Archiv für den Tag: 3. November 2015

KURZNOTIZ: POHLMANN – ENTSTEHUNG DES KORANS – Teil 2

Karl-Friedrich Pohlmann, Die Entstehung des Korans. Neue Erkenntnisse aus der Sicht der historisch-kritischen Bibelwissenschaft, 3.komplett überarbeitete und erweiterte Aufl., 2015, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG)

 

RÜCKBLICK

 

  1. In einem vorausgehenden Beitrag hatte ich damit begonnen, die Grundaussagen des Buches von Pohlmann kurz darzustellen, ergänzt um eigene Kommentare bzw. freie Assoziationen, die sich anlässlich des Textes einstellten.
  2. Das Buch von Pohlmann ist interessant, wenn nicht gar spannend, liest man es vor dem Hintergrund, dass sich die muslimische Welt bislang eher schwer tut, den Text des Korans historisch-kritisch zu betrachten. In der Haltung des Glaubens meinen sehr viele (fast alle?), dass der Koran nur dann ein heiliges Buch sei, wenn alle Worte mehr oder weniger direkt auf Mohammed zurückgeführt werden können, der wiederum alles direkt von Gott gehört haben soll.
  3. Im Christentum war dies bis ins 18.Jahrhundert nicht anders. Dann aber, zunächst im evangelischen, dann auch im römisch-katholischen Christentum, öffnete sich das Denken zunehmend den neuen wissenschaftlichen Denkweisen der Aufklärung und der historisch-kritischen Wissenschaften und man begann die Glaubensquellen im Lichte der historischen und textlichen Tatsachen neu zu lesen und neu zu bewerten. Dies ist auf Seiten der islamischen Koranforschung bislang nicht der Fall; selbst die westliche Koranforschung folgt bislang eher der dogmatisch inspirierten Einstellung der islamischen Koranforschung. Diese das Denken einschränkende Haltung verhindert bislang u.a., dass es eine wissenschaftlich editierte kritisch-historische Textausgabe gibt. Die Funde von sehr alten Koranfragmenten in Sanaa (Jemen) wurden jedenfalls bislang offiziell nicht berücksichtigt. (vgl.SS.24-28)

 

BIBELWISSENSCHAFTLICHE METHODEN UND ERKENNTNISSE (SS.45-58)

  1. Aus der Vielzahl der Arbeiten historisch-kritischer Forschungen zum Alten Testament konzentriert sich Pohlmann auf die Prophetenbücher Jesaja, Ezechiel und Jeremia. Anders als bei den Forschungen zum Pentateuch und zu den Geschichtswerken hatte man bei den Prophetenbücher eine besonders starke Hemmung, ihre Authentizität kritisch zu hinterfragen. (vgl. S.46f)
  2. Am Beispiel der historisch-kritischen Forschungen zu diesen Büchern zeigt er auf, wie schrittweise Bearbeitungsprozesse sichtbar wurden, die letztlich alle Prophetenbücher betrafen.
  3. Es sind unterschiedliche literarische Elemente, mit denen spätere Bearbeiter Einfluss genommen haben. Pohlmann präsentiert Beispiele mit der Gestaltung der zeitlichen Rahmenvorgaben, die von den historischen Fakten abweichen bzw. sie uminterpretieren. Dann das Element der Wiederaufnahme eines Themas; in der Wiederaufnahme kann man neue Akzente setzen. Ferner die Vorschaltung eines Textes, in dem man eine Deutungsanleitung für die folgenden Texte gibt. Schließlich der Einsatz der expliziten Gottesrede, um dem Prophetenwort mehr Gewicht zu verleihen. Man kann auch mehrere redaktionelle Bearbeitungen erkennen, in denen unter jeweils veränderten Interessenlagen unterschiedliche Deutungen in die Texte eingearbeitet worden sind. Auch gibt es das Phänomen von redaktionellen Einschaltungen (Beispiel die Gebete im Jeremiah Text, die dem Prophet eine theologische Deutung in den Mund legt, die zu seiner vermuteten Entstehungszeit nicht gepasst hätte).(vgl. SS.48-55)

 

