Archiv der Kategorie: Externe Welt

Alltagsdenken (1)

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 13.März 2010
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org
Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

(1) Es gibt unterschiedliche Perspektiven, wie man das, was wir als ‚Denken‘ bezeichnen, betrachten kann. Je nachdem, welche dieser Perspektiven wir wählen, ergibt sich ein ganz unterschiedliches Bild von diesem ‚Denken‘.

(2) Die am weitesten verbreitete Betrachtungsweise ist wohl jene, die wir ALLTAGSDENKEN nennen.  Im Folgenden einige Annahmen zu diesem Alltagsdenken ‚im Normalfall‘.

(3) Im Alltagsdenken nehmen wir an, daß es eine für alle Menschen  GEMEINSAME EXTERNE WELT gibt, deren EREIGNISSE wir WAHRNEHMEN können.

(4) Das, was wir wahrnehmen, ist uns BEWUSST.

(5) Wir ERLEBEN diese WAHRGENOMMENEN EREIGNISSE als etwas, das sich anhand von inhärenten EIGENSCHAFTEN (Qualia)  UNTERSCHEIDEN läßt (diese wahrgenommenen Ereignisse nenne ich technisch  ‚Phänomene‘).

(6) Es wird zudem unterstellt, daß das, was wir WAHRNEHMEN, mehr oder weniger auch dem entspricht, was ‚da draußen‘ IN DER WELT VORKOMMT.

(7) Wir können auch feststellen, daß das Phänomen Ph, das wir AKTUELL wahrnehmen, ÄHNLICH oder GLEICH einem Phänomen Ph*, das wir VORHER WAHRGENOMMEN hatten.

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Gedächtnis (Memory) kann Ereignisse ’speichern‘

(8) Wir führen diese WIEDERERKENNBARKEIT darauf zurück, daß wir annehmen, daß wir ein GEDÄCHTNIS haben, das WAHRGENOMMENES irgendwie SPEICHERN und dann beim AUFTRETEN ÄHNLICHER EREIGNISSE wieder ERINNERT.

(9) Wir unterstellen auch, daß wir normalerweise über WENIGSTENS EINE SPRACHE verfügen, mit der wir ÜBER das, was wir WAHRNEHMEN, SPRECHEN können.

(10) Sofern wir über VORKOMMNISSE IN DER WELT sprechen, kann ein Beobachter (Observer, O)  nachvollziehen, was ein ANDERER MEINT, wenn er sagt, ich sehe jetzt etwas (das gemeinsam Wahrnehmbare), das ich Ph1 nenne. Oder wenn ein ANDERER sagt, daß er jetzt etwas sieht, das er Ph1 nennt, das er aber FRÜHER schon einmal gesehen hat.

(11) Dies alles setzt voraus, daß der BEOBACHTER und der BERICHTENDE MENSCH (der ANDERE) hinreichend ‚BAUGLEICH‘ sind, daß sie hinreichend lang eine GEMEINSAME WAHRNEHMUNSGESCHICHTE haben und daß sie die GLEICHE SPRACHE sprechen. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, funktioniert dieses Modell nicht (z.B. wenn der Beobachter farbenblind ist oder er siehr den anderen Menschen nur ganz kurz (ohne Vorgeschichte) oder er versteht dessen Sprache nicht).

(12)Spricht jemand über ERLEBNISSE IN SEINEM BEUSSTSEIN (Phänomene), die NICHT zugleich auch VORKOMMNISSE IN DER WELT sind, wird es schwieriger. Sofern die Phänomene ERINNERUNGEN von Vorkommnissen in der Welt sind ist es meist möglich, daß ein BEOBACHTER VERSTEHT, was der ANDERE MEINT wenn er über seine aktuellen PHÄNOMENE SPRICHT (z.B. die Erinnerung an ein rotes Auto, das man gemeinsam gesehen hatte). Handelt es sich aber um Phänomene (Erlebnisse), die KÖRPERINTERN verursacht sind (Z.b. irgendwelche BEDÜRFNISSE, irgendwelche GEFÜHLE), dann ist es nicht mehr so einfach, zu klären, ob der BEOBACHTER noch VERSTEHEN kann, was der ANDERE MEINT, wenn er DARÜBER SPRICHT. Sofern der ANDERE ‚Hunger‘ hat und der BEOBACHTER –weil er ‚baugleich‘ ist–, auch regelmäßig ‚hungrig‘ ist, schaffen es erfahrungsgemäß beide, sich auf Dauer zu verständigen. Wenn der ANDERE aber irendwelche GEFÜHLE ‚empfindet‘, die der BEOBACHTER so noch nie hatte, wird er niemals in der Lage sein, zu VERSTEHEN, was der ANDERE MEINT, wenn er so spricht.

