Archiv der Kategorie: Maschine

Buch: Die andere Superintelligenz. Oder: schaffen wir uns selbst ab? – Kapitel 1

VORBEMERKUNG: Der folgende Text ist ein Vorabdruck zu dem Buch Die andere Superintelligenz. Oder: schaffen wir uns selbst ab?, das im November 2015 erscheinen soll

Kapitel 1

(Letzte Änderung 28.Juli 2015)

Einkapselung und Abschaffung

Start in den Tag

Eine leise Musik ruft mich in den Tag zurück. Der Weckcomputer kennt meine Vorlieben für Musik; er hat meinen Schlaf beobachtet, er misst regelmäßig meine aktuellen Körperdaten, und er schätzt meine mögliche Stimmung ab. Zur rechten Zeit erklingt die Weckmusik. Wenn sie zu leise ist, rufe ich ‚lauter‘; und wenn sie mir nicht passt vielleicht ‚lass das‘. Im Bad starre ich verschlafen in einen Spiegel, der sich um gute Laune bemüht, dumme Sprüche drauf hat, Bilder einblenden kann, andere Musik, oder der auch nur redet. Anhand meines Gesichtsausdrucks und meiner Stimmlage erfasst er ziemlich gut, wie ich drauf bin; besser als viele Menschen. Ich fühle mich verstanden … Unterdessen wird die Küche für ein Frühstück präpariert und das Ankleidungsprogramm erstellt anhand der Termine aus dem Kalender und meiner aktuellen Stimmungslage einen Ankleidungsvorschlag … Während dem ernährungsbewussten Frühstück aus zertifizierten Lebensmitteln höre und schaue ich mir ein paar vorsortierte Nachrichten an (es gibt stündlich mehrere hunderttausend neue Meldungen, aus denen das System die ‚wichtigen‘ herausfiltert). Nach dem Frühstück erscheint auf dem Bildschirm eine Liste der Dinge, die für die Küche nachbestellt werden müssten. Ich bestätige, verneine, oder erweitere die Liste und schicke den Auftrag ab. Sobald ich Anstalten treffe, das Haus zu verlassen, wird der Aufzug schon in die entsprechende Etage gesteuert und ein Transport-eMobil aktiviert. Wenn ich einsteige weiß dieses Transport-eMobil anhand meines Kalenders schon, welches Ziel anzufahren ist. Ich entspanne mich, lasse mir wichtige Dokumente anzeigen oder stelle eine Kommunikationsverbindung zu einem Geschäftspartner her…

Diese Vision mag den einen erschrecken, die andere begeistern; sie ist auf jeden Fall nicht mehr weit weg vom technisch Möglichen. Es sind weniger technische Gründe, die solch ein Szenario bislang noch verhindern, sondern eher Fragen der Abstimmung der technischen Systeme untereinander, Fragen der Investitions- und Betriebskosten, der Wartung, der Sicherheit, der Privatheit, und der Denk- und Lebensgewohnheiten.

Auch ist interessant, was ‚hinter den Kulissen‘ alles passiert bzw. passieren kann.

Hinter allem das Netz

Alle Daten laufen durch Netzwerke, über Server und werden von Programmen verwaltet. Technisch könnte man von jedem Punkt im Netzwerk aus alle Daten beobachten, sammeln, auswerten und darauf Entscheidungen aufbauen. Damit dies nicht ungehindert geschieht, werden die Daten partiell ‚kodiert‘ und/ oder ‚verpackt‘, so dass ein anderer als der intendierte Empfänger, die Daten nicht so ohne weiteres ‚lesen‘ kann. Aber letztlich ist es nur eine Frage des Rechenaufwandes, um alle Varianten abzuprüfen, um die ‚versteckte‘ Botschaft zu identifizieren, sie zu ‚dekodieren‘. (Oder, einfacher, man verschafft sich Zugang zu den Verschlüssungsprogrammen, oder über die Mikroprogramme in der Hardware selbst). Während die einen ein solches unautorisiertes Mitlesen direkt gegen Geld als ‚Cyberkriminelle‘ tun, gibt es die staatlich subventionierten ‚Geheimdienste‘, die ‚für sich legal‘ sind, für alle anderen aber sind sie auch nichts anderes als ‚Cyberkriminelle‘, ‚Staatsterroristen‘. In der Regel müssen sie nichts befürchten, wenn sie die Rechte anderer verletzen. Schließlich gibt es noch die Grauzone der privaten Wirtschaft, die sich auf vielen Wegen formal die Zustimmung der Benutzer erhandeln, ohne dass diese in der Regel überschauen, was alles mit ihren Daten geschieht oder geschehen kann. Dass jede Klickaktion im Web dazu führt, dass man kurz darauf tage- und wochenlang nervige Anzeigen eingeblendet bekommt, ist ärgerlich und störend, jedoch nicht notwendigerweise gefährlich. Dass die eigenen Daten über Wochen, Monate und Jahre systematisch gesammelt werden, für viel Geld an verschiedene Firmen (auch Geheimdienste) verkauft werden, und mittels dieser Daten neue Dienstleistungen, Produkte und Firmen generiert werden, das kann sehr gefährlich sein, kann den einzelnen massiv schädigen und kann ganze Märkte und Volkswirtschaften zerstören.

Datenschmarotzer

Banken und Versicherungen könnten sich auf diese Weise Kunden vorsortieren und entsprechend behandeln. Krankenversicherungen könnten z.B. vorschreiben, was man isst und wie man sich bewegen muss. Personalabteilungen von Firmen könnten (und manche tun dies schon real) die Bewerber nach ihrer Vorgeschichte im verborgenen Netz sortieren. Selbst kleinste Vergehen aus der Vergangenheit, Krankheiten, Ereignisse aus der Freizeit, Unwahre Behauptungen im Netz, sie alle können dazu führen, dass man keinen Job mehr bekommt – oder, ja, man bekommt zwar ein Angebot, aber man wird durch die Blume erpresst: man weiß ja, dass; man könnte vielleicht darüber hinwegsehen, wenn …
Diejenigen, die hinter den Oberflächen Informationen sammeln können, die gewinnen Einblicke in Marktsituationen, in potentielle Märkte und in private Aktivitäten. Sie können Dienstleistungen und Firmen anbieten, bevor jeder andere ahnt, dass dies möglich ist; die Datenmonopolisten können auf diese Weise zu Marktmonopolisten werden, und andere Firmen schleichend ‚erdrücken’… Globale Firmen im Katz und Maus Spiel mit nationalen Regierungen, oder Regierungen mit ihrer Bevölkerung.

