BLOG – IN EIGENER SACHE (2)

STEIGENDE BESUCHERZAHLEN

Warum auch immer, die Zahl der Besucher dieses Blogs steigt kontinuierlich. Dies ist zwiespältig. Einerseits kann man dies als ein Anzeichen dafür deuten, dass die Inhalte des Blogs die Leser in irgendeiner Weise positiv ansprechen. Dies kann der Ansatz zu einer übergreifenden Kommunikation sein darüber, wie wir unsere gemeinsame Welt verstehen können oder sogar sollten, um uns in ihr zurecht zu finden. Andererseits kann es für die Schreibenden eine Gefahr sein, nicht mehr ‚um der Wahrheit willen‘ zu schreiben sondern aus dem ‚Gefühl heraus, gehört zu werden‘. Positive Resonanz zwischen Menschen ist wichtig, eine Art Grundvoraussetzung persönlicher Kommunikation, aber wenn sie zu einer Art Selbstzweck wird, dann geht es nicht mehr um ‚Wahrheit‘, sondern um ‚Gefallen‘, ‚Bekannt sein‘, und dergleichen. Mit Wahrheit hat dies dann immer weniger zu tun. Wenn die ‚Wahrheit‘ als Nebeneffekt zu Bekanntheit führt, ist dies OK, aber ‚Bekanntheit‘ als solche ist eher tödlich für die Wahrheit.

KEINE WERBUNG

Vor diesem Hintergrund soll hier klargestellt werden, dass dieser Blog KEINERLEI Werbung macht. Positiv verstanden ist ‚Werbung‘ ein ‚Informieren‘ über Produkte und Dienstleistungen, was für diejenigen, die genau solche Produkte und Dienstleistungen suchen, sehr wichtig sein kann. Aber mit der Werbung ist es wie mit dem ‚Gefallen‘: Werbung als solche führt zu nichts. Wenn sich aus der Suche nach der Wahrheit ergibt, dass bestimmte Personen, Sachverhalte, Dinge, Dienste usw. ‚wichtig‘ sind, dann wird man darüber sprechen, aber nicht losgelöst, nicht einfach so um ‚Geld‘ zu verdienen. ‚Geld‘ ist ein nützliches ‚Universalmittel‘ um zwischen einem Bedarf und möglichen Angeboten zu ‚vermitteln‘; ‚Geld‘ als solches hat aber keinen ‚Sinn‘ oder ‚Wert‘ an sich. In diesem Sinn kann ein Milliardär möglicherweise ein ‚Weltmeister der Sinnlosigkeit‘ sein; wer sich davon beeindrucken lässt, begibt sich selbst in den Strudel möglicher Sinnlosigkeit. Geld ohne ‚Sinn‘ ist wie ein schwarzes Loch, das zwar alles ansaugt, aber nichts wiedergibt.

BUCHBESPRECHUNGEN

Im Rahmen der Suche nach dem ‚Sinn‘, der ‚Wahrheit‘ lese ich auch Bücher, und, falls mich ein Buch anspricht, sowohl besonders positiv wie auch besonders negativ, dann versuche ich auch schon mal darüber in diesem Blog zu berichten. Leider ist das Verhältnis zwischen den Büchern, die ich lesen möchte oder von denen mein Gefühl mir sagt, ich sollte sie lesen, und der verfügbaren Zeit, zu Lesen krass negativ. Der Stapel der zu lesenden Bücher geht beständig in die 60 bis 70, aber faktisch lesen kann ich immer nur eines. Wenn mir dann ein Verlag unaufgefordert ein Buch zusendet, um es zu besprechen, dann ist dies ambivalent: warum soll dieses zugesandte Buch jetzt wichtiger sein als eines von denen, die da schon liegen und auf Gelesen werden warten? Was ist mit der ‚Authentizität‘? Die Suche nach der Wahrheit ist eingebettet in eine Art ‚Spiritualität‘, die sich schwer vermitteln lässt. Einflussnahmen von außen sind sehr kritisch. Natürlich kann ein zugesandtes Buch, ein Artikel, eine Begegnung ‚genau zum Punkt‘ sein, aber es muss nicht; es kann — zumindest in diesem Augenblick — nicht ‚zum Punkt sein‘. Dann muss man auch ‚loslassen‘ und ‚warten‘ können. Die ‚Wahrheit‘ kennt Zeitpunkte… so erscheint es mir….Zwang ist auf jedenfalls vollständig unproduktiv.

WAS WILL DER BLOG?

