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Randbemerkung: Komplexitätsentwicklung (Singularität(en)) – Teil 2

Letzte Änderung: 24.Mai 2013, 09h15m

1) In dem vorausgehenden Beitrag Komplexitätsentwicklung – Teil 1 gab es erste Skizzen zu möglichen ‚Kurven‘, in denensich in einer ersten Annäherung eine Form von ‚Beschleunigung‘ komplexitätssteigernder Ereignisse andeutete. Irgendwie haben diese Gedanken weitergearbeitet. Nach weiterem Durchdenken und Betrachten verfügbarer Daten hat sich das Bild weiter verschärft, ohne dass ich zu weit gehen konnte; dazu fehlt einfach die Zeit.
2) Das nachfolgende Bild zeigt exemplarisch in der ersten Spalte Daten von evolutionären Ereignissen, die stattgefunden haben, und zwar wieviele Jahre ‚vor heute‘ (Before NOW = 2013)(in Mrd.Jahren, 10^9). In der zweiten Spalte ist die Differenz zwischen jeweils zwei benachbarten Jahren angegeben, d.h. wie lange hat es gedauert, bis es zum nächsten Ereignis kam. Da diese Zahlen in einer Spannweite von 10^10 bis 10^0 liegen, habe ich diese in LOG-Werte umgerechnet (z.B. log(1000)=6.9077553). Dadurch rücken die Zahlen enger zusammen.

The Event Time is given in 10^9 years before NOW=2013. The Differences are tacken from two adjacent events. The LOG-values are taken from the differences
The Event Time is given in 10^9 years before NOW=2013. The Differences are tacken from two adjacent events. The LOG-values are taken from the differences

3) Im Allgemeinen gilt, wenn eine Folge von Werten LOG-Werte darstellen (siehe folgendes Bild), die man als eine (monoton steigende) Gerade repräsentieren kann, dann repräsentieren die zugehörigen Ausgangswert eine exponentiell ansteigende Kurve (siehe nachfolgendes Bild).

Lineare Log-Werte (oberes Bild) können exponentiell wachsende Ausgangswerte (unteres Bild) repräsentieren
Lineare Log-Werte (oberes Bild) können exponentiell wachsende Ausgangswerte (unteres Bild) repräsentieren

4) Betrachtet man (im nachfolgenden Bild) die LOG-Werte der realen Abstände zwischen den realen Ereignissen, dann bilden diese zwar keine ideale Gerade, man kann aber deutlich erkennen, dass sie monoton fallend sind, was eine Gerade annähert. Dies bedeutet, dass die zugehörigen realen Differenzwert (siehe vorausgehende Tabelle zweite Spalte) sich exponentiell verhalten, und zwar immer schneller immer kleiner werden. Was dazu führt, dass die letzten komplexitätssteigernden Ereignisse so eng beieinanderliegen, dass sie im ursprünglichen Maßstab nicht mehr unterscheidbar sind. Dies stellt eine ‚Verdichtung‘ dar.

Graphical representation of the LOG-values.
Graphical representation of the LOG-values.

5) Die Liste der Ereignisse wurde wie folgt gewählt:

  1. ‚AgeUniv‘ steht für das Alter des bekannten Universums (‚age of universe‘), das vom sogenannten ‚Big Bang‘ aus gerechnet wird.
  2. ‚ChemicalEvolStart‘ steht für den Beginn der chemischen Evolution (’start of chemical evolution‘). Hier kann man zwei Standpunkte einnehmen: Entweder (i) indem man den Beginn der chemischen Evolution generell in die Phase des ersten Auftretens von Atomen überhaupt verlagert, oder (ii) in die Phase der Molekülbildung seit Beginn der Erde. Im Fall (i) würde die chemische Evolution in eine frühe Phase des Big Bangs selbst fallen, da sich schon dort erste Synthesen von Kernen vollzogen haben (siehe: Erste Kernsynthesen); dazu auch Inflationsmodell). Ich tendiere dazu, die chemische Evolution erst nach der Entstehung der Erde zu beginnen lassen, da hier die Ereignisse gezählt werden sollen, die für die biologische Evolution auf der Erde zentral waren. Doch kann man das sicher diskuteren.
  3. ‚BiolEvolStart‘ steht für den Beginn der biologischen Evolution, die mit dem Auftreten erster Zellen beginnt. Nach neuesten Untersuchungen (auch: Ergebnisse 2 wird dies schon einige Zeit vor den ersten archäologisch nachweisbaren Artefakten angeonommen.!
  4. ‚TerraBactStart‘ steht für ‚Terrabakterien‘, den ersten Lebensformen, die das Land besiedelt haben.
  5. ‚MultiCellStart‘ markiert die ersten multizellulären Organismen.
  6. ‚AnimalStart‘ markiert die ersten Tiere.
  7. ‚LandColonStart‘ markiert den Beginn der Kolonisierung des Landes.
  8. ‚UpApesStart‘ steht für den Beginn des aufrechten Gangs, der lange vor dem Auftreten des homo sapiens sapiens stattfand!
  9. ‚StoneTooles‘ markiert das erste Auftreten von Steinwerkzeugen.
  10. ‚HuntingStart‘ markiert den Beginn von Jagden in Gruppen.
  11. ‚FireStart‘ markiert die Erfindung des Feuers.
  12. ‚HomoSap2‘ repräsentiert das Autreten des homo sapiens sapiens in Afrika; nach heutigen Erkenntnissen die Vorfahren aller Menschen, die heute auf der Erde leben.
  13. ‚AgricultureStart‘ der Beginn von Ackerbau und Viehzucht. Die entscheidende Voraussetzung für die Ernährung von mehr Menschen.
  14. ‚CityStart‘: Als eine Konsequenz aus dem fortschreitenden Ackerbau ist die Entwicklung größerer Ansiedlungen bis hin zur Bildung erster Städte (‚CityStart‘).
  15. ‚ScriptStart‘: Es kam ein paar tausend Jahre Später zur Entwicklung der Schrift (‚ScriptStart‘).
  16. ‚RailStart‘: Viele tausend Jahre später kam es zur Erfindung der Eisenbahn (‚ RailStart‘),
  17. des Telefons (‚PhoneStart‘)
  18. und des Autos (‚CarStart‘), die alle zusammen die Verbindung zwischen den Menschen auf dem Land verbesserten.
  19. ‚CompStart‘ leitet das Zeitalter der ‚programmierbaren Maschinen‘ (= Computern) ein.
  20. ‚WWWStart‘ markiert dann den Beginn der Vernetzung von Computern weltweit.

6) Natürlich ist diese Tabelle ergänzungsbedürftig und sicher kann man über Details diskutieren, doch zeigt sich ein grundlegender Tabestand schon mit diesen Daten als kaum noch übersehbar: es gibt eine klare Zunahme an Komplexität, und die Geschwindigkeit dieser Zunahme ist nicht linear sondern exponentiell.
7) Natürlich müsste man hier auch nochmals die Kriterien von Komplexität genauer beschreiben und worin genau die ‚Effekte‘ dieser sich verdichtenden Komplexität bstehen. Dies wird geschehen, sobald ich Zeit haben werde, dies aufzuschreiben.

Keine direkte, aber eine thematische, Fortsetzung findet sich in der Besprechung und Diskussion des Buches An Inventive Uiverse von Denbigh. Siehe zusammenfassend den Teil 4 der Besprechung.