BIBELWISSENSCHAFT UND KORANFORSCHUNG

 

  1. Nach Einschätzung von Pohlmann gibt es im Bereich der islamischen (und großen Teile der westlichen) Koranforschung bislang keine wirklich konsequenten Ansätze, mögliche redaktionelle Prozesse zu ergründen. Das Dogma von der durchgehenden Inspiriertheit der Texte (trotz eingeräumter redaktioneller Endbearbeitung nach dem Tode Mohammeds) blockiert bislang ernsthafte historisch-kritische Arbeit.(vgl. SS.56-58)

 

FORMEN DER GOTTESREDE (SS.63 – 83)

 

  1. Um der Frage nach möglichen redaktionellen Prozessen im Bereich der Koranentstehung nachzugehen, geht Pohlmann verschiedenen Phänomenen nach. Eines ist das Phänomen der Gottesrede, die in unterschiedlicher Form (Er, Wir, Ich,…) auftreten kann. Die Analyse dieser Texte wird dadurch erschwert, dass neben den Menschen und Gott bisweilen auch Zwischenwesen angenommen werden, die entweder den Engeln oder dem Teufel zugerechnet werden können.
  2. Nach Analyse sehr vieler Stellen im Korantext kommt Pohlmann zum Schluss, dass es sich bei diesen Gottesreden deutlich um spätere Einschübe handelt, die unterschiedlichen Zwecken dienen. Einer ist auch, die Textautorität zu steigern (Gott gebührt mehr Autorität als einem bloßen Menschen).(vgl. S.75f)
  3. Wollte man an der Rolle Mohammeds festhalten als einziger Quelle für alle diese Texte, dann müsste man Mohammed eine Doppelrolle als ursprünglicher Verkünder und späterem reflektierenden Redakteur zuschreiben, der Strömungen, die erst nach dem Todes Mohammeds aufkamen, vorgreifend aufgegriffen habe und entsprechend seine ursprünglichen Texte abgeändert habe. Dies erscheint höchst unplausibel. Pohlmann optiert daher für die Interpretation, dass jene Kreise, die nach dem Tode Mohammeds dafür verantwortlich waren, seine Verkündigung in den stürmischen Jahren zu bewahren, versucht haben, die ursprüngliche Botschaft unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse und Fragen bewahrend zu gestalten.(vgl. S.83)

 

WEITERE BELEGE: DIE IBLIS/ SATAN TEXTE (SS.85-94, 95-153)

  1. Am Beispiel der Iblis/Satan-Texte führt Pohlmann weitere sehr ausführliche Untersuchungen durch und kommt zu gleichlautenden Ergebnissen. Der spätere historisch Kontext hat dazu geführt, theologische Frage aufzugreifen und zu beantworten, die in den Texten bestenfalls implizit angelegt waren. Aufgrund der aktuellen Situation wurde daher eine Antwort gesucht und konstruiert, die sich nach Meinung der jeweiligen Redakteure aus der vorliegenden Überlieferung ableiten lässt.(vgl. S.94)
  2. Alles deutet darauf hin, dass es frühes jüdisches und christliches Schrifttum war, das den Redakteuren als zusätzliche Quelle zur Verfügung stand. Der Übergang der Benennung von Iblis zu Satan ist eingebettet in die besondere Stellung Adams, der in der jüdisch-christlichen apokryphen Überlieferung durch seine Fähigkeit der Namensgebung der Tiere durch seine größere Weisheit im Vergleich zu den Engeln auffiel. Hier handelt es sich nach Pohlmann nicht um eine schlichte mündliche Tradition, sondern um fixierte Texte aus dem jüdisch-christlichen Milieu. Die Existenz jüdischer und christlicher Gruppierungen zu Mohammeds Zeit war nach  Sinai unbestritten. Angesichts dieser vielen Hinweise spricht die Koranwissenschaftlerin Neuwirth denn auch davon, dass man die Entstehung des Koran eher als einen Kommunikationsprozess verstehen sollte, bei dem aramäische bzw. syrische Christen eine wichtige Rolle gespielt haben. (vgl. S.143) Die vielen Iblis/Satan-Texte sind also zu verstehen als ergänzende und erhellende Textarrangements über einen längeren Zeitraum von mehreren Dekaden. (vgl. S.147f,152) Inhaltlich scheint es sich um die Spätphase der Korangenese zu handeln, in der viele offene theologische Fragen eine Antwort fanden. Würde man die späteren Iblis/Satan-Texte weglassen, dann wären die ursprünglichen Iblis/Satan-Texte nur schwer systematisierbar. Mit den späteren Zusätzen ist aber die Herkunft, Stellung und Bestimmung Satans für die gesamte Menschheit geklärt. (vgl. 151)