(13) Es hat sich eingebürgert, solche Aussagen, die ÜBER Vorkommnisse IN DER WELT handeln (aktuell oder erinnert), EMPIRISCHE Aussagen zu nennen, und alle anderen SUBJEKTIVE.

(14) EMPIRISCHE Aussagen beziehen sich auf VORKOMMNISSE, die ALLEN MENSCHEN GEMEINSAM sein können, also Vorkommnisse in der ALLEN GEMEINSAMEN EXTERNEN WELT. In einem abgeschwächten Sinne kann man auch noch jene Aussagen hinzunehmen, die ÜBER Vorkommnisse sprechen, die aus dem BAUGLEICHEN KÖRPER WIEDERHOLBAR resultieren.

(15) SUBJEKTIVE Aussagen wären dann alle anderen. Sofern ein ANDERER irgenwelche Erlebnisse hat, die sich nicht mit wiederholbaren GEMEINSAMKEITEN in Beziehung setzen lassen, sind sie mit der Sprache nicht kommunizierbar. Hier beginnt entweder das INDIREKTE Sprechen oder gar die SPRACHLOSIGKEIT.
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Sprechen über Phänomene

FORTSETZUNG HIER

DER SUBJEKTIVE RAHMEN DER OBJEKTIVEN WELT

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062,

17.Januar 2010
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

(1) Empirische Wissenschaft definiert sich normalerweise über Messoperationen. Alles, was sich mittels eines bestimmten Messverfahrens messen läßt, gilt als gemessener = objektiver Wert (z.B. ‚5 m‘, ‚3.5 s‘, ‚2.33 kg‘, …).

(2) Die Ergenisse von empirischen Messungen M_Emp müssen unabhänig von der Person sein, die die Messung vornimmt, der Vorgang M als solcher muss wiederholbar sein und ‚unter gleichen Umständen‘ sollte das Ergebnis reproduzierbar sein. Im übrigen sollte der Messvorgang auch ’standardisiert‘ und die Messaparatur ‚zertifiziert‘ sein.

(3) Messungen beziehen sich immer auf einen bestimmten ‚Zeitpunkt‘ t (oder ein geeignetes Zeitintervall), auf ein bestimmtes ‚Raumgebiet‘ R, geschehen unter bestimmten ‚Umgebungsbedingungen‘ E und können in einer Sprache L_Measure protokolliert werden. (‚Zeitpunkt‘ setzt eine geeignete ‚Uhr‘ voraus, die in ein international synchronisiertes Zeitsystem (UTC) eingebunden ist und ‚Raumgebiet‘ setzt entsprechend eine international gültige ‚Ortung‘ voraus; ‚Umgebungsbedingungen‘ beruhen ebenfalls auf Messwerten  oder ‚Beobachtungen‘. ).

(4) Messwerte als solche M_Emp_t_R_E sind isolierte Fakten ohne jeden Zusammenhang; sie liegen vor als Ereignisse im ‚intersubjektiven‘ Raum, der allen Menschen mit einem ’normalen‘ Wahrnehmungsapparat zugänglich ist.

(5) Für einen einzelnen Menschen gibt es objektive Messwerte nur in der Form subjektiver Wahrnehmung! Nur als ‚Ereignis im Bewusstsein‘ (:= Phänomen, Ph) hat ein Mensch Kenntnis von Messwerten. Entsprechendes gilt auch von dem objektiven Messvorgang M als solchem: was immer objektiv geschieht, der einzelne Mensch ‚weiss‘ davon nur insoweit diese objektiven Ereignisse als subjektive Ereignisse Ph_M im Bewusstsein ‚irgendwie repräsentiert‘ sind. Die subjektive Repräsentation von objektiven Messwerten kann bekanntlich ‚verzerrt‘ oder ‚grob falsch‘ sein.

