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EINSCHUB : INTELLIGENZ – LERNEN – WISSEN – MATERIELLE BEDINGUNGEN; KI

Autor: Gerd Doeben-Henisch

Datum: 20.Febr 2025 – 20.Febr 2025

Kontakt: cagent@cognitiveagent.org

Eine englische Version findet sich HIER.

KONTEXT

Dies ist eine weitere  Zwischenreflexion, um die Begrifflichkeit von ‚Intelligenz‘ und ‚Lernen‘ strukturell weiter zu klären. Diese und die vorausgehende Zwischenreflexionen verstehen sich als ‚Ergänzung‘ zum Hauptstrang des Text-Projektes ‚Was ist Leben?‘

HAUPTSTRANG: Was ist Leben?

  1. WAS IST LEBEN ? Welche Rolle haben wir ? Gibt es eine Zukunft ?
  2. WAS IST LEBEN ? … DEMOKRATIE – BÜRGER
  3. WAS IST LEBEN ? … PHILOSOPHIE DES LEBENS
  4. WAS IST LEBEN ? … Wenn Leben ‚Mehr‘ ist, ‚viel Mehr‘ …
  5. WAS IST LEBEN – GRAMMATIK DES ÜBERLEBENS. Im Focus: Homo sapiens …(noch nicht fertig)

Dem Text Nr.4 ging ein Vortrag am 31.Jan 2025 voraus, in dem ich die grundlegenden Ideen schon mal formuliert hatte.

EINSCHÜBE BISHER:

  1. EINSCHUB: Kurze Geschichte zum Begriff der Intelligenz und seiner möglichen Zukunft 
  2. EINSCHUB : BIOLOGISCHE INTELLIGENZ braucht LERNEN. Strukturanalyse

EINLEITUNG

Die erste Analyse des Konzepts ‚Intelligenz‘ machte deutlich, dass im Rahmen eines Intelligenztests nur solche ‚Antworten‘ von der ‚Versuchsperson‘ kommen können, die bei ihr aktuell ‚verfügbar‘ sind. Abgesehen von ‚angeborenen Reflexen‘ und körperlich bedingten Eigenschaften‘ handelt es sich dabei um solche ‚internen Strukturen‘, die im Rahmen von ‚Lernprozessen‘ entstanden sind. Diese durch Lernen erworbene Strukturen nennen wir hier ‚Wissen‘ bzw. ‚Erfahrung‘.

Diese Unterscheidung der Begriffe ‚Intelligenz‘, ‚Lernen‘ sowie ‚Wissen‘ und ‚Erfahrung‘ soll im folgenden Texte weiter vertieft werden. Dabei wird eine ‚generelle Struktur‘ des ‚Homo sapiens (HS)‘ deutlich, wie er als Teil des übergeordneten ‚Lebens (L)‘ ausgestattet ist, um ’sein Überleben‘ auf diesem ‚Planeten (P)‘ möglicherweise zu sichern. Als Teil des Lebens kann er seine Fähigkeiten aber auch nutzen, um zum Überleben des ganzen Lebens beizutragen, so wie diese letztlich seine Existenz sichert. Bis auf eine aktuell schwer einschätzbare Zukunft ist der Homo sapiens auf diesem Planeten vollständig auf das Gesamt-Leben angewiesen.

BILD 1 : Basiskonstellation von Planet (P), Leben (L) und dem Homo sapiens (HS) als Teilpopulation des Lebens. Alle Komponenten (P, L, HS) stehen sowohl in Wechselbeziehung zu sich selbst als auch untereinander

INTELLIGENZ – LERNEN – WISSEN – MATERIELLE BEDINGUNGEN

Ausgangspunkt

Der Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen ist im folgenden Schaubild festgehalten:

BILD 2 : Eine ‚dynamische Sicht‘ der Konstellation Planet-Leben-Homo sapiens unter Voraussetzung eines fiktiven Beobachters

Aus der Sicht eines ‚fiktiven Beobachters‘ (siehe das BILD 2) kann man die ‚Struktur‘ der Konstellation ‚Planet – Leben – Homo Sapiens (PLHS)‘ mit ihren umfassenden ‚Wechselwirkungen‘ sehen als ‚eingebettet‘ in einen ‚zeitliche Struktur (T)‘, die hier als ein ‚Prozess mit Zeitscheiben‘ (siehe Text Nr.4) aufgefasst wird.

Im Schaubild gibt es als ‚Fixpunkt/ Standpunkt‘ die ‚Gegenwart'(NOW). ‚Vorher‘ zur Gegenwart gibt es eine ‚vermutete Geschichte‘ (HISTORY), und ’nachher‘ in den ‚möglicherweise kommenden neuen Gegenwarten‘ (POSSIBLE FUTURES) kann es ‚weitere‘ Gegenwarten geben, aber diese sind zum ‚aktuellen Zeitpunkt‘, in der ‚Gegenwart‘, noch nicht bekannt.