(Anmerkung: Das Beispiel der andauernden Geheimverhandlungen zu TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) wird von vielen als Beleg genau für diesen Trend gesehen. Bis heute werden diese Verhandlungen an den nationalen Parlamenten der USA und Europas vorbei geführt, selbst nach eindeutigen Interventionen verschiedener Parlamente. Wenige EU-Bürokraten verhandeln unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit Vertretern globaler Kapitalvertreter über die Zukunft von ca. 320 Mio US-Amerikanern und ca. 500 Mio Europäern. Die Vermutung, dass hier eine ausgewählte Schar von Firmen versucht, die Einflussmöglichkeiten der nationalen gewählten Parlamente zu ’neutralisieren‘, wurde bisher nicht widerlegt. Im Gegenteil, alle Informationen, die bekannt werden, stützen diese Vermutung und alle wichtigen deutschen Politiker geben bislang nur allgemeine Floskeln zum Besten, warum dies gut sein soll. Was unterscheidet diese Situation noch von einem Staatsstreich, in diesem Fall ein Staatsstreich von oben?)

Vom Verschwinden der Welt

Das Voranschreiten der Digitalisierung bringt es mit sich, dass der einzelne menschliche Akteur immer weniger mit realen Umweltausschnitten zu tun hat, dafür immer mehr mit digitalen Repräsentationen. Realität verwandelt sich in digitale Dateien unterschiedlichster Formate. Das Wetter erscheint als Landkarte mit Piktogrammen. Reale Unternehmen verwandeln sich in Zahlen und Kurven in einem Diagramm. Ressourcen aller Art sind nur noch einfache Zahlen. Reale Produktionsprozesse werden zu mathematischen Funktionen in Rechenblättern oder anderen Computerprogrammen. Die anderen Menschen verschwinden hinter SMS-Texten, standardisierten Bildern, werden als Videoplots formatiert; sie werden zur Stimme aus dem Kopfhörer; man kann sie hinter einem Avatar in einem Computerspiel vermuten; sie sind numerische IDs mit einer Liste von Attributen im ASCII-Format. Nahrungsmittel sind losgelöst von ihren Herstellungsprozessen; sie treten uns vor Augen in bunten Verpackungen, wo wir das sehen, was aufgedruckt ist, nicht das, was wirklich drin ist. So kann ein bestimmtes Siegel der Händlerkette riesige Gewinne bringen, obgleich das reale Produkt dahinter dem Siegel gar nicht entspricht… Die Fabrik wird zu einem Schaltplan; die Produktion erscheint als Zahlenkolonne, als Säulendiagramm. Mit Robotern wird die Produktion zuverlässiger und billiger, und die potentiellen Käufer, die durch Arbeit ihr Geld verdienen, werden abgeschafft, weil sie zu anfällig und zu teuer sind. Wer denkt darüber nach, dass die Arbeitenden mit den potentiellen Käufern korrespondieren? Wer soll noch konsumieren, wenn keiner mehr verdient? Die Umverteilung des verfügbaren Reichtums auf immer weniger Menschen ist aktenkundig. Schaffen sich die Gesellschaften selber ab?

Digitale Sklaverei

Hatte man früher ein Produkt gekauft, ging man in ein Geschäft, zahlte bar, nahm das Produkt in Empfang und ging nach Hause. Zum Händler musste man bestenfalls zurück, wenn es sich um einen Garantiefall handelte, das Produkt Mängel aufwies, die es in der Garantiezeit nicht aufweisen sollte.

Will man heute ein Produkt kaufen, bekommt man dieses vielfach gar nicht mehr direkt und ausschließlich, sondern man erwirbt im Falle von softwarebasierten Produkten eine Art Nutzungsrecht auf Zeit, das an vielerlei Bedingungen geknüpft wird. Man muss seine Adresse preisgeben, seine Kontodaten, man muss seine Nutzung über einen fremden Server registrieren und permanent kontrollieren lassen; man muss zusätzlich oft fremden Programmen erlauben, das Gerät ‚bewohnen‘ und ‚benutzen‘ zu dürfen, ohne dass man dies kontrollieren oder ändern könnte. Über Kameras und sonstige eingebaute Sensoren kann das fremde Programm jederzeit Daten aus der nächsten Umgebung messen und weiter leiten. Während ich an meinem Computer sitze und schreibe können die Bilder meines Gesichts (klar, wen interessiert dies schon; und doch, warum überhaupt?) in Bruchteilen von Sekunden über das Netz irgendwohin in die Welt reisen.

Die Frage ist, ob man noch ein Alternative hat? Könnte ich auf diese Programme verzichten? Im Berufsleben gibt es immer weniger Alternativen; allein, um die normale Arbeit machen zu können, benötige ich heute ein ganzes Bündel von Programmen, und jedes Mal muss ich mich an ein fremdes Programm auf einem fremden Server ‚verkaufen‘. Ich habe keine Alternative (Anmerkung: Ja, es gibt auch freie Programme, ich benutze solche Programme von Anbeginn an. Doch können diese Programme — von glücklichen Ausnahmen abgesehen — mit der Industrie sehr oft nicht Schritt halten, speziell nicht dort, wo Programme spezielle Hardware steuern. Hersteller von Hardware können den Entwicklern von freien Programmen die notwendigen Daten vorenthalten, z.B. weil sie sonst von den Anbietern industrieller Betriebssysteme nicht berücksichtigt würden … )

Tritt man einen Schritt zurück und schaut sich aus einer gewissen Distanz an, was hier geschieht, kann man auffällige strukturelle Ähnlichkeiten entdecken mit dem Jahrtausende alten Phänomen der Sklaverei (siehe dazu den aufschlussreichen Text des Zusatzübereinkommens über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken abgeschlossen in Genf am 7. September 1956, genehmigt von der Schweizer Bundesversammlung am 17. Juni 1964.