(6) Empirische Messwerte M_Emp sind also –sofern Sie Teil eines subjektiven Wissens sind– immer zugleich auch Phänomene Ph_Memp.

(7) Generell gilt, dass alle Arten von Messwerten (zum Gehirn M_Emp_Brain, zum Körper M_Emp_Body, zu kulturellen Artefakten M_Emp_Culture, zur Erde M_EMP_Earth, usw.) für den einzelnen nur existieren, wenn sie Eingang in das Bewusstsein (Consciousness, Consc) der betreffenden Person gefunden haben, d.h. wenn die objektiven Messwerte als subjektive Phänomene vorliegen, also MEmp_Brain als Ph_MEmp_Brain, M_Emp_Body als Ph_M_Emp_Body, usw.

(8) Im Bewusstsein gibt es solche Phänomene, die aus Wahrnehmungen intersubjektiver Zusammenhänge stammen Ph_Emp und solche, die nicht aus intersubjektiven Zusammenhängen stammen –Ph_Emp. Ferner kann man grob unterscheiden zwischen jenen Phänomenen Ph_Concr, die ‚einzelne‘ Fakten (wie z.B. Messwerte) repräsentieren, als auch solche Ph_Abstr, die ‚Abstraktionen‘ von vielen möglichen einzelnen Fakten darstellen bzw. solche Ph_Rel, die ‚Beziehungen‘ repräsentieren. Die abstrahierenden und beziehungsrepräsenterenden Phänomene sind –aus Sicht der subjektiven Wahrnehmung– quasi ‚Eigenleistungen‘ des Bewusstseins. Vereinfachend kann man sagen, dass ‚abstrakte Modelle‘ Ph_Mod  bzw. ‚abstrakte Theorien‘ Ph_Th ‚Kompositionen‘ von abstrakten Konzepten und Relationen darstellen.

(9) Eine über den isolierten Zeitpunkt und über das isolierte Raumgebiet hinausgehende ‚Bedeutung‘ können Messwerte nur gewinnen, wenn man sie in abstrakte Konzepte und abstrakte Beziehungen ‚einbetten‘ kann, wie sie ausschliesslich als subjektive abstrahierende und beziehende Phänomene vorkommen. Diese ‚allgemeineren‘ Strukturen sind ‚rein subjektive‘ Leistungen, die mit den Phänomenen aus dem intersubjektiven Raum (z.B. Messwerten) innerhalb des Bewusstseins eine ‚Symbiose‘ eingehen. Hier stellen sich interessante Fragen nach einer möglichen ‚Konformität‘ der subjektiven interpretierenden Strukturen (Modelle, Theorien) mit den isolierten empirischen Phänomenen (diese Problematik war/ist Thema verschiedener philosophischer ‚Wahrheitstheorien‘ bzw. auch wissenschaftstheoretischer Diskussionen über die ‚Falsifizierbarkeit‘ bzw.  der ‚Verifizierbarkeit‘ von Theorien).

(10) Was man hier erkennen kann, ist die Tatsache, dass Begriffe wie ‚aussen‘, ‚empirisch‘, ‚objektiv‘, ‚intersubjektiv‘ usw. angeleitete Begriffe sind, sozusagen Hypothesen auf der Basis der subjektiven Wahrnehmung.

(11) Das Bewusstsein erscheint mit ‚fliessenden Grenzen‘, ‚variierenden Inhalten‘, ’schwankenden Strukturen‘.

(12) Anhand von empirischen Daten zum Gehirn (die selbst als subjektive Erlebnisse vorliegen müssen, um gedanklich verarbeitet werden zu können), die mit Bewusstseinszuständen zeitlich korreliert werden, kann man Hypothesen über einen möglichen funktionellen Zusammenhang zwischen messbaren Gehirnprozessen und phänomenalen Gegebenheiten herstellen. Solche Daten deuten darauf hin (klare Erkenntnisse gibt es noch nicht), dass die bewussten Inhalte nur einen kleinen Teil der Ereignisse im Gehirn (und Körper) widerspiegeln. Ferner ist das, was repräsentiert wird, variable, dynamisch: im ‚Wachzustand‘ sind es z.T.  andere Ereignisse, die ‚zugänglich‘ sind als im ‚Schlafzustand‘ oder in anderen ‚Bewusstseinsmodi‘. Prinzipiell ist heutzutage nicht auszuschliessen, dass über Bewusstseinszustände auch solche Ereignisse partiell zugänglich sind, die klassischerweise als ‚vor-‚ oder ‚unterbewusst‘ bezeichnet werden.