Ja, was will der Blog. Als ich mit dem Blog angefangen habe (Januar 2007), wusste ich es nicht wirklich Es hat bis Dezember 2009 gedauert, bis aus der ersten vagen ‚Regung‘ ein ‚Impuls‘ wurde, mehr zu schreiben. Die folgenden Jahre waren ‚Suchvorgänge‘ in viele Richtungen. Aktuell würde ich es mal so formulieren:

(1) Für mich als Autor (cagent) ist das Schreiben ein Mittel, um mein eigenes Weltverständnis zu klären; ich schreibe, weil ich es brauche, um selber zu verstehen.
(2) Aus dieser Notwendigkeit resultiert das Bedürfnis, mit ‚realen‘ Fakten zu arbeiten, mit ‚funktionierenden Theorien‘, mit authentischen Menschen, ohne ‚Vor-Urteile‘, so ‚transparent‘ wie möglich, unter Benennung von ‚wirkenden Motiven oder Interessen‘, usw.
(3) In diesem Versuch bin ich mir meiner Grenzen bis zu einem gewissen Grade bewusst: mein Wissen und meine Erfahrungen sind sehr begrenzt, mein Fühlen ist auf eine bestimmte Weise ’sozialisiert‘ und ich bin daher darin — neutral gesprochen — ‚eingebettet‘, oder — plakativer gesprochen — darin ‚gefangen‘; mein soziales Umfeld hat seine Eigenheiten und ich korrespondiere mit diesen Eigenheiten, usw.
(4) Aufgrund der eigenen Begrenztheit ist man beständig angewiesen auf ‚andere Menschen‘, die anders Fühlen und Denken, weil man sich — nicht notwendigerweise, aber möglicherweise — nur durch die ‚Andersheit‘ des Anderen seiner eigenen Begrenztheiten und Besonderheiten bewusst werden kann. Allerdings ist die Fähigkeit von uns Menschen, ‚Andersheit‘ konstruktiv wahrnehmen und daraus konstruktiv lernen zu können, bislang eher begrenzt. Wir können nicht beliebig viel ‚Andersheit‘ ‚verarbeiten‘, so wie wir generell nur begrenzt lernfähig sind, weil unsre körperlichen Grenzen des Wahrnehmens, Denkens, Fühlens usw. real sind, sehr eng, sehr limitiert. Körperlich sind wir sehr ‚endlich‘; ‚geistig‘ erscheint es uns alles als ‚unbegrenzt‘; aber solange wir mit diesem Körper in dieser Welt vorkommen, solange haben wir konkrete Grenzen.
(5) Der Blog versucht also, getragen von einer gewissen ‚Spiritualität‘, zu klären, WER wir im Alltag, in der Geschichte, im Kosmos ’sind‘. WAS ist die ‚bessere‘ Beschreibung der Vorgänge und Strukturen? Gibt es so etwas wie einen SINN in all dem Geschehen (von vornherein zu behaupten, es gäbe keinen, ist genauso dogmatisch und unsinnig, wie von vornherein zu behaupten, es gäbe einen).
(6) Methodisch ist die leitende Perspektive, diejenige, die ich PHILOSOPHIE nenne (in den letzten Jahren dahingehend ‚geklärt‘). Teil der so verstanden Philosophie ist das, was wir moderne experimentelle WISSENSCHAFT nennen. Nach meinem Verständnis kann es aber keine Philosophie und keine Wissenschaft geben, wenn nicht ein Minimum an KUNST stattfindet; Kunst hier nicht verstanden als ‚Fertigkeit‘ im Sinne von Malen, Bildhauern können, nicht im Sinne von Instrumenten perfekt spielen können, usw. sondern als jene Haltung eines Menschen, der sich darum bemüht und es irgendwie schafft, die ‚gewohnten Verhaltens-, Denk-, Fühlensmuster‘ zu thematisieren, zu unterlaufen, zu verändern, zu hinterfragen, spielerisch-experimentell zu überschreiten, um darin allen anderen zu helfen, sich des verborgenen ‚Gefängnisses des Alltags‘ bewusst zu werden, um Anreize zu bekommen, sich und die Welt ’neu‘ zu sehen und daraus heraus vielleicht mit zu verändern. Schließlich, gehört dazu sehr grundlegend auch das FÜHLEN, das sich praktiziert als SPIRITUALITÄT auslebt, jener verborgenen Kraft in uns allen, die letztlich hinter allem Lernen steht: die elementarsten Mechanismen der Evolution funktionieren nur mit einem ‚Fitnesswert‘ (= minimale Präferenzen) genauso wie die elementarsten Algorithmen einer lernenden (!) künstlichen Intelligenz nicht ohne minimale Präferenzen auskommen. ‚Fitness‘ und ‚Präferenz‘ sind jenseits ihrer scheinbaren Formalität aber genau dies, jene weltimmanente implizite Logik allen Lebens (und Geistes) im bekannten Universum. Wir Menschen als homo sapiens sapiens ‚erleben‘ sie u.a. als jene spezifischen Gefühle, die uns im ‚Dickicht des Alltags‘ ‚voran leuchten‘, wie so eine Art ‚Hintergrundfühlen‘ in allem. Manche Menschen haben es verstanden (bzw. verstehen es), dies ‚für sich‘ (und damit letztlich auch für andere) ‚intensiver‘ zu machen und für die Gestaltung des Lebens zu nutzen. Man kann es ‚Spiritualität‘ nennen, ‚Meditation‘, ‚Gebet‘ oder noch anders, aber in der Sache ist es genau eines, das für ALLE Menschen (und letztlich für alle Lebensformen im Universum) GLEICH ist.