In Artikel 1 dieses Zusatzabkommens wird als ein der Sklaverei zugeordnetes Phänomen die ‚Schuldknechtschaft‘ erwähnt. Eine Schuldknechtschaft entsteht, wenn “… ein Schuldner als Sicherheit für eine Schuld seine persönlichen Dienstleistungen oder diejenigen einer von ihm abhängigen Person verpfändet, wenn der in angemessener Weise festgesetzte Wert dieser Dienstleistungen nicht zur Tilgung der Schuld dient oder wenn diese Dienstleistungen nicht sowohl nach ihrer Dauer wie auch nach ihrer Art begrenzt und bestimmt sind … “.

Im Falle der Softwarenutzung würde ich es bevorzugen, einen Betrag X zu zahlen um diese Programme nutzen zu können, ohne weitere Abhängigkeiten. Einen Betrag X muss ich in der Regel tatsächlich zahlen, dieser Betrag X reicht jedoch nicht aus; ich werde zusätzlich gezwungen, sehr viele Daten von mir ‚abzugeben‘, über die ich auf unbeschränkte Zeit jegliche Kontrolle verliere. Und nicht nur das, meine tatsächliche Nutzung wird fortwährend kontrolliert, protokolliert und könnte jederzeit vom Hersteller beendet werden, mit entsprechend schlimmen Folgen für die Arbeitsprozesse, die mit dem Programm verknüpft sind.

Rein formal versichern Hersteller auf dem Papier, dass sie die Daten ausschließlich zum Zwecke des störungsfreien Betriebes der Programme benutzen, faktisch hat jedoch der Kunde keine Kontrolle über die tatsächliche Verwendung der Daten. Außerdem berührt dies nicht die faktische ‚Schuldknechtschaft‘ der andauernden Abhängigkeit vom Hersteller.

Für diese heute gängige Form der Schuldknechtschaft könnte man den Begriff der digitalen Schuldknechtschaft einführen.

Man kann sich auch fragen, ob die ‚Leibeigenschaft‘ nicht auch noch zutrifft. Im Text heißt es unter Art.1.b “Leibeigenschaft, d. h. die Stellung einer Person, die durch Gesetz, Gewohnheitsrecht oder Vereinbarung verpflichtet ist, auf einem einer anderen Person gehörenden Grundstück zu leben und zu arbeiten und dieser Person bestimmte entgeltliche oder unentgeltliche Dienste zu leisten, ohne seine Stellung selbständig ändern zu können“. Im Fall der Programmebeziehung gibt es zwar keine Grundstücke, aber der Programmebenutzer geht mit dem Kauf eine Beziehung zum Hersteller ein, die ihn in vielfacher Weise über die Nutzung im engeren Sinne bindet: so ist die Übergabe von vielen persönlichen Daten samt der damit einhergehenden anhaltenden kontinuierlichen Kontrolle der Aktivitäten ein ‚Dienst‘ an dem Hersteller, der ‚unentgeltlich‘ geleistet wird, ohne dass man diese Beziehung (‚Stellung‘) verändern kann; würde man dies einseitig tun, bekäme man die Daten, Momente des eigenen Selbst, nicht zurück.

Auch hier bietet es sich an, den Begriff der digitalen Leibeigenschaft einzuführen.

In Art. 7.b heißt es, dass “eine Person in sklavereiähnlicher Stellung“ eine solche Person ist, die sich “in einer Rechtsstellung oder Lage [befindet], die auf einer der in Artikel 1 erwähnten Einrichtungen oder Praktiken beruht;“. Die “in Artikel 1 erwähnten Einrichtungen oder Praktiken“ sind z.B. die Schuldknechtschaft und die Leibeigenschaft.

Da mit diesem Text sowohl die ‚Schuldknechtschaft‘ wie auch ‚Leibeigenschaften‘ als Formen der Sklaverei gewertet werden, könnte man analog von der Existenz einer digitalen Schuldknechtschaft und einer digitalen Leibeigenschaft auf die Existenz digitaler Sklaverei schließen.

Nach Art 6.1 1. soll gelten, dass die „Versklavung einer Person oder die Anstiftung einer Person, sich oder eine von ihr abhängige Person durch Aufgabe der Freiheit in Sklaverei zu geben, oder der Versuch dazu oder die Teilnahme daran oder die Beteiligung an einer Verabredung zur Durchführung solcher Handlungen … eine strafbare Handlung nach den Gesetzen der Vertragsstaaten dieses Übereinkommens sein [soll]; …“.

Zu den vielen Unterzeichnerstaaten gehört auch Deutschland (1959). Bislang haben die neuen digitalen Versionen von Sklaverei die Wahrnehmungsschwelle der deutschen Justiz (auch nicht die Justiz anderer Länder) noch nicht überwunden.

Sind wir mittlerweile so an Unrecht gewöhnt, dass wir die alltägliche Praxis der digitale Versklavung einfach so hinnehmen, oder sind diese Überlegungen ‚überzogen‘?