(13) Bei der ‚Interpretation‘ der Bewusstseinsinhalte ist es allerdings schwierig, diese ‚einzuordnen‘ sofern sich die auslösenden Prozesse von einer klaren Zuordnung zu kontrollierbaren körperlichen oder interpersonalen Prozessen entfernen. Letztlich ist dann eine ‚Semantik‘ nicht mehr rational herstellbar und damit jegliche Deutung ‚willkürlich‘. Im Bereich der ‚Mystik‘ gibt es in allen Religionen quer zu allen Kulturen Berichte von ‚Erlebnissen besonderer Art‘ die, sofern sie sich nicht unterangebbaren Bedingungen reproduzieren lassen, subjektiv sehr ‚farbig‘ sein können, die aber einer Deutung im Kontext einer ‚Welterklärung‘ unzugänglich sind.

(14) Audio-Datei: Hier

Epistemology of the Consciousness

Die direkte Fortsetzung zu diesem Beitrag findet sich HIER.

Eine inhaltlich passende Fortsezung findet sich HIER.

Selbstbewusstsein – Bewusstseinsinhalte – Schlüssel zur Welt

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062

31.Dezember 2009
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

(1) Wenn wir davon ausgehen, dass das Selbstbewusstsein eine Funktion des Gehirns ist, dann muss mit jedem wahrnehmbaren Aspekt des Selbstbewusstseins ein neuronaler Prozess korrelieren (Üblicherweise spricht man bei Phänomenen des Selbstbewusstseins von ‚mentalen‘, ‚phänomenalen‘, ‚psychischen‘ oder ‚geistigen‘ Phänomenen).

(2) Da die gleiche Funktion von unterschiedlichen Strukturen realisiert werden kann muss die Zuordnung von  ‚geistigen‘ Phänomenen zu korrelierenden neuronalen Strukturen nicht eindeutig sein.

(3) Viele Fakten sprechen dafür, dass die ‚mentalen‘ Phänomene nicht einer einzelnen neuronalen Struktur zugeordnet sind, sondern sehr vielen verschiedenen neuronalen Strukturen gleichzeitig.

(4) Die konkrete aktuelle Zusammensetzung jener neuronalen Substrukturen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem  ‚Selbstbewusstsein‘ korrelieren, ist ‚dynamisch‘, d.h. sie verändert sich beständig, abhängig von körperlichen Zuständen und wahrgenommenen Umgebungsmerkmalen.

(5) Neben den veränderlichen physiologischen und sensorisch erfassbaren Umweltzuständen ist das Gehirn grundsätzlich ‚lernfähig‘; dadurch verändert sich das Gehirn beständig und ist zu keinem Zeitpunkt im gleichen Zustand wie vorher.

(6) Bis zum Tod des Trägerorganismus ist das Gehirn ferner dem ‚ontogenetischen‘ Prozess unterworfen; dies impliziert Wachstumsprozesse, die niemals vollständig zum Stillstand kommen.

(7) Die individuelle Ontogenese ist eingebettet in die ‚Phyologenese‘ der betreffenden Art. Diese beinhaltet evolutionäre Elemente, die zur Veränderung des grundlegenden genetischen Bauplans mit beitragen.

(8) Zu keinem Zeitpunkt sind alle neuronalen Substrukturen gleichzeitig im Selbstbewusstsein präsent.

(9) Was Inhalt des Selbstbewusstseins sein kann hängt von seinen verschiedenen ‚Modi‘ ab: ‚Wachzustand‘, ‚Schlafzustand‘, ‚Träumen‘, ‚Meditieren‘, “Ekstase‘, und vieles mehr. Alle diese verschiedenen Bewusstseins-Modi weisen charakteristische reproduzierbare Eigenschaften auf, durch die sie sich unterscheiden lassen.

(10) Abhängig von den verschiedenen Bewusstseinsmodi ändern sich die ‚Bewusstseinsinhalte‘.