 

MOSE UND DIE KINDER ISRAELS IM KORAN (SS.153-175)

  1. Ein weiteres Thema, anhand dessen Pohlmann der redaktionellen Prozesse bei der Korangenese habhaft zu werden versucht, ist das Thema Mose und die Kinder Israels. Auch hier kommt er nach detaillierten Untersuchungen zu der Feststellung, dass man auch bei diesen Texten eine redaktionelle Tätigkeit in der Spätphase der Korangenese erkennen kann. In den verschiedenen Phasen der Textentstehung meint er u.a. eine Verschärfung der Kritik an der alleinigen Rolle Israels erkennen zu können. Die redaktionelle Intention kann man etwa wie folgt umschreiben: Der Bund Gottes bleibt zwar weiter bestehen, aber die Juden haben durch ihr Verhalten ihre einzigartige Stellung verspielt. Ab jetzt kann jeder diesem Bund beitreten, der sich an die Abmachungen mit Gott hält. Mohammed ist der neue Verkündiger dieses Bundes; wenn sich die Juden dem Islam anschließen, dann bleiben sie sich als Juden treu. Pohlmann vermutet denn auch den Kreis der Redakteure bei zum Islam konvertierten Juden zu suchen, die vorfindliche koranische Texte und jüdische Überlieferung auf literarischem Wege zu einer neuen Aussage im Koran formten. (vgl. S.172-174)

 

ROLLE UND RANG JESU IM KORAN (SS.175-193)

 

  1. Der letzte Themenkomplex, dem sich Pohlmann in seinem Buch widmet, ist die Rolle und der Rang Jesu. Durch die zunehmende Ausbreitung des Islam kam es nicht nur zu intensiven Begegnungen mit Juden, sondern auch mit Christen. Für letztere war es natürlich eine wichtige Frage, wie sich der Glaube an Jesus im Kontext des Korans einordnen lässt.
  2. Auch hier vermag Pohlmann durch detaillierte Vergleiche von Textstellen heraus zu arbeiten, dass es eine Redaktionsgeschichte gab. Während in den früheren Versionen des Koran der Person Jesu keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde, änderte sich dies später. In mehreren Stufen wurden die Texte des apokryphen Protoevangeliums des Jakobus und des Lukasevangeliums benutzt. Allerdings wurden diese Texte dahingehend abgeschwächt, dass zwar eine grundlegende Bedeutung von Jesus und seiner jungfräulichen Geburt durch Maria erhalten blieb, aber eine Sonderstellung gegenüber Mohammed vermieden wurde.

 

AUSFÜHRLICHE ZUSAMMENFASSUNG (SS.197-209)

 

  1. Eine ausführliche Zusammenfassung des zuvor Berichteten findet sich dann auf den SS.197-209

 

DISKUSSION

 