Mensch als Restproblem

Lässt man die Faszination der Oberfläche der neuen digitalen Welt für einen Moment mal weg, und lässt die verdeckten Aushorch- und Gewaltstrukturen auf sich wirken, die neue Unübersichtlichkeit, die neue schier grenzenlosen Manipulierbarkeit, die ungeheure Ausdehnung von Kontrolle und digitaler Sklaverei, dann kann schon einmal ein Gefühl von Hilfslosigkeit entstehen, von Verratensein, von schwacher Endlichkeit. Während die Geräte immer schneller werden, immer mehr Daten mit höchster Geschwindigkeit hin und her bewegen, immer kompliziertere Rechnungen in Sekundenbruchteilen vollziehen, immer ‚gescheiter‘ daherkommen in Spielen, im Quiz, in der Diagnose, in der Beratung …. hat man das Gefühl, man ist lahm wie eine Ente; vergisst so oft so viel; ist streckenweise von Stimmungen, Gefühlen und Emotionen getrieben, fast paralysiert. Hat einen endlichen langsamen Körper; so unförmig, so wenig glanzvoll … Wie soll das enden? Werden die Maschinen in Zukunft alles machen und wir nichts mehr? Wo und wie soll ich morgen noch arbeiten, wenn Kollege Computer schrittweise alles zu übernehmen scheint?

Für Unternehmer scheint es sich allemal zu rechnen: Roboter können preisgünstiger, zuverlässiger und qualitativ besser produzieren. Sie sind viel schneller, sie meckern nicht, sie streiken nicht, sie brauchen keine krankheitsbedingten Auszeiten ….

Künftig werden sich alle Autos, Busse, Straßenbahnen, Züge, Flugzeuge ohne menschliche Fahrer und Piloten bewegen. Riesige Schiffe werden keine menschliche Besatzung haben.

Kriege werden nicht mehr von Soldaten geführt, sondern von Automaten, von Robotern, von Drohnen. Maschinen kämpfen gegen Maschinen. Computerprogramme gegen Computerprogramme. Mit einem Knopfdruck kann ein General eine ganze Armee gegen seine eigene Regierung in Bewegung setzen. Wird irgendwann dann ein durch ein Programm selbständig ausgelöster Befehl ausreichen, dass sich eine automatisierte Roboterarmee gegen ihren eigenen General wendet?

Wozu brauchen wir weiter Menschen in der digitalisierten Welt? Für die Arbeit? Nein. Für den Konsum? Menschen als Konsumenten sterben mangels Einkommen aus, da sie keine Arbeit mehr haben werden. Als Soldaten, Beamte, Verwalter, Manager wurden sie schrittweise ersetzt. Die Künstler leben schon jetzt nur noch als dreidimensionale Kunstfiguren in animierten Filmen und Computerspielen. Kompositionen und Malerei beherrschen die Software-Programme besser als die Menschen. Architektur findet nur noch im Computer statt. Neue Produkte und Pflanzen konzipiert der Computer. Menschen sind zu langsam, zu unzuverlässig, verbrauchen große Ressourcen, erzeugen Abfall, sie sind aggressiv, emotional labil, … sie kosten und sie stören.

Wird der Mensch in der digitalen Welt aussterben? Haben wir uns schon ergeben? Sind wir nicht schon längst eine willenlose meinungslose Masse, die von Regierungen und globalen Konzernen nach Belieben vor sich hergetrieben wird?

Fortsetzung mit Teil 2.

Einen Überblick über alle Artikel von cagent nach Titeln findet sich HIER.

BLOG GEBIERT BUCH. Bis 28.August 2015 soll die Grundaussage des Blogs als Buch geschrieben werden

Nachbemerkung am 30.Dez.2015: Das Ziel, das  Buch bis 10.November 2015 fertig zu haben, konnte nicht erreicht werden. Dies lag vornehmlich daran, dass sich im Schreiben so viele Baustellen aufgetan haben, dass es dem Autor nicht möglich war, den ‚Sack zu zu machen‘. Dann begann das Semester und die Zeitreserven schmolzen dahin…Dennoch war dieser erste Versuch eines kompakten Buches sehr lehrreich. Wann es wieder zu solch einem Versuch kommen wird, ist momentan offen. Im Rahmen des Emerging Mind Projektes (EMP), das seit November 2015 angelaufen ist, gibt es so viele neue Theorieprojekte (auch verbunden mit Texten), dass es möglicherweise noch lange Zeit bei den kursorischen Blogeinträgen bleiben wird…

… und vor dem 10.November 2015 erscheinen. Aktualisierung: Bis 10.November nur die Onlineversion, dann die anderen Versionen …

Da es bei mehr als 285 Blogeinträgen mit dem Verstehen langsam schwierig wird, habe ich mich entschlossen, in der Zeit bis 28.August die Grundaussage des Blogs von den ca. 1500 Seiten auf 100 Seiten zu ‚verdichten‘. Dabei gehen natürlich viele Details verloren, aber es wird – hoffentlich – die Kernaussage sichtbar, die sich im Blog im Laufe der Jahre herausgeschält hat. Da ich dazu ab November deutlich mehr öffentliche Veranstaltungen machen werde als in der Vergangenheit (das Emerging-Mind Projekt, Vorträge mit Diskussionen und auch das neue Philosophy-in-Concert Format (vermutlich auch weiterhin die Philosophiewerkstatt)) kann es hilfreich sein, die Kernaussage in handlicher Form zur Hand zu haben. Da das Ganze ein dynamischer Prozess ist, werden sich die Inhalte beständig weiter entwickeln. Während dem Schreiben des Buches werde ich die einzelnen Kapitel auch hier im Blog ‚vorab drucken‘. Dies schließt nicht aus, dass der endgültige veröffentlichte Text in Details von dieser Vorabversion abweichen kann (zumal ich erst beim Schreiben so richtig ’sehe‘, was ich tatsächlich schreiben will … :-)).