BILD 3 : Unter Voraussetzung eines ‚Gehirns‘, das mittels eines ‚Körpers‘ Eigenschaften der Welt ‚Wahrnehmen‘, später ‚Erinnern‘ und dann auch noch auf geeignete Weise ‚anordnen‘ kann, lässt sich eine gewisse ‚dynamische Struktur‘ von Planet, Leben und Homo sapiens erkennen.

Der ‚fiktive Beobachter‘ existiert allerdings nur im ‚Kopf‘ eines Menschen, sofern er ‚Denken‘ kann, insofern er sich ‚Erinnern‘ kann, und insofern er seine Erinnerung durch ‚aktuelle Wahrnehmungen‘ gewinnen konnte. Da sowohl die Wahrnehmung als auch das Erinnern als auch das Denken sich ‚irren‘ kann, bedeutet dies dass die Sicht des ‚fiktiven Beobachters‘ entweder ‚eher richtig‘ ist oder ‚eher falsch‘.

Wissen und materielle Einbettung

Der ‚denkende Mensch‘ ist mit einem ‚Körper‘ ausgestattet (Materielle Einbettung 1), der sich immer in einer ‚realen Situation‘ — oder in einem ‚realen Zustand‘– (Materielle Einbettung 2) befindet, wobei die Situation immer ‚Teil von etwas Größerem‘ ist. Hier gehen wir davon aus, dass dieses Größere‘ im Normalfall der ‚Planet Erde‘ ist (wobei dieser Planet in fast beliebig größere Kontexte des Universums eingebettet ist) und die ‚Population des Homo sapiens‘ sowie die ‚Gesamtheit des Lebens‘ (Materielle Einbettung 3).

Im Laufe der Zeit haben Menschen entdeckt, dass man ‚in der aktuellen Situation‘ vielfache ‚Spuren‘ (TRACES) entdecken kann, die auf Ereignisse im Bereich des Planeten Erde hinweisen, auf Ereignisse des Lebens auf dem Planeten sowie auch auf Ereignisse des Homo sapiens auf dem Planeten, als Teil des Lebens.

Diese ‚beobachtbaren Spuren‘ (observable TRACES) stammen aus unterschiedlichen ‚zeitlichen Abschnitten‘ in der ‚Geschichte‘ und lassen von daher Ansätze von ‚Veränderungen (V)‘ erkennen. Veränderungen, sofern sie ‚Regelmäßigkeiten‘ erkennen lassen, können als Ausgangspunkt genutzt werden, um mit Hilfe einer ‚Voraussage-Logik‘ ‚mögliche Zustände zu einem zukünftigen Zeitpunkt‘ (POSSIBLE FUTURES) zu generieren.

Wissen

Für die ‚Sicht des Menschen‘ auf den Planeten, auf das Leben und auch auf sich selbst ist letztlich entscheidend, dass er über die Fähigkeit verfügt, (i) dies alles, was ihn umgibt, irgendwie ‚Wahrnehmen‘ zu können auf eine Weise, dass (ii) die ‚Inhalte der Wahrnehmung‘ sich so ‚ablegen‘ lassen, dass sie (iii) sich später auch wieder ‚erinnern‘ lassen. (iv) Diese Wahrnehmung geschieht — wie wir heute wissen — nicht als eine 1-zu-1 ‚Abbildung‘, sondern benutzt allerlei ‚Vereinfachungen/ Abstraktionen‘, die so sind, dass man beim Erinnern normalerweise noch einen ‚Bezug zur aktuellen Wahrnehmung‘ herstellen kann. (v) Aufgrund der ‚Beschaffenheit der erinnerbaren Inhalte‘ kann (v) das ‚Denken‘ diese Inhalte unterschiedliche ‚Strukturieren‘ und (vi) im ‚Vergleich von Vorher und Nachher‘ möglicherweise ‚Veränderungen‘ erfassen. Sofern diese Veränderungen ‚hinreichend ähnlich‘ sind, kann (vii) das Denken aufgrund von ‚regelhaften Veränderungen‘ in beschränktem Umfang ‚Voraussagen‘ machen. (viii) Die Art und Weise der ‚Generierung von Voraussagen‘ fällt im weitesten Sinne unter den Begriff der ‚Logik‘ bzw. des ‚logischen Folgerns‘ (die moderne ‚formale Logik‘ bildet allerdings nur Teilaspekte dieses realen Geschehens ab).