(11) Während schon im Wachzustand der ‚Schluss‘ von einem bestimmten ‚Bewusstseinsinhalt‘ auf eine ‚Eigenschaft der umgebenden Welt‘ nicht unproblematisch ist und immer überprüft werden muss, stellt sich die Frage des Zusammenhanges zwischen einem Bewusstseinsinhalt und einer darüber hinausweisenden (transzendenten) Realität jenseits des Bewusstseins im Falle der anderen Bewusstseinsmodi  verschärft. Selbst schon die Frage, welchem Bewusstseinsinhalt welcher körperliche Vorgang korrespondieren kann ist in der Regel nicht leicht zu beantworten.

(12) Die Fähigkeit des Gehirns, zu ‚lernen‘, indem Wahrnehmungsmaterial zu allgemeineren Mustern (Modellen) verarbeitet werden, die zu späteren Zeitpunkten benutzt werden können, um aktuelle Wahrnehmungsmuster zu ‚interpretieren‘, ist einerseits eine große Hilfe, kann aber auch zur ‚Last‘ werden, wenn aktuelle Wahrnehmungsmuster ‚falsch‘ gedeutet werden (dies bezieht sich sowohl auf ‚Deutung‘ der ‚umgebenden‘ Welt wie auch auf Deutungen des ‚Ich‘, d.h. des ‚eigenen Organismus‘).

(13) In den ‚Inhalten‘ des Bewusstseins zusammen mit den ‚Formen des Auftretens‘ reproduzieren sich die grundlegenden ‚Verarbeitungsweisen‘ der zugrunde liegenden neuronalen Strukturen. Diese waren –aus der Innensicht des Bewusstseins– immer wieder Gegenstand erkenntnistheoretischer Analysen im Rahmen der klassischen Philosophie (z.B. Descartes, Locke, Hume, Kant, Berckeley, usw.). Besonders die Überlegungen von Kant in seiner ‚Kritik der reinen Vernunft‘ erscheinen auf der Basis der modernen Hirnforschung und Neuropsychologie in neuem Licht.

(14) Während eine Aufklärung dahingehend, wie welche neuronale Strukturen alle diese komplexen mentale Phänomene erzeugen können sicher mehr als spannend ist (und ganz in den Anfängen steckt), kann diese interessante Problemstellung möglicherweise aber ablenken von der viel fundamentaleren Fragestellung, warum und wieso sich diese komplexen geistigen Strukturen aus den bekannten materiellen Strukturen ‚herausbilden‘ können und was dies wiederum für das Ganze des Kosmos sagt.

(15) Nachdem die modernen Wissenschaften die klassischen Ausdrucks- und Interpretationsformen der religiösen Erlebnis- und Erfahrungsformen der Menschheit einige zeit ‚hinter sich‘ gelassen hatte, scheint es nun so zu sein, dass es gerade die ‚vorderste Front‘ der modernen Wissenschaften ist, die die Fragen nach dem ‚Gesamtzusammenhang‘ des Kosmos mit einem ‚innewohnenden geistigen Prinzip‘ von neuem geradezu aufzwingt: diese mögliche neue ‚Kosmologie‘ nimmt dabei die ‚alte‘ ‚theologia naturalis‘ in sich auf und macht die lang gepflegte Gegenübersetzung von ‚Wissenschaft‘ und ‚Theologie‘ obsolet. Visionen wie die von z.B. Teilhard de Chardin –wenngleich mit Modifikationen– könnten eine nachträgliche Rechtfertigung bekommen.

(16) Das gern gepflegte Stereotyp von der ‚ich-zentrierten westlichen Rationalität‘ gegenüber der ‚ich-freien östlichen Spiritualität‘ würde in diesem Zusammenhang auch als überholt eingeordnet werden innerhalb eines dynamischeren Konzeptes von ‚Bewusstsein‘, ‚Geist‘ und ‚Materie‘ (zumal auch innerhalb der westlichen Mystik (jüdisch, christlich und muslimisch!) die ‚Auflösung‘ des ‚Ich‘ innerhalb einer dynamischen Einheit von ‚Schöpfer und Geschöpf‘ schon immer bekannt war, wenngleich von der institutionalisierten Religion in Form von institutionellen Hierarchien  mehr unterdrückt als gefördert wurde).