ZWISCHENREFLEXIONEN BEIM SCHREIBEN

  1. Überlegungen zu einem geeigneten Titel (18.Juli 2015)
  2. Umfang, Stil, Adressaten, Termine (11.Aug.2015)
  3. Verhältnis zum Big-History Paradigma; Aufbruch in die Zukunft (13.Aug.2015)
  4. Zum Verhältnis von Thermodynamik zu biologischen Systemen. Die Physik lässt viele Fragen offene (14.August 2015)
  5. BUCHPROJEKT 2015 – Zwischenreflexion 18.August 2015 – INFORMATION IN DER MOLEKULARBIOLOGIE – Maynard-Smith
  6. BUCHPROJEKT 2015 – Zwischenreflexion 22.August 2015 – SHANNON BOLTZMANN DEACON – Was fehlt (22.Aug.2015)
  7. BUCHPROJEKT 2015 – Zwischenreflexion 23.August 2015 – INFORMATION – Jenseits von Shannon (23.Augut 2015)

AKTUELLER TITEL:

AUFBRUCH INS HERZ DER ZUKUNFT

KAPITELÜBERSICHT
(Letzte Änderungen am: 27.August 2015)

  1. Zuruf an den Leser (Letzte Änderung 28.Juli 2015)
  2. Einkapselung und Abschaffung (Letzte Änderung 14.Juli 2015)
  3. Monster und Engel (Letzte Änderung 21.Juli 2015)
  4. Hinter den Augen … (Letzte Änderung 28.Juli 2015)
  5. Wie alles anfing (Letzte Änderung 2.August 2015)
  6. Was ist Leben? (Letzte Änderung: 27.Aug.2015)

    Zurück auf Start 🙂
    Alle folgenden Kapitel wurden neu konzipiert

Das Gesamtformat des Textes geht in Richtung eines philosophisch-wissenschaftlichen Essays, in dem bekannte Fragen und Erkenntnisse zum Thema in einem eher freien literarischen Format so angeordnet werde, dass ein ’normaler Leser‘, jemand, der kein Experte ist, eine Chance haben sollte, zumindest zu erahnen, was heute gerade passiert, was mit ihm passiert, mit ihm als Mitglied der Population der Menschen.

Einen Überblick über alle bisherigen Blogeinträge von Autor cagent nach Titeln findet sich HIER.

Über Industrie 4.0 und Transhumanismus. Roboter als Volksverdummung? Schaffen wir uns selbst ab?

Vortrag am 19.Mai 2015 im Literaturhaus Frankfurt in der Veranstaltung PR-Slam & Ham 2015

In meiner Präsentation hatte ich eine Reihe von Schaubildern gezeigt, die ich dann mündlich kommentiert habe. Einen geschriebenen Text gab es nicht. Ich habe aber die Erläuterung nochmals ’nachgesprochen‘. Aus den 20 Min sind dann ca. 70 Min geworden. Die Bilder unten bilden das Rückgrat der Geschichte; sie sind nummeriert. Im gesprochenen Text nehme ich auf diese Bilder Bezug.

Das Ganze endet in einem glühenden Plädoyer für die Zukunft des Lebens in Symbiose mit einer angemessenen Technik. Wir sind nicht das ‚Endprodukt‘ der Evolution, sondern nur eine Durchgangsstation hin zu etwas ganz anderem!

 

AUDIODATEI DES KOMMENTARS (70 Minuten! mp3)

Gehirn im Körper mit Bild 1: Bewusstsein - Beobachter
Bild 1: Gehirn im Körper mit Bewusstsein – Beobachter
Bild 2: Gehirn im Körper mit Raum der Phänomene. Empirische und nicht-empirische Phänomene
Bild 2: Gehirn im Körper mit Raum der Phänomene. Empirische und nicht-empirische Phänomene
Bild 3: Korrelation zwischen Gehirn, Bewusstsein und Gedächtnis. Gedächtnis mit Sensorik, Arbeitsgedächtnis und Langzeitgedächtnis
Bild 3: Korrelation zwischen Gehirn, Bewusstsein und Gedächtnis. Gedächtnis mit Sensorik, Arbeitsgedächtnis und Langzeitgedächtnis
Bild 4: Mensch im Alltag, umringt von technischen Schnittstellen die mit digitalisierten weltausschnitten verbinden können: viel. schnell, komplex
Bild 4: Mensch im Alltag, umringt von technischen Schnittstellen die mit digitalisierten weltausschnitten verbinden können: viel. schnell, komplex
Bild 5: Menge von Komplexitätsereignissen bisher; Explosion in der Gegenwart
Bild 5: Menge von Komplexitätsereignissen bisher; Explosion in der Gegenwart
Bild 6: Konkrete Zahlen zum vorhergehenden Schaubild mit den Komplexitätsereignissen
Bild 6: Konkrete Zahlen zum vorhergehenden Schaubild mit den Komplexitätsereignissen
Bild 7: Biologischer Reproduktion als Quelle der Kreativität für neue Strukturen
Bild 7: Biologischer Reproduktion als Quelle der Kreativität für neue Strukturen
Bild 8: Struktur der biologischen Reproduktion in 1-zu-1 Isomorphie zur Struktur eines Automaten (Turingmaschine)
Bild 8: Struktur der biologischen Reproduktion in 1-zu-1 Isomorphie zur Struktur eines Automaten (Turingmaschine)

Die Vision, die in dem Audiobeitrag gegen Ende entwickelt wird, soll in dem Emerging-Mind Projekt konkret umgesetzt werden, als Impuls, als Anstoß, als Provokation, als Community, die sich mit dem Thema philosophisch, wissenschaftlich, künstlerisch und theologisch auseinandersetzt.

Eine Übersicht über alle Einträge von cagent in diesem Blog nach Titeln findet sich HIER.

ENDSPIEL, ENDKAMPF, ODER NEUER EVOLUTIONSSCHUB?

