Repräsentation‘ des realen Objektes bezeichnet, sondern zugleich auch als ‚Metarepräsentation‘ (‚representation of a representation‘) erschließt sich mir nicht.(vgl. 51) ]
9) Andererseits gibt es natürlich die Möglichkeit, mit Hilfe von realen Abstraktionen (Skizzen, Diagrammen, Formeln,…) Zusammenhänge sichtbar zu machen und zu ’speichern‘, die ohne solche realen Abstraktionen nur schwer oder gar nicht ‚gedacht‘ werden könnten, und diese Abstraktionen können durch Bezugnahmen untereinander immer ‚höhere Ordnungen‘ (‚higher order‘) von Abstraktionen bilden.(vgl. S.51)
10) [Anmerkung: Diese Fähigkeit der Bildung von ‚Abstraktionen höherer Ordnung‘ setzt voraus, dass jede Abstraktion Abstr_x() zu einem ’neuen Objekt‘ wird, also zu einem ‚Objekt höherer Ordnung‘. Also O —> Abstr_x(O) = O1 —> Abstr_x(O1) = O2 … . In der Tat zeigt die Erfahrung, dass solche Abstraktionsketten ohne Hilfsmittel, ohne Artefakte, vom normalen Gehirn nicht bewältigt werden können.]
11) Auf den SS.53-75 beschreibt Norman dann anhand einer Reihe von Beispielen (game of 15, ticktacktoe, airline schedules, medical prescriptions, numbers, diagrams) weitere Aspekte von realen Abstraktionen, die gedacht sind, wichtige Eigenschaften von Objekten (O) als Abstr_real(O) zu repräsentieren. Reale Abstraktionen Abstr_real(O), die die Eigenschaften unserer sensorischen Wahrnehmung gut ausnutzen, können leichter verarbeitet werden, als wenn sie diesen entgegen stehen. Dies gilt aber nur dann, wenn die reale Abstraktion mit ihren konkreten Eigenschaften mit den wichtigen Eigenschaften des abzubildenden Objektes (O) gut übereinstimmen.

Fortsetzung folgt mit Teil 5.

LITERATURVERWEISE

Susan Noakes, Timely Reading: Between Exegesis and Interpretation. Ithaca, N.Y., and London: Cornell University Press, 1988. Pp. xv,

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