(17) Audio-Datei: Hier

Consciousness as part of the brain

Some soundexperiment from the past …

Die direkte Fortsetzung zu diesem Beitrag findet sich HIER.

Hinter den Phänomenen

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062

21.Dezember 2009
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Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

(1)Das, was ein Mensch als erstes von der Welt bewusst erlebt, das sind die Zustände seines Bewusstseins (Consciousness)
(2)Das Bewusstsein ist eine Funktion des Gehirns, das Teil eines Körpers ist.
(3)Der Körper hat eine lange Geschichte hinter sich (Evolution).
(4)Ein Körper integriert viele komplexe Organe, die aus komplexen Substrukturen bestehen, die letztlich auf der Integration von vielen Zellen beruhen.
(5)Zellen repräsentieren komplexe Organisationen von Molekülen.
(6)Moleküle sind komplexe Organisationen von Atomen
(7)Atome sind Abstraktionen von komplexen Strukturen mit subatomaren Partikeln
(8)Der Bereich der subatomaren Partikeln läßt sich mit allgemeinen Gesetzen beschreiben (Materie, Energie, Symmetrien…)
(9)Eines der bekannten Gesetze ist das Gesetz der Entropie.
(10) Die Bildung von Strukturen, die über Atome hinausgehen, repräsentieren lokale Ordnungen, die der Entropie widersprechen.
(11) Oberhalb der Molekülstrukturen gibt es Strukturen (DNA), die Informationen repräsentieren und die als ‚Bauanleitungen‘ funktionieren können.
(12) Das, was wir als ‚Leben‘ bezeichnen, widerspricht allen bislang bekannten Gesetzen des Universums (wir kennen möglicherweise noch zu wenig(e)).
(13) Jenseits der DNA gibt es mehr und mehr komplexe Strukturen, die eine dynamische  Kodierung von Informationen erlauben.
(14) Eine Struktur der Informationsrepräsentation und -verarbeitung is das Gehirn. Seine Komplexität  widersetzt sich bislang unserer Fähigkeit, sie zu verstehen.
(15) Eine Eigenschaft des Gehirns ist der Raum des bewussten Erlebens, der sich beständig verändert.
(16) In der Interaktion von menschlichen Gehirnen haben sich Formen ausgebildet, die Artifakte beinhalten, die wir ‚Kultur‘ nennen.
(17) Die Formen des Lebens sind vielfältig, und bilden eine Kette von Emmanationen, die eher andeuten als enthüllen.
(18) Audio-Datei: Hier

The Emergence of Life

Die direkte Fortsetzung findet sich HIER.

Monadischer Charakter des Bewusstseins

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild
ISSN 2365-5062
URL: cognitiveagent.org
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Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

Sa 10.Dezember 2009

Der vorausgehende Beitrag liegt 34 Monate zurück… und doch gibt es einen direkten Zusammenhang.

(1) Ein radikaler Idealismus a la Berkeley oder ein Monismus im Sinne einer Monade a la Leibniz waren in der Philosophie nie besonders populär, noch weniger ausserhalb der Philosophie.

(2) Umso bemerkenswerter, dass es gerade die moderne Gehirnwissenschaft(en) ist (sind), die dieser Sichtweise zu neuer Gültigkeit verhilft.

(3) Stark vereinfacht kann man heute sagen (siehe Bild), dass das, was in der ‚Welt ausserhalb des Körpers‘ geschieht, nur insoweit in das ‚Innere des Körpers‘ gelangt, als es durch geeignete ‚Sensoren‘ von einem Energiezustand in einen anderen ‚konvertiert‘ wird.

(4) Die verschiedenen Sensorarten im Körper (visuell, audidorisch, taktil, olfaktorisch, usw.) erzeugen elektrische Signale auf chemischer Basis. Das Verhältnis zwischen diesen konvertierten messbaren sensorischen Signalen und den auslösenden Energien ist nicht 1-zu-1.

(5) Die sensorischen Signale werden auf unterschiedlichste Weise sowohl zum Gehirn weitergeleitet wie auch auf diesem Wege auf unterschiedliche Weise modifiziert und assoziiert.