(Letzte Änderungen: 23.Nov.2014, 14:46h)

1. Während der Begriff ‚Endspiel‘ durch seine sportliche Konnotationen noch keinen letzten Schrecken verbreiten muss, klingt ‚Endkampf‘ biblisch-apokalyptisch: Endzeitstimmung; das Böse kämpft gegen das Gute; alles steht auf dem Spiel. ‚Evolutionsschub‘ deutet die Perspektive der Naturwissenschaften an, eine methodische Objektivität eines ‚Strukturwandels‘, der sich ’natürlich‘ aus der ‚Vorgeschichte‘ ergibt. Obwohl ich grundsätzlich der naturwissenschaftlichen Sicht zuneige als Grundlage aller Argumentationen über unsere empirisch erfahrbare Welt und damit bei weitreichenden Veränderungen eher einen ’natürlichen Strukturwandel‘ unterstelle, haben wir es bei dem aktuellen Strukturwandel mit Phänomenen zu tun, in die ’subjektive Anteile‘ von beteiligten Menschen, Gruppierungen, Parteien, Firmen usw. mit eingehen. Die ‚Natur‘ hat zwar aufgrund der Gesamtheit aller beteiligten physikalischen Eigenschaften ‚von sich aus‘ eine — möglicherweise ’spezifische‘ — ‚Tendenz‘ sich zu verändern, aber der weltweite Einfluss biologischer Systeme auf den weiteren Gang mit der ‚biologischen Eigendynamik, die – wir wir wissen – gegen grundlegende physikalische Gesetze (z.B. 2.Hauptsatz der Thermodynamik) gerichtet zu sein scheint, erscheint mittlerweile so stark, dass der biologische Faktor neben den physikalischen Prinzipien ein Gewicht gewonnen hat, welches es verbietet, rein ‚technisch‘ von einem Evolutionsschub als ‚ausrechenbarem Strukturwandel‘ zu sprechen.

2. In diesem globalen Kontext erscheint ein Thema wie Informatik & Gesellschaft auf den ersten Blick eher speziell; auf den zweiten Blick zeigt sich aber gerade in diesem Thema eine der globalen Verwerfungslinien zwischen dem ‚Zustand bisher‘ und dem ‚Zustand, der neu beginnt‘. Das Thema ‚Informatik‘ bzw. ‚Computertechnologie‘ galt eher als Teil der Technologie, die nicht eigentlich der ‚Natur‘ zugeordnet wurde. Wie überhaupt seit Aufkommen der ‚Maschinen‘ die Maschinen als Leitmuster der Technologie immer als Gegensatz zur ‚chemischen und biologischen Evolution‘ gesehen wurden. Neben vielen kulturellen Denkmustern, die solch eine ‚Trennung‘ begünstigten, war es sicher auch die mindestens von der antiken Philosophie herrührenden Trennung von ‚unbelebt‘ (die ‚Stoffe‘, ‚Subtsanzen‘, die ‚Materie‘ als solche sind ‚unbelebt‘) und ‚belebt‘ (‚atmend‘ (pneo), Atem als universelles Lebensprinzip (pneuma)), das seinen Ausdruck im ‚Geist‘ (pneuma‘) findet. Da dieser Gegensatz von ‚unbelebt‘ und ‚belebt‘ mehr als 2000 Jahre nicht wirklich aufgelöst werden konnte, konnte sich eine Art ‚Dualismus‘ ausbilden und durchhalten, der wie eine unsichtbare Trennlinie durch die gesamte Wirklichkeit verlief: alles, was nicht ‚atmete‘ war unbelebt, materiell, un-geistig; alles was atmete, belebt war, befand sich in einer Nähe zum universellen Geistigen, ohne dass man eigentlich näher beschreiben konnte, was ‚Geist‘ denn nun genau war. Nicht verwunderlich, dass sich alle großen Religionen wie ‚Hinduismus‘, ‚Judentum‘, ‚Buddhismus‘, ‚Christentum‘, ‚Islam‘ (trotz z.T. erheblicher Differenzen in den Details), diesem Dualismus ’nachbarschaftlich verbunden fühlten‘. Der intellektuell-begriffliche ‚Ringkampf‘ der christlichen Theologie und Philosophie (und streckenweise des Islam, Avicenna und andere!) mit diesem dualistischen Erbe hat jedenfalls tiefe Spuren in allen theologischen Systemen hinterlassen, ohne allerdings dieses ‚Rätsel des Geistes‘ auch nur ansatzweise aufzulösen.

3. Diesen historischen Kontext muss man sich bewusst machen, um zu verstehen, warum für viele (die meisten? Alle?) die plötzliche ‚Nähe‘ der Technologie im alltäglichen Leben, eine sich immer mehr ‚anschmiegende‘ und zugleich ‚verdrängende‘ Technologie an diesem im Alltagsdenken ‚historisch eingebrannten‘ Dualismus‘ zu kratzen beginnt, zu wachsenden Irritationen führt (andere Technologien wie Nanotechnologie und Gentechnik gehören auch in diesen Kontext, wenn auch anders).

4. Im Ankündigungstext zur erwähnten Veranstaltung Informatik & Gesellschaft (siehe auch den Kurzbericht) wurde bewusst herausgestellt, dass seit den ersten Computern eines Konrad Zuse und dem Eniac-Computer von John Presper Eckert und John William Mauchly (1946) die Computertechnologie mittlerweile nahezu alle Bereiche der Gesellschaft in einer Weise durchdrungen hat, wie wohl bislang keine andere Technologie; dass diese Technologie realer Teil unseres Alltags geworden ist, sowohl im Arbeitsleben wie auch in der Freizeit. Man kann sogar sagen, dass diese Technologie die menschliche Lebensweise schon jetzt (nach ca. 60 Jahren) real und nachhaltig verändert hat. Neue Formen der Kommunikation wurden ermöglicht, Veränderungen der Mobilität, automatisierte flexible Produktion, Computermusik, computergenerierte Bildwelten…

5. Aber diese Durchdringung von nahezu allem – was heißt das? Die neue historische Qualität dieser Technologie besteht darin, dass diese Technologie – bislang immer noch klar erkennbar als ‚Maschinen‘, bislang nicht als ‚biologische‘ Strukturen – ‚Verhaltensweisen‘ zeigt, die denen der Menschen als Prototypen von ‚geistigen‘ Wesen ähneln. Aufgrund dieser ‚Ähnlichkeit‘ werden sie Teil von ‚typisch menschlichen‘ Handlungsabläufen (Kommunizieren, Wissen verwalten, Sport und Kunst machen, Spielen, komplexe Modelle und Prozesse entwerfen und simulieren, dann auch steuern, usw.). Seit den 80iger Jahren des 20.Jahrhunderts – also nach nicht mal ca. 30-40 Jahren — hat sich diese Technologie so mit dem menschlichen Alltag verwoben, dass eine moderne industrielle Gesellschaft komplett zusammenbrechen würde, würde man diese Technologie von jetzt auf gleich abschalten.