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet man HIER

NOTIZ: WARUM WIR SIND WER WIR SIND UND WAS DAS BEDEUTET

1) Nach unserem heutigen Wissensstand beginnt die Existenz des Körpers eines Exemplars des homo sapiens sapiens auf der heutigen Erde durch die Befruchtung einer bestimmten Zelle im Körper einer Frau durch eine bestimmte Zelle aus dem Körper eines Mannes. Eine von 10 Billionen (10^12) Zellen wird befruchtet, und – unter bestimmten Randbedingungen – beginnt diese Zelle dann zu ‚wachsen‘, d.h. es beginnt ein Teilungs- und Vervielfältigungsprozess, der im Laufe von Monaten und dann Jahren von dieser einen befruchteten Zelle zu einem Körper führt, der ca. 10 Billionen (10^12) Zellen umfassen wird, darin eingebettet ca. eine Billionen (10^12) Bakterien im Körper und etwa die gleiche Zahl auf der Oberfläche des Körpers.
2) Diese Zellen leben nicht ewig sondern werden innerhalb von Tagen/ Wochen/ Monaten – je nachdem, welche Funktion diese Zellen im Körper innehaben – immer wieder durch neue Zellen ersetzt. Der Körper als Körper bleibt gleich, aber seine Bestandteile, die Zellen, werden kontinuierlich ‚ausgetauscht‘, ‚ersetzt‘.
3) Hier gäbe es sehr viele interessante Dinge zu betrachten. Unter anderem stellt sich die Frage, wie diese ca. 10 Billionen Zellen ‚wissen‘ können, was sie jeweils ‚zu tun haben‘; wie kommt es überhaupt zu dieser ‚Selbstorganisation‘ der vielen Zellen aufgegliedert nach unterschiedlichen ‚Körperorganen‘ mit ganz unterschiedlichen, schwindelerregend komplexen Funktionen?
4) In Megastädten mit 20-30 Millionen – oder mehr – Einwohnern wissen wir, dass dies nur funktioniert, weil alle Bewohner bestimmte ‚Regeln‘ einhalten, die zuvor vereinbart worden sind (ausdrücklich oder ’stillschweigend‘). Dabei weiß normalerweise ein einzelner Bewohner nur einen kleinen ‚Teil‘ vom gesamten Räderwerk; es gibt unterschiedliche Verwaltungsebenen, unterschiedliche Arten von Institutionen, unterschiedlichste Rollen…
5) Die ‚Kultur der Städte‘ hat sich über viele tausend Jahre entwickelt, weil alle Beteiligten ‚gelernt‘ haben, was man wie tun kann; weil man dieses Wissen ‚weitergegeben‘ hat, ‚weiterentwickelt‘. Und jeder neue Bewohner muss ‚lernen‘, was er in einer Megastadt zu tun hat.
6) Der menschliche Körper hat ca. 50.000 mal mehr Zellen als eine 20 Mio Stadt. Woher aber wissen die einzelnen Zellen im Körper was sie jeweils zu tun haben? Vor allem, woher wissen sie, wie sie all diese unfassbar komplexen Funktionen in der Leber, in der Niere, in der Lunge, im Gehirn, im Blutsystem mit dem eingebetteten Immunsystem usw. ‚organisieren‘ sollen? Sobald die befruchteten Zelle ihr ‚Wachstum‘ beginnt, wissen alle beteiligten Zellen, ‚was zu tun‘ ist. Woher?
7) Die Biologie hat komplexe Antworten auf diese schwierigen Fragen erarbeitet. Im Kern läuft es darauf hinaus, dass sowohl die Struktureigenschaften wie auch das ‚Verhalten‘ einer einzelnen Zelle in ‚Abstimmung mit ihrer jeweiligen Umgebung‘ vom Zellkern, dem ‚Genom‘ gesteuert wird, einem Molekül, das als ‚Informationsträger‘ dient. Alle Details dieser Informationsverarbeitung sind zwar noch nicht bekannt, wohl aber der grundsätzliche Sachverhalt als solcher und einige wenige Teilprozesse.
8) Damit verlagert sich die Frage nach dem erstaunlichen ‚Wissen einer Zelle‘ auf die der ‚Entstehung dieses Wissens‘ im Genom. Und hier laufen alle bisherigen Antworten darauf hinaus, dass sich das ‚Wissen im Genom‘ samt der zugehörigen ‚Wissensverarbeitungsstrukturen‘ offensichtlich in einem speziellen Lernprozess entwickelt hat, den wir ‚chemische Evolution‘ nennen gefolgt von der ‚biologischen‘ Evolution (geschätzte Dauer ca. 4 Mrd Jahre vor heute bis ca. 200.000 Jahre vor heute (dem geschätzten ersten Auftreten des homo sapiens sapiens in Afrika).
9) Irgendwann in den letzten 200.000 Jahren begann dann das, was wir ‚kulturelle Evolution‘ nennen können. Ein Prozess der sich zusehends zu ‚beschleunigen‘ scheint, wenngleich die aktuelle körperliche Verfasstheit des Menschen aktuelle ‚Begrenztheiten‘ erkennen lässt, die sowohl durch die wachsende Komplexität wie auch durch die Beschleunigung ’sichtbar werden‘.
10) Wenn man all dies weiß, dann ist die Frage, wo und wie man zu einem bestimmten Zeitpunkt t ‚geboren‘ wird, abhängig von der Frage, was dieser Geburt vorausging: die Auswanderung unserer ‚Vorfahren‘ aus Afrika von ca. 60-70 Tsd Jahren, ihre Ausbreitung nach Asien, Europa, Nord- und Südamerika, ihre unterschiedlichen Entwicklungen, Entdeckung von Handwerk, Sesshaftwerdung, Städtebau, usw. Irgendwann gab es nahezu ‚überall auf dieser Erde‘ Lebewesen der Art homo sapiens sapiens; irgendwann wurden bestimmte Zellen in den Körpern von Frauen überall auf dieser Erde ‚befruchtet‘ und begannen ihr Wachstum. Irgendwann gab es die Zelle, aus der jeder von uns hervorging, gesteuert von dem gleichen unfassbar komplexen Programm, das sich im menschlichen Genom im Laufe von 4 Mrd Jahren ‚angereichert‘ hat.
11) Jeder von uns ist von daher das Ergebnis einer unfassbaren Geschichte des Lebens auf dieser Erde. WO jeder von uns geboren wurde ist von daher – betrachtet man alle Menschen gleichzeitig – in gewisser Weise ‚zufällig‘; zu einem bestimmten Zeitpunkt t0 der Erdgeschichte kann man nicht voraussagen, welcher Mann sich mit welcher Frau paaren wird und ob daraus eine Zelle hervorgehen wird, die zu einem Zeitpunkt t1>t0 dann zu ‚wachsen‘ beginnt. Sicher ist nur, wenn es zu solch einem neuen Wachstumsprozess einer Zelle kommt, dann nur deshalb, weil es zu einem Zeitpunkt t0 irgendwo eine Frau und einen Mann gab, die dies tun konnten und auch taten.
12) Mit Fortschreiten der Technologie wird man menschliche Zellen auch ohne die Körper ausgewachsener Frauen und Männer zum Wachstum bewegen können, mehr noch, man wird versuchen, die körperlichen Strukturen von Menschen durch gezielte Eingriffe zu verändern. Die aktuellen Wertvorstellungen verurteilen ein solches Vorgehen. Aber die aktuellen Wertvorstellungen (zu denen auch religiöse Vorstellungen gehören) sind ja auch ‚geworden‘, ein Ergebnis der ‚kulturellen Evolution‘; es ist wenig wahrscheinlich, dass die aktuellen Wertvorstellungen ‚ewig‘ bestehen; im Lichte neuer Erfahrungen und neuer Erkenntnisse werden sie sich ändern. Die Zeit wird kommen, dass der Mensch sich an der Veränderung genetischer Baupläne versuchen wird (unter dem Schlagwort ‚Gentechnologie‘ geschieht des ja schon im großen Stil im Bereich Pflanzen (und Tiere)). Hier werden unausweichlich ‚Fehler‘ gemacht werden; es ist nicht auszuschließen, dass diese ‚irreversibel‘ sind.
13) Das Problem ist dabei nicht in erster Linie die Gentechnologie als solche, sondern ihre wachsende ‚Monopolisierung‘ in wenigen globalen Firmen, die die ’natürlichen‘ Gene ‚ausrotten‘, um so kurzfristig lokal ihre Gewinne zu maximieren. Mit Hilfe von massiver Lobbyarbeit werden hier von wenigen global ‚Rechte‘ geschaffen, die – aufs Ganze gesehen – ein ‚Un-Recht‘ etablieren, das – würde es ungebremst sich weiter entwickeln können – in relativ kurzer Zeit das gesamte Leben ernsthaft bedrohen würde.
14) Der ‚Missbrauch‘ von Gentechnologie ist aber zu unterscheiden von der Gentechnologie selbst. Die Gentechnologie als solche erscheint vor dem Hintergrund der Gesamtentwicklung als ’natürliche Weiterentwicklung‘ der Evolution, als ’notwendig‘, und damit auch die Herausforderung, unser Wertesystem entsprechend weiter zu entwickeln. Zu verhindern ist die Monopolisierung und der Missbrauch von Gentechnologie.
15) Anders betrachtet, würden wir unser aktuelles Wertesystem ‚einfrieren‘ wollen indem wir ‚Denkverbote‘ aufstellen, dann würden wir genauso schnell einen ‚Untergang‘ heraufbeschwören, da der Lebensprozeß auf dieser Erde samt der Erde und ihrer kosmologischen Umgebung hochdynamisch ist (siehe auch unten). Eine ’statische‘ Ethik in einer ‚dynamischen‘ Umgebung ist ein Widerspruch in sich).
16) Der Verweis auf die chemische, die biologische und die kulturelle Evolution erklärt zwar ein wenig, WIE wir entstanden sind, lässt aber letztlich noch offen, WARUM es uns gibt, WER wir damit letztlich sind, WAS das alles zu bedeuten hat?
17) Bei all dem sollte klar sein, dass das Geschlecht (Mann, Frau, diverse genetisch bedingte Mischstrukturen), die Nationalität, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe – und was wir Menschen im Laufe der Zeit sonst noch an sekundären Eigenschaften erfunden haben – keine substantielle Rolle spielen dürfen, wollen wir uns in der Zukunft ‚bewähren‘.
18) Das Leben auf der Erde gibt es nur, weil das Leben es bislang verstanden hat, alle diese Strukturen und Verhaltensweisen zu ‚belohnen‘, die sich den ‚Gegebenheiten der Erde‘ ‚angepaßt‘ haben, die sie ‚geschickt genutzt‘ haben.
19) Da u.a. die Sonne in unserem Sonnensystem in ca. 1 Mrd Jahren das Leben auf der Erde unmöglich machen wird, wird es darauf ankommen, dass das Leben, zu dem wir gehören, ‚lernt‘, sich nicht nur den Eigenschaften der Erde anzupassen, sondern mindestens die nächsten Galaxien einbeziehen muss. Dann gibt es eine kleine ‚Verschnaufspause‘ von ca. 3-4 Mrd Jahren bis die Andromeda Galaxie mit unserer Milchstraßen-Galaxie ‚verschmelzen‘ wird; ein Prozess, dessen Dauer auf ca. 1 Mrd Jahre geschätzt wird.
20) Das tägliche Hickhack um lokale Ressourcen, nationalen Animositäten, Firmenegoismen, Machtgelüsten weniger, religiösen Absolutheitsansprüchen, usw. das unseren Alltag durchzieht und zu dominieren scheint, ist auf jeden Fall nicht geeignet, die Lernprozesse in Gang zu setzen, die ‚zukunftsorientiert‘ sind. Persönlicher Ruhm Macht, Reichtum, Totale Wahrheitsansprüche,… all dies repräsentiert ein Wertesystem, das wenig geeignet ist, das zu unterstützen, was wir tatsächlich brauchen. Aber da das ‚Neue‘ seinem Wesen nach ‚radikal neu‘ ist, weiß man vorher nie genau, wann und wie das Neue sich Bahn brechen wird. In der Regel wird es sich an vielen verschiedenen Stellen mehr oder weniger zeitgleich ‚zeigen‘, ‚zu Worte‘ kommen, ‚getan werden‘. ‚Gewinnen‘ werden die, die es zuerst gesellschaftlich umsetzen können. Lassen wir uns überraschen.