(6) Die Zielbereiche der sensorischen Signale sind vielfältig und das, was ‚im‘ Gehirn dann an verschiedenen ‚Orten‘ zu verschiedenen ‚Zeiten‘  als ‚Endprodukt‘ von den sensorischen Signalen benutzt und weiterverarbeitet wird ist wiederum keine 1-zu-1-Abbildung des ursprünglichen sensorischen Signals.

(7) Was immer also das Gehirn in bestimmten Bereichen als ein ‚Modell der sensoisch erfassten Welt‘ ‚konstruiert‘, dieses Modell ist niemals ‚die Welt da draussen‘, sondern eben eine ‚Konstruktion des Gehirns‘ anhand verfügbarer Signale und im Rahmen von verfügbaren ‚Konstruktionsprinzipien‘. Das Gehirn selbst hat keinen direkten Kontakt mit der ‚Welt da draussen‘.

(8) Ähnliches gilt auch für all die sensorischen Signale, die das Gehirn von Sensoren ‚im Körper‘ (propriozeptive Signale) empfängt. So gesehen ist das Körperinnere (ohne das Gehirn) für das Gehirn auch eine ‚Umgebung‘, ein ‚Jenseits‘, dessen Zustände aus vielfach modifizierten sensorischen Signalen ebenfalls in ein ‚konstruiertes Modell des Körpers‘ überführt werden.

(9) In einem permanenten Konstruktionsprozess versucht also das Gehirn auf der Basis verfügbarer sensorischer Daten die dynamischen Umgebungen ‚Körper‘ und ‚Welt‘ durch seine konstruierten Modelle so gut wie möglich ‚anzunähern‘.

(10) Alle empirischen und subjektiven Daten sprechen dafür, dass das ‚Bewusstsein‘ eines Menschen eine dynamische Funktion seines Gehirns ist, d.h. Teile des Gehirns können andere Teile des Gehirns ‚bewusst‘ machen, können ‚integrieren‘, ‚fokussieren‘, ‚assoziieren‘ usw. Dabei läßt sich bis heute nicht eindeutig sagen, welche Teile des Gehirns ‚genau‘ dafür zuständig sind. Es scheint eine sehr variable Konstellation zu sein, die sich von Moment zu Moment umkonfigurieren kann.

(11) Da ein Mensch nur das, was ihm ‚explizit bewusst‘ ist für eine ‚explizite Kommunikation‘ benutzen kann, bildet das Bewusstsein mit seinen dynamischen Inhalten die gemeinsame Schnittstelle zwischen verschiedenen Gehirnen.

(12) Während das Gehirn als solches ‚in sich eingeschlossen‘ ist, bietet symbolische Kommunikation die Möglichkeit, das ‚Innere der Monade‘ partiell zu ‚durchbrechen‘ und zu ‚überwinden‘. In der Kommunikation transzendiert ein monadisches Bewusstsein (sprich ein Gehirn) sich selbst.

(13) Also, Leibniz, Berkeley (und viele Phänomenologen) dürfen auf er Basis der Neurowissenschaften neu gelesen werden.

(14) Eine offene Frage ist für mich, ob es die Gehirnwissenschaften sind, die sich darüber Gedanken machen müßten, wie sie das vorläufige ‚Endprodukt‘ einer evolutionären Gehirnentwicklung, nämlich die ‚kommunikablen Phänomene‘, angemessen theoretisch beschreiben wollen. Eine rein physiologische Betrachtungsweise ist aus methodologischer Sicht abseits der interessierenden Phänomene. Wirkliche Theoriebildung ist in den Gehirnwissenschaften aber stark unterentwickelt (selbst  bei Nobelpreisträgern im Bereich Gehirnwissenschaften ist man sich nicht sicher, ob Sie überhaupt wissen, was eine ‚Theorie‘ ist).

(15) Audio-Datei vom Text: Hier

Environment - Body - Brain - Consciousness

 

Die direkte Fortsetzung findet sich HIER.

Eine spätere Fortsetzung (eine von vielen…) findet sich HIER.

Philosophy Song No. 2020-1

Subjektives contra Dokumentiertes Wissen?