Man könnte hier formulieren: Das ‚Wissen‘ ist eine spezielle Form des ‚Widerhalls‘ der materiellen Rahmenbedingungen, unter denen Wissen entsteht. Die materiellen Rahmenbedingungen können zwar die Entstehung und die Form des Wissens beeinflussen, sie können aber das ‚Wissen selbst‘ weder ‚aus sich alleine heraus‘ erzeugen noch können sie das, wovon das Wissen ein ‚Widerhall‘ ist, aus sich heraus erzeugen. Der ‚Widerhall im Format des Wissens‘ verweist auf etwas ‚jenseits des Wissens selbst‘. In der traditionellen Sprache der Philosophie würde man hier dann von ‚Transzendenz‘ sprechen, d.h. mit der Verfügbarkeit von Wissen, das durch Mitwirkung eines ‚echten Widerhalls‘ entstanden ist, ‚übersteigt‘ (transzendiert) das Wissen im Innern eines Menschen diesen Menschen mit seinen materiellen Begrenzungen.

Materielle Einbettung von Wissen

Wir wissen heute, dass die ‚materielle Einbettung des Wissens‘ zahlreiche ‚Faktoren‘ erkennen lässt, die sowohl ‚konstruktiv‘ wie auch ‚destruktiv‘ bei der Entstehung von Wissen wie auch bei seiner ‚Nicht-Entstehung‘ wirksam sein können. So macht es sich stark bemerkbar, wenn Menschen an ‚Krankheiten‘ leiden, die sie schwächen und quälen können und sie womöglich an einen bestimmten Ort binden. Mangel an Wasser, Nahrungsmitteln, oder das Fehlen eines geeigneten Aufenthaltsort als Schutz vor Kälte, Hitze und Regen. Die Bedrohung durch andere Menschen oder durch andere Lebensformen (Tiere, Insekten, Pflanzen,…). Eigene ‚Emotionen‘ wie Angst, Hass, starke Erregung, starke emotionale Abhängigkeiten. Störungen der Wahrnehmung im Bereich des Sehens, Hörens, Riechens usw. … Schlechte Kommunikation wegen mangelhafter Sprachkenntnis, wegen Ausgrenzung, wegen Verfolgung … auf der Flucht sein, stattfindende Naturkatastrophen … und vieles mehr.

Auch der eigene Körper, das eigene Wissen kann hinderlich sein: wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Wissen hat, der kann durch seine Gefühle davon abgehalten werden, dieses aktuelle Wissen zu verändern. Dann ‚friert‘ das aktuelle Wissen dieses Menschen über die Welt und sich selbst ‚fest‘. Die typische ‚Dynamik des Lebens‘ entweicht, verschwindet, und das ‚Leben im Kopf erstarrt zu Stein‘.

Wissen und Gesellschaft; KI

Wenn man sieht, wie komplex und fragil zugleich die Entstehung von Wissen ‚im Kopf‘ eines einzelnen ist, dann kann man vielleicht ahnen, wie groß die Aufgabe und die damit gegebene Herausforderung für viele Menschen ist, für eine ganze Population, ‚gemeinsam‘ jenes Wissen ‚entstehen zu lassen‘, das die Population benötigt, um gemeinsam ein ‚gutes Überleben‘ in einer ‚möglichen Zukunft‘ erreichen zu können.

Die seit spätestens 2022 verfügbaren technischen Hilfsmittel unter dem — irreführenden — Namen ‚KI‘ (Künstliche Intelligenz) können vermutlich eine riesige Hilfe sein, sofern der Mensch sein eigenes Wissen entsprechend ‚kultiviert‘ (mit dem KI-Wissen als Teil), aber solange der Mensch die ‚materielle Einbindung‘ seines Wissens nicht in den Griff bekommt, solange wird auch die ’sogenannte KI‘ auch auf der Stelle treten. Die ‚materielle Einbindung des Menschen‘ ist eben nicht nur ein ‚potentielles Hindernis‘, sie ist zugleich auch die ‚Ermöglichung‘ von ‚Welt-Relevantem‘ und ‚Lebens-Relevantem‘ Wissen. Über diese beiden Dimensionen verfügt eine KI nicht, nicht nur heute nicht, sondern grundsätzlich nicht. ‚Biologische Systeme‘ repräsentieren ein Potential, welches jede ‚unbelebte Materie‘ real ‚transzendieren‘ und ‚in etwas Neues‘ verwandeln kann. Die von Menschen erfundenen, gebauten und programmierten Maschinen sind verglichen mit ‚biologischen Systemen‘ nur sehr einfache ‚Hilfsmittel‘, die allerdings durch ‚Symbiose‘ mit biologischen Systemen Wirkungen erzielen können, die weit über das hinausgehen können, was wir uns heute vorstellen können.