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Randbemerkung: Komplexitätsentwicklung (Singularität(en))

1. Momentan überschlagen sich die Ideen, die hier niedergeschrieben sein wollen; dies wirkt wie eine leichte Paralyse. Denkt man an die eine Idee, melden sich gleich drei andere und wollen auch gedacht sein…. hier wenigstens eine kleine Notiz.
2. Bisher gab es in diesem Blog immer wieder Überlegungen zur Zunahme von struktureller Komplexität im Laufe der Geschichte des bekannten Universums. Sehr ausdrücklich z.B. schon am 15.Oktober 2011.
3. Das Problem bei solchen Deutungsversuchen ist natürlich die Auswahl der Eigenschaftsbündel, die man für den Begriff ‚Komplexität‘ für relevant hält. Es gibt bislang sehr unterschiedliche Komplexiätsbegriffe, die nicht so ohne weiteres vereinheitlicht werden können. Es wäre eine eigene Arbeit, diese Begriffe sauber formal zu analysieren. In beschränktem Umfang tue ich das in meinen Arbeiten dynamischen Wissen (Beginn einer neuen Version des Skripts).
4. Andererseits gewinnt man oft nur Fortschritte, wenn man mit den bekannten Möglichkeiten einfach mal ‚herumspielt‘ und unterschiedliche Varianten ausprobiert. Dies habe ich seit Oktober 2011 immer wieder mal getan. Eine solche ‚Testanordnung‘ findet sich in den beiden folgenden Bildern.
5. Beiden Bildern liegen die gleichen Annahmen zugrunde, sie sind nur unterschiedlich angeordnet. Die Daten stammen aus verschiedenen Büchern und aus den englischen Wikipedia-Artikeln zur Entstehung des Universums (die Artikeln in der englischen Wikipedia sind überwiegend gut bis sehr gut).

Notizen zur Komplexitätsentwicklung im bekannten Universum. Die Achse links zeigt links unten die Gegenwart =0 Jahre, links oben den Beginn des bekannten Universums bei -13,77 Milliarden Jahre (Quellen für Zahlen:u.a. Englische Wikipedia). Die Achse oben zeigt von links nach rechts einige mögliche Komplexitätsausprägungen. Erklärungen: siehe Text.
Notizen zur Komplexitätsentwicklung im bekannten Universum. Die Achse links zeigt links unten die Gegenwart =0 Jahre, links oben den Beginn des bekannten Universums bei -13,77 Milliarden Jahre (Quellen für Zahlen:u.a. Englische Wikipedia). Die Achse oben zeigt von links nach rechts einige mögliche Komplexitätsausprägungen. Erklärungen: siehe Text.
Ausgewählte Komplexitätsereignisse seit Beginn der Erde
Ausgewählte Komplexitätsereignisse seit Beginn der Erde. Man beachte, (i) dass hier ein spezieller Komplexitätsbegriff gewählt wurde, und (ii) dass diese Auflistung einen zunächst explorativen Charakter hat.

6. Diesen Bildern liegen folgende Annahmen zugrunde: Die Bildung komplexer Moleküle, wie sie die Vorläufer zur Zellbildung darstellen, geschah in der kurzen Zeit zwischen der Erdendstehung und dem Auftreten erster Zellen, also zwischen -4,55 Mrd und -3,8 Mrd Jahren. Wann genau die Bedingungen auf der Erde so waren, dass sich überhaupt im großen Maßstab und dauerhaft komplexere Molekülmengen bilden konnten, ist im Nachhinein nicht ganz eindeutig zu entscheiden. Die Schätzungen gehen so in Richtung ab -4 Mrd Jahren. Dies bedeutet, dass es vom Beginn des bekannten Universums (ca. -13,77Mrd Jahre) bis zu diesen Molekülmengen ca. 9.77 Mrd Jahre gebraucht hat. Das sind etwa 71% der Gesamtzeit des bekannten Universums.
7. Von diesen ersten Molekülmengen bis zu den ersten Zellen vergingen dann ca. 200.000 Mio Jahre (Korrektur: 200 Mio!) , das sind ca. 1.45% der Gesamtzeit.
8. Das Auftreten von Vielzellern wird auf die Zeit ab -1Mrd Jahre datiert, also ca. 2,8 Mrd Jahre später, das entspricht ca.20.33% der Gesamtzeit.
9. Der Begriff ‚Organismen mit Organen‘ ist ein bischen ad hoc. Dahinter steckt die Annahme, dass der Aufbau komplexer Systeme jenseits ‚bloßer Vielzelligkeit‘ nach einer ‚modularen Struktur‘ verlangt. Organe kann man in diesem Sinne als ‚Module‘ betrachten, die in sich hochkomplex sind, die sich aber nach ‚außen‘ über ‚Schnittstellen‘ zu noch komplexeren Einheiten organisieren lassen. Spätestens mit der Besiedlung des Landes vom Meer aus vor -0.7 Mrd Jahre gab es Lebewesen, die solche komplexen Strukturen besaßen, also spätestens 300.000 Mio (Korrektur: 300 Mio)  Jahre später, d.h. nach ca. 2,17% der Gesamtzeit.
10. Die bisherigen Eigenschaften beziehen sich auf die ’strukturelle Organisation‘ des Körpers, für die wir ansatzweise Erklärungsmodelle besitzen (‚ansatzweise‘, nicht vollständig!). Die nachfolgenden Eigenschaftsbündel heben demgegenüber ab auf Eigenschaften des Verhaltens, die als Hinweise auf eine steigende Komplexität der inneren Organisation bilden können.
11. Ein Meilenstein ist hier sicher das Auftreten des homo sapiens sapiens ca. -200.000 Jahre, der sich durch sein Verhalten gegenüber den anderen Organismen durch eine höhere Intelligenz abhebt. Die Zeitspanne von den Multiorgan-Systemen bis zum homo sapiens sapiens beträgt ca. 5,08 % der Gesamtzeit.
12. Die nachfolgenden Strukturereignisse folgen dann in so kurzen Zeitabständen, dass sie sich als Bruchteile der Gesamtzeit immer wenigere ausdrücken lassen, so klein sind sie. Erste ‚Städte‘ werden auf ca. -9000 Jahre datiert, das sind ca. 190.000 Jahre nach dem Auftreten des homo sapiens sapiens, also ca. 0.0014% der Gesamtzeit später.
13. Die Verbreitung eines verteilten netzbasierten Wissens und Kommunizierens begann vor ca. 40 Jahren, als ca. 8960 Jahre später, d.h. nach ca. 0,00006% der Gesamtzeit.
14. Dies sind nur wenige Daten (man könnte diese Aufstellung sicher verfeinern). Aber man kann schon erkennen, dass es hier eine Art ‚Beschleunigung‘ dergestalt gibt, dass die Abstände bis zur Hervorbringung eines neuen Komplexitätsmerkmals immer kürzer werden. Dies zeigt die nächste Kurve: in dieser wurden einfach die obigen Abstände in % der Gesamtzeit eingetragen.