  1. Hier einige (von vielen möglichen) Gedanken zum Buch von Pohlmann.
  2. In der gesamten bisherigen Koraninterpretation (wie sie von Pohlmann dargestellt wird) nimmt dieses Buch eine Sonderstellung ein, insofern es von vornherein konsequent die bisherige kanonische Interpretation mit ausschließlicher Inspiriertheit durch Mohammed zunächst einmal methodisch einklammert und sich die Texte anschaut, wie sie sich primär darbieten.
  3. Unter Anwendung von über 100 Jahren bewährten historisch-kritischen Methoden findet Pohlmann dann eine Fülle von Hinweisen, mittels deren die Unterstellung und ansatzweise Rekonstruktion von redaktionellen Prozessen im Rahmen der Korangenese möglich erscheint. Nach diesen Befunden gab es nach dem Tode Mohammeds sehr wohl kundige und gelehrte Kreise, die die Aussagen der ersten Koranversion(en) im Lichte von aktuellen Fragestellungen neu reflektiert haben und unter Einbeziehung neuer, zusätzlicher Traditionen die bisherigen Aussagen weiter entwickelt haben.
  4. Falls die Analysen von Pohlmann die Sachverhalte im Kontext der Entstehung des Korantextes angemessen beschreiben (seine Argumente lassen zunächst keine andere Deutung zu), dann öffnet sich ein Blick auf die Entstehung des Korantextes, der etwas mehr die menschlichen Prozesse hinter den historischen Phänomenen sichtbar macht. Was für die einen als ein Verlust erscheinen mag, ist für die anderen ein deutlicher Gewinn, da das Reden über Gott und die Bestimmung der Menschheit damit wieder näher an das tatsächliche Verstehen und Handeln der Menschen heranführt. Wenn die Menschen tatsächlich verantwortungsvoll mit dem geschenkten Leben, mit der geschenkten Schöpfung umgehen können sollen, dann nur, wenn sie genau diese Schöpfung und sich selbst hinreichend gut verstehen können. Andernfalls erscheinen sie wie ferngesteuerte Roboter, die nicht wirklich wissen, was sie tun, wenn sie etwas tun.
  5. Interessant ist auch die Perspektive, dass der Koran aufgrund seiner zeitlichen Stellung lange nach der jüdischen Thora und dem christlichen Alten und Neuem Testament schon eine mögliche friedliche Koexistenz zwischen dem jüdischen und dem christlichen Glauben im Koran angedacht hatte. So wie die christliche Tradition versucht hat, in ihrer Verkündigung die jüdische Tradition einzuordnen (eher durchgehend negativ, wegen der Abweisung und Verurteilung Jesu), so versucht auch die islamische Tradition das Judentum (sie haben durch ihre Verweigerung gegenüber Gott ihren Alleinvertretungsanspruch verwirkt) und das Christentum (es steht in der gemeinsamen abrahamitischen Tradition; Jesus ist bedeutsam aber hat keine Sonderrolle) zu vereinnahmen.
  6. Die Argumente sind – vom heutigen Standpunkt aus gesehen – sehr schlicht, fast naiv. Doch dies trifft auch auf die Positionierung des Christentums gegenüber den anderen Religionen wie auch auf die Positionierung des Judentums gegenüber den anderen Religionen zu. Während also die traditionellen Offenbarungsreligionen wie erstarrt seit nunmehr 2000 bzw. 1300 Jahren immer nur ihre Sonderrolle gegenüber den jeweils anderen beiden wiederholen, findet man erstaunlicherweise keine gemeinsamen – theologisch motivierte! – Bemühungen, die Gemeinsamkeiten in den drei großen Traditionen zu ergründen. Unter der Führung einer hoch entwickelten gesamteuropäischen islamischen Kultur gab es zwar in der Vergangenheit Phasen von gemeinsamer philosophischer und theologischer Praxis, die allem Anschein nach in die Richtung solch eines gemeinsamen Projektes einer universellen religiösen Kultur und Theologie ging, aber seitdem der Islam begonnen hat, sich selbst zu zerfleischen, seine eigene hochstehende Blütezeit vergessen hat und parallel die damaligen düsteren Denkwelten eines Papstchristentums Freiheit des Denkens und Wissenschaft verunmöglichten, seitdem verharren die großen Offenbarungsreligionen in einer Art Schockstarre.