Journal: Philosophie Jetzt – Menschenbild, ISSN 2365-5062, 22.Januar 2007
URL: cognitiveagent.org
Email: info@cognitiveagent.org

Autor: Gerd Doeben-Henisch
Email: gerd@doeben-henisch.de

  1. Im Beitrag vom 21.Januar 2007 habe ich den Begriff des ‚Dokumentierten Wissens‘ eingeführt. Das dokumentierte Wissen stellt einen gewissen Gegenpol zum ‚Subjektiven Wissen‘ dar. Was hat man sich unter diesen beiden Begriffen jeweils vorzustellen?
  2. Der Redekontext zu den Begriffen ‚dokumentiertes Wissen‘ und ’subjektives Wissen‘ setzt voraus, dass es Gesprächsteilnehmer gibt, die von sich sagen können, dass sie ‚erleben‘ können, dass sie ‚Wissen‘ ‚um sich selbst‘ und ‚von der Welt mit ihnen‘ haben.
  3. Wenn jemand von sich sagen kann, dass er ‚erlebt‘ und dass er Wissen ‚von sich selbst‘ und von ‚der Welt mit ihm‘ hat, dann gestehen wir ihm ’subjektives Wissen‘ zu. ‚In sich selbst‘ verspürt er unterschiedliche ‚Zustände‘, hat er ‚Erlebnisse‘, weiss er um ‚Phänomene‘, hat ‚Vorstellungen‘, hat ‚Gefühle‘, hat ‚Ideen‘, kann diese ‚unterscheiden‘, kann diesen Phänomenen unterschiedlichste ‚Eigenschaften‘ zuschreiben, kann zwischen diesen Eigenschaften und Phänomenen unterschiedlichste ‚Beziehungen‘ erkennen. Insgesamt sind alle diese Phänomene ’seine‘ Phänomene, Teil ’seines‘ Erlebens, Denkens, Wollens.
  4. ‚Dokumentiertes Wissen‘ war zu irgendeinem früheren Zeitpunkt einmal subjektives Wissen, das durch einen ‚kommunikativen Akt‘ in dokumentiertes Wissen transformiert worden ist.
  5. Subjektives Wissen ist das Wissen, das ein ‚Ich‘ von etwas hat. Man nennt diese Form des Wissens auch ‚Bewusstsein‘ (Sein im Wissen eines Ich). In diesem Sinne ist Bewusstsein ‚monadisch‘, es kennt nur’sich selbst‘ und ‚das Andere‘ nur in der Form des ‚Für sich seins‘, d.h. nur in der Weise, wie das Andere im Bewusstsein dem Ich ‚erscheint‘ als ‚Etwas‘, nicht das Andere, wie es ‚An sich‘ ist oder gar ‚im Anderen für sich‘ ist.
  6. Die Rede vom ‚Dokumentierten Wissen‘ setzt strenggenommen den Standpunkt eines ‚Dritten‘ voraus, der das ‚Entstehen‘ von dokumentiertem Wissen im ‚intersubjektiven Raum‘ ‚beobachten‘ und feststellen‘ kann. Wenn ein Kommunizierender –normalerweise eine menschliche Person– durch kommunikative Akte ‚interne Zustände‘ in ‚externe Zustände‘ überführt, die ‚Wissen repräsentieren‘, dann entsteht ‚Dokumentiertes Wissen‘.
  7. Den Standpunkt eines ‚Dritten‘ gibt es aus Sicht eines Bewusstseins aber nur als ‚Fiktion‘, denn ein Bewusstein ist monadisch; es kann nicht wirklich aus sich heraustreten. Ein Bewusstsein B1 kann nur durch kommunikative Akte ein ‚Anderes‘ A so setzen, dass unter bestimmten Bedingungen ein ‚anderes Bewusstsein‘ B2 das von Bewusstsein B1 gesetzte andere A auch als ein Anderes A erkennt, das von Bewusstsein B1 gesetzt wurde. Je nach Umständen ist der Bezug des Anderen A zum hervorbringenden Bewusstsein B1, das in dem anderen Bewusstsein B2 ‚erkannt‘ wird, für das Bewusstsein B2 nicht mehr erkennbar, d.h. das andere Bewusstsein B2 erkennt nur A, nicht das Andere als von B1 gesetzt, also nicht B1(A).

Es hat dann 34 Monate gedauert, bis es in diesem Blog dann weiter ging …. HIER.

… some anarchistic music piece

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