Kurve der Beschleunigung für die Komplexitätsbilldung: Links % der Gesamtzeit des bekannten Universums, unten die Ereignispunkte. Erklärung: im t Text
Kurve der Beschleunigung für die Komplexitätsbilldung: Links % der Gesamtzeit des bekannten Universums, unten die Ereignispunkte. Erklärung: im
Text

15. Diese Beschleunigung erinnert natürlich an die schon lange andauernde Diskussion über die Technologische Singularität, in der im Kern darauf abgehoben wird, dass die technologische Entwicklung künstliche (maschinelle) Formen von Intelligenz entstehen lassen wird, die die körpergebundene menschliche Intelligenz übersteigen wird und die – das ist der entscheidende Punkt – sich mit den verbesserten technologischen Möglichkeiten auch menschenunabhängig schneller weiterentwickeln kann. Dies wird zu einer weiteren Beschleunigung der Entwicklung führen, deren finalen Fortgang niemand mehr voraussagen kann. Dies bedeutet aber rein logisch, dass ein Fortbestand und eine Weiterentwicklung der menschlichen Intelligenz in diesem Gesamtkontext nicht von vornherein ausgeschlossen ist.
16. Denn, auch die Weiterentwicklung der menschlichen Intelligenz als Teil des Gesamtphänomens ‚Leben‘ ist ja vom heutigen Stand aus betrachtet in keiner Weise klar. Dass das Thema ‚Intelligenz‘ als Teil des Themas ‚Leben‘ in irgendeiner Weise schon an einem ‚Endpunkt‘ wäre, ist in keiner Weise abgemacht. Im Gegenteil, sieht man die bisherige Entwicklung (soweit wir sie bislang überhaupt verstehen können), so ist ja schon diese Entwicklung von einem Format, einer Komplexität, einer zeitlichen Ausdehnung, die unser aktuelles körpergebundenes Denken vollständig überfordert. Schon jetzt erarbeiten wir uns ja die leitenden gedanklichen Bilder nur mit Hilfe komplexer Maschinen und im Zusammenwirken vieler hundert Tausender, wenn nicht gar Millionen, von Gehirnen. Jedes Bild im Kopf eines einzelnen Gehirns ist ja weitgehend schon vermittelt und bezogen auf die Bilder in anderen Gehirnen, symbolisch aufgeschrieben, gespeichert, übersetzt, vielfältigst eingebettet, so dass wir in keiner Weise mehr nur von einer Einzelerkenntnis sprechen können, wenngleich das einzelne Gehirn sehr wohl noch sein individuelles, einzelnes Erkenntniserleben hat.
17. Aus der logischen Unmöglichkeit, den ‚Inhalt‘ der Singularity Hypothese voll denken zu können folgt u.a. auch das ‚Verbot‘, zu früh zu negative Schlüsse daraus zu ziehen, um sich dadurch möglicherweise um genau jene wichtigen Erkenntnisse zu bringen, die für uns alle wichtig sind. So ist es möglicherweise gefährlich, dass es sehr machtorientierte Denkzentren sind, die die Singularityhypothese vorschnell in ihrem einseitigen partikulären Machtdenken zu interpretieren und in ihrem Sinne zu manipulieren versuchen. Denn, wenn überhaupt, dann geht es bei der künftigen Entwicklung um das Leben schlechthin, um das Ganze, möglicherweise um etwas außerordentlich Rares im ganzen Universum. Denn, wenngleich die mathematische Wahrscheinlichkeit das prinzipielle Auftreten von Leben irgendwo im Universum grundsätzlich nicht ausschließen kann, so gilt auch umgekehrt, dass wir wissen, dass aus der reinen Wahrscheinlichkeit kein einziges konkretes Ereignis als reales folgen muss. Das tatsächliche Ereignis bleibt das Besondere, genau wie der Übergang von der Kohärenz der Quantenwelt zur konkreten dekohärenten Makrowelt unseres körpergebundenen Erlebens bislang jede Erklärung versagt. Für das Konkrete gibt es weder eine Erklärung noch eine Notwendigkeit. Das schiere Faktum des Konkreten ist die Ungeheuerlichkeit schlechthin, die allererste und die ungeheuerlichste Singularität (Ontologische Ur-Singularität), die es für unseren erlebend-erkennenden Wissensraum bislang gab und gibt.
18. Um also die sich andeutende ’neue‘ Singularität — eine vergleichsweise ‚kleine‘ und sehr ’schlichte‘– zu verstehen, sollte wir erst einmal unsere Hausaufgaben lösen und versuchen, die bisherige Ur-Singularität, nämlich das Universum, wie es zur Zeit auftritt, sich ereignet, zu verstehen. Innerhalb dieser Ur-Singularität beginnen wir eine Komplexitätswerdung zu erahnen, zu ertasten, anfangshaft zu denken, die sich abhebt vor einem allgemeinen ‚Rauschen‘. In unserer einfachen Alltagswelt ist all das, was sich von einem Rauschen abhebt, etwas ‚Geordnetes‘, ‚Bedeutungsvolles‘, etwas ‚Gewolltes‘. Im Nicht-Rauschen zeigt sich die Struktur des Daseins, u.a. unsere Körper, u.a. die Gedanken in unserem Gehirn, das Lächeln im Gesicht des anderen, gesprochene Worte.
19. ‚Musik‘ ist das, was jenseits des Rauschens geschieht. Während Rauschen nervt, weh tut, aggressiv machen kann, beunruhigt, können wir ‚Musik‘ als etwas ‚Schönes‘, ‚Wohltuendes‘ erleben. ‚Rauschen‘ ist eine Verdichtung von Zufällen. Wo der Zufall durchbrochen wird durch ‚Regelhaftes‘, beginnt sich Rauschen aufzulösen, weicht das ‚Unbestimmte‘ einem ‚Bestimmten‘.
20. In diesem Sinne ist das Auftreten von Strukturen, die bestimmte Eigenschaften mit sich bringen, das Durchbrechen des reinen Zufalls, des Unbestimmten. Im Sich-Ereignen von Strukturen ‚zeigt sich etwas‘. ‚Teilt sich etwas mit‘; man kann auch von ‚Offenbarung‘ sprechen. Jede sich ereignende Struktur ist eine Form von ‚Mitteilung‘ über das bloße ‚Rauschen‘ hinaus.
21. Bedenkt man, welch ungeheurer Aufwand getrieben wird, um im Rahmen des SETI-Programms (Search for Extra-Terrestrial Intelligence) nach ‚Mustern‘ in den elektromagnetischen Ereignissen des Universum zu suchen, die man als ‚Botschaften‘ deuten könnte, dann kann es schon wundern, warum wir die Muster, die wir schon haben, die wir selber darstellen, nicht als solche daraufhin untersuchen, welche ‚Botschaften‘ diese darstellen? Während die SETI-Botschaften nur vergleichsweise einfache Muster sein können, sind die Muster = Strukturen des Lebens selbst, die sich aus dem allgemeinen Rauschen ‚herausgeschält‘ haben, von einer unfassbaren Komplexität. Das ‚biologische Leben selbst‘ kann man als eine ‚Botschaft‘ begreifen, die sich in der Weite der Ur-Singularität, sprich des konkreten Universum als einzige bekannte Konkretheit eines Quantenraumes, zeigt. Das schiere Faktum dieser einzigartigen Ur-Singularität bedeutet noch nicht ihr ‚Verstehen‘! Als Teil dieser einzigartigen Singularität ’sind wir‘, aber dieses Dasein impliziert nicht automatisch ein volles Verständnis eben dieses Daseins. Obgleich die bisherige Geschichte (soweit wir sie verstehen) andeutet, dass eine Besonderheit dieser gewordenen Singularität ist, dass sie in Gestalt des Lebens begonnen hat, ’sich selbst zu verstehen‘ indem sie ’sich selbst konsumiert‘. Das ‚Leben‘ existiert ja nur durch ständigen Verbrauch von Energie zum Aufbau und Erhalt seiner Strukturen, die beginnen zu erkennen. Je mehr wir erkennen, um so mehr Energie (sprich: gewordenen Strukturen) verbrauchen wir, was bedeutet, in dem Masse wir wir durch Verbrauch von Energie erkennen, werden wir genau das, was uns in diesem Zustand möglich macht, vorhandene freie Energie, aufbrauchen. Bildhaft: im Zunehmen unseres eigenen Seins im Erkennen lösen wir unser Gegenüber im Erkennen auf. Das bekannte Universum in Form von Energie verwandelt sich in Erkanntes und verschwindet damit als etwas vom Erkannten Verschiedenes. Was wird mit dem ‚Erkannten‘ geschehen?
22. Alles sehr spekulativ. Aber wir sind mitten in diesem Prozess. Er findet statt, ob wir wollen oder nicht. Unser Verstehen ist ganz am Anfang. Die bisherigen Überlegungen zur technologischen Singularität sind – nach meinem Verständnis – viel zu simpel. Die wirklich interessanten Faktoren sind noch gar nicht berücksichtigt.