  7. Wir können nur froh sein, dass sich neben und unabhängig von den großen religiösen Traditionen eine bürgerliche Gesellschaft in Europa entwickelt hatte, eine religionsfreie empirische Wissenschaft, ein Handels- und Wirtschaftsraum, neue politische Gesellschaftsformen, die einen offeneren Umgang mit Realität und Wissen begünstigt haben.
  8. Im Wechselspiel von Aufklärung und modernen Konzepten des Wissens profitierten zumindest Teile der christlichen Tradition von einem neuen, tiefer greifenden Verständnis religiöser Überlieferung, von Textkulturen, von Verstehensprozessen, von Erkenntnis, so dass Menschen heute eher einen Zugang finden können zum Wirken Gottes in seiner Welt als ohne diese Erkenntnisse.
  9. Allerdings, durch die massive Ablehnung und gar Verfolgung modernen Wissens seitens der Religionen tragen wir eine Erbe mit uns herum, das fatal erscheint. Obgleich die moderne Wissensformen auch dem religiösen Wissen entscheidende Grundlagen und Impulse geben könnten, versteht sich die moderne Wissenschaft aufgrund ihres wissenschaftlichen Freiheitskampfes bislang immer noch als Gegensatz zur Religion, als Bollwerk gegen wirklichkeitsverfremdendes religiöses Gedankengut. Nach der bisherigen Geschichte ist dies mehr als verständlich.
  10. Umgekehrt bieten die traditionellen Offenbarungsreligionen (Judentum, Christentum, Islam) bislang immer noch mehr negative Beispiele für den Umgang mit Wissen als positive. Wenn man sieht, wie der Islam (siehe oben) sich bis heute schwer tut, ganz banal die historische Entstehung der Koran-Texte offen zu untersuchen, dann mangelt es hier ja schon an der Wurzel an Offenheit, Vertrauen und Redlichkeit im Umgang mit der gemeinsamen Welt (jüdische und christliche Fundamentalisten stehen darin dem Islam sicher kaum nach).
  11. Durch diese wechselseitige Ausgrenzung blockieren sich alle Parteien gegenseitig. Die Frage, wer ‚Recht‘ hat, scheint hier gar kein Rolle zu spielen. Zu sehr hat man den Eindruck, dass es hier um Machtpositionen geht, um Einfluss, dem alles andere (vorweg die Wahrheit) bedenkenlos geopfert wird.
  12. Während sich so die die Offenbarungsreligionen gegen die Wirklichkeit zu immunisieren scheinen und damit der Gefahr eines theologischen Atheismus sehr nahe sind (oder schon mitten drin? d.h. unter dem Vorwand, es gehe um Gott, wird gerade die Sache Gottes mit Füßen getreten?), läuft die Maschinerie der modernen Wissenschaften aufgesplittert in immer mehr Spezialdisziplinen geradezu heiß und verliert grundlegende Zusammenhänge und übergreifende Fragen aus dem Blick. Die Zahl der grundlegenden Fragen, die die moderne Wissenschaft bislang nicht gelöst hat, nimmt eher zu. In einer Situation, in der die Ergebnisse von Wissenschaft, das neue Wissen, die neue Technologien, den Menschen selbst in Frage stellen, und nach grundsätzlichen Neubewertungen verlangen, kann das Verdrängen wichtiger Aspekte unseres Daseins für Zukunftsentscheidungen existenzbedrohend sein.
  13. Während man im Kontext der modernen Wissenschaften zumindest ahnen und hoffen kann, auf ungelöste Fragen doch noch Antworten zu finden, erwecken die traditionellen Offenbarungsreligionen mit ihrer geistigen Selbstabschließung eher den Eindruck, als ob sie sich aus eigener Kraft aus dieser Erstarrung nicht mehr lösen können. Bevor diese Religionen es nicht schaffen, ihre eigene reale und historische Existenz offen und unvoreingenommen anschauen und untersuchen zulassen (sozusagen als Selbstschutz, um sich nicht selbst etwas vor zu machen), wird es kein fruchtbares Wechselverhältnis mit den modernen Wissenschaften geben können. Letzteres wäre eine minimale Voraussetzung, um Gott – so es ihn gibt – tiefer verstehen zu können. Wer im Rahmen einer Offenbarungsreligion sagt, er glaube an Gott, aber seine Schöpfung, speziell das biologische Leben und damit den Menschen, hasst und zerstört, der vollzieht einen fundamentalen Widerspruch in sich.
  14. Das Buch von Pohlmann ist ein Glücksfall, wenngleich in manchen Passagen mit einigen Längen und Wiederholungen.

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