ANDERE AUTORENinnen?

Natürlich stellt sich die Frage, ob in diesem Blog nicht auch andere als Autoren mitwirken können oder sollten. Da ich selbst beständig sehr vernetzt fühle und lebe, liegt dies Frage auf der Hand. Nach meinem Verständnis gibt es unter uns Menschen ein Phänomen, das ich ‚Individualität‘ nennen möchte. Biologisch haben wir alle in unseren körperlichen und dann in den davon induzierten Verhaltensstrukturen eine ungeheure Ähnlichkeit, die so stark ist, dass wir uns untereinander bis zu einem gewissen Grade ‚verständigen‘ können, trotz Verschiedenheit. Und es ist diese wundersame ‚Gemeinsamkeit‘ in den Strukturen, die ein komplexes Zusammenleben überhaupt erst ermöglicht. Aber zugleich zu diesen Gemeinsamkeiten besitzt JEDER Mensch eine unverrückbare INDIVIDUALITÄT, die ihn von anderen (mehr oder weniger) unterscheidet, abhebt. Für sich genommen hat diese Individualität keinen rechten Sinn; als Teil eines Ganzen bekommt sie aber eine fundamentale Bedeutung für alle anderen. Vor dem Hintergrund der Gemeinsamkeit sind Individualitäten Manifestationen einer grundlegenden (kosmischen) Kreativität, in der sich Leben und Geist ‚ausspricht‘. Wenn wir sie so sehen, das Besondere im Kontext des Allgemeinen, dann entsteht eine ‚übergreifende Sinfonie‘ von Manifestationen, ein Gesamtklang des Lebens im größeren Kontext, der noch nicht vollständig entborgen ist.

Das Wechselspiel zwischen GEMEINSAMKEIT und INDIVIDUALITÄT ist fragil, empfindlich, schwer fassbar. Es ist von daher schwer allgemein entscheidbar, sollen einfach mehr in diesem Blog schreiben, was in einer Hinsicht die vorhandene Individualität nivellieren könnte, oder ist es gerade so, wie oben beschrieben, dass die Hereinnahme von mehr Individualitäten die verborgene Sinfonie des Lebens dadurch mehr Ausdruck bekommen könnte?

Tatsächlich — und glücklicherweise — gibt es ja gleichzeitig zu diesem Blog viele andere wunderbare Blogs, die Teile der Gesamtsinfonie realisieren. Vielleicht sollten wir auch Wege finden, wie man diese vielen wunderbaren Blogs mehr in einen ausdrücklichen Zusammenhang bringt, so eine Art ‚Meta-Blog’…

Auf jeden Fall bin ich schon mit anderen im konkreten Gespräch, ob und wie sie vielleicht an diesem Blog mitschreiben. ‚Es wird sich zeigen’…

Einen Überblick aller bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.

Über cagent

Bin Philosoph, Theologe, Kognitionswissenschaftler und hatte seit 2001 eine Vertretungsprofessur und ab 2005 eine volle Professur im Fachbereich Informatik & Ingenieurswissenschaften der Frankfurt University of Applied Sciences inne. Meine Schwerpunke ab 2005 waren 'Dynamisches Wissen (KI)', 'Mensch Maschine Interaktion (MMI)' sowie 'Simulation'. In dieser Zeit konnte ich auch an die hundert interdisziplinäre Projekte begleiten. Mich interessieren die Grundstrukturen des Lebens, die Logik der Evolution, die Entstehung von Wissen ('Geist'), die Möglichkeiten computerbasierter Intelligenz, die Wechselwirkungen zwischen Kultur und Technik, und der mögliche 'Sinn' von 'Leben' im 'Universum'. Ab 1.April 2017 bin ich emeritiert (= nicht mehr im aktiven Dienst). Neben ausgewählten Lehrveranstaltungen ('Citizen Science für Nachhaltige Entwicklung' (früher 'Kommunalplanung und Gamification. Labor für Bürgerbeteiligung')) arbeite ich zunehmend in einem integrierten Projekt mit Theorie, neuem Typ von Software und gesellschaftlicher Umsetzung (Initiative 'Bürger im Gespräch (BiG)). Die einschlägigen Blogs sind weiter cognitiveagent.org, uffmm.org sowie oksimo.org ... ja, ich war auch mal 'Mönch', 22 Jahre lang mit viel Mystik, Theologie und Philosophie; dabei u.a. einige Jahre Jugendsozialarbeiter.