Eine Fortsetzung findet sich HIER.

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Treffen Café Siesmayer 15.Dez.2012 – ‚Geist‘-Sichtbarmachungs-Experiment

Cafe-Siesmayer-15Dez2012-500
Der universale Weltprozess, der Geist, und das Experiment

Zur Erinnerung, Auslöser für die Idee mit dem Experiment war das Nachtgespräch im INM……

  1. Am 15.Dez012 11:00h gab es ein denkwürdiges Treffen im Café Siesmayer (Frankfurt, neben dem Palmgarten). Für mich war es das erste Mal dort; ein angenehmer Ort, um zu reden (und natürlich auch, um Kaffee zu trinken).
  2. Die ‚Besetzung‘ ist kurz beschrieben: einer mit Schwerpunkt Soziologie, einer mit Schwerpunkt Physik, einer mit Schwerpunkt Informatik, Psychologie und Erkenntnistheorie.
  3. Nachdem die Gedanken mehrere Kreise, Ellipsen, Achten und diverse Verschlingungen gezogen hatten näherten wir uns dem zentralen Knackpunkt: wie lokalisieren wir den ‚Geist‘ und worin soll das ‚Experiment‘ bestehen?
  4. Der Referenzpunkt der Überlegungen wurde gebildet von der Annahme, dass wir zu Beginn des Universums einen Übergang von ‚Energie‘ zu ‚Materie‘ haben, nicht als das ‚ganz Andere‘, sondern als eine andere ‚Zustandsform‘ von Energie.
  5. Und dann beobachten wir einen weiteren Übergang von Energie in materielle Strukturen‘, nämlich dort, wo die Energie als sogenannte ‚freie Energie‘ den Übergang von einfachen chemischen Verbindungen zu immer komplexeren chemischen Verbindungen begünstigt, zu Zellen, zu mehrzelligen Systemen, bis hin zu den Pflanzen, Tieren und dem homo sapiens sapiens, einer Lebensform, zu der wir ‚als Menschen‘ gehören.
  6. Und es sieht so aus, als ob diese komplexen biologischen Strukturen eine fast ‚triebhafte‘ Tendenz besitzen, die biologische motivierte Strukturbildung beständig zu bestärken, zu beschleunigen, zu intensivieren.
  7. Die beobachtbare Strukturbildung folgt allerdings bestimmten ‚Vorgaben‘: Im Falle biologischer Systeme stammen diese Vorgaben aus den Nervensystemen bzw. genauer den Gehirnen. Allerdings, und dies ist der entscheidende Punkt, es sind nicht die physikalisch-chemischen Eigenschaften der Gehirne als solche, die die Vorgaben ‚kodieren‘, sondern es ist ein Netzwerk von ‚Informationen‘ bzw. ‚Bedeutungen‘ , die zwar mit Hilfe der der physikalisch-chemischen Eigenschaften realisiert werden, die aber nicht aus diesen direkt abgeleitet werden können!!!!!! Die informatorisch-semantische Dimension biologischer Systeme ermöglicht all das, was wir als ‚intelligent‘ bezeichnen bzw. all das, was wir als ‚Ausdruck des Geistes‘ notieren. Für diese informatorisch-semantische (= geistige!?) Dimension gibt es aber — bisher! — keine Begründung in der bekannten physikalischen Welt.
  8. Hat man diesen Faden erst einmal aufgenommen, dann kann man den Weg der Entwicklung weiter zurück gehen und wird feststellen, dass es diese geheimnisvolle informatorisch-semantische Dimension auch schon auf der Ebene der Zelle selbst gibt. Denn die ‚Steuerung‘ der Proteinbildung bis hin zur Ausformung kompletter Phänotypen erfolgt über ein Molekül (DNA (auch RNA und andere)), das als solches zwar komplett über seine physikalischen Eigenschaften beschrieben werden kann, dessen ’steuernde Wirkung‘ aber nicht direkt von diesen physikalischen Eigenschaften abhängt, sondern (wie Paul Davies ganz klar konstatiert), von etwas, was wir ‚Information‘ nennen bzw. was ich als ‚Bedeutung‘ bezeichnen würde, eben jene (semantische) Beziehung zwischen einem Materiekomplex auf der einen Seite und irgendwelchen anderen Materiekomplexen auf der anderen Seite. Und diese semantischen Beziehungen sind ’spezifisch‘. Wo kommen diese her? Die physikalischen Eigenschaften selbst liefern dafür keinerlei Ansatzpunkte!!!!
  9. Interessant ist auf jeden Fall, dass die zentrale Rolle der semantischen Dimension im Bereich entwickelter Nervensysteme sich schon bei der ersten Zelle findet, und zwar an der zentralen Stelle, an der bislang die Wissenschaft das Spezifikum des Biologischen verortet. Strukturell ist die semantische Dimension in beiden Fällen völlig identisch und in beiden Fällen physikalisch bislang unerklärlich.
  10. Nach allem, was wir bis heute wissen, ist das, was wir mit ‚Geist‘ meinen, genau in dieser semantischen Dimension zu verorten. Dies aber bedeutet, der Geist ‚erscheint‘ nicht erst nach ca. 13 Milliarden Jahren nach dem Big Bang, sondern mindestens mit dem Entstehen der ersten Zellen, also vor ca. 3.8 Mrd Jahren.
  11. Betrachtet man die ’semantische Dimension‘ aus einem gewissen ‚gedanklichen Abstand‘, dann kann man auch formulieren, dass das ‚Wesen des Semantischen‘ darin besteht, dass eine Materiestruktur das Verhalten anderer Materiestrukturen ’steuert‘. In gewisser Weise gilt dies letztlich auch für die Wechselwirkungen zwischen Atomen. Fragt sich, wie man die Beziehung zwischen Energie ‚als Energie‘ und Energie ‚als Materie‘ betrachten kann/ muss. Die Ausbildung von immer mehr ‚Differenzen‘ bei der Abkühlung von Energie ist jedenfalls nicht umkehrbar, sondern ‚erzwungen‘, d.h. Energie als Energie induziert Strukturen. Diese Strukturen wiederum sind nicht beliebig sondern induzieren weitere Strukturen, diese wiederum Strukturen bei denen immer mehr ‚zutage‘ tritt, dass die Strukturbildung durch eine semantische Dimension gesteuert wird. Muss man annehmen, dass die ’semantische Struktur‘, die auf diesen verschiedenen Niveaus der Strukturbildung sichtbar wird, letztlich eine fundamentale Eigenschaft der Materie ist? Dies würde implizieren (was ja auch schon nur bei Betrachtung der materiellen Strukturen deutlich wird), dass Energie ‚als Energie‘ nicht neutral ist, sondern eine Form von Beziehungen repräsentiert, die im Heraustreten der Strukturen sichtbar werden.
  12. Sollten alle diese Überlegungen treffen, dann kann man mindestens zwei Hypothesen formulieren: (i) das, was wir mit ‚Geist‘ benennen, das ist kein ’spätes‘ Produkt der Evolution, sondern von allem Anfang das innere treibende Prinzip aller Strukturbildungen im Universum; (ii) das, was wir mit ‚Geist‘ benennen, ist nicht gebunden an die biologischen Körper, sondern benötigt als Vorgabe nur etwas, das die notwendigen ‚Unterschiede‘ repräsentiert.
  13. Der heute bekannte ‚digital elektronisch realisierte Computer‘ ist ein Beispiel, wie man semantische Dimensionen ohne Benutzung biologischer Zellen realisieren kann. Wie viel der bekannten menschlichen Intelligenz (und damit des unterstellten ‚Geistes‘) mit dieser Technologie ’simulierbar‘ ist, ist umstritten. Die Experten der Berechenbarkeit — und dazu zählt auf jeden Fall auch Turing, einer der Väter der modernen Theorie der Berechenbarkeit — vermuten, dass es keine Eigenschaft der bekannten Intelligenz gibt, die sich nicht auch mit einer ‚technologisch basierten‘ Struktur realisieren lässt. Die Schwierigkeiten bei nichtbiologisch basierten Intelligenzen im Vergleich zu biologisch basierten Intelligenzen liegen ‚einzig‘ dort, wo die Besonderheiten des Körpers in die Bereitstellung von Ereignissen und deren spezifische Verknüpfungen eingehen (was direkt nachvollziehbar ist). Diese spezifische Schwierigkeit stellt aber nicht die Arbeitshypothese als solche in Frage.
  14. Die ‚Besonderheiten des biologischen Körpers‘ resultieren aus spezifischen Problemen wie Energiebeschaffung und Energieverarbeitung, Bewegungsapparat, Anpassung an Umgebungsbedingungen, Fortpflanzung, Wachstumsprozesse, der Notwendigkeit des Individuellen Lernens, um einige der Faktoren zu nennen; diese körperlichen Besonderheiten gehen der semantischen Dimension voraus bzw. liegen dieser zugrunde. Die technisch ermöglichte Realisierung von ‚Intelligenz‘ als beobachtbarer Auswirkung der nicht beobachtbaren semantischen Dimension ist als nicht-biologische Intelligenz auf diese Besonderheiten nicht angewiesen. Sofern die nicht-biologische Intelligenz aber mit der biologischen Intelligenz ‚auf menschenähnliche Weise‘ interagieren und kommunizieren soll, muss sie von diesen Besonderheiten ‚wissen‘ und deren Zusammenspiel verstehen.
  15. Das oft zu beobachtende ’sich lächerlich machen‘ über offensichtliche Unzulänglichkeiten heutiger nicht-biologischer Intelligenzen ist zwar als eine Art ‚psychologischer Abwehrreflex‘ verständlich, aber letztlich irreführend und tatsächlich ‚verblendend‘: diese Reaktion verhindert die Einsicht in einen grundlegenden Sachverhalt, der uns wesentliche Dinge über uns selbst sagen könnte.
  16. Zurück zum Gespräch: aus den oben formulierten Hypothesen (i) und (ii) kann man unter anderem folgendes Experiment ableiten: (iii) Wenn (i) und (ii) stimmen, dann ist es möglich, durch Bereitstellung von geeigneten nicht-biologischen Strukturelementen ‚Geist‘ in Form einer ’semantischen Dimension‘ (! nicht zu verwechseln mit sogenannten ’semantischen Netzen‘!) als ’nicht-biologische Form von ‚Geist‘ ’sichtbar und damit ‚lebbar‘ zu machen. Dies soll durch Installierung einer offenen Arbeitsgruppe am INM Frankfurt in Angriff genommen werden. Offizieller Start 2014. Wir brauchen noch einen griffigen Titel.
  17. Anmerkung: ich habe den Eindruck, dass die Verschiebung der Begrifflichkeit (‚Information‘ bei Paul Davies, ’semantische Dimension‘ von mir) letztlich vielleicht sogar noch weiter geführt werden müsste bis zu ’semiotische Dimension‘. Dann hätten wir den Anschluss an eine sehr große Tradition. Zwar haben nur wenige Semiotiker in diesen globalen und universellen Dimensionen gedacht, aber einige schon (z.B. Peirce, Sebeok). Außerdem ist die ‚Semantik‘ von jeher eine Dimension der Semiotik. Den Ausdruck ‚Semiotische Maschine‘ für das ganze Universum hatte ich ja auch schon in früheren Blogeinträgen benutzt (siehe z.B.: http://cognitiveagent.org/2010/10/03/die-universelle-semiotische-maschine/). Allerdings war mir da der Sachverhalt in manchen Punkten einfach noch nicht so klar.
  18. Natürlich geht dies alles weiter. In gewisser Weise fängt es gerade erst an. Ich habe den Eindruck, dass wir in einer Zeitspanne leben, in der gerade der nächste große Evolutionssprung stattfindet. Jeder kann es spüren, aber keiner weiß genau, wie das ausgeht. Klar ist nur, dass wir uns von den Bildern der letzten Jahrtausende verabschieden müssen. Die Worte und Bilder aller großen Religionen müssen ‚von innen heraus‘ dramatisch erneuert werden. Es geht nicht um ‚weniger‘ Religion, sondern um ‚mehr‘. Thora, Bibel und Koran müssen vermutlich neu geschrieben werden. Was kein grundsätzliches Problem sein sollte da wir als Menschen dem, was/wen wir ‚Gott‘ nennen, nicht vorschreiben können, was und wie er etwas mitteilen möchte. Die ‚Wahrheit‘ geht immer jeglichem Denken voraus, ohne diesen Zusammenhang verlöre jegliches Denken seinen ‚Halt‘ und damit sich selbst. Und weil dies so ist, kann man einen alten Ausspruch ruhig weiter zitieren. „Die Wahrheit wird euch frei machen.“