6. Befürworter eines noch intensiveren Einsatz dieser neuen Computertechnologien z.B. im Bereich der Industrie unter dem Schlagwort ‚Industrie 4.0‘ (so z.B. Prof. Schocke in seinem Beitrag auf der Veranstaltung Informatik & Gesellschaft – Kurzbericht oder die Autoren Thomas Klein und Daniel Schleidt in der gleichnamigen FAZ Beilage vom 18.Nov.2014 auf den Seiten V2 (Klein) und V6 (Schleidt)) sehen vor allem das Potential zu noch mehr Produktionssteigerungen bei gleichzeitiger Verbesserung der Qualität und besserer Ressourcennutzung. Gleichzeitig betonen die drei Autoren die Notwendigkeit von mehr Computertechnologie in der Industrie wegen des internationalen Wettbewerbs. Von den drei genannten Autoren spricht einzig Thomas Klein auch die Kehrseite des vermehrt ‚menschenähnlichen‘ Einsatzes dieser Maschinen im Kontext von Industrie 4.0 an: das damit möglicherweise auch viele Arbeitsplätze wegfallen werden, die bislang für Menschen Arbeitsmöglichkeiten geboten haben. Klein zitiert Untersuchungen, nach denen 47% der bisherigen Arbeitsplätze in den USA in den nächsten 10 Jahren Kandidaten für eine Substitution durch Computergestützte Technologien sind. Dies sind massive Zahlen. Dalia Marin, Professorin für Volkswirtschaft, versucht diese kommende Arbeitsmarktproblematik weiter zu differenzieren. Ausgehend von der Annahme, dass mehr Automatisierung kommen wird, sieht sie neben dem Rückzug von Hochtechnologieproduktionen in die angestammten Industrieländer dort aber die grundsätzliche Entwicklung zur Vergrößerung der Kapitalquote und zur Verringerung der Lohnquote. Diese Verringerung soll vor allem den Akademikersektor treffen; teure menschliche Arbeitskräfte werden bevorzugt von billigen computerbasierten Technologien ersetzt (FAZ 21.Nov.2014, S.16). Sowohl Klein wie auch Marin betonen aber auch, dass solche Zukunftseinschätzungen problematisch sind; der Prozess ist zu komplex, als dass man ihn einfach hochrechnen könnte.

7. Was bei allen vier genannten Autoren auffällt – auch bei den Autoren der Beilage ‚Innovation‘ (FAZ 20.Nov.2014) – ist, dass sie die ‚intelligente‘ und ’smarte‘ Technologie überwiegend aus einer ‚Außensicht‘ behandeln. Sie lassen die Wirkmechanismen dieser neuen Technologien, ihre maschinelle Logik, das, was sie so leistungsfähig macht, mehr oder weniger im Dunkeln. Smarte, intelligente Technologie erscheint dadurch – ich pointiere jetzt ein wenig — wie ein Naturereignis, das geradezu mystisch über uns hereinbricht, das einfach passiert, das so ist wie es ist, das man einfach hinnehmen muss. Auch fehlt eine historische Einordnung dieser Prozesse in das große Ganze einer Evolution des Lebens im Universum. Die sehr differenzierten Sichten von Daniel Schleidt enthalten zwar ein eigenes Schaubild zur industriellen Entwicklung, aber dieses greift – nach meiner Einschätzung – zu kurz. Es zementiert nur eher den opaken Blick auf das Phänomen, macht es begrifflich unzugänglich, schottet es für die Reflexion ab. Auch die volkswirtschaftliche Ausweitung des Blicks durch Marin geht – nach meiner Einschätzung – nicht weit genug. Sie betrachtet das Problem einer möglichen und wahrscheinlichen Substitution von menschlicher Arbeit durch computerbasierte Technologien in gegebenen historischen Kontexten und hier auch nur in einer kurzen Zeitspanne. Sie thematisiert aber nicht die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen als solche. Sehr wohl kann man die Frage nach dem aktuellen Gesellschaftsmodell stellen. Sehr wohl kann man die Frage aufwerfen, ob es ein gutes Modell ist, wenn einige wenige GFinanz- und Machteliten mit dem Rest der Menschheit nach Belieben spielen. In der Frankfurter Rundschau wird seit vielen Wochen das Thema ‚Gerechtigkeit‘ diskutiert (siehe zuletzt z.B. Mohssen Massarat, Prof. für Wirtschaft und Politik mit seiner Übersicht verschiedener Gerechtigkeitsmodelle, FR 15./16.Nov.2014, S.9) und die Lektüre eines Buches wie ‚Die Abwicklung‘ von George Packer zeigt, dass eine reflexionsfreie oligopolistische Gesellschaft wie die US-Amerikanische mehr Fragen aufwirft als sie befriedigende Antworten liefert.