Eine Übersicht über alle bisherigen Blogeinträgen nach Themen findet sich HIER

VEREINIGUNG VON PHILOSOPHIE UND WISSENSCHAFT?

(1) Eine klare Definition von Philosophie gibt es bislang nicht und dürfte es
angesichts der Besonderheit des Gegenstandes vermutlich auch niemals geben.

(2) Viele Autoren, die sich als Philosophen verstehen, sehen den Gegenstand
der Philosophie in der Aufdeckung von Zusammenhängen, die jedem Denken zugehören,
unabhängig von den wechselnden (‚kontingenten‘) ‚Inhalten‘.

(3) Nach Descartes, Kant — und vielen anderen — hat Husserl versucht, einen
allgemeingültigen und ‚festen‘ Grund des Denkens durch Fokussierung auf das
Erleben des eigenen Denkens zu finden.

(4) Husserl unterscheidet zwischen den wechselnden — und vom ihm als ‚kontingent‘
bezeichneten — Inhalten des Erlebens (den ‚Phänomene‘) sowie jenen Momenten des
Erlebens, die allem Erleben ‚innewohnen‘, ‚implizit zugehören‘. Immer, wenn wir
erleben, dann sind diese Momente als solche ‚unterscheidbar‘ von den kontingenten
Phänomenen. In Anlehnung an Kant kann man solche ‚impliziten‘, ‚dem Erleben
innewohnenden‘ Eigenschaften ‚transzendental‘ nennen: sie sind dem Erleben
‚voraus(gesetzt)‘.

(5) Husserl hebt hervor, dass diese Unterscheidungen von kontingenten
Bewusstseinsinhalten und transzendentalen Momenten des Bewusstseins zur
Voraussetzung hat, dass man die ’normale (alltägliche)‘ Erlebniseinstellung verlässt.
Für Letztere ist kennzeichnend, dass ‚erlebte Inhalte‘ nicht als ‚erlebte‘ Inhalte
genommen werden, sondern dass diese ‚automatisch‘ so interpretiert werden, als ob
diese Erlebnisinhalte – sofern sie dem Bereich der Sinneswahrnehmung zugeordnet
werden — ‚Dinge in der realen Welt‘ ‚verkörpern‘. D.h. Unser alltägliches ’naives‘
Erleben unterstellt den Erlebnisinhalten eine ‚ontologische Geltung‘, eine
‚Existenz in der realen Welt‘. Sofern man sich ‚als Philosoph‘ ‚bewusst‘ wird,
dass das ‚Erleben als solches‘ nicht notwendigerweise eine reale Existenz bedingen
muss (Beispiel ‚Träumen‘, ‚Fantasieren‘, ‚Vorstellen‘, ‚Erinnern‘,…), kann man
diese Unterscheidung festhalten und versuchen, sie zu einem methodischen Element
des Welterlebens machen. Husserl nennt die Einstellung, die diese Unterscheidung
konserviert, ‚epochä‘ (aus dem Griechischen), etwa ‚Ausklammerung (oder ‚Einklammerung‘).
Unter Anwendung der epochä werden die ontologischen Unterstellungen für alle
Erlebnisinhalte erst einmal eingeklammert.

(6)Der epochä voraus liegt die grundsätzliche ‚Bewusstwerdung‘ des ‚Erlebens als
solchem‘! Erst unter Voraussetzung des Erlebens als solchem kann ich innerhalb
dieser Bewusstwerdung die zusätzliche Unterscheidung zwischen dem ‚reinen
Erlebnisinhalt‘ und den ‚begleitenden Eigenschaften‘ machen wie z.B. den
ontologischen Unterstellungen oder den transzendentalen Momenten des Erlebens.

(7) Am transzendentalen Erleben kann man im Rahmen der grundsätzlichen
Bewusstwerdung viele unterscheidbare Eigenschaften (informell beschreibbar
als ‚Erinnern‘, ‚Abstrahieren‘, ‚Vergleichen‘,…), identifizieren.

(8) Ein Philosophieren, das die Inhalte des Erlebens zum Gegenstand macht,
hat ein Grundproblem, das bis heute – so scheint es – noch niemand befriedigend
lösen konnte; dies ist dem Umstand geschuldet, dass Philosophieren eine Tätigkeit
ist, zu der die Kommunikation zwischen Menschen dazu gehört. Ohne sprachliche
Kommunikation der Denkinhalte ist das Philosophieren weitgehend wertlos.
Selbst wenn das individuelle Denken über irgendwelche ‚Inhalte‘ verfügen würde
(wovon auszugehen ist), wären diese Inhalte solange ‚unsichtbar‘, solange sie
nicht in einer gemeinsam geteilten Sprache ‚vermittelbar‘ wären. Davon zu
unterscheiden wäre die Frage, was denn ein einzelner Denker überhaupt denken
kann, wenn er nicht über eine Sprache verfügt, die von anderen verstanden wird.
Wieweit bilden die Tiere, die keine elaborierte Sprache ausgebildet haben, ein
Beispiel für sprachfreies Denken? Immerhin sind zu komplexen – auch sozialen –
Handlungen fähig.

(9) Wie viele vor Wittgenstein als ‚Philosophen der Sprache‘ bezeichnet werden
sollten, kann ich momentan nicht klar entscheiden, auf jeden Fall hat Ludwig
Wittgenstein die transzendentale Rolle der Sprache für unser Erleben in einer
Weise beleuchtet und reflektiert, wie niemand zuvor – und bislang vielleicht auch
niemand mehr nach ihm –. Er ist der kreative Totalzerstörer von jeglicher
Bedeutungssicherheit. Er liefert zwar keine neue konstruktive Antworten, aber
er bereitet den Weg durch Zerstörung falscher Sicherheiten. Wittgenstein muss man
‚meditieren‘, und dann kann man versuchen, ‚erneuert‘ zu denken…

(10) Von einer anderen Warte aus – und offensichtlich noch ohne Kenntnis von Wittgenstein –
hat Saussure in seinen Grundlagen zur Sprachwissenschaft (erstmalig in Vorlesungen
1906 – 1911) versucht, einen allgemeinen Begriff des (sprachlichen) Zeichens einzuführen.
Sein Ausgangspunkt ist eine Population von Sprecher-Hörern – eine Population P von
Zeichenbenutzern –, von denen sich ein einzelner Zeichenbenutzer beim Sprachgebrauch
immer in einem sprachlichen Rückkopplungsprozess derart befindet, dass der physikalische
Laut zwischen mindestens zwei Zeichenbenutzern sensorisch aufgenommen, physiologisch
– sprich: neuronal – verarbeitet verarbeitet wird, so dass es zu einem ‚psychischen
Erlebnis‘ kommt, welches das eigentliche Ereignis für den Hörer darstellt. Im ‚Erleben‘
erlebe ich einen Klang als ‚abstraktes Klangereignis‘ und zusätzlich erlebe ich ein
‚abstraktes Dingkonzept‘ (implizit zubereitet durch das verarbeitende Gehirn). Zwischen
einem Dingkonzept O_ph und einem Lautkonzept L_ph kann im Gehirn eine Verbindung
(‚Assoziation‘) hergestellt werden, so dass das Lautkonzept über diese Verbindung auf
das Dingkonzept ‚verweisen‘ kann, und umgekehrt)(ASSOC(L_ph,O_ph)). Das Lautkonzept wird
in solch einer Verbindung zum ‚Bezeichner‘ (’signifiant‘, Signifikanten), und das über
solch eine Verbindung Bezeichnete wird zur ‚Bedeutung‘ (’signifie‘, Signifikat) des
Bezeichners. Beide Momente vereint durch eine Beziehung werden dann zu einem ‚Zeichen‘
(’signe‘). Für Saussure war es wichtig, festzuhalten, dass diese mögliche Beziehung
zwischen einem Bezeichner und einem Bezeichnten ‚arbiträr‘ ist in dem Sinne, dass
ein bestimmtes Bezeichnetes ‚von sich aus‘ keinen bestimmten Bezeichner ‚verlangt‘.
Ob man eine mögliche (!) Unterscheidung im Rahmen der Wahrnehmung von dark und light
nun mit den Bezeichnern ‚dunkel‘ und ‚hell‘ bezeichnen will oder mit irgendwelchen
anderen Lautkombinationen ist völlig der Entscheidung der Sprachgemeinschaft überlassen.
Wenn diese sich einmal entschieden hat, dann wird die einmal getroffene Entscheidung
in den meisten Fällen erst einmal als ‚Verabredung‘ (Konvention) dahingehend wirksam
sein, dass ein Zeichenbenutzer dieser Population im Bedarfsfall erst einmal die
eingeführten Zeichen benutzen wird. Dennoch steht es der Population frei, diese
Zuordnungen wieder zu verändern (was historisch auch immer wieder geschehen ist).

(11) Schon diese minimale Sprachtheorie macht deutlich, dass die Einführung von Zeichen
für Objekte, die nicht ‚zwischen‘ den verschiedenen Zeichenbenutzern existieren
und somit als empirische Objekte wahrgenommen werden können, viel grundsätzliche
Fragen aufwirft. Aber selbst die sprachliche Kommunikation über sogenannte ‚empirische‘
Objekte ist nicht trivial. Nach der Saussurschen Theorie können zwei Zeichenbenutzer
nur dann über ein empirisches Objekt zu einer Einigung kommen, wenn die psychischen
Objekte L_ph und O_ph bei bei beiden Zeichenbenutzern hinreichend ‚ähnlich‘ sind
und darüber hinaus in ihrer ‚Abbildung‘ vom externen Stimulus in ein psychisches
Ereignis hinreichend ‚konstant‘. Würde das ‚gleiche‘ empirische Objekt O_e.i bei
jedem Auftreten anders abgebildet werden (also O_e.i —> {O_ph.i.1, …, O_ph.i.k}),
dann wäre der betreffende Zeichenbenutzer garnicht in der Lage, in diesen
verschiedenen psychischen Ereignissen ein einziges bestimmtes empirisches Objekt
erkennen zu können. Ferner, selbst wenn die Abbildung als solche konstant wäre,
würde es zu Problemen kommen können, wenn die Abbildungen in jedem Zeichenbenutzer
grundsätzlich verschieden wäre (also O_ph.i von Zeichenbenutzer A wäre verschieden
von O_ph.i von Zeichenbenutzer B). Dies bedeutet, schon die ’normale‘ sprachliche
Kommunikation von empirischen Objekten verlangt, dass die internen
Abbildungsmechanismen von Wahrnehmungsereignissen in psychische Objekte sowohl
hinreichen ‚konstant‘ wie auch hinreichend ‚ähnlich‘ zwischen unterschiedlichen
Zeichenbenutzern sind.

(12) Aufgrund der Erkenntnisse verschiedener empirischer Wissenschaften zur
Evolution des Lebens – speziell auch zur Entwicklung genetischer Strukturen,
Körperentwicklung, Gehirn- und Verhaltensentwicklung — wissen wir, dass der
‚Bauplan‘ für den homo sapiens ‚identisch‘ ist und dass trotz Wechselwirkung
mit der Umwelt während der Wachstumsphase die entscheidenden Gehirnstrukturen
tatsächlich hinreichend ähnlich sind. Sinneswahrnehmung, Gedächtnisstrukturen,
Bewegungsprogramme, Spracherwerb, usw. funktionieren bei den einzelnen Zeichenbenutzern
‚vollautomatisch‘ und hinreichend ’strukturähnlich‘.

(13)Ausgestattet mit diesen Erkenntnissen eröffnet sich für die Frage der
sprachlichen Kommunizierbarkeit von bewusstseinsphilosophischen Sachverhalten
der interessante Ansatzpunkt, dass eine bedingte Kommunikation von
nichtempirischen Phänomenen möglich erscheint, wenn diese Phänomene
konditioniert sind von einer allgemeinen Erlebnisstruktur des homo sapiens
(eine der Leitideen der evolutionären Erkenntnistheorie). In diesem Fall
könnte ein Zeichenbenutzer A, der Zahnschmerzen hat, unter bestimmten
Voraussetzungen einem anderen Zeichenbenutzer B, der die Zahnschmerzen des A
nicht ‚wahrnehmen‘ kann, u.U. ‚indirekt‘ verstehen (z.B. durch Hinweise auf
Situationen, in denen er auch ‚Schmerzen‘ hatte oder gar ‚Zahnschmerzen‘).
Eine solche ‚indirekte‘ Bedeutungseinführung verlangt von allen Beteiligten
eine große Disziplin, verlangt möglichst viele gemeinsam geteilte Erfahrungen,
vor allem aber ‚Vertrauen‘ darin, dass der andere nicht ‚täuscht‘, nicht etwas
’simuliert‘, was garnicht da ist. Eine direkte Überprüfbarkeit ist stark
reduziert wenn nicht völlig ausgeschlossen. Trotz dieser Widrigkeiten, das zeigt
der Alltag, gelingt der Aufbau von ‚indirekten Bedeutungsbeziehungen‘ erstaunlich
gut und kann sehr weit ausgreifen. Allerdings erscheinen die ‚Grenzen‘ dieses
Verfahrens ‚fließend‘ zu sein.

(14) Eine Bewusstseinsphilosophie auf der Suche nach transzendentalen Strukturen
wird also letztlich nur soweit kommen können wie einerseits (i) das Erleben als
solches Inhalte verfügbar machen kann und zum anderen (ii) nur insoweit, als
eine gemeinsame Sprache verfügbar ist, die es erlaubt, die verfügbaren
Unterscheidungen im Raum des Erlebens sprachlich zu kodieren.

(15) Husserl selbst blieb in der Struktur seines Erlebens letztlich ‚gefangen‘
und alle seine Bemühungen zur Einordnung von kontingenter Welterfahrung und
transzendental bedingter Metaphysik enden an den Grenzen des puren Erlebens
(inklusive der darin fassbaren allgemeinen Sachverhalte)

(16) In der Philosophie nach Husserl gab es unterschiedliche Strömungen, den
phänomenologischen Ansatz anders zu deuten oder gar weiter zu entwickeln, doch
die schier unüberwindlich erscheinende Gegenübersetzung von kontingenten
Erlebnisinhalten (und den darauf aufbauenden entsprechend angenommenen kontingenten
Einzelwissenschaften) und transzendentalen Sachverhalten paralysierte alle
Nachfolger (einschließlich z.B. Heidegger, Derrida, Lyotard).

(17) Folgt man den Einsichten zum Sprachgebrauch dann kann deutlich werden,
dass die Formulierung abstrakter Modelle (formaler Theorien) sowohl zur
Beschreibung von Regelhaftigkeiten im Kontext von kontingenten Inhalten benutzt
werden kann wie auch zur Beschreibung von transzendentalen Eigenschaften des
Erlebens. Mehr noch, die Entwicklung von empirischen Theorien mit ‚formalen
Kernen‘ hat gezeigt, dass Dasjenige, was den ‚Erkenntnisinhalt‘ solcher
Theorien ausmacht, gerade nicht das kontingente Faktum als solches ist,
sondern jene ‚Regelhaftigkeiten‘, die anläßlich des kontingenten Auftretens
durch ‚Speicherung der Ereignisse‘ ’sichtbar‘ werden und eben als diese
‚Regeln‘ dann in eine formale Strukturbildung Eingang finden. Statt – wie
Husserl dies tut – hier von der ‚Transzendenz‘ der empirischen Bedeutungen zu
sprechen, vom ‚unendlichen Horizont der Bedeutung‘ (was in gewissem Sinne
schon einen ‚Sinn‘ ergibt), wäre es vielleicht hilfreicher, sich klar zu machen,
dass die kontingenten Inhalte als solche dem bewussten Erleben gegenüber
auch ‚transzendental‘ sind, dem Erleben ‚vorausgehend‘, und dass die ‚Extraktion‘
von Regeln in den transzendentalen Inhalten ein Denkprozess ist, der als solcher
transzendental ist. Es ist das ‚transzendentale Denken‘ das sich aus den
transzendentalen Phänomenen jene Eigenschaften extrahiert, die über das
einzelne Phänomen hinausweisen und als allgemein Gedachtes dann zur
‚Voraussetzung‘ des weiteren Denkprozesses wird. Zugleich sind die
erkannten Regeln in ihrer möglichen ontologischen Interpretation ebenfalls
ein ‚transzendentales Etwas‘ für das erkennende Denken.

(18) Findet somit schon über die Dimension des Zeichengebrauchs eine gewisse
Annäherung zischen dem ‚Kontingenten‘ und dem ‚Transzendentalem‘ statt, so haben
uns die modernen empirischen Wissenschaften darüber belehrt, dass die allgemeinen
Strukturen des Erlebens (und darin enthalten Erinnern, Abstrahieren, Denken usw.)
zwar aus der Perspektive des Erlebens selbst als etwas Transzendentales, als
etwas nicht weiter Hintergehbares erscheinen, dass aber mit Hilfe von formalen
Theoriebildungen anhand von kontingenten Fakten klar geworden ist, dass
diese transzendentalen Strukturen letztlich selbst kontingent sind, nämlich
jene Strukturen, die sich im Rahmen der Evolution im Laufe von ca. 3.5 Milliarden
Jahren in Interaktion mit der vorfindlichen Erde entwickelt haben. Und diese
Strukturen sind kein ‚Endpunkt‘, sondern nur eine ‚Zwischenstation‘ in einem
Prozess, dessen Ende noch niemand kennt. Eine Metaphysik auf Basis rein
transzendentaler Sachverhalte im Sinne Husserls – also unter Ausklammerung der
Erkenntnisse aus den kontingenten Inhalten – erscheint von daher sehr fragwürdig,
mehr noch, sie führt – wie es bislang der Fall ist –, zu einer Fülle
unauflöslicher Paradoxien.

(19) Nimmt man die neuen Einsichten auf, dann lässt sich ein interessanter neuer
– und dynamischer – Ansatzpunkt für eine die ganze Welterfahrung umspannende
Metaphysik skizzieren. Den Kern bilden emirische Theorien mit formalen
Theoriekernen, die im Erleben verankert sind. Das Erleben ist aber korreliert
mit den Erkenntnissen über die Strukturentwicklung von Körper und Gehirn.
Dies ist notwendig, da die transzendentalen Voraussetzungen des individuellen
Erlebens innerhalb des individuellen Erlebens zwar einen ‚absoluten‘ Rahmen
bilden, insofern das Individuum aber Teil einer Population ist, die eine
evolutionäre Entwicklung hinter sich hat, ist dieser individuelle transzendentale
Rahmen eine ‚gewordene‘ Struktur, die ihre Wahrheit aus den bisherigen
Interaktionserfolgen mit der vorgegebenen Erde bezieht. Die Erde selbst ist
aber nur ein winziger Teil des Universums, in dem schon alleine die Milchstrasse
als unser Heimatgalaxie mehr als 200 Miliarden Sonnen enthalten soll. Es
wäre also zu klären, worin das ‚Allgemeine‘ in der Struktur liegt, die wir
bislang ‚empfangen‘ haben und inwieweit man dies über die Erde hinaus ausdehnen
kann.

(20) Jede künftige Philosophie ist entweder eine Philosophie des Lebendigen
im Universum unter Einbeziehung aller empirischen Wissenschaften oder sie
degeneriert zu einem bloßen ‚Meinen‘ von einzelnen Personen, bei dem nicht klar
ist, was sie sagen wollen, weil die Beziehung zum Ganzen des Wissens willkürlich
beschnitten wurde.