8. Sieht man nur die bisherigen Diskussionsbeiträge, dann kann einen schon die klamme Frage beschleichen, warum so viele Autoren in den Spiegeln der Gegenwart immer nur noch ‚das Andere‘ sehen, die ‚Maschine‘, während der ‚Mensch‘, die ‚Menschheit‘ als Hervorbringer dieser Technologien in diesem Sichtfeld gar nicht mehr vorkommt. Es ist wie ein intellektueller blinder Fleck, der die leisesten Zuckungen von Maschinen wie eine Neugeburt feiert während das ungeheuerliche Wunder der Entstehung komplexer Lebensstrukturen auf der Erde (das bis heute in keiner Weise wirklich verstanden ist!) nicht einmal eine Randnotiz wert ist. Fokussierung auf spezifische Fragestellung hat seinen Sinn und ist und war ein Erfolgsrezept, aber in einer Zeit, in der disziplinenübergreifend komplexe Phänomene alles mit allem verzahnen, in einer solchen Zeit erscheint diese selbstgenügsame Tugend nicht mehr nur nicht angebracht, sondern geradezu kontraproduktiv zu sein. Eine falsche Fokussierung führt bei komplexen Phänomenen notwendigerweise zu Verzerrungen, zu Verfälschungen, zu falschen Bildern von der Gegenwart und einer sich daraus ergebenden Zukunft (es sei auch an die lange Diskussion in der FAZ erinnert zu den Schwachstellen moderner Betriebs- und Volkswirtschaftstheorien, die nicht nur die letzten Finanzkatastrophen nicht vorhergesehen haben, sondern auch mit ihrem Paradigma des ‚homo oeconomicus‘ empirisch weitgehend gescheitert sind.)

9. Wenn nun also Menschen selbst das Andere ihrer selbst anpreisen und sich selbst dabei ‚wegschweigen‘, ist damit die Geschichte des biologischen Lebens im Universum automatisch zu Ende oder unterliegen wir als menschlich Denkende hier nicht wieder einmal einem grundlegenden Denkfehler über die Wirklichkeit, wie andere Generationen vor uns auch schon in anderen Fragen?

10. Die Verabschiedung der UN-Menschenrechtskonvention von 1948, damals als ein Lichtblick angesichts der systematischen Greueltaten gegen die Juden (aber aber nicht nur dieser!) und der Beginn vieler anderer daran anknüpfenden Erklärungen und Initiativen erscheint vor den aktuellen gesellschaftlichen Prozessen weltweit fast schon seltsam. Dass ein totalitäres Regime wie das chinesische die Menschenrechte grundsätzlich nicht anerkennt (wohl aber chinesische Bürger, siehe die Charta 2008) ist offiziell gewollt, dass aber selbst demokratische Länder – allen voran die USA – mit den Menschenrechten scheinbar ’nach Belieben‘ umgehen, sozusagen, wie es ihnen gerade passt, dass wirkt wenig ermutigend und gibt Nahrung für Spekulationen, ob die Menschenrechte und die Mitgliedschaft in der UN nur davon ablenken sollen, was die Finanz- und Machteliten tatsächlich wollen. Die Zerstörung ganzer Gesellschaftsbereiche, die Marginalisierung großer Teile der Bevölkerung, die unbeschränkte Aufhebung der Privatsphäre ohne alle Kontrollen, die globale Ausbeutung der Schwachen durch Handelsabkommen … nur wenige Beispiele die eine andere Sprache sprechen, als jene, die in den Menschenrechten vorgezeichnet ist.

11. Noch einmal, was auffällt, ist die ‚Oberflächlichkeit‘ all dieser Bilder im wahrsten Sinn des Wortes: die schier unfassbare Geschichte der Evolution des Lebens im Universum existiert eigentlich nicht; das Wunder des Geistes inmitten materiell erscheinender Strukturen ist weitgehend unsichtbar oder ist eingesperrt in eine gesellschaftliche Enklave genannt ‚Kultur‘, die nahezu kontaktlos ist mit dem Rest des Wirtschaftens, Produzierens und Denkens; eine ‚Kultur der Sonntagsreden‘ und der ‚Belustigungen‘, ein Medium für die Eitelkeit der Reichen und der Unterhaltungsindustrie.

12. Innovation entsteht nie nur aus der Wiederholung des Alten, sondern immer auch aus der Veränderung des Alten, entsteht aus dem gezielt herbeigeführten ‚Risiko‘ von etwas ‚tatsächlich Neuem‘, dessen Eigenschaften und Wirkungen per se nicht vollständig vorher bekannt sein können.

13. Die, die aktuell neue Technologien hervorbringen und einsetzen wollen, erscheinen ‚innovativ‘ darin, dass sie diese hervorbringen, aber in der Art und Weise, wie sie das biologische Leben – speziell die Menschen – damit ‚arrangieren‘, wirken die meisten sehr ‚alt‘, ‚rückwärtsgewandt‘, …. Innovationen für das Menschliche stehen ersichtlich auf keiner Tagesordnung. Das Menschliche wird offiziell ‚konserviert‘ oder schlicht wegrationalisiert, weggeworfen, ‚entsorgt‘; hier manifestiert sich ein seltsamer Zug dazu, sich selbst zu entsorgen, sich selbst zu vernichten. Die Quelle aller Innovationen, das biologische Leben, hat in Gestalt der Menschheit einen ‚blinden Fleck‘: sie selbst als Quelle.

14. Der Mangel an Wissen war zu allen Zeiten ein Riesenproblem und Quelle vieler Notlagen und Gräueltaten. Dennoch hat die Menschheit trotz massiver Beschränkungen im Wissen neues Wissen und neue Strukturen entwickelt, die mehr Teilhabe ermöglichen, mehr Einsichten vermitteln, mehr Technologie hervorgebracht haben, ohne dass ein ‚externer Lehrer‘ gesagt hat, was zu tun ist… wie ja auch alle Kinder nicht lernen, weil wir auf sie einreden, sondern weil sie durch den bisherigen Gang der Evolution für ein kontinuierliches Lernen ausgestattet sind. … Der Geist geht dem Denken voraus, die Logik der Entwicklung liegt ‚in‘ der Materie-Energie.

15. So großartig Innovationen sein können, das größte Mirakel bleibt die Quelle selbst. Wunderbar und unheimlich zugleich.

QUELLEN

George Packer (3.Aufl. 2014), Die Abwicklung. Eine innere Geschichte des neuen Amerika. Frankfurt am Main: S.Fischer Verlag GmbH (die engl. Originalausgabe erschien 2013 unter dem Titel ‚The Unwinding. An Inner History of the New America‘. New York: Farrar, Strauss and Giroux).

Einen Überblic über alle bisherigen Blogeinträge nach Titeln findet